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MsäruNerTageblatt 2. Klatt Nr. 75 — Sonntag, Sen 2g.M3rL lg2S. > Jams über die Ahempoliiik. In einer machtvollen Kundgebung in Hamburg, «n der über 6000 Personen teilnahmen, während Hun derte vor den polizeilich geschlossenen Sälen auf den Kandidaten des Reichsblocks warteten, führte Ober- bürgermeister Tr. Jarres unter brausendem Beifall über die Nhsinpolitik folgendes aus: Tie von mir?-vertretene Politik hatte mit einer Preisgabe des besetzten Gebietes nichts zu tun. Bald darauf erwies sich leider nur zu sehr die Richtigkeit ,ller meiner Befürchtungen. Der Feind lehnte es ab, mit Deutschland zu verhandeln. Dis Lage im besetzten Gebiet wurde immer trostloser und verzweifelter, so daß im Herbst 1923 die Verständigungspolitikcr keinen Weg mehr sahen, das Rheinland bei Preußen und dem Reich zu behalten. So peinlich es mir ist, so darf doch bei den gehässigen Angriffen, die jetzt wegen der da maligen Rheinpolitik gegen mich und meine Freunde erhoben werden, nicht weiter verschwiegen werden, daß maßgebende Führer des rheinischen Zentrums und der rheinischen Demokratie, aus deren Kreisen dis An griffe gegen mich kommen, damals in der kritischsten Zeit sich nicht gescheut haben, als Lösungswcg Ver handlungen mit dem Feinde vorzuschlagen, bei denen die Zugehörigkeit des Nheinlandes zu Ländern und zum Reich preisgegeben und ein selbständiger Staat außerhalb des Reiches vertragsmäßig zugcstanden wer den sollte. 8ch frage angesichts dieser Sachlage, wer Ver- sackungspolttik getrieben hat, diejenigen, die am Ende ihrer Politik nur die Möglichkeit eines vom Reich ge losten autonomen Staates sahen, die bereit waren, in einer national unverantwortlichen Schwäche um leichterer und bequemerer Gegenwartslösungen wil len die nationale Zukunft unseres Volkes und der Rheinlande preiszugeben, oder wir, die wir mit starker politischer Tat, wenn auch unter vorübergehenden schweren Opfern, das Rheinland in seiner Staats- und NcichSzugehörigkeit sichern wollten. Tie Nervcnkrise der damaligen furchtbaren Lage ist Gott sei Dank glück lich überwunden. Das ist das Verdienst der ReichS- regierung, die damals die Nerven behielt, mit starker Hand die Verhältnisse im Reiche ordnete, die neue Währung schuf und damit das Vertrauen in die Le benskraft des Reiches auch im Rheinlands wieder fe stigte. Widerwärtig ist es, wie jetzt aus allen demago gischen Gründen ehrlich gemeinte und von starkem Geiste getragene Politik verzerrt wird, ein echt deutsches Par teischauspiel, das nur dem Feinde und seinen noch immer nicht aufgegebenen Plänen nützen kann. Poli tische Ehre verbot uns, weiter zu schweigen. Vom Wahlkampf. 1° KeichSwehrminister Geßler zur Reichspräsidenten, »ahl. In einer Versammlung im Stadtgarten zu Stutt gart sprach Reichswehrminister Geßler zur bevorstehenden Wahl. Er wolle, führte er aus, den Kandidaten, die von »en großen Parteien außer der Demokratie aufgestellt wurden und mit denen er nun seit vielen Jahren in enger rmtlicher und persönlicher Beziehung gestanden habe, nicht ,u nahe treten, zumal man auch von ihnen überzeugt sein dürfe, daß sie von redlicher Sorge um Deutschlands Zu kunft beseelt seien. Es komme nicht daraus an, einen Wundermann zu finden, sondern einen Mann, der Führer, rigenschaft uns Verantwortungssreudigkeit hat und bereit ist, sieben Jahre lang ein vielleicht glückloses Dasein als Präsident des Deutschen Reiches zu führen. Die Demo- Mnüsndurg rutt: „WSKIt Isi^ss!" Einer ragt