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Wilsdruffer Tageblatt : 07.06.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192506070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19250607
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19250607
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-06
- Tag 1925-06-07
-
Monat
1925-06
-
Jahr
1925
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 07.06.1925
- Autor
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! O i Ilm heimilcken fiercl! K! !i o W : ; RU " ! " - Unterbsltungsbestage rum „lvUsSmIfer Lsgebistt" — Amtsblatt. - IS - - ! Iß 7näi5cke Sergfakrt. Von John Freeman. China hatte ich verlassen, seine Absonderlichkeiten wirkten noch in mir nach wie wunderliche Traume. Nach langer Reise, aus welcher ich Hinterindien sah und die Märcheninsel Java durchquerte, gelangte ich über Borneo nach dem weltentlcgcnen Molukkenmeer. Wochenlang war ich aus azurblauen, unbewegten Wassern an prachtvollen Inseln vorübergczogen. Nun betrat ich die niederländisch-ostiudische Ansiedlung Menado aus Celebes: Luftige Holzhäuser schimmern weiß durch üppiges Grün tro pischer Gewächse. Hohe Palmen wiegen sich im leichten Wind, Pisaugstauden wölben ungeheuer lange Blätter über stille Wege. Im Eiugeboreuendorf, dem Kampong Malayn, lungern Alfuren, Javaner, Chinesen, Araber und Saugiresen umher. Plattnasige Händler, braune Gesellen, friedliches Volk. Unerträglich ist die sengende Sonne, welche vom grauen, wolkenlosen Himmel strahlt. Wie still es überall hier ist. Der indische Ort liegt wie im lethargischen Schlaf. Doch abends wird es im Klubhause lebendig. Hier finden sich die Weissen ein, trinken Whiskysoda, spielen L'hombre und Billard. Am Strand aber fächelt der kühle Abend wind die schlanken Palmen im Mondschein. Bianchi, der Mischling, pockennarbig und zimtbraun, fuhr am anderen Tage in die Berge mit seinem leichten Gespann. Er stand gerade vor dem Garteneingang des Missionars, sprach mit diesem und lud mich ein. mit ihm in die Berge zu fahren. Und so, am nächsten Morgen früh mich erhebend, bestieg ich den „Break", davor zwei Braune mit leicht dampfenden Nüstern standen. Gerade stieg die Sonne purpurrot im Osten herauf, warf Kupferglanz auf das blauschwarze Meer und goldigen Schimmer auf glatte Palmenstämme. Ein aus dem Schlaf ge weckter Gäcko, eidechsenhast zu sehen, eilt unhörbar den rissige« »stamm des Chinabaumes hinauf. Bianchi, der fröhliche Misch ling, zeigt frohlachend sein Weitzes Gebitz. Im Nu haben wir beide auf dein Nohrbänkchen oben Platz genommen; die Zügel ergreifend, läßt mein Begleiter die Peitsche leicht über den Rücken der Gäule streifen, und fort geht es den wohlgcpflegten, breiten Pfad durchs schlafende Menado dahin auf noch ebenem Wege nach Aper Medidi. Wie herrlich kühl ist der Morgen! Bald sind wir inmitten der paradiesischen Welt; hinter uns zurück blieben die Stätten der Menschen. Allein mit der Natur, der allmächtigen, erhabenen! Vor uns, sichtbar vom Fuß bis zum Gipfel, der ebeumätzige Bergkegel des Klabat. Die einst so mächtig in ihm tosende Glut scheint erloschen. Die Hänge sind bedeckt mit undurchdringlichem Urwald. Nur der Gipfel steigt nackt und unwirtlich aus dem Dunkelgrün der Wälder unten auf. Tiefe Schlünde durchziehen das graue Gestein dort oben. Zu unserer Linken als auch zur Rechten erhebt sich lang gestreckt ein Bergzug von der Küste ins Land hinein. Dort oben wollen wir in langsam ansteigender Bergfahrt hinauf. Nahe umgibt