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s. »' Vorgetsn un6 nackbeclsckt" M O ! < Ä r? r: pflückte das zaghafte Veilchen. Traumhaft verloren starrte sie auf den kleinen Frühlingszeugen, den ersten Verkünder der Osterbotschaft: Auferstehung! Sie blickte in die Sonne, unverwandt. Die Strah len blendeten noch nicht: aber leuchtend fiel in ihre stumpf gewordene Seele die späte Erkenntnis. Ihr Einzelschicksal zeigte ihr das Weltbild. Im Kampf nur erhalten sich die Kräfte und erneuern sich. 2« der Natur und im Leben! Nicht verharren und erstarrent Mutig ous- schreiten. vorwärtsdrlngen! Denn nur für dl« Kämpfenden und Suchenden erfüllt sich die froh« Verkündigung, der tiefe, symbolische Gedanke: Ostern! O5kerknrmyre8ke „Bleiben Sie zu Ostern hier in der Stadt od?r verreisen Sie?" fragte Hilda Löhr in einer Sonn tagsgesellschaft einen Herrn, dessen Bekanntschaft sie dort vor einiger Zeit gemacht hatte. Dieser, eine männlich-kräftige Erscheinung, je doch von etwas schüchternem Gemüt, sagte mit Feuer: „Nein, ich bleibe hier. Wohin sollte ich ver reisen, das Teuerste, das ich habe, weilt ja in der Stadt!" „Da verteilen Sie wohl Ostereier an Ihre Freunds?" fragte das sehr hübsche junge Mädchen neckisch. Erich Bandermann wurde erst ein wenig ver legen, dann sagte er: „Wenn es nicht übelgenommen wird, gestatte ich mir, derjenigen, die ich hochschätze, ein solches zu überbringen." Mit feierlich < komischer Nachahmung seiner Worte erwiderte Hilda: „Da kann sich ja diejenige, die Sie hochschätzen, freuen, ein Osterei sieht jeder gern erscheinen!" Etwa eine Woche später machte Bandermann, der Ausländskorrespondent einer großen Fabrik war, einen Spaziergang in den Anlagen, als er mit freudigem Schrecken diejenige gewahrte, von der er so ost am Hellen Tage träumte. Hilda begrüßte ihn munter und graziös, und da es sich hier ermöglichte, unauffällig ein paar Worte zu wechseln, so fragte der Verliebte nach der üblichen Erkundigung, wie der Ball bekommen sei: „Darf ich es also wagen, am Ostermorgen derjenigen, die ich hochschätze —, das bewußte — Osterei zu über reichen?" „Das kann ich doch nicht wissen," sagte Hilda lachend. „Aber seien Sie sicher, diejenige, die Sie — wie Sie so feierlich sagen, hochschätzen, wird es nicht übelnehmen, wenn Sie ihr ein Osterei vor die Füße oder noch besser in die Hände legen." Bandermann wußte nun genug. Er lachte eben falls und wechsel'! noch ein paar Worte mit Hilda, ehe er sie mit achtungsvollstem Gruße verließ. „Ein entzückendes Mädchen!" sagte der Lieb haber, nachdem er ihr lange nachgsfehen hatte, „heiter, neckisch, anmutig — aber — das Herz! Be sinne dich einmal!" redete er dann nach der Weise von Leuten, die viel allein sind, sich selbst an. „Hast du je einmal bemerkt, daß sie an irgend etwas einen wärmeren Anteil nimmt? Und amüsierte sie sich nicht kürzlich darüber, daß eine ihrer Freundinnen gerade am Ballabend krank war? Und die Art, wie sie neulich ihre Mutter behandelte, als sie sich un beobachtet glaubte, war auch nicht schön!" Liese und ähnliche zwiespältige Gefühle durch zogen in den nächsten Tagen das Herz des jungen Von ADO!.? Mannes, der selt seinem längeren Aufenthalt in London ein wenig Einsiedler geworden war. Kurz vor Ostern sprach auch Hilde zu ihrer Mutter einmal von ihrem Verehrer. „Du," sagt« sie in nicht sehr pietätvollem Tone, „du, der Bander mann, der komische Kerl, wird mir wahrscheinlich am Sonntag ein Osterei bringen. Du kannst dir denken, was sich anfchließt. Das beste ist da, du drückst dich beizeiten, damit die Sache nicht schief geht!" Die Mutter, die ihrem sehr eigenwilligen Töch terlein gut parierte, versprach dies. „Willst du ihn denn nehmen?" fragte sie. „Viel mache ich mir ja nicht aus ihm," war