in deutschen Gauen, Ans gesandt von Gott, Erner, den in Ehrfurcht schauen Mutz sogar der Spott, Der den deutschen Ruhm getragen In der mächtigen Hand, Siegesfchlachten nur geschlagen Für das Vaterland — Hindenburg, der große Name Weckt uns Lenz und Lust — Falle denn sein Wort als Same Auch in Deine Brust. Hoch aus seiner Gipfelserne Rief auch Dir er zu, Längst schon wuchs er in die Sterne And sieht mehr als Du; And auch Dir hat er gewiesen So den Weg bergan: „Rufet", sprach er, „rufet diesen Echten deutschen Mann! Ruft ihn in der ernsten Stunde In das ernste Amt Alle wie mit einem Muüde. Einig allesamt!" ISä'uI Warncke irakische Partei habe ein moralisches Recht, jetzt um das Vertrauen des Volles zu werben und für den Posten des Reichspräsidenten einen ihrer besten Männer in der Person Hellpachs zur Verfügung zu stellen. Dr. Jarres sprach in Mannheim und entbot den Brüdern im Saargebiet einen besonderen Gruß. In seinem weiteren Ausführungen über den Nuhrkampf wiederholte Dr. Jarres unter Hinweis aus persönliche Angriffe kurz sein Programm, indem er u. a. erklärte: Wir wollen die Fortbildung und innere Erneuerung des deutschen Staates aus nationaler, christlicher und sozialer Grundlage. - Keiner soll von der Mitbestimmung ausgeschlossen sein, wenn er es ehrlich meint. Dr. Jarres wies ferner auf die Pflicht jedes Staatsbürgers hin, auf dem Boden der Ver fassung die Gesetze zu achten. Jarres und der konfessionelle Frieden. Dr. Jarres gab einem Vertreter der Badischen Presse folgende Er klärung ab: „Nach Kenntnisnahme von der Wahlkuus- zebnng des Evangelischen Bundes habe ich der Bundes leitung mitgeteilt, daß mit einigen Worten dieser Kund gebung, meiner Meinung nach, dem Frieden unter den Konfessionen wenig gedient ist Ich bedaure es sür meine Person, daß derartige Schärfen in den Wahlkampf ge tragen werden, für die ich die Verantwortung ablebnen muß, da sie meiner ganzen Auffassung nicht ensprcchen." Auch der Bäuerische Neichsblock erläßt eine Kundgebung gegen die Aufforderung des Evangelischen Bundes, nur nnem Manne die Stimme zu geben, der geeignet und ge willt sei, die protestantische Tradition des Deutschen Reiches vor aller Welt zu vertreten. -fh Ein Brief des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, i In einer Zentrumswahlversammlung in Berlin, in der i der Pressechef des Ministers für die besetzten Gebiete, Dr. ; Steiger, für die Wahl von Marr zum Ncichspräsi- ! deuten cintrat, kam der Redner auch auf die Kabinettskrise j in Preußen zn sprechen. Nach den Ausführungen Dr. t Steigers habe Marx das von ihm erstrebte Kabinett der Volksgemeinschaft von den Deutschnationalen bis zur Sozialdemokratie bereits gebildet gehabt: es sei jedoch von rechtsstehender Seite zerschlagen worden. Zum Schlüsse erwähnte der Redner noch einen ihm bekanntge wordenen Brief des früheren Kronprinzen Rupprecht von Bayern an einen seiner Berliner Bekannten, in dem der Kronprinz ausdrücklich erklärte, die monarchischen Anwärter in Deutschland könnten im Augen blick „nichts Dümmeres- tun als einen gewaltsamen Sturz der Weimarer Versassung anzustreben, weil die gegen wärtige auswärtige Lage jede Regierung mit den sch ver stell Verantwortlichkeiten und mit der Gesahr des Miß lingens jeder Aktion belaste. Hcllpach in Berlin. Die Deutsche Demokratische Partei veranstaltete im Berliner Sportpalast eine Kundgebung, bei welcher der demokratische Kandidat für die Neichs- präsidentenwahl Dr. Hellpach sprach. Der Andrang war sehr groß; übereinstimmend