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2972 PAPIER-ZEITUNG. No. 102. den Farbnapf, verreibt sie, um die Sättigung zu regeln, auf einer Art Holzpalette und trägt dann die Farbe auf den Holzstock auf, einmal in senkrechter, einmal in waagerechter Richtung. Dann legt er den Druckbogen auf, darauf noch zwei Blatt Makulatur, und dann erfolgt der Abzug durch Klopfen und Reiben, in ähn licher Weise wie bei uns Bürstenabzüge gemacht werden. Das Papier wird stets nur einseitig bedruckt, und zwar mit zwei auf einanderfolgenden Seiten zugleich. Dieselben werden dann so gefalzt, dass die unbedruckte Seite des Papiers ins Innere kommt; bei Herstellung des Buches kommt dann der Falz nach aussen, die freien Langseiten nach dem Rücken hin. Die Druckfarbe wird gewöhnlich aus reinem Lampenruss be reitet, gemischt mit »aromatischem« Pflanzen-Oel, das sich in vielen Fällen durch einen unerträglichen Geruch bemerkbar macht. Eine Anzahl frisch gedruckter Bücher kann den Aufenthalt in einer chinesischen Buchhandlung oder in der Wohnung eines Bücherfreundes für europäische Nasen unerträglich machen. Die geruchlose Beschaffenheit unserer europäischen Bücher ist für den Chinesen nicht selten ein Abschreckungsmittel. Er denkt, er bekommt dann minderwerthige Waare, und wenn, er ein Buch kaufen will, dessen Ursprung ihm nicht bekannt ist, riecht er erst hinein. Die in der vorbeschriebenen Weise hergestellten gefalzten Doppelblätter werden nach Beendigung aller zum Buch gehörigen Bogen aufeinandergeschichtet und »gebunden«. Das heisst: es werden mehrere Löcher durch die ganze Schicht in der Nähe des Rückens gebohrt, und festgerollte Papierstäbe werden hindurch gesteckt, beiderseits beschnitten und verklebt. Nachdem beider seits noch Decken angebracht sind, (der Rücken an chinesischen Büchern bleibt unbedeckt), wird das Buch oben, unten und am Rücken beschnitten. Dies geschieht mittels eines scharfgeschliffenen und mit grosser Klinge und schwerem Rücken versehenen Messers, welches dem Schlachtschwert eines Häuptlings nicht unähnlich sieht. Der chinesische Buchbinder setzt den Fuss auf den aus etwa 50 Doppelbogen bestehenden Stoss und säbelt die Ränder herunter. Die einzelnen Bände werden mit seidenen Fäden um wickelt und sind dann verkaufsbereit. Das chinesische Buch beginnt da, wo nach unserer An schauung »hinten« ist. Dort steht in der linken oberen Ecke gewöhnlich der kurze Aussentitel. In der Mitte des nächsten Blattes befindet sich der Innentitel in grosser Schrift. Dann kommen wie bei uns Vorreden, Einleitungen und Inhaltsverzeich nisse. Am Kopfe der letzten Seite steht meist das Jahr der Regierung des Kaisers, unten die Druckfirma. Äusser dieser älteren Drucktechnik wird vielfach auch die Bücher-Herstellung mit beweglichen Typen geübt. In dem Werke von Wells Williams, »Middle Kingdom«, wird erzählt, dass die Ehre, den Druck mit beweglichen Lettern erfunden zu haben, zweifellos einem chinesischen Schmied, namens Pi Shing, zukommt, welcher etwa ums Jahr 1000 lebte und 500 Jahre vor Gutenberg die vielbewunderte schwarze Kunst ausübte. Seine Typen wurden in Thon aus Thonmatrizen geformt und gebrannt. Der Satz er folgte in einem eisernen Rahmen, die Befestigung durch einen rasch erhärtenden Gement aus Wachs, Harz und Leim. Der Druck wurde in der schon beschriebenen Weise mittels der Bürste bewirkt, nachher wurde der Gement abgeschmolzen und die Typen gereinigt. Der nächste in China gemachte Schritt auf dem Gebiete der Herstellung beweglicher Typen war insofern ein Rückschritt, als die Typen nicht mehr nach einer Matrize abgeformt, sondern in Kupferstäbchen geschnitten wurden. A. Wylie berichtet in seinen »Notes on Chinese Literature«, dass dieses Verfahren im 17. Jahr hundert angewendet wurde, als es sich darum handelte, die riesige, 3440 Bände umfassende Büchersammlung, welche unter dem Namen » koo tseuen shoo« bekannt ist, neu heraus zugeben. Weitere Mittheilungen über den Druck von beweglichen Typen chinesischer Art sind in einem von