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MMufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. VN für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: di« 8gefpal1ene Naumzeile 20 Goldpfennig, die 2gespalteneIeile der amtlichen Bekanntmachungen40Gold- pfennig, die SgespalteneAeklamezekle im textlichen Teile lOV Doldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Doldpfennige. Dor- geschriebeneDrscheinungs- tage und Pl-tzvorschristen werden nach MSglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigeu- annahmebisoorm.lvUhr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigenüdernehmen wir keine Garantie. Jcder Rabattanfpruch erlifcht, wenn dcr Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ««.Wilsdruffer Tageblatt« erscheint täglich nachm. s Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis!: Bei Abholung in »er Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Md., bei Poftbestellung IgA'. All^PostanftE Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PoUten^dunsmAu» .Häger und Geschäftsstellen — ! nehmen zu jeder Zeit Bc. , Lrllungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 110, — 84 Jahrgang Tel.gr Adr .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2840 Mittwoch, den 13 Mai 1825 Oie Not -es Rechtes. . Es wäre eine Aufgabe, des Schweißes der Edlen wert, einmal festzustellen, wieviel Gesetze und wieviel Verord nungen mit Gesetzeskraft, wieviel Ausführungsbestimmun gen in der Nachkriegszeit herausgekommen sind. Zur In- flationszeit war die Notendruckpresse diejenige Maschine, die am schnellsten arbeitete, aber die Gesetzgebungsmaschine leistete eine kaum minder reichhaltige Arbeit. Allerdings geschah diese Arbeit auf Kosten der Qualität, und ein Redner auf dergroßen BerlinerAnwaltstagung, die am Sonntag stattfand, hatte nicht unrecht mit seinem Ausspruch, die Gesetzgebungsmaschine in Deutschland leide an Überproduktion und die Rechtsnot komme her vom Notrecht. Gemeint ist damit die unendliche Fülle von Gesetzen und Verordnungen, die vor allem durch die Inflation und chre Folgen hervorgerufen worden sind und die häufig nur für ganz kurze Zeit gelten konnten, weil sie durch die Entwicklung unserer Währung praktisch unwirksam ge wacht worden sind. Leider aber hat man häufig genug unterlassen, derartige Verordnungen, die vielleicht nur für den Augenblick paßten und berechtigt waren, wieder zu beseitigen, hat ferner versäumt, im Hinblick auf die gänz liche Umgestaltung und Konsolidierung unserer Wäh rungsgrundlage aus der neuen Lage die notwendigen Aolgerungen zu ziehen, so daß auf allen Gebieten des Rechts die allergrößte Unsicherheit herrscht und durch die fast täglich neu herauskommenden Gesetze und Ver ordnungen nur noch vermehrt wird. Ein kaum zu über bietendes Durcheinander herrscht auf dem großen Gebiete »es A r b e i t s r e ch t s; aber nicht nur, daß sich auf diesem ivie auf anderen Gebieten des Rechtes Gesetze und Ver ordnungen bisweilen völlig widersprechen, sich teilweise Skfbeben oder unberechtigte Ausdehnungen und Über spannungen erfahren, viel schlimmer ist es wohl, daß die Rechtsprechung selbst auf engstbegrenztem Gebiet zu den widersprechendsten Resultaten führt. Um nur einen kleinen Ausschnitt des Arbeitsrechts zu erwähnen: die Entscheidungen über Streitfragen bei der Durchführung des Betriebsrätegesetzes laufen völlig auseinander, führen zu den groteskesten Widersprüchen. Der außerordentliche Berliner Anwaltstag