die spöttische Antwort, „er hat solche Mucken von stiller Häuslichkeit, lebt auch selbst wie ein Murmeltier so ziemlich allein —" „Er ist doch sehr gebildet," warf die Mutter ein, s „hat viel gesehen, viel gelesen." „Daraus mache ich mir nichts," erwiderte Hilda mit schönem Freimut, „das langweilt mich höchsten». Nun, ich werde ihn ja schließlich nehmen, er hat ein hübsches Einkommen und eine sichere Stellung: er j wird Gnade finden, wenn er mit feinem Osterei an- rückt!" Ein wahres Pracht- und Staatsosterei war es, das Erich ausgewählt hatte. Die untere Hälfte de» j mächtigen Eies war aus Schokolade, die obere aus Zucker, beide verband ein breites, faltenreiches, rosa- farbenes Band. Großartig war der Schmuck der oberen Hälfte, in Zuckerguß waren da Körbchen mit Blumen und Früchten der verschiedensten Art, girrende Taubenpaare und allerlei Embleme hinauf gekünstelt, es war eine Pracht. Blickte man dann durch ein vergrößerndes Elas in das Innere des Wundereies, so erschaute man dort allerlei Gruppen und Landschaften, die ein zauberhaftes kleines Reich für sich bildeten. Bandermann lächelte, als er am Osterheilig, abend das Geschenk betrachtete. „Damit werde ich doch ihr Herz rühren!" sagte er für sich, doch dann ernst werdend, fragte er: „Ihr Herz? Wann ent scheide ich diese Frage?" Wirre Träume durchzogen in der Nacht sein Haupt. Da sah er eine Menge Schokoladen- und Zuckereier untereinander umherwirbeln. Plötzlich erschien ein Herz, ein schönes rotes Herz, so gleich- förmig fchön, wie es als Sinnbild immer abgebildet wird und wie es in Wirklichkeit nicht aussieht. Und dieses Herz wirbelte mit den Ostereiern in fröhlichem Tanz. Da erschien noch ein Herz, und das ging ge radeswegs durch die ovalen Süßigkeiten hindurch, s Hie und da werden bann mehr für die Erwach senen bestimmte Spiele getrieben. So in Ostfries- land, wo nebenbei das Gesinde soviil Eier zu Ostern essen darf, wie der Magen nur aufnehmen kann, das „Bicken": zwei Personen stoßen ein Ei gegen das andere, und wenn eins zerbricht, hat es der Gegenspieler gewonnen. In derLausitz ist das etwas schwierigere Wale len beliebt. Auf ab schüssigem Gelände werden Rinnen hergestellt, in diesen läßt man Eier hinabrollen, und der, dessen Ei von einem nachfolgenden eingeholt wird, muß einen Strafpfennig zahlen. Hieraus hat sich das Werfen des B r a u t b a ll s entwickelt. Die Mädchen schleudern unter die vor ihrem Hause stehenden Freier ein Ei, und der, den sie damit treffen, wird ihr Herr und Gebieter. In der Regel wißen sie es natürlich so einzurichten, daß sie den bekommen, den sie haben wollen, aber manch mal geht die Sache doch schief. Die Sage weiß von einer Gräfin zu berichten, die mit dem Brautball an den Unrechten geriet. Statt des von ihr Auserko renen traf sie einen seit sieben Jahren stummen, in ihren Diensten stehenden Gärtnerburschen, der gar nicht daran dachte, als Freier aufzutreten, sondern sich die Geschichte nur ansehen wollte. Doch das nützte ihr nichts, die tief eingewurzelte Sitte gebot ihr, den Mann zu heiraten. überhaupt haben sich in der Lausitz, namentlich dort, wo die katholische Bevölkerung überwiegt, noch viele eigentümliche Gebräuche erhalten. Erwähnens- wert erscheint besonders das Oster reiten. In dem Städtchen Wittichenau versammeln sich in der Frühe eine größere Anzahl Männer zu Pferde vor der Pfarrkirche, wo sie Kreuz und Kirchenfahnen empfangen. Jeder ein Gesangbuch in der Hand, den schweren Zylinder auf dem Kopf, reiten sie nach dem Dorfe Nalbitz, stellen Kreuz und Fahnen in der Kirche unter, die fie wieder abholen, nachdem sie den Nachmittag über reichlich mit Speise und Trank bewirtet worden sind. Ebenso reiten die Ralbitzer Manner nach Wittichenau. Beide Züge müssen dabei