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6702 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 127, S. Juni ISIS. Ordnungen des Börsenvereins ihnen ein Einschreiten ermöglicht hätte. Der Verleger S. hotte jedoch in seinem Interesse, ebenso wie in dem des Sortiments, die weitere Verbindung mit F. aufgehoben und aus jeden Verkehr mit F. verzichtet, bis wirkliche Garantien gegeben würden, daß neue Werke seines Verlages nur zu den festgesetzten Preisen verkauft werden. Da die Firma F. sich weigerte, hierauf einzugehen, stellte S. die Lieferungen ein und untersagte auch den Barsortimsntern, Bücher aus seinem Verlage an die Firma F. ferner zu liefern. Die Firma F. hat deshalb im März 190K Klage erhoben und Schadensersatz verlangt, ferner auch beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in einem Rundschreiben an die Buchhändler die Sperre des Kontos wieder auszuheben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin, ebenso wie die von der Klägerin eingelegte Revision, zurückgewiesen. Durch Urteil vom 18. März 1909 hat das Reichsgericht das Urteil des IV. Zivilsenats des Königlich sächsischen Oberlandes gerichts Dresden vom 14. Februar 1908 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Regelung und Entscheidung an das Berufungs gericht zurück- und an dessen VIII. Zivilsenat verwiesen. Dieser Senat hat durch Urteil vom 29. September 1909 die Beklagte verurteilt, in einem durch das Börsenblatt zu veröffentlichenden Rundschreiben die Sperre des Kontos gegenüber der Klägerin wieder aufzuheben; das jetzt erkennende Berufungsgericht hat für das Rechtsverhältnis zwischen Sortimenter und Verleger, falls beide Mitglieder des Börsenvereins der deutschen Buchhändler sind, folgende drei Grundsätze aufgestellt: 1. Der Sortimenter hat in seiner Eigenschaft als Vereinsmit- glied das Recht, von dem Verleger die Lieferung seiner Ber- lagswerke zu den von ihm festgesetzten besonderen Bezugs' bedingungen und, soweit solche nicht bestehen, zu den für denVerkehr der Sortimenter und Verleger untereinander sowie der Sortimenter gegenüber dem Publikum satzungs gemäß geltenden allgemeinen Bestimmungen j Verkehrs ordnung, Restbuchhandelsordnung) zu verlangen. 2. Die Frage, ob sich der Sortimenter des geflissentlichen Schleudern? schuldig gemacht hat, ist ausschließlich von dem Börsenverein in dem durch die Satzungen vorgesehenen Ver fahren, nicht aber von dem einzelnen etwa davon betroffenen Verleger zu entscheiden. 3. Der Verleger ist, solange nicht der Börsenverein die Aus schließung des des geflissentlichen Schleuderns bezichtigten Sortimenters beschlossen hat, nicht besugt, einseitig die Ge schäftsverbindung mit dem Sortimenter zu lösen und ihm, bedingt oder unbedingt, das Konto zu sperren. Das Berufungsgericht erklärt, daß die Gültigkeit dieser drei Grundsätze nicht lediglich aus allen einzelnen in den Satzungen des Börsenvereins oder der Verkehrsordnung enthaltenen Be stimmungen im Wege logischer Schlußfolgerung, sondern vor allem aus dem Wesen und Zweck des Börsenvereins unter Berücksichti gung seiner Entwicklungsgeschichte, aus dem Geist der Satzungen des Vereins und aus der Eigenart des wirtschaftlichen Verhält nisses herzuleiten sei, das infolge des monopolartigen Charakters des Buches als Ware zwischen Sortimenter und Verleger bestehe. Das Berufungsgericht sagt, daß der genossenschastliche Geist aus der geschichtlichen Entwicklung des Börsenvereins herzuleiten sei, der zu einer Vereinigung sämtlicher Glieder des Buchhandels behufs Förderung der g e s ch ä s t l i ch e n Interessen der Vereins genossen geschlossen worden sei und zu diesem Zweck sich die Pflege des genossenschaftlichen Geistes unter seinen Mit gliedern besonders angelegen sein lasse. Das Berufungsgericht erkennt also an, daß es keine positive Bestimmung gäbe, die eine Verpflichtung, wie sie oben skizziert ist, anbefehle. Dann folgert das Berufungsgericht aus der Entwicklung und der durch die verschiedenen Satzungsänderungen gesteigerten Machtsülle des