richtete aber vor allem gegen zwei Erscheinungen des öffentlich- rechtlichen Lebeys die Hauptangriffe, nämlich gegen die Verordnungsgewalt des Reichspräsiden te n auf Grund des § 48 der Verfassung und gegen die Verordnungsgewalt der Reichsregierung auf Grund oes früheren und eines künftig etwa geplanten Ermächti gungsgesetzes. Die unbestimmte Fassung des § 48 der Reichsverfassung soll ja nun durch ein neues Reichsgesetz in eine genaue Bestimmung der Voraussetzungen und der Grenzen abgeändert werden, wie es bei Schaffung der Verfassung im 8 48 selbst zugesagi worden war. Der Gesetz entwurf ist bereits im Januar dieses Jahres vom Ka binett Luther eingebracht, bisher aber noch nicht be- raten worden. Das Ermächtigungsgesetz selbst, wie es im Oktober 1923 zustande kam, war ja im Prinzip richtig gedacht: es war ein Notgesetz für eine Zeit, in der das Reich in den Abgrund hinabzugleiten drohte. Es waren Ge.tze in der Notzeit für die Not. Es waren aber Verordnungen, die dem Grundgedanken der repräsenta tiven Demokratie insofern völlig widersprachen, als sie Entscheidungen von schwerwiegendster Bedeutung nicht nur für diese Notzeit, sondern weit darüber hinaus getroffen haben. Erinnert sei dabei vor allem an die außerordentlich weitreichende Wirkung der Dritten Steuernotverordnung, erinnert wurde auf dem Anwaltstag dabei auch an die große Prozeßreform, die unsere Gerichtsverfassung völlig mngestaüet. Auch hier mußte mancher Anspruch auf Rechts sicherheit der Not der Zeit weichen, well einfach die mate riellen Mittel fehlten, um diesen Ansprüchen zu genügen. Und die Forderungen des Anwaltstages, die Notverord nungen jener Zeit einer Nachprüfung auf ihre Ver fassungsmäßigkeit zu unterziehen, bedeutet an sich zweifel los vielleicht noch eine Vermehrung der Rechtsunsicherheit, ist aber berechtigt, angesichts der Tatsache, daß Entschei- dunger letzter Instanzen die Verfassungsmäßigkeit bei- Gielswejse gewisser Bestimmungen der Dritten Steuer notverordnung verneint haben. Verständlich aber auch ist die weitere Forderung der Aufhebung aller Ausnahme- und Sonderge- richte. Hwr stehen sich namentlich wirtschaftliche Inter essen gegenüber, well bestimmte wirtschaftliche Klassen für »re Erledigung von Rechtsstreitigkeiten, die sich beispiels weise auf das Verhältnis von Arbeitgeber zum Arbeit nehmer beziehen, die Erhaltung bzw. Neueinrichtung von Sondergerichten erstreben. Vielleicht kann man im Gegen satz zum Anwaltslag die Erhaltung dieser Sondergerichte m der ersten Instanz für zweckmäßig erachten, wird aber rugeben müssen, daß die höheren Instanzen mit dem ge wöhnlichen Rechtsweg übereinstimmen müssen, schon aus dem einfachen Grunde, weil sich derartige Rechtsstreitig keiten sachlich doch nicht so scharf begrenzen lassen, als daß *icht Entscheidungen in diesen Fällen Rückwirkungen auf anderen Gebieten manchmal überraschender Art haben müffen. Eine MIOU der WmWu GWMM Keine Glückwünsche der Entente an Hindenburg. Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 12. Mai. Der Quai d'Orsey teilt mit: Frank reich, England und Italien haben beschlossen, an den General feldmarschall v. Hindenburg anläßlich der llebernahme des Amtes als Reichspräsident keine Glückwünsche zu richten und es bei den bloßen Höflichkeitsbesuchen ihrer Berliner Botschafter bewenden zu kaffen. Die Sitzung der Botschasterkonferenz auf Freitag verschoben Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 12. Mai. Die Botschasterkonferenz wird, wie halbamtlich verlautet, erst am kommenden Freitag zur Abfassung der Note an Deutschland zusammentreten. Der französische Ministerrat über die Abrüstung«- und Sicherheitsfrage. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 12. Mai. Der Ministerrat wird sich morgen fast ausschließlich mit der Frage der Abrüstung und Sicherheit be fallen. Außenminister Briand wird eine ausführliche Darstel lung der beiden Probleme geben. Der Quai d'Orsey hat Heuke dem britischen Botschafter Lord Crewe eine französische Gegen antwort auf das britische Memorandum über die Abriistungs- und Sicherheitsfrage überreicht. Das amtliche Ergebnis der französischen Gemeindewahlen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Paris, 12. Mai. Das Ministerium des Innern ver öffentlicht eine zusammensastende Statistik über den Ausfall der Gemeindewahlen. Danach haben erhalten: 1. in Paris: die Linke 26 (23 vor der Wahl), die Rechte 47 (50), Kommunisten 8 (7); 2. in den Gemeinden des Seinedepartements: die Linke 49 (49), die Rechte 21 (33), Kommunisten 9 (6); 3. Bezirks ¬ kreise: die Linke (242 (164), die Rechte 136 (214), Kommunisten 1 (1). Blutiger politischer Zusammenstoß. Ein Toter, sechs Schwerverletzte. Berlin, 11. Mai. In Oderberg (Mark) kam es anläßlich eines Festes des Großdeutschen Jugendbundes Oderberg am Eingang eines Lokals zu einem Zusammenstoß zwischen einigen Stahlhelmle »len und einigen Angehörigen des Reichsbanners. Hierbei wurde ein Reichs bannermann getötet, sechs Personen, darunter der Wirt des Lokals, zum Teil schwer verletzt. Wie dem Amtlichen Preußischen Pressedienst mitgeteitt wird, haben nach den bisherigen Ermittlungen Stahlhelmleute geschossen. Weitere Ermittlungen sind durch Kommissare des Re- gierungsprästdenten in Potsdam, die an Ort und Stelle entsandt wurden, eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ist bereits benachrichtigt. Zwei Angehörige des Völkischen Jugendbundes, der 22 jährige Student Tietz und der 23 jährige Gärtner Tietze aus Eberswalde, befinden sich in Haft. Ein Sieg -er Marokkaner. Die französische Front durchbrochen. Die Nachrichten, die von dem Kriegsschauplatz in Marokko vorliegen, besagen, daß die Aufständischen einen großen Erfolg zu verzeichnen haben. Es ist den Rifleuten gelungen, aus einer Breite von 30 Kilometern in die französische Stellung einzu drin gen. Das Gros der Rifleute wird in Scheschauan konzentriert. Das Marolkoproblem ist gegenwärtig das brennendste Problem in der französischen Öffentlichkeit. Nach allge meinen Eindrücken zu schließen, verkennt niemand mehr den Ernst der Lage. Man glaubt allgemein, daß die Er eignisse sich in den nächsten Tagen überstürzen werden. Es liegen Anzeichen vor, daß Abd-el-Krim nunmehr ge Willi ist, dem Entscheidungskampf nicht anszu- weichen. Hindenburgs Einzug in Berlin Der Empfang -es Präsidenten Berlin, 11. Mai abends. Soeben traf mit dem fahrplanmäßigen D-Zug, der um 1.38 Uhr Hannover verlaffen hatte und dem der Salonwagen des Reichspräsidenten angehängt war, Reichspräsident von Hindenburg auf dem Bahnhof Heer straße ein, wo ihn die Spitzen der Behörden, der Reichs kanzler Dr. Luther mit dem gesamten Kabinett, Mit glieder der Landesregierungen, des Magistrats sowie Pressevertreter und geladene Gäste erwarteten. Besonder« Feierlichkeiten sanden dabei nicht statt, nur die 10jährige Tochter des Reichskanzlers überreichte Hindenburg einen Blumenstrauß und sprach dazu ein paar Verse. Der