wird die Besucherzahl auf 20 000 geschätzt. Zur Begrüßung sagte der Berliner Ober bürgermeister Böß, man dürfe nur einen Kandidaten wählen, der mit ganzem Herzen Republikaner sei. Wenn man keinen entschieden auf dem Boden der Republik stehen den Mann wähle, führte Hellpach aus, so werde für eine geraume Weile, noch als Republik drapiert, der Obrig- leits-, Kasten- und Privilegienstaat wiederlehren — von dem man doch erlebt habe, daß er bei mancherlei respek- lablcn Leistungen eben das Entscheidende nicht zu leiste» vermochte: der Nation Führer für große Schicksalsstundeu zu geben. Bayerische Bolköpartei sür Einheitskandidatur im zweiten Wahlgang. In einer großen Versammlung der Bayerischen Volkspartei in München sprach der Führer der Neichstagssraltion, DomkapUnlar Leicht, und bedauerte das Scheitern der Einheiiskandidatur Geßler. Er pro testierte gegen die Unterstellung, daß ein katholischer Reichspräsident eine Gefahr sür den inneren Frieden und das äußere Ansehen bedeute. Dann ergrifs der Minister präsident Dr. Held das Wort und betonte einleitend, Latz rr nicht die Absicht habe, irgendeine Wahlrede zu halten Dr. Held schloß seine Ausführungen mit einem Appell, am 29. März die Stimmen fo abzugeben, daß beim zweiten Wahlgang ein gemeinsamer Kandidat des deutsche» Volkes ermöglicht werde. Gegen Hitler-Versammlungen. Dem Völkischen Be obachter zufolge sollen die bayerischen Kreisregierunge. durch einen Erlaß des Innenministeriums ersucht worden sein, keinesfalls Hitler-Versammlnngen zuzulassen. Ver- 8s CopuvgH, du v»5i»o. „Die Russen sind mir allerdings sehr nabe! Vede- remo!" Die Dose klappte zu. Friedrichs knochige, schmale Hand schob die Emaildose in die Hosentasche zurück; über legend sah er, sür einen Augenblick, vor sich nieder; die Muskeln sprangen in eiserner Willenskraft aus dem ein gefallenen Antlitz vor. „Halt' mich jetzt mein geliebter Herr Bruder nicht im Siich gelassen," sprach Friedrich, bärbeißig lächelnd, „stünd's allerdings noch besser um mich!* Spöttisch sah Friedrich auf: „Das heißt die Kanaille „Bruderliebe-!" Friedrich lächelte Fouquö ver bittert an. „Ich bin froh," sagte Friedrich, „daß mein geliebter Bruder Heinrich wenigstens nicht wie die andern gegen mich zieht! Wie mein verehrter Herr Schwager! Die Königin und ihr Hof amüsieren sich!" Zornig stierte Friedrich vor sich nieder. »Es ist alles in schönster Ord nung!" -Ist es wahr?" flüsterte Fougus mit großer An- st^"6ung, den zerschmetterten Unierkieser hewegend, was ihm Höllenqualen schuf; er wußte nun, daß Finck verloren war, »daß die Rekruten, der Ersatz, mit Wedell in einen — gerieten? Daß er und alle — niederge ¬ macht sind?" Friedrich sah in seines Freundes treuen Anaen schäd- Nckx Besorgnis schwelen-, mit aller Kraft suchte sich Fouqns «nszurichlen, der Verband zitterte. Beruhigend lächelten die großen Königsaugen unter dem verwaschenen Dreispitz. „Nein, FouquS," sagte Friedrich, .das vom Wedell ist gottlob nicht wahr! Wer Ihm das erzählte, der har Ihm einen Bären ausgebuuden! Solange sich Glatz hält, kann mir überhaupt nichts geschehen Bankcroniere ich morgen, so werse ich mich in die Festung Nicht? Im anderen T»K, -en ich als sicher «nnchme, «No. wenn ich siege war seststeht, gehe ich sofort ans die Russen, ehe die Franzosen heran sind." „Und die Schweden . . „Meine Frau Schwester?" Friedrich lachte. „Pah! Leg' Er sich zurück, Fouqus, und kümmere Er sich jetzt nicht soviel um das lausige Zeugs! Laß Er die Schweden doch ruhig in Preußen ihre