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^ 127, 6, Juni 1910. Nichtamtlicher Teil. lediglich ein wörtlicher Abdruck des Artikel 279 des alten, bzw, §346 des neuen Handelsgesetzbuches und soll besagen, daß die Vcrkehrs- ordnung eine Sammlung der Gebräuche und Gewohnheiten des Buchhandels sein soll, er will aber auch besagen, daß die Hand lungen und Unterlassungen von Buchhändlern rechtlich so be wertet weiden sollen, wie sie gemeint sind, und wie die Vertrags schließenden gewollt haben, daß sie ausgesaßt werden. Wenn also trotz des § 28 der Verkehrsordnung, der dem Verleger das Recht gibt, jederzeit unter gleichzeitiger Anzeige den Rechnungs- verkehr einzuschränken oder in Barverkehr umzuändern, der Verleger verpflichtet sein soll, jedem Genossen ohne weiteres zu liefern, so würde dies zum mindesten einen Widerspruch bedeuten. Der Grundirrtum des Urteils liegt meines Erachtens darin, daß es nicht anerkennen will, daß der genossenschaftliche Geist, der im Börsenverein herrschen soll und herrscht, nicht seine Schran ken finden soll in positiven Bestimmungen der Satzungen und der Berkehrsordnung, und daß es behauptet, daß aus dem Zweck und Wesen des Börsenvereins unter Berücksichtigung seiner Entwick lungsgeschichte usw, etwas gefolgert wird, wofür ein Beweis nicht erbracht zu werden braucht. Ich habe mit Berufung aus Verfassung und bürgerliches Recht ausgeführt, daß eine Verpflichtung, wie sie das Oberlandesgericht in Dresden dem Verleger auserlegen will, ihn seines Eigentums rechtes vollkommen berauben würde. Auch die Berufung auf den Monopolcharakter des Buches geht fehl. Abgesehen davon, daß eine große Anzahl Bücher — und heute mehr als je —, durch andere ersetzt werden können, so haben die Entscheidungen, die von dem Verbände der Fabrikanten von Patentartikeln gegen ein Warenhaus erstritten sind, gezeigt, daß auch die Gerichte der Anschauung huldigen, daß ein Monopolinhaber nicht gezwungen ist, seine Er- zeugnisse jedem Händler, der ihrer zu seinem Geschäftsbetriebe bedarf, zu verkaufen. In dieser Beziehung steht der Marken- oder Palentartikel dem Buche gleich; beide sind nur von seinem Produ zenten zu beziehen und lassen sich nicht beliebig durch ein anderes Erzeugnis ersetzen. Daß die betreffenden Verlagsartikel nur von dem einen Verleger zu beziehen sind, und daß der Sortimenter ihrer unbedingt zu dem ordnungsmäßigen Fortbetriebe bedars, kann somit kein Grund sein, den Verleger zwangsweise zu ihrer Ab gabe zu verpflichten. Überhaupt kann eine Lieserungspflicht nur dann in Frage kommen, wenn sie ausdrücklich durch Gesetz oder Vertrag fest gelegt ist. Durch Gesetz geschieht dies nur, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, niemals aber ein Privatrechtliches, So be stimmt § 423 HGB,, daß eine dem össentlichen Güterverkehr dienende Eisenbahn die Übernahme von Gütern zur Beförderung nicht verweigern dars usw. Hier liegt ein ganz besonderes össent- liches Interesse vor, insofern eine Eisenbahn dem össentlichen Interesse dient und deshalb jeder Staatsbürger, der sich den gelten den Beförderungsbedingungen und sonstigen allgemeinen An ordnungen der Eisenbahn unterwirft, in der Lage sein muß, sie zu benutzen, um so mehr, als das Monopol, das die Eisenbahn ge- nießt, eine Beförderung aus anderem Wege, wenigstens einem solchen, der auch nur im entferntesten gleiche Vorteile bietet, aus schließt. Ebenso verpflichtet § 11 des Patentgesetzes den Patentinhaber, die Erteilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung zu ge währen, und das Patent kann nach Ablaus von drei Jahren zurück genommen werden, wenn der Patentinhaber sich dessen weigert. Aber auch dies ist nur zulässig, wenn die Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse liegt, z, B, zur Förderung der heimischen Industrie, Deshalb ist die Zurücknahme des Patents stets ab hängig zu machen von der Verletzung des für die gemeine Wohl fahrt wesentlichen Interesses der Gewerbtätigkeit der inländischen Gewerbtreibenden, Also auch hier kommt lediglich das ösfentliche Interesse in Frage, nicht aber private Interessen, Ehe