Vorstandes des Börsenvereins, daß dein einzelnen Mitgliede auch Beschränkungen auserlegt seien, von denen die Satzungen nichts wissen, ebensowenig wie die Verkehrsordnung, lediglick aus dem genossenschaftlichen Charakter des Börsenvereins heraus. Dem ist entgegenzuhalten, daß dieser genossenschastliche Charak ter des Börsenvereins doch nicht genossenschaftlicher sein kann als der anderer Genossenschaften und daß es in der ganzen Genossen- schastsgesetzgebung und Genossenschaftsentwicklung keine Beispiele einer ähnlichen Unterordnung des einzelnen Mtgliedes gibt, es sei denn, daß eine solche Unterordnung ausdrücklich in den Satzungen oder Ordnungen der betreffenden Genossenschaft ausgesprochen ist. Die Satzungen des Börsenvereins führen in detailliertester Weise die Rechte und Pflichten des einzelnen Mtgliedes auf und vergessen nicht einmal die Bezahlung des von der Hauptversamm lung zu bestimmenden Eintrittsgeldes, sowie die Bezahlung der Jahresbeiträge als Pflichten aufzuführen, obwohl diese Pflichten doch eigentlich selbstverständlichere sind, als die vom Berufungs gericht als solche festgestellte Lieferungspflicht. § 1, der von dem Zweck des Vereins handelt, und dessen zweiter Absatz als solchen die Pflege und Förderung des Wohles, sowie die Vertretung der Interessen des deutschen Buchhandels und seiner Angehörigen im weitesten Umfange bezeichnet, dürfte kaum zur Stütze der Liefe- rungspflicht des Verlegers verwendbar sein. Der Zweck soll die Förderung des Berusswohles sein, während die Lieferungspflicht dem Verleger nicht nur eine einfache Verpflichtung auserlegen, ihm vielmehr die Verfügung über sein Eigentum entziehen oder wenigstens ganz erheblich beschränken würde. Artikel 9 der Preußischen Verfassungsurkunde lautet: »Das Eigentum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen in dringenden Fällen wenigstens vorläufig ssstzustelltznde Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.« 8 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches definiert Eigentum fol gendermaßen: »Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Be lieben Verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.« Auch die Mittel zur Erfüllung dieses Zweckes werden in dem selben Paragraph der Satzungen ausführlich erläutert, namentlich auch die Feststellung allgemein gültiger Geschäftsbestimmungen im Verkehr als solche bezeichnet, endlich im 4. Absatz der Belebung des genossenschaftlichen Geistes der Orts-, Kreis-, Verleger- und Kommissionär-Vereine gedacht. Die Pflichten der Mitglieder sind im 8 3, die Rechte in § 4 der Satzungen ausführlich dargelegt, es findet sich aber in allen diesen Sätzen nicht die Spur davon, daß eine Lieserungspflicht des Ver legers dem Sortimenter gegenüber, insoweit sie beide Mitglieder des Börsenvereins sind, bestehen solle. Die Verpflichtung, an jeden Genossen zu liefern, und zwar so lange zu liefern, bis der Börsenverein durch Ausschließung den Verleger von seiner Ver pflichtung befreit, ist doch eine so weitgehende, daß es kaum zu ver stehen sein würde, daß Verleger und Sortimenter bei Schaffung der Satzungen es übersehen haben sollten, eine solche Verpflichtung festzustellen. Auch unter den Rechten der Mitglieder, die in 8 4 in acht besonderen Punkten festgestellt sind, findet sich nirgends auch nur eine Spur, daß ein Sortimentermitglied das Recht habe, den Bezug von Verlegerartikeln eines jeden Verlegers zu erzwingen, solange er seine Verpflichtungen gegen den Verleger erfüllt, bzw. die dem Börsenvsrein gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nicht verletzt. Die buchhändlerische Verkehrsordnung, die ebenso wie die Satzungen verschiedene Umarbeitungen erfahren hat, erklärt ihren Zweck in 8 1. Sie stellt als die darin geregelten Rechtsverhältnisse die allgemein im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Ge bräuche fest, auf die in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen unter Buchhändlern Rück sicht zu nehmen ist. Wie auch das Urteil erwähnt, ist dieser Satz