Manövers abhaltcn, weun's ihnen daheim zu langweilig ist! Wo ein Pelz ist, sind Motten! Denk' Er lieber an Seine Wiederherstellung: die ist mir wichtiger als ganz Schweden!" Friedrich erhob sich; sorg sam schob er dem Kranken die Polster zurecht: er nickte Fouqu§ ermunternd zu: „Verlaß Er sich nur auf mich!" „Sie stehen, morgen . . . gegen . . . vierfache Über macht!" „Das bin ich doch gewöhnt! Das ist nicht anders." Friedrich nickte Fouqu^- lächelnd zu. „Ich werde morgen die Herren zwacken, daß sie nicht wissen, wo sie sich zuerst kratzen sollen. Ich wane schon lange aus den Spaß!" „Sie sind zu schwach, Majestät!" „Papperlapapp! Wenn ich zuwarte, wird das Ge sindel nicht weniger." Flehend sah FouquS den König an; er kannte diesen befohlenen, fahrigen Ton in Friedrichs Stimme. „Was?" Lauschend neigte sich Friedrich zu dem mühsam Flüsternden. Friedrich richtete sich auf: „Nein!" sagte er bestimmt, „daraus wird auf keinen Fall etwas! Nicht daran zu denken! Ihr könntet hier schöne Geschichten erleben! Laß Er sich jetzt nur brav ins Hinterland fahren und halte Er sich mir dort wacker an Seine Mixturen. Er Hai jetzt nur die Pflicht, sich mir zu erhalten; das ist für die nächste Zeit Sein Armeebefehl!" Gütig lächelte Friedrich Fouquss Angst an: „Was hat Er denn? Sei Er doch vernünftig! Wer sollte mich denn jetzt daheim lieb haben, wenn nicht Er? Seid unbesorgt! Ich mach' keine Dummheiten!" Friedrich hob den Zeige finger. .Erst, wenn dir Hoffnung ganz zerrann, bewährt sich der Mann!" Alles kommt, wie es kommen muß!" oder anders! dachte Friedrich ingrimmig. .Nichts ist io ' schön, wie man's gern hätte." sagte er laut, „doch: nichts ist so schwer, Fouqud, und so schrecklich, wie man'S ve- fürchtet! Fortuno ist ein Weib! Hat Er denn schon >o wenig Vertrauen zu mir, daß Er meint, ich könnte so waS nicht mehr aus den Rücken zwingen? Er will mich doch nicht unsicher machen?" sagte Friedrich vorwurfsvoll; er schwieg. Abendsignale erklangen vorm Fenster: Zum Gebet. Ehrfürchtig nahm Fouquös Bursche die Blechmüye ab. „Sehe Er mir bloß zu, Fouqiw," sagte Friedrich, der sich heute vom Freunde schwer trennen konnte, was Fouquü mit tiefem Mitleid bemerkte, „daß Er mir bald wieder gesund wird! Für die Freude, die Seine Genesung br- schlcuuigt. ich kenne Ihn ja! werde ich sorgen!" Sar kastisch sah Friedrich zum Schemel nieder, aus dem er gesessen hatte. „Jetzt hab' ich Ihm glücklich Seine ganze Unisorm zerdrückt!" Friedrich klopfte Fouquü die Hand; er hielt des Freundes qualvollen Blick nicht mehr aus: e» war Zeit, zu gehen! „Aus frohes Wiedersehen, Fouqu^!" Bei gewaltsam emwölkiem Gesicht winkte Friedrich dem Freunde zu: sein Blick flog in die finster gewordene Dors- straße; eilig zog Friedrich die nassen, durchlöcherten Hand schuhe an. Langsam, segnend schrieb Fougiws schöne Hans das Zeichen des Kreuzes in die Luft; sie sank zurück und lag starr und weiß, wie ihr Abguß zu Rheinsberg in des Königs ferner Bibliothek. .Kerl!" jagte der König, zum riesenhaften Bedienten an der Tür aufichend, die Hand aus dem Adlerorden, unter dem sein Herz schlug; er maß den Soldaten von oben bis unten, daß dem beiß und kalt wurde. „Sieh mir gut aus deinen General! Es wird nicht dein Schade sein! — Adieu! mein Fouque!" Friedrich senkte den Kops; es schien Fouquü, daß der König noch - etwas sagen wollte, doch Friedrich wendete sich heftig, daß die silbernen Achselschnüre seines viel zu weilen Rockes flatterten, er griji nach dem Türriegel und ging. (Fortsetzung solgt.)