uns die tropische Pracht des äquatorialen Ostindien: Papauabäume, schlank, schön gewachsen, nicht hoch. Aus gezackten Blättern hervor blicken die grünen, melonenartigen Früchte. Tamarindcnbäume hier und da; der Rasamalah erhebt sich zu ungeheurer Höhe. Zwischen den Bäumen seltsame Sträucher, Farnbäume mit schuppigem Stamm, riesenbaste Stauden, leuchtend rote und blaue Blumen. Und kein Tiger, wie sonst in Ostindien, dräut in diesem Landstrich dem Wanderer. Zwei Stunden sind wir gefahren. Die Glut nimmt all mählich zu. Wir kommen vorüber an Holzhütten. Ein Wildbach tost weitzschäumend an uns vorbei. Er gibt dem Ort hier den Namen: Ayer Medidi, das „brausende Wasser". Und nun geht's mehr und mehr bergan. In langen Windungen zieht sich der Pfad die Höhen hinan. Palmeuhaine stehen stumm in der unbewegten Luft. Felsenpartien, kahl, brennendheiß im Sonnenglanz liegend, wechseln mit gras bewachsenen Hängen, mit Erdflecken von tropischer Ueppigkeit. Ein Wasserfall stürzt rauschend in den nahen Abgrund, aus den Wänden der Schlucht wachsen ungeheuer lange Lianen hervor; sie hängen wie Perlenschnllrc hinab in den gähnenden Schlund. Ein brannhaarigcr Affe schwingt sich von Zweig zu Zweig, erblickt uns, zeigt das weiße Gebiß und faucht. Höher und höher geht die Fahrt. Die Sonne sticht, und, die Pferde anhaltend, legen wir beide. Bianchi und ich, je ein tellergrotzes Stück eines Bananenblattes auf den Kopf, danach den weißen Tropenhelm wieder aufsetzend. Ein handgroßer, stahlblauer, rotpunktierter Schmetterling schwebt unhörbar, gleich einer fliegenden Blüte, an uns vorüber, um sich alsdann auf jene langgcstielte, brennendrotc Blume unter dem schattigen Plimbing- baum niederzulassen. So iahren wir noch Stunden. Es wird kühler, je höher wir beigen. Die Braunen sind dennoch bedeckt mit Schweiß. Der runde Rücken glänzt. Endlich sind wir oben. Die Gäule verschnaufen ein wenig. Ein Alfure, ein Sohn dieser Berge, trabt mit elastischem Schritt barfüßig vorüber. Sein Malaien gesicht mit der platten Nase, den etwas dicken Lippen bleibt im Schatten seines ungeheuren, schirmartigen Hutes aus gefloch tenem Reisstroh. Er ruft: „Llamat itot-ms!" (Willkommen!) Dann, vertraulicher: „vi mono, llu-m 'busn?" (Woher des Wegs, ihr Herren?) Einfach ist die Sprache dieser Naturkinder, einfach wie ihr Gemüt. Vor weniger denn hundert Jahren waren es Kopfjäger, doch die Missionare haben diesen wundervollen Land strich in ein von gläubigen Christen bewohntes Land um gewandelt. Oft hörte ich die Jünglinge und die jungen Mädchen der friedlichen Kampongs, der Dörfer hier oben, in Gruppen psalmsingend im magischen Glanz des Mondes über die stillen abendlichen Wege der Bergdörfer ziehen. Die braven Pferde haben sich verschnauft, wir selber, eine Kokosnuß durch Wurf von der Palme holend, öffnen die Frucht mit Geschick, trinken die Milch, verzehren ein paar Bananen der Pisangart „Pisang Radjah" und fahren frohen Herzens weiter. Wir ziehen vorüber an dem herrlichen Talaga di Ton dano, dem tiefblauen Tondanosee, darin sich die Berge spiegeln. Nings am See weite Flächen wogender Reisfelder. Drüben steigt der Tampussu auf, Wiesen bedecken seine Hänge, der Lokon drüben stößt Rauch in steiler Säule aus seinem Gipfel. Eine Reismühle klappert. Alfuren, halb nackt, tragen gefüllte Säcke mit Paddi vom Kahn in die Mühle, andere schleppen den ge schälten Reis, den Uassi, zum harrenden Gefährt des Reis händlers. Die Wege hier oben sind in bestem Zustande. Es könnten Automobilstraben