Rev. A. Elwin, Missionar der Church Missionary Society, an die North China Daily News ge richteten Briefe enthalten. In demselben beschreibt der Verfasser seinen Besuch in einer alten chinesischen Druckerei in Wang-do fang im Chuki-Distrikt, etwa 60 Meilen südlich von Hangchow. Dort dient ein grosser alter Tempel gelegentlich als Druckerei. In der Mittelhalle des Tempels standen etwa zwanzig gewöhnliche quadratische Tische, auf welchen sich Schriftkästen befanden. Als Mr. Elwin eintrat, war ein Mann mit Setzen beschäftigt, ein anderer mit Drucken. Elwin beschreibt auch das Setzen, bei welchem ein Thonbrei, in welchen die Typen hineingestellt werden, eine Rolle spielt, aber in schwer verständlicher Weise. Die Ränder der Form, welche den Brei enthält, waren in Gestalt einer Einfassung ausgebildet und wurden, nach er folgtem Trocknen der Masse als Umrahmung des Textes mit abgedruckt. Die Typen waren würfelförmig und aus hartem Holz geschnitten. Die ersten Güsse chinesischer Typen, welche unter Benutzung der europäischen Giesserei-Technik geliefert wurden, rühren von P. P. Thoms her und wurden 1815 an East India Company’s Office nach Makao geliefert. Die Buchstaben waren mit Sticheln als Originale in Schriftmetall hergestellt, wurden nach Bedarf er gänzt, und es sind immerhin etwa zwanzig Wörterbücher und andere Drucksachen von ihnen gedruckt worden, bis sie im Jahre 1856 das Opfer eines Brandes wurden. In demselben Jahre, 1856, begann ein französischer Schrift giesser, M. Le Grand in Paris, den Schnitt einer neuen Schrift garnitur mit einer geringeren Zahl von Stempeln. Alle Figuren, bei welchen sich dies ausführen liess, waren dabei in ihre Einzel bestandtheile zerlegt, welche zur Bildung einer ganzen Reihe von Begriffsbildern benutzt werden konnten. Im Jahre 1838 hatte die Nationaldruckerei in Paris bereits den Versuch gemacht, Abgüsse guter chinesischer Schrift-Holz schnitte abzuformen und durch Zerlegung der Platten in Einzel typen eine originale Schrift herzustellen. In demselben Jahre hatte der Rev. Samuel Dyer, von der London Missionary Society in Singapore, begonnen, die Typen für zwei chinesische Schriftgrössen zu schneiden. Bei seinem 1844 erfolgten Tode hatte er schon 1845 Stempel fertig. R. Cole, von der American Presbyterian Mission, beendete die Arbeit und konnte im Jahre 1851 die beiden Schriftgattungen mit je 4700 Typen fertig vorlegen. Mr. W. Gamble, von der Presbyterian Mission Press zu Shang hai, machte 1859 von guten chinesischen Schrift-Holzschnitten gal vanische Abformungen und verwendete dieselben mit Erfolg als Matrizen zum Guss von Einzeltypen. Demselben Missionar ver danken die chinesischen Buchdrucker auch den chinesischen Schrift kasten, der interessant genug ist, um vorstehend wiedergegeben zu werden. Die aus der Abbildung ersichtliche Anordnung ist das Er gebniss langer und gewissenhafter Prüfungen. Es musste fest gestellt werden, welche Typen wirklich beim Tagesgebrauch nöthig sind, und die Gruppirung derselben musste nach dem mehr oder weniger häufigen Vorkommen ausprobirt werden. Je nach der sehr verschiedenen Art der in China vorkommenden Drucksachen werden Kästen mit verschiedener Einrichtung, kleinere und grössere, benutzt. Während gegenwärtig chinesische Schriften in den Druckereien der meisten europäischen gelehrten Anstalten vertreten sind, die Europäer sich also mit chinesischer Schrift vertraut gemacht haben, ist es bemerkenswerth, dass chinesische Druckereien sich auch mit der Herstellung englischer Arbeiten befassen. Im Fremdenviertel zu Shanghai giebt es eine ganze Anzahl von Druckereien im Besitz von Eingeborenen, welche sich kecklich vermessen, englische Druck sachen zu liefern. Diese Kunststützen zeichnen sich durch Billigkeit sowie durch eine vollständige Gleichgiltigkeit gegen orthographische und Setzfehler aus. Einige grössere Geschäfte haben moderne Cylinder- und Tiegeldruckmaschinen, während andere sich mit alten Handpressen und ausrangirten Cylindermaschinen ältester Bauart begnügen.