ich der Frage näher trete, ob ein Verleger in jedem Falle verpflichtet ist, bei Schleudereiverdacht die Entscheidung des Börsenvereins einzuholen, bzw, bis zu dieser Entscheidung dem Verdächtigten weiterzuliesern, weise ich noch darauf hin, daß nicht nur Schleudereiverdacht die Ursache der Auslösung einer Geschäfts verbindung zu sein braucht. Es seien, lediglich als Beispiele, folgende Fälle angeführt: 1, Ein Sortimenter hat so geringen Absatz von der Ware des Verlegers, daß eine regelmäßige Geschäftsverbindung und Konto führung dem Verlage nicht erwünscht erscheint. Er hebt deshalb die Rechnungsverbindung auf, liefert ihm aber auch nicht gegen bar, in der Absicht, dadurch die Vertriebsfähigkeit der andern Sortimenter, namentlich der derselben Stadt, zu stärken, 2, Ein Sortimenter macht einem Verleger Unbequemlich keiten durch schikanöses Verhalten, unberechtigte Ansprüche u, a. 3, Ein Sortimenter verletzt einen Verleger durch direkte wört liche oder tätliche Beleidigungen, 4, Ein Verleger ist in einer Stadt bereits ausreichend ver treten, Ein neuer Kollege etabliert sich. Muß der Verleger diesem auch liefern, wenn er Börsenvereinsmitglied ist? Der erste von mir angeführte Fall wird praktisch nicht zu häufig eintreten: der Verleger wird im allgemeinen dem Sortimenter gegen bar weiter liefern. Dagegen kommen der zweite und nament lich der dritte Fall öfters vor, Soll da der genossenschaftliche Geist in dem Verleger so lebendig sein, daß er mit dem Schikaneur oder gar mit dem Beleidiger, der vielleicht durch Gerichtsurteil wegen der Beleidigung bestraft ist, in irgendeinem Geschäftsverhältnis weiter zu stehen verpflichtet ist? Diese Frage stellen heißt sie verneinen. Der zweite Grundsatz, den das Oberlandesgericht in Dresden ausgestellt hat, will den Verleger verpslichten, die Entscheidung der Frage, ob sich der Sortimenter des geflissentlichen Schleuderns schuldig gemacht hat, ausschließlich dem Börsenvereine überlassen. Dies geschieht auch Heute schon, die Untersuchung, ob eine ge flissentliche Schleuderei vorliegt, wird dem Börsenverein überlassen, der nach Lage der Sache die satzungsgemäßen Folge rungen zu ziehen hat. Es wäre also unzulässig, wenn ein Verleger die übrigen Verleger aussordern wollte, dem betr, Sortimenter nicht zu liefern, ihn zu boykottieren. Eine Schleuderei kann aber vorliegen, ohne daß die Geflissentlichkcit nachweisbar ist. Es kann im Interesse des Verlegers liegen, mit einem Sortimenter, der geschleudert hat, den Verkehr abzubrechen, um seine übrigen Ab nehmer zu schützen und sich selbst nicht zu schädigen. Der betreffende Sortimenter kann in einer Art arbeiten, die durch die Satzungen und Ordnungen des Börsenvereins nicht verboten sind, die aber dem betreffenden Verleger Anlaß zu der Vermutung geben, daß diese Arbeitsmethoden ein Schleudern begünstigen oder ermög lichen, Soll er da verpflichtet sein, selbst wenn die Untersuchung durch den Börsenverein kein Ergebnis verspricht, den ihm un sympathischen Manipulationen des Sortimenters ruhig zuzusehen und sich und seine anderen Abnehmer zu schädigen? Es ist sogar denkbar, daß die zu Beanstandungen Anlaß gebende Arbeitsweise des Sortimenters den Satzungen und Ordnungen des Börsenvereins gegenüber einwandfrei ist, so daß ein Ein schreiten des Börsenvereins ausgeschlossen ist. Der Verleger nimmt aber mit Recht oder mit Unrecht an, daß diese Manipula tionen seine anderen Abnehmer und dadurch ihn selbst schädigen, und hebt aus diesem Grunde die Verbindung auf. Dies ist nur eine Konsequenz seines Rechts an seinem Eigentum, das ihm gestattet, mit der Sache nach Belieben zu Verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen <§ 993 BGB,), Soll auch da der genossenschaftliche Geist ihn zwingen, direkt gegen seinen Vorteil zu handeln? Dies geschieht aber, wenn der dritte Grundsatz, den das Ober landesgericht zu Dresden aufgestellt hat, daß »der Verleger, solange nicht der Börsenverein dis Ausschließung des der geflissentlichen Schleuderei bezichtigten Sortimenters beschlossen hat, nicht befugt ist, einseitig die Geschäftsverbindung 8K8'