sein. Doch — wer von diesen Paradiesesmenschen vernahm je von solchem Fahrzeug? Hier und da in den Dörfern wird Rast gemacht. Wir wohnen bald für eine Nacht in der Fremdenherberge, dem luftigen Pasangrahan, einem Holzbau, bald beim Dorfhäuptling, dem Hukum Besar, wenn der Ort von einiger Ausdehnung ist, dem Hukum Kadua, wenn es sich um ein kleines Dorf handelt. Der Reis, den sie uns vorsetzen, ist so sehr gepfeffert, daß ein soeben aus Europa Angekommener, der die Sitten dieses Landes noch nicht kennt, glauben würde, man wolle ihn vergiften. Salzige kleine Fische sind in dem Reis, auch Geflügel, gekochte Eier, gebratene Bananen. Manchmal gibt es auch ein sonder bares Kraut mit einer milchig weißen Flüssigkeit begossen. Dieses Gericht heißt Bami und macht noch heißer im Schlund als das ostindische Reisgericht. Und dann kommt die Dunkelheit, die Nacht der Tropen! Unzählige Glühkäfer durchziehen die laue Lust, ein Nachtvogel schreit, ein Affe, irgendwo im Dickicht versteckt, kreischt, ein Eber, Babi Rusa genannt, bricht knackend durchs Gezweig. Dann ist es wieder still, und man hört, wie es von den Zweigen tropft, denn nachts ist hier der Tau so schwer, daß er sich wenige Stunden nach Sonnenuntergang in Tropfen niedersetzt. Dann geht der Mond auf, leuchtend und schön. Sein magischer Schein liegt auf der verträumten indischen Landschaft. Ueber den be schienenen Weg läuft ein schwarzer Skorpion Mit nach vorn gebogener langer Angel, daran der giftgefüllte Stachel sitzt. Und allmählich flammen im Alfurendorf die Feuer der Ein geborenen vor den Hütten auf. Wie Silhouetten bewegen sich die Menschen dori. Der würzige Duft von trennenden Räucher- hölzern durchzieht sinnverwirrend die Luft. Vor dem Schlafengehen trinken wir ein Glas des in Bambus hülsen gegorenen Palmsaftes, der Sagoweer heißt, herbsüß, milchig, berauschend. Und draußen beginnt der schrille Sang der tropischen Grillen, schnarrende, schleifende, durchdringende Töne. ES ist, als seien ringsum Scherenschleifer heftig am Werk. — — — Der ungalante Kekegast. Skizze von Hans Waldau. Das Frühlingswetter hatte uns mit Reisefieber erfüllt, und das Gespräch drehte sich schon seit ein paar Stunden um die Pläne, die der einzelne für die kommenden Monate hatte. Da erzählte Johannes Abel, der älteste unter uns: „Vielleicht bin ich schon zu viel gereist, um die Begeisterung noch aufbringen zu können, mit der ihr Karten und Führer studiert. Immer fand ich, daß das Schönste an der Reise doch die Freude auf das Nachhausekommen ist. Gewiß, man sieht unendlich viel, erlebt viel, aber gerade dann, wenn Kopf und Herz die Fülle der Eindrücke kaum noch bergen können, wird man müde wie beim Durchblättern eines umfangreichen Bilder buches. Und man denkt an eine stille Stunde daheim bei Musik oder einer köstlichen Dichtung ... Nur einmal wollte auf der Heimfahrt nicht das gewohnte Gefühl zu mir kommen, das mich dann in Gedanken an das vor mir Liegende gleichgültig gegen meine Umwelt macht. Da« vor zwei Jahren auf einem Dampfer von Boston nach Liverpool. Keine erfreuliche Nachricht war aus der Heimat zu wir ge kommen, keine. Not, Hoffnungslosigkeit, Zwist schienen den Geist der Menschen gelähmt zu haben. Aus den wenigen Briesen, die ich erhielt, sprach die Lethargie eines verwelkten Gartens. Und das ist schlimm für einen, der ehedem die Wochen zählte, bis er den Dampfer nach Hauss besteigen durfte. Die Passagiere auf dem Schiff verhielten sich alle sehr reserviert. Die ungeklärten politischen