Reichspräsident bestieg darauf in Begleitung des Reichs kanzlers das harrende Automobil, und dieses begann unter brausenden Zurufen und Fahnenschwenken durch die seinen Weg einfaffenden Massen die Fahrt zum Brandenburger Tor. Zehn Flugzeuge kreisten in den Lüften über den Bahnhof während der Ankunft. Bis zum Brandenburger Tor war das Präsidenten- auto von einer Schupoabteilung auf Motorrädern, die es dicht umschlossen, begleitet. Am Brandenburger Tor wurde kurzer Halt gemacht und eine Abteilung Kavallerie übernahm die Begleitung des Präsidenten bis zum Reichskanzlerpalais, wo er für heute Wohnung nahm. Abends fand zu Ehren des Reichspräsidenten ein Essen beim Reichskanzler Dr. Luther statt, an dem die Reichs minister sowie ein kleiner Kreis führender Persönlichkeiten teilnahmen. * Am Bahnhof Heerstraße. ».Berlin, 11. Mai. Der Aufmarsch der Zweihunderttausend, die beim Ein zug Spalier bilden, vollzieht sich, soweit man sehen kann, in musterhafter Ordnung. In unübersehbaren Scharen rückten sie «n: die Anhänger der Rechtsorganisationen in ihren schmucken Uniformen, vaterländische Organisationen aller Art mit tchwarzen Röcken und Zylindern, Studenten in Wichs, ehemalige Offiziere in Kriegsuniform. Keiner wollte fehlen. Nur eines mußte auf höheren Befehl fortsallen, die Musik, die nach Ansicht des Polizeipräsidenten zu Ruhe störungen hätte Anlaß geben können. Dafür kommen aber die meisten Organisationen mit kräftigem Gesang anmarschiert. Prächtig das Bild der zahllosen Fahnen, soweit es sich nicht nm einfarbige Vereinsfarben handelt, find sie fast alle schwarz-weiß-rot. Die Reichssarben fehlen im Spalier gänzlich, dagegen ist S ch w a r z - R o 1-G o l d an den Häusern spärlich vertreten. Um den Bahnhof Heerstraße sind die Straßen vollständig abgesperrt. Nur Kinooperateure stehen hier und an anderen besonders geeigneten Stellen massenhaft. Kein Fenster in den Durchzugsstratzen ist un besetzt. Hinter den spalierbildenden Verbänden steht das Publikum, teilweise auf Stühlen, um etwas sehen zu können. Fliegende Händler verkaufen schwarz-weiß-rote Schleifen, Hindenburg-Postkarten, kleine Fähnchen, Luftballons mit dem Hindenburg-Bildnis oder angehängten schwarz-weiß-roten Fähnchen. Alles ist bereit, den neuen Reichspräsidenten zu empfangen. Auf dem nur für die Spitzen der Reichsverwal tung und wenige Auserwählte reservierten Ringbahnsteig, der sauber aussieht mit seinem frischbestreuten Sandboden und dem einfachen, aber geschmackvollen Pflanzenschmuck, wird die Ankunst des Zuges aus Hannover signalisiert. Alles gerät in Bewegung, Spalierreihen und Publikum richten sich höher auf: d e r P r ä s i d e n t k o m m t. * Vor -em Brandenburger Tor. Berlin, 11. Mai. Anders hatten wir uns einst den Einzug des Generalfeld marschalls gedacht. Anders — an der Spitze eines siegreichen deutschen Heeres. Dann wäre er umrauscht worden von der Dankbarkeit des ganzen Volkes. Anders ist es geschehen. Nicht der Gcneralfcldmarschall, nicht der Befehlshaber einer sieg reichen Armee ist heute eingezogen in Berlin, sondern der neue Reichspräsident. Auch er umrauscht vou den jubelnden Zurufen der Hunderttausende, die die gewaltige Einzugstraße in Länge einer ganzen Meile rechts und links säumen. Dort stehen Studenten-, Kriegervereine, vaterländische Verbände, deutscher Adel und deutsches Bürgertum. Wer im Kriege sich ein Zeichen der Tapferkeit errang —, heute hat er es angelegt, seinem alten Heerführer zu Ehren. Viele sind der