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3002 PAPIER-ZEITUNG. No. 103 2 26 6 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. 63 63 0 0 Die Vorgänger unserer Zeitschriften. Die Zeitungen und Zeitschriften sind keine Kinder der neu esten Zeit, sondern sie haben bereits eine lange Vergangenheit hinter sich. Schon die alten Römer hatten geschriebene Neuigkeits blätter, die sowohl in der Hauptstadt als auch in der Provinz gelesen wurden. Das berühmteste unter ihnen waren die »acta diurna«, welche hauptsächlich über städtische Angelegenheiten, Verordnungen, Senatsbeschlüsse, Vorkommnisse in der kaiserlichen Familie, Sensationsprozesse, Unglücksfälle und Aehnliches berichtete. Die handschriftliche Massenherstellung dieser Mittheilungen geschah Relation ferttgen null. SI Ales auff das trefvlichstwie ich solche brfommenvnd zu wegen bringen mag/ in Eruc »er» men,vnd gedenckwurdigen Historen / so sic hin vnd wider in Hoc vnnd Deder Leutschland/auc in Srandred Italien/ Schott vnd Enge(landi piTpanten/ Hungern / Pocn / Siebenbürgen/ Qallachc, / Voldaw / Cürce/ic Inn tiefem 1602. Jahr »erlauben vnd surtagjen möchte. Fig. 1. durch Sklaven, von denen oft mehrere hundert zugleich für einen Ver leger thätig waren. Ein Vorleser diktirte die Zeitung, und die Sklaven schrieben alle zugleich nach. Dadurch war es möglich, eine hohe Auflage in kurzer Zeit herzustellen. Diese Einrichtung der fabrikmässigen Schriftherstellung war bei den Römern sehr ausgebildet und ersetzte ihnen einigermaassen unser heutiges Buchdruckverfahren. Martial erzählt, dass von seinem zweiten Buche, welches aus 540 Versen besteht, an einem Tage 1000 Exemplare hergestellt wurden. Die Sklaven waren billige Arbeits kräfte, und geschriebene Bücher oder Zeitungen nicht so theuer, als man nach unseren heutigen Begriffen annehmen möchte. Im mittelalterlichen Europa gestalteten sich die Verhältnisse anders. Die schriftkundigen Mönche beschäftigten sich überwiegend mit dem Abschreiben theologischer Werke, das Volk nahm an literarischen Fragen geringen Antheil, und so vergass man, dass vor Zeiten in Rom eine reiche Literatur, ein reger Buchhandel und ein geordnetes Zeitungswesen bestanden hatten. Die Bücher wurden zu Seltenheiten, die Zeitschriften zu Unbegreiflichkeiten. Das historische Volkslied war lange Zeit das einzige Mittel, durch welches bedeutsame Neuigkeiten im Volke verbreitet wurden, ähnlich wie heut noch Bänkelsänger auf Jahrmärkten Mordgeschichten singend vortragen. Schriftliche Mittheilungen wurden durch grosse Handelshäuser und durch Diplomaten vermittelt, indessen bildeten diese Korrespondenzen doch nur ein bescheidenes und langsames Nachrichtenwesen, das weder volksthümlich noch all gemein war. Eine durchgreifende Wandelung ging nach Erfindung der Buchdruckerkunst vor sich. Jetzt wurde das Papier, mittels Typen und Schwärze bedruckt, plötzlich vielzungig; von einem Satz konnten Tausende von Abdrücken hergestellt werden. Die Reformation rüttelte zugleich alle Gesellschaftskreise auf, und das Volk zeigte ein ungemein reges Interesse für die Erscheinungen des Buchhandels, besonders für die kleinen Flugschriften, die von den konfessionellen Parteien massenhaft in die Welt geschleudert wurden. Es entstanden im Laufe der Zeit immer mehr Buch druckereien; der rege Wettbewerb zwang diese, nach gangbaren, interessanten Stoffen zu suchen, und so verfielen einzelne Buch drucker darauf, Neuigkeitsblätter herauszugeben, welche Nach richten brachten über aufsehenerregende Geschehnisse, über Kriege, Mordthaten, Unglücksfälle und dergleichen. Diese Neuigkeitsblätter waren indessen noch keine regelmässig erscheinenden Zeitungen, sondern kleine Flugblätter, welche gelegentlich herausgegeben wurden, ähnlich wie unsere heutigen Extrablätter. Ein solches fliegendes Blatt ist in Deutschland bereits um 1488 nachweisbar. Ein anderes brachte im Jahre 1493 den Brief, welchen Columbus über die Entdeckung Amerikas an den spa nischen Schatzmeister Rafael Sanchez geschrieben hatte. Das älteste, noch vorhandene Flugblatt dieser Art dürfte die in der Leipziger Universitätsbibliothek befindliche »Newe Zeitung« aus dem Jahre 1494 sein. In Frankreich erschien das nachweisbar älteste Neuigkeitsblatt im Jahre 1507. Die unmittelbaren Vorgänger der in regelmässigen Zeit abschnitten erscheinenden Zeitungen waren die sogenannten »Relationen«. Diese wurden in Briefform abgefasst und berichteten handschriftlich über die neuesten Vorgänge im politischen, religiösen und gesellschaftlichen Leben der verschiedenen europäischen Länder. In Kriegszeiten brachten sie möglichst genaue Nach richten vom Kriegsschauplatz. Die Schreiber und Empfänger dieser Relationen waren anfangs hauptsächlich Diplomaten, Geistliche und grosse Handelshäuser. Vornehmlich benützten letztere ihre weitverzweigten Verbindungen und liessen sich durch ihre Agenten aus aller Herren Länder regelmässige Nachrichten senden; so z. B. das berühmte Handelshaus der Fugger in Augsburg. Die Nach richten wurden theilweise gesammelt und in monatlichen Zeit räumen durch den Druck veröffentlicht. Solche Sammlungen erschienen 1593 in Augsburg, andere unter dem Titel »Newe Zeitungen« im Jahr 1595 in Wien und 1596 in Nürnberg. In Frankfurt am Main begründete 1590 der Prediger Konrad Lauten bach die »Relationes semestrales« oder historisch-politischen Halbjahrsberichte. Die eigentlichen, regelmässig erscheinenden Zeitungen nahmen ihren Anfang mit dem Beginn des siebzehnten Jahrhunderts. Im Jahre 1605 erhielt der Antwerpener Buchhändler Verhoeven ein Privilegium für den Druck von Zeitungen. Die älteste deutsche Zeitung, welche uns erhalten blieb, stammt aus dem Jahre 1609. Dieselbe erschien regelmässig jede Woche und wurde herausgegeben vom Strassburger Buchdrucker und Buchhändler Johannes Carolus. Sie führte den Titel Relation: Aller Fürnemmen vnd gedenck- würdigen Historien, so sich hin vnnd wider in Hoch vnnd Nieder Teutschland, auch in Frankreich, Italien, Schott vnd Engelland, Hisspanien, Hungern, Polen, Siebenbürgen, Wallachey, Moldaw, Türkey usw. Inn diesem 1609. Jahr verlauffen vnd zutragen möchte«. Ein vollständig erhaltener Jahrgang von 52 Nummern, in dem nur das 34. Stück fehlt, befindet sich in der gross herzoglichen Bibliothek zu Heidelberg. Fig. 1 zeigt den Titel verkleinert.