Verhältnisse hielten jeden ab, seine Nationalität zu betonen, und man bediente sich durch weg der englischen Sprache. Mochte man auch dis Herkunft des einen oder anderen leicht erkennen, so empfand man es doch angenehm, daß wenigstens hier auf dem schwankenden Boden des Schiffes jeder bemüht war, zugunsten der nun einmal auf einer längeren Seereise nötigen Unterhaltung möglichst neutral zu erscheinen. Und so saß man mit Engländern, Schweden, Ruffen und sprach von Erdbeben, Richard Wagner, neuer Bau kunst und Sport. — Eine junge Dame war unter uns, schön, schlank, elegant. Wenn man sie hörte oder sah, hatte man ungewollt eine Vision: Paris — Boulevards — Tanzsäle. Sie konnte es nicht ver leugnen. Aus all ihren Bewegungen, ihrer Koketterie, der jetzt bewußt kühlen, dann wieder nervös flatternden Stimme verriet sich der aus Geist und Dekadenz gemischte Typ der modernen Französin. Weiß Gott, was sie drüben gemacht Hot. Auf dem Dampfer schien sie es jedenfalls daraus angelegt zu haben, in den Köpfen aller Männer Verwirrung anzustiflen. Ich gestehe beschämt ein: es wurde ihr oftmals leicht. Aber das Empfinden, Aufmerksamkeit erregt zu haben, bewundert zu werden, schien ihr schon zu genügen. Niemand konnte von sich sagen, einem anderen gegenüber bevorzugt worden zu sein. Einem Passagier nur schien die Französin — nennen wir sie kurz Juliette — besonderes Interesse zuzuwenden. Es war ein blonder Herr von etwa 35 Jahren, den ich für einen schwe dischen Lehrer hielt und der sich gerade dem Wettlauf um die Gunst der schönen Frau ferngehalten hatte. Man sah die beide» viel allein, und es schien, als erzähle der Mann oft von seiner Heimat oder von bedeutenden Werken, denn Juliette hörte an dächtig zu. Kehrte sie aber zu der übrigen Gesellschaft zurück, war sie ausgelassener und freundlicher als früher, und es gehörte nicht viel dazu, um zu erkennen, daß hier eine Frau einen ehr geizigen Kampf gegen die Selbstsicherheit eines Mannes führte. Ihr könnt mir glauben, daß ich das ungleiche Paar wcd-r belauscht noch beobachtet habe. Das Intermezzo muß:e ja ohnehin bald ein Ende haben. Aber ein Zufall wollte es, daß ich einmal auf Deck Zeuge eines Gesprächs wurde . . .: „Nichts wollte ich drüben," sagte die junge Frau in hitzigem, erregtem Tone. „Einfach weggelausen bin ich diesem Menscki-n. der sich jahrelang rühmen konnte, mein Gatte zu fein. Din ich verpflichtet, still zuzusehen, wie er mich betrügt? O. er war ja so unklug, so unvorsichtig. Ich habe Beweise, mit denen jedem Anwalt ein Scheidungsprozeß zum Kinderspiel wird. Ich wußte, daß » Briefe^empfängt, aber es gelang mir nie, sie zu finden, er sich etwas berauscht hatte, in seinen Taschen zu suchen, sind mein Instinkt trog mich nicht. Am nächsten Morgen konnte ich zur Post gehen und dort den Brief seiner Geliebten in Empfang nehmen, der für ihn lagerte . . ." „Wurde nicht aber die Scheidung durch Ihre Reise ver zögert?", fragte der blonde Herr. „Wer sagt Ihnen denn, daß ich die Scheidung will?", lachte die Französin. „So töricht werde ich doch nicht sein!" Und langsam, nachdenklich kamen wieder die Worte des Mannes: „Aber gnädige Frau, das mit dem Brief — das war doch eigentlich Diebstahl, Unterschlagung . . ." ^7 Da wußte ich, daß der blonde Herr ein Deutscher ist! „Sehen Sie, meine Herren, Sie lächeln. Und vielleicht hatte es auch etwas Tragikomisches, daß dieser Mann für das offen herzige Werben der Frau keine anderen Worte fand. Aber Sie können nicht begreifen, wie froh es macht, wenn man dort, unter fremden Menschen, noch weit von der Heimat, plötzlich bewußt wird, daß unser Kern, Ehrlichkeit und Gründlichkeit, immer noch lebt. Glauben Sie mir, als ich dann einige Tage später in den Hafen einfuhr, nahm ich mir vor — was ich auch immer sehen würde —, immer daran zu glauben, daß noch mehr Menschen sein müssen wie dieser eine Deutsche — und daß alles Häßliche der Gegenwart von solchen Menschen in einer besseren Zukunft vergessen gemacht werden kann." Ms ick wieöerkam. Novellette von Franz Karl EndreS. Im alten Festungsgraben blühten die Rosen. Die ehemals freie deutsche Reichsstadt bedurfte keines eigenen Schutzes mehr. Die Zeiten, in denen waffentragende Knechte von den Maw'r- türmen in das Laud spähten, um feindliches Vorhaben rasch zu melden, waren längst vorbei. Versunken die Zeiten, in denen man allabendlich an den vier Eingängen der Stadt die schweren Tore schloß und dem Unbekannten nicht mehr Einlaß gewährt wurde. Rosen rankten sich um die Schießscharten der Kartaunen, und Gürten träumten nn alten Festungsgraben zwischen Stadt mauer und Glacis. Und durch das Blühen und Grünen schritt ich einst als junger Mensch und hatte ein Mädchen an meiner Seite. Die war blond und schön, aber auch hochfahrenden Sinnes. Doch sah ich damals nur ihre Schönheit, berauschte mich am Duft ihrer goldenen Locken und war selig, daß sie. die Schönste in der welt fern gewordenen alten Stadt, mich liebte. Ihre großen, blauen Augen sagten es mir und ihr lieblicher Mund sagte es mir . . . dann erst recht, wenn ihre Lippen, weil ich sie küßte, das liebe Wort der Liebe nicht mehr bilden konnten. Tas war eine glückliche Zeit, als wir abends auf den Wegen des Festungs grabens wandelten und der Hauch der Rosen uns umspielte. Als die Nachtigallen seufzten und unsere Herzen bang waren in all ihrer Seligkeit. Eine glückliche Zeit, deren Erinnerung später die Träume eines wilden und gefahrvollen Lebens lange, lange noch erfüllte. Sanft und still, wie ein Sommerabend, kamen diese Träume zu mir. sind doch war das Glück der ersten Liebe so jäh von mir gegangen. Darum ja verließ ich die Heimat. Ich war ein armer Teufel, und als ein reicher Fant kam und um meine Liebste warb, da sprach sie mir sehr vernünftig von der Aussichtslosigkeit unserer Liebe. Ach. wenn die Vernunft aus dem Liebenden spricht, dann geht die Liebe weinend schon zu Grabe. Mein Stolz war stark. Als ich sah, wie es um sie bestellt war, wie sie des Geldes wegen mich verlaffen konnte, da bettelte ich mit keinem Worte um ihre Liebe. Aber bleiben konnte ich auch nicht mehr. Sehen mochte ich sie nicht mehr. — So wanderte ich in die neue Welt und habe dort ein neues tiefes Glück gefunden: in Abenteuern und Gefahren zuerst und dann in der Liebe eines treuen Weibes und im Lachen meiner Kinder. Und dann, als meine Haare grau geworden und meine Kinder erwachsen waren, da wachte mit einem Male die Sehn sucht nach der Heimat in mir auf. Und ebenso in meiner Frau, die auch einst mit ihren Eltern aus Deutschland auSgewandert war. Da singen wir an, uns von deutschen Wäldern und Bächen und Wiesen zu erzählen, und von den Märchen und Sagen unserer Kindheit. Heimat, Heimat! klang es durch jedes Wort. Heimat. Heimat! war das Gebet unserer Tage. Wir hatten so viel Glück, um das Vaterhaus meiner Frau, das dreißig Jahre in fremdem Besitze war, wiederkaufen zu können. Dort zogen wir Alten mit Tränen der Freude ein. Aber nun wollte ich meiner Frau auch meine Heimat zeigen, und wir machten eine kleine Reise in die alte Stadt. Von meinem Elternhaus war keine Spur geblieben. Es war abgerissen worden. Die Eltern selbst seit vielen Jahren tot. Geschwister und Verwandte hatte ich nicht. Blieb nur der Festungsgraben. Ein linder Sommerabend war es. Im Graben blühten die Rosen, und ihr Duft war so süß und geheimnisvoll wie ehedem. In dunklen Büschen schlugen wie einst die Nachtigallen. „Hier bist du als junger Mensch gegangen," sagte meine Frau. „Ja, Liebste." „ , „sind mit deiner ersten Liebe?" „Ja, du! Aber es ist lange her." „Und erinnerst dich daran?" „Ja ... als wäre es gestern. Aber es ist kein Schmerz dabei." „Du L' ber," sc"-'- '---ine Frau und streichelte meine Hand. „Lebt sie wohl noch?" fragte sie dann weiter. „Ich weiß es nicht." Auf dem Rückweg zum Hotel suchten wir ihr Haus. Das lag in einem kleinen Garten, dicht an der inneren Seite der Stadtmauer. Und als wir das Haus erreicht hatten, schaute zu einem Fenster ebener Erde . . . das war doch ihr Zimmer einst ge wesen . . . ein altes Dämchen heraus. „Sieh, Liebster," sagte meine Frau, „welch große schöne Äugend Und wie leuchtet ihr weißes Haar!" Sie erkannte uns nicht. Auch mir halfen wohl nur die begleitenden Umstände, sie wiederzuerkennen. Und ich grüßte sie. Sie dankte sreundlich erstaunt. Wir bogen in die Straße zum Marktplatz ein, „Zu dumm," sagte ich vor mich hin. „Warum habe ich sie nun gegrüßt? Das kam so ganz unwillkürlich. Was geht sie un? an!? Das große Glück, dem sie nacknagte, hat sie wohl auch nicht gefunden, oder sie ist Witwe geworden und hat saS Häuschen ihrer Ellern wieder bezogen." Da lächelte meine Frau. „Ich weiß das alles," sagte sie, „Ich babe mich erkundigt. Der reiche Herr hat sie sitzen lassen, und sie ist ein altes Jüngferchen geworden." Ich sah meine Frau erstaunt an. „Ja, mein Lieber," begann sie wieder, „diese Neugierde mag Frauenart sein. Aber du hast sie doch einmal geliebt, und des halb ist ihr Schicksal für mich der Neugierde wert." „Mir ist sie ganz gleichgültig," erwiderte ich, vielleicht etwas zu rauh. „Stimmt gar nicht," meinte meine Frau wieder lächelnd mit ihren lieben, guten Augen. „Stimmt gar nicht, und soll auch nicht so sein. Was wir einmal in unserem Leben wirklich geliebt haben, soll uns heilig bleiben! Hast du mich das nicht selbst gelehrt? Wir wollen freundlich von ihr denken. Und du sollst ihr innerlich ganz verzeihen. Denn sieh doch, sie hat sicher viel gelitten. Meinst du nicht?" Da gab ich alter Mann meiner alten Frau einen Kuß, mitten auf dem Marktplatz der allen Freien Reichsstadt. Und dann sahen wir uns wie ein luuges Liebespaar erschreckt um» ob uns auch niemand gesehen habe. Aber es war schon neun Uhr abends. Der Platz war menschenleer. Und nur ern kleiner Junge war da. Der aber beschäftigte sich damit, seinen Finger in oie Milch zu tauchen, die er so spät nach Hause trug. r- 6§äanken . RiichardvonSchaukal. An ein ^deat ..tutz man immer wieder glauben können« Immer wieder: das heißt, daß Glauben aus Unglauben sich erneuert. Was ist Wahrheit? Das, woran ich notwendigerweise glaube. Was ist Wirklichkeit? Mein selbstbewußtes Ich und alles, waS sein zeitlicher Inhalt werden kann. Der Mensch regelt beständig das Gemeinschaftsleben (Ver fassungen, Gesetze, Verordnungen, Vorschriften), weil er instinktiv fühlt, daß nur Zwang ihn vorm Straucheln bewahrt Frage irgendwen: er hat über alles eine Meinung. Wieviel Urteilsvermögen gehört dazu, sie sich «bzusprechenl
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