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Erfinder dieser Einrichtung zuvor auseinandersetzen müssen, denn das in Nr. 75 der Papier-Zeitung abgedruckte Schema ist gesetz lich geschützt. Bei allen Kontroll-Vorrichtungen sollte man sich hüten, das etwas hochgespannte Ehrgefühl des Arbeitenden zu verletzen. Obwohl Alle, die in einer Druckerei »arbeiten«, gleichviel ob Setzer, Drucker, Faktor oder Chef, sich mit gutem Recht den Ehrennamen »Arbeiter« geben können, wollen doch gerade Die, die unfreiwillig, von den Verhältnissen gezwungen, um Lohn arbeiten müssen, sich nicht gern als »Arbeiter« bezeichnen hören, oder sie thun dies selbst unter starker Betonung mit einem gewissen bittern Beigeschmack. Anderseits trifft man es häufig, dass Inhaber und Leiter grosser Betriebe, die ihren Weg von unten herauf genommen haben, sich gern ausdrücklich Arbeiter nennen. Das sind Gegensätze, die in unsern geschäftlichen Zuständen wie in der Missgunst der menschlichen Natur ihre Nahrung finden, Gegensätze, die ebensowohl verschärft wie gemildert werden können, je nach dem Maasse von Klugheit und Menschenkenntniss, das der Betriebsleiter besitzt. Ein freudiger und ein verdrossener Arbeiter unterscheiden sich in ihren Leistungen sehr weit von einander. Gewiss hat der Arbeitgeber das volle Recht, gewissenhafte Er füllung des zwischen ihm und dem Arbeiter geschlossenen Kon traktes zu verlangen, ebenso wie von ihm die fällige Gegenleistung pünktlich erwartet wird. Ein verständiger Leiter wird aber stets mehr auf den guten Willen seiner Leute rechnen, als auf blinden Gehorsam allein, er wird deshalb etwa nöthige Kontroll-Einrichtun gen so unauffällig und so wenig drückend wie möglich gestalten. Die vorbeschriebenen Viertelstundenzettel, so praktisch sie sein mögen, können sonst selbst bei einem arbeitsamen und einsichtigen Personal im Gegenfalle leicht Missstimmung und Unlust hervor rufen, indem sie als Ueberwachungsmaassregel empfunden werden. So kam es z. B., dass in einem durch gemüthlichen Schlendrian bergab gehenden Geschäfte der neu eintretende Leiter nicht auf Widerspruch — den hätte er nicht geduldet —, wohl aber auf passiven Widerstand stiess, als er harmlose Wochenbücher ein führen wollte. Gerade die ältesten Arbeiter, die seit 20 Jahren in dem Geschäft thätig waren, zeichneten sich durch mangelhaftes, lässiges Ausfüllen der Bücher aus. Nach einiger Zeit, als alle diplomatischen Künste vergeblich geblieben waren, forderte er von dem Aeltesten, der eine Art Vertrauensposten bekleidete, eine unumwundene Erklärung, und siehe, da fiel das Wort: »Wir thun schon so unsere Schuldigkeit, wir brauchen keine Ueberwachung!« Der Leiter war klug genug, nicht auf Biegen oder Brechen zu bestehen, sondern dem im übrigen guten Charakter der Leute wie ihrer langen Dienstzeit und dem im Hause vordem bestandenen patriarchalischen Verhältniss Rechnung zu tragen. Er sprach den Leuten ins Herz, forderte Vertrauen, kam ihnen auch fühlbar vertrauend entgegen. Dann wurde alles anders, die Bücher wurden tadellos geführt und später hinzu tretende Laufzettel desgleichen. Zeitzettel wie die vorgedachten werden da von Nutzen sein, wo die Leute sich selbst überlassen bleiben. Wacht das Auge des Geschäftsführers über dem Betriebe, dann wird man sie ent behren können, höchstens würde man dann Tageszettel ohne Kontroll-Vordruck, lediglich für summarische Eintragungen be stimmt, einführen und sie abends abfordern können. Meist wird aber auch auf dies Mittel, die Arbeitszeit genau zu vertheilen