wohl ochtgeben, denn sie dürfen ein ander weder auf dem Hinwege noch auf dem Rück wege begegnen. Etwas Ähnliches finden wir in Oberbayern: den Georgiritt von Traunstein nach der Ettendorfer Kapelle, bei dem jedoch größeres Gepränge entfaltet wird. Man steht einen bunten Festzug mit dem heiligen Georg an der Spitze. Die Geistlichkeit reitet in ihren Meßgewändern mit, die Weltkinder erscheinen zum großen Test als ge harnischte Ritter oder als Landsknechte, Uner wachsene stellen prächtig gekleidete Postillione oder Engel dar. Der Zweck de» Ritte» ist die Segnung der Pferde in Ettendorf. Am Osterfeuer" Wochenlang schon hatten wir alle möglichen brennbaren Gegenstände, Dachpappe, Zaunlatten, zerbrochene Besen, alte Fässer, zusammengstragen auf den Hügel, der das Flußufer überragte und im Volksmunde die Schwedenschanze hieß: und nun, am Vorabend des ersten Ostertages in der Däm merung, versammelte sich dort die Dorfjugend, die Jungen vom Hof und wir, die Gutskinder. Kaum konnten wir unsere Ungeduld so lange zähmen, bis die Dunkelheit tief genug war, daß unser Scheiter- Haufen feine volle Pracht entfalten konnte. Und nun faßte die Flamme die Hobelspäne am Rand und lief an den Holzscheiten entlang und ein Brodeln und Zischen, Knistern und Prasseln stieg aus dem Feuer. Die Funken stoben wie ein Regen, wenn einer der großen Jungen mit der Schaufel in den brennenden Haufen stieß, und der rote Schein leuchtete bis an die Mauer des Gutshofs. Da kam der alte Schullehrer heran und blieb bei uns stehen. Weit drüben am Flußdeich auf dem Ge biet des Nachbarguts glühte ein andrer Schein auf und wuchs in die Dunkelheit. „Seht, Jungen, dort haben sie auch ihr Oster feuer angszündet. Wißt ihr wohl, daß vor tausend Jahren eure Vorfahren hier schon ihre Opferfeuer gebrannt haben, vielleicht an dieser selben Stelle, rechts und links des Flußes, der damals noch die Gegend überschwemmte zur Frühjahrszeit, daß nur die Hügel aus dem Sumpfland ragten? Und Pferde, die dort jetzt in den Ställen gepflegt werden als unsere treuen Helfer beim Ackerbau, schlachteten sie ihren Göttern. Dann kamen die Mönche, die später drüben das Kloster bauten, deren Grabsteine noch Von k. MKM.V0U?? hin und wieder im Gutsgarten ausgegraben werden, und brachten die christliche Lehre. Auch Gärten legten Ne an, in denen sie Heilkräuter zogen, und ver standen draus Tränke für die Kranken zu bereiten, und eine neue, künstliche Schrift führten fie ein, um ihre Lehre niederzuschreiben. Aber auch den Wein stock, dessen Trauben so schön an der Südmauer des einstigen Klostsrhofs reifen, haben sie vielleicht hier hergebracht. Als dann der Erzbischof sein Schloß dem Kloster gegenüber bauen ließ, befestigt mit dem Burggraben, der da neben uns fließt, und der Mauer, deren Form ihr noch an dem darauf ge bauten Schafstall seht, da wurde auch der Fluß in neue Grenzen geleitet, der Boden entwässert, und Bauern bebauten das fruchtbar gewordene Land." Die Teertonne lodert« rotflackernd, rlefenhoch wehte die Flamme. Wie kleine schwarze Zwerge stan den wir darum. Der Schullehrer ging weiter in Ge danken durch die Vergangenheit. „Dann kam die Zeit, als die Menschen sich über die Religion ent zweiten und bekriegten — damals wurde die große Nachbarstadt zerstört bis auf wenige Häuser, hier an der Schwedenschanze wurde gekämpft. Nach dem Kriege waren die Menschen verwildert, und der alte Turm am Wasser, der jetzt noch der Hexsnturm heißt, und in dem heut der Gemeindevorsteher Akten aufbewahrt, hat schlimmen Verbrechern als Gefäng nis gedient." Langsam fing die Flamme an zusammenzusinken und beleuchtete nur noch den Hügel, der so seltsam viel erlebt hatte. „Auch als das Land sich langsam erholte, kamen schwere Rückschläge. Die Pappeln am