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3000 PAPIER-ZEITUNG. No. 103. Alte Wernigerödische Papiermarken. Nach im gräflich Stolberg’schen Hausarchiv befindlichen Quellen. Von Dr. G. Eberty. Die ältesten Spuren der Papierfabrikation in der am Harz in der preussischen Provinz Sachsen belegenen Grafschaft Wernigerode reichen nur bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück. Als zufolge der Reformation mit dem gesammten geistig literarischen Leben jener Zeit auch die Papier-Industrie einen ge waltigen Aufschwung genommen hatte, scheint letztere sich auch in Wernigerode heimisch gemacht zu haben. Wenigstens finden sich ziemlich gleichzeitig um die Mitte des 16. Jahrhunderts an der Holzemme und an der Fluthrenne, dem regulirten Unter- laufe des Zillierbachs, Papiermühlen erwähnt. Wir erfahren aus einem im Jahre 1563 geführten Briefwechsel, dass der Rhein länder Heinrich Overkamp der Aeltere oberhalb der alten Papier mühle bei einem lange unbenutzt gebliebenen Gefälle eine neue anlegen wollte, gegen welches Unternehmen sich jedoch ein heftiger Widerspruch erhob, weil man eine Verunreinigung und Vergiftung des Wassers befürchtete, dessen sich die Wernigeröder Bürger zu ihren täglichen Bedürfnissen bedienten. Da nun gerade die Verunreinigung des von der Bürgerschaft zu ihrem täglichen Ge brauche benöthigten Wassers in Frage kam, so handelte es sich dabei jedenfalls um eine Papiermühle an der Fluthrenne. Wann hier die »alte« Papiermühle — offenbar die erste in der Graf schaft — gestanden, liess sich nicht feststellen; hingegen lässt sich Alter und Lage einer zweiten Papiermühle durch deren noch erhaltene Erzeugnisse und das an diesen angebrachte W asser zeichen ersehen. Eine ganze Reihe von Schriftstücken aller Art im gräflichen und städtischen Archiv zu Wernigerode aus den Jahren 1544 bis 1547 ist nämlich durch ein gegen 50 mm hohes Papierzeichen ge stempelt, welches- einen senkrecht getheilten Schild und darin rechts einen doppelten Zinnenschnitt, links die beiden aufwärts gerichteten gräflichen Forellen sehen lässt, während die Umschrift lautet: • WERNIRODE • VORM ; BROCKEN • Durch den vorerwähnten Zinnenschnitt ist die Lage der Papier mühle in Hasserode und damit an der Holzemme angedeutet, in sofern als im Jahre 1410 der genannten Stadt aus dem Geschlechte derer von Hartesrode ein ansehnlicher Besitz zugefallen war, jene Heroldsfigur aber seit Ende des 13. Jahrhunderts zunächst anstelle einer älteren mit einem Rosenzweige als Familienzeichen getreten war, um schliesslich später gleichzeitig als Orts- und Gebietswappen zu gelten. Eine bestimmte Nachricht über diese zweite Papiermühle, welche so gezeichnetes Papier erzeugte, findet sich daneben noch in einem im Jahre 1588 aufgenommenen Verzeichnisse des Zubehörs der gräflichen Hebungen, sowie der dem Grafen zu leistenden Dienste aus der Grafschaft Wernigerode. Da gemäss dessen jährlich eine ansehnliche Menge Papier ins Amt zu Wernigerode geliefert werden musste, so kann es natur gemäss nicht fehlen, dass die wernigerödischen Amtsrechnungen aus den Jahren 1543—1546 nicht allein sammt und sonders die obenbeschriebene Marke zeigen, sondern sich auch als ergiebige Quellen für die Altersbestimmung der verschiedenen Papierzeichen und dementsprechend der Papiersorten überhaupt erweisen. Während die eben besprochene Papiermarke schon ums Jahr 1548/49 einer andern weicht, erscheint es demgegenüber zum mindesten auffallend, dass sich das hasserödische Hoheits zeichen des Zinnenbalkens — und zwar dreimal gezahnt — als Wasserzeichen auch auf einem von einer Hand des ausgehenden 16. Jahrhunderts geschriebenen Auszuge des oben erwähnten . . Verzeichnisses vom Jahre 1588 findet. Der Zinnen- balken, welcher hier auch noch zwischen zwei Straussfedern aus dem Helme als Kleinod hervor wächst, steht hier ebenfalls rechts in dem senk- • recht getheilten Schilde, während links ein wie es scheint — die Buchstaben T und F ver- —I einigendes Monogramm zu sehen ist. Wie die Papiermühle in Hasserode zu den ältesten in der Grafschaft Wernigerode gehörte, so erhielt sich auch dort im Thale der Holzemme die Wernigerödische Papier-Industrie am blühendsten und längsten. Mit Namen wird aus der Mitte des 16. Jahr hunderts nur der Papiermacher Gregor Herwig zu Hasserode ge nannt, und im Jahre 1662 waren nachweislich Matthias Krüpper und Thomas Grobbe Papiermacher auf der dortigen Mittelmühle. Im Jahre 1714 befanden sich zu Hasserode bereits 4 Papier mühlen. Aber dieser wichtige Erwerbszweig scheint sich auch sonst schnell im Lande verbreitet zu haben. So finden sich bereits im Jahre 1582 eine Papiermühle zu Silstedt, 1595 eine solche zu Wasserleben, 1711 eine solche unweit Veckenstedt, und 1681 eine neue herrschaftliche Papiermühle zu Ilsenburg verzeichnet. Entschieden den bedeutendsten Aufschwung nahm genannter Industriezweig gegen Ende des viel schreibenden 16. Jahr- hunderts. Es geht dies aus der grossen Zahl von Papiermachern hervor, welche im Bezirk Hasserode speziell thätig waren, deren Namen wie folgt sind: Hans Rethmer, Hans vom Harze, Jurgen Puhst, Georg Paust, Baltzer Glaser, Matthias Rethmer, Hans Schulte, Baltzer Schöner, Heinrich von Erfurt, Heinrich Becker, Jakob Stein meissel, Nickel Reischel, Hans Runge. Doch nicht alle diese Namen bezeichnen selbständige Meister, noch dürften denselben ebensoviel Papiermühlen entsprechen, da letztere mehrfach auch von mehreren Gesellschaftern betrieben wurden. Einige Namen dieser Wernigerödischen Papiermacher ver dienen eine besondere Hervorhebung, z. B. Baltzer Glaser, der u. a. an das Magdeburger Domkapitel Papier lieferte, wie über haupt mit dem Wernigerödischen Papier ein ziemlich ausgebreiteter Handel getrieben wurde. In zweiter Reihe wäre dann aufzuführen Baltzer Schöner, welcher in der zweiten Hälfte des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fabrizirte. Dieser hatte als Marke in einem gekrönten Schilde einen Stern, dazu die Um- /. 2. schrift: BALZER SCONER und darunter nochmals die Namens buchstaben B. S. Entschieden die namhaftesten, ältesten Papiermacher in Wernigerode waren Rethmer und Runge, deren Geschäft im Jahre 1587 bereits eine gewisse Ausdehnung und einen gewissen Ruf gehabt haben muss, denn zwei damals geschriebene, noch vorhandene Briefe lassen die bei ihnen gebräuchliche, ansehnliche Gestalt des Wernigerödischen Stadtwappens mit dem Monogramm ihrer Namen sehen. Auf das obenerwähnte älteste, zwischen 1543 1544- 1547 zu verfolgende Zeichen mit den Forellen und dem hasserödischen Zinnenschnitt folgt schon im nächsten Jahre ein etwa 31 mm hoher, zu beiden Seiten ausgeschweifter deutscher Schild mit den beiden aufgerichteten, gräflich wernigerödischen Forellen, welche Marke sich auf einer Futterrechnung des gräflichen Amtes von 1548 vorfindet. Ein Auszug aus einer Getreiderechnung, d. d. Michaelis 1560, weist folgende Marke auf: Ueber einem quergetheilt stehenden Schild von etwa 36 mm Höhe ist als Bekrönung ein W an gebracht. Der obere Schildrand ist in einer Breite von 32 mm ganz abgerundet. Die linke Schildhälfte zeigt eine Forelle, das Bild auf der rechten Schildhälfte ist bei dem beschriebenen Papier leider nur schwer zu erkennen und soll vielleicht einen nach links gekehrten, aufgerichteten Hirsch darstellen. Es folgen nun bei Schriftstücken des Jahres 1562 mehrere Marken, die Kopf und Hals eines Hirsches — des Wappenthieres der Grafen von Stolberg — sehen lassen. Chronologisch schwer zu unterscheiden, finden sich diese Zeichen wenigstens in vor- stehender vierfacher Gestalt: