Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil. pß 127. 8. Juni ISIS. mit dem Sortimenter zu lösen und ihm, bedingt oder un bedingt, das Konto zu sperren«, rechtskräftig wird. Und dies würde in allen den Fällen geschehen, in denen Schleuderei verübt ist, ohne daß eine Geflissent - lichkeit nachzuweisen ist.. Aber selbst in dem Falle der Verurteilung kann es dem Ver leger füglich nicht zugemutet werden, die ganze, lange Zeit hin durch, die die Untersuchung, die Beschlußfassung und endlich die Aussührung durch die Hauptversammlung des Börsenvereins er fordert, dem Sortimenter weiter zu liefern und sich selbst zu schädigen. Daß die Verleger durch die Schleuderet sich — nicht nur die Sortimenter — für geschädigt ansehen, geht nicht nur aus der Unterstützung, die der Verlag der Bekämpfung der Schleuderei gewährt hat, hervor, sondern noch mehr aus der Tatsache, daß eine Abstellung der Schleuderei zuallererst von den Verlegern angeregt worden ist. Das Reichsgericht hat eine Verschuldung der Beklagten auf Grund § 828 BGB. auch deshalb verneint, weil zu berücksichtigen sei- „daß die Frage der Lieserungspflicht des Verlegers gegenüber einem gleich ihm dem Börsenverein Deutscher Buchhändler angehörenden Sortimenter eine der umstrittensten Fragen ist, und daß über diese Streitsrage hervorragende Autoritäten aus juristischem Gebiet, wie die beiderseits von den Parteien über reichten und sich direkt widersprechenden Privatgutachten be weisen, zu ganz verschiedenen Ergebnissen gelangen«. Diese sich widersprechenden Gutachten von Autoritäten auf juristischem Gebiete in der Frage der Lieserungspslicht sollte doch auch die Richter stutzig machen und sic verhindern, aus Grund einer Auslegung der Satzungen entgegen ihrem klaren Wortlaut eine Entscheidung zu treffen, die wenigstens im Buchhandel niemand als berechtigt ansehen wird. Der Einwand, daß die notwendige Folge der Annahme einer Lieserungspslicht des Verlegers, eine Annahmepslicht und Ver- wendungspslicht des Sortimenters, soweit er Mitglied des Börsen vereins ist, gegenüber jedem Verlegermitgliede des Börsenvereins sei, wird von dem Oberlandesgericht Dresden (in seinem Urteil vom 29. September 1909) doch etwas zu leicht abgetan. Das Urteil sagt wörtlich: »Aus dem hervorgehobenen Abhängigkeitsverhältnis, in dem der Sortimenter zum Verleger steht (nämlich ein bestimm tes Buch nur von dem Verleger dieses Buches beziehen zu können), ergibt sich ohne weiteres die Unrichtigkeit des von der Beklagten ausgestellten Satzes, daß, wenn das Bestehen eines Lieserungszwanges gegenüber dem Sortimenter unter der Voraussetzung der Zugehörigkeit beider zum Börsenverein behauptet werde, auch umgekehrt der Sortimenter für ver- pslichtet angesehen werden müsse, sich um den Verkauf jedes beliebigen, ihm von einem Verleger zugeschickten Werkes zu bemühen.« Wenn die Satzungen des Börsenvereins, wie die Urteile be- haupten, nicht in ihrem Wortlaut, wohl aber ihrem Sinne nach einen solchen genossenschaftlichen Geist atmen, daß »die Vertreter der verschiedenen Gruppen des zum Börsen verein gehörigen Buchhandels in engste Beziehung zueinander gerückt und zu einem organischen Ganzen mitein ander verbunden sind«, und ferner einem einzelnen Mitglieds des Börsenvereins »einenr anderen Mitglieds, das seiner Mitwirkung notwendig bedarf, um in normaler Weise seine ge schäftlichen Bedürfnisse zu befriedigen, nicht gestattet ist, diese Befriedigung zu versagen. Die Mitglieder haben sich gegenseitig als Genossen anzusehen und entspre chend ihr Verhalten einzu richten«, und dieser genossenschaftliche Geist den Ver - legermitgliedern des Börsenvereins die Ver pflichtung auserlegt, an jedes Sortimenter mitglied ihre Berlagsartikel zu liefern, so ist es mir unverständlich, daß jedes Sortimentermitglied des Börsen vereins berechtigt sein soll, eine Annahmepslicht und Verwendung?- Pflicht für Berlagsartikel jedes Börsenvereinsmitgliedes abzu- lehnen. Das Urteil folgert die Berechtigung hierfür aus der ganz an deren Stellung, die der Verleger dem Sortimenter gegenüber einnimmt. »Ganz anders der Verleger. Er kann sich aus der großen Zahl von Sortimentern, die es gibt, diejenigen auswählen, die ihn, am geeignetsten für den Vertrieb seiner Artikel erscheinen. Weigert sich ein Sortimenter, den Vertrieb zu übernehmen, so sind noch eine Menge anderer Sortimenter da, die die Lücke aussllllen. Außerdem (kann) der Verleger seinen Verlag (direkt) an das Publikum heranbringen.« Jeder, der mit den Verhältnissen im Buchhandel einigermaßen vertraut ist, wird diese ganze Darlegung als graue Theorie bezeich nen müssen. Es ist nur zu bekannt, wie schwer es häusig nicht nur kleineren Berlagshandlungen fällt, eine größere Anzahl Sorti menter zur Arbeit für ihren Verlag zu bewegen. Selbst der Kon ditionsbezug wird abgelehnt. Aber dies ist nicht das Entscheidende, sondern die logische Notwendigkeit, aus der behaupteten Liefe- ruugspflicht des Verlegers aus Grund des Geistes der Satzungen des Börsenvereins eine Annahme- und Verwendungspflicht des Sortimenters zu fol gern. Freilich würde eine Durchführung an den Tatsachen schei tern, wie eine Durchführung des Prinzips der Lieserungspslicht des Verlegers ebenfalls an den Tatsachen scheitern muß. Das Berusungsurteil erklärt als entscheidend, daß derZweck des Vereins vollkommen vereitelt würde, wenn die Lieferungspflicht nicht anerkannt wird! Seit Annahme der neuen Satzungen ist beinahe ein Vierteljahrhundert vergangen, nicht nur ohne daß die Lieserungspslicht anerkannt worden ist, sondern unter ihrer vollkommenen Leugnung; trotzdem ist der Zweck des Börsenvereins nicht vereitelt worden, er hat seinen Zweck jn ausreichender Weise erfüllt! (Schluß folgt) Kleine Mitteilungen. Änderung des PosttaxgcsetzeS. — Der »Deutsche Reichs anzeiger« vom 2. Juni ISIO veröffentlicht folgendes Gesetz, be- treffend Änderung des Posttaxgesetzes, vom 22. Mai 1910: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ec. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt: § 8, zweiter Absatz, des Gesetzes über das Posttaxwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28- Oktober 1871 chteichsgesetz- blatt S. 3S8) erhält unter Aushebung des Gesetzes vom II. März 1901, betreffend Änderung des Gesetzes über das Posttaxwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (Reichsgesetz- blatt S. IS), nachstehende Fassung: Gebühren für Postscheine über die Einlieferung von Sen dungen zur Post und Packkammergeld sowie Nachgebühren für abzuholende Briese und sonstige Gegenstände sind nicht zu er heben. Die Postverwaltung ist jedoch zur Erhebung einer Gebühr berechtigt, wenn aus Antrag dem Absender über die Einlieserung gewöhnlicher Pakete ein Postschein erteilt oder dem Empfänger abzuholender Postsendungen ein ihm unmittelbar zugängliches, verschließbares Abholungssach überlassen wird. Die Bedingungen für die Erteilung von Postscheine» über gewöhnliche Pakete und für die Überlassung verschließbarer Abholungssächer werden durch die Postordnung festgesetzt. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Buckingham Palace London, den 22. Mai 1910. (1-. 8.) Wilhelm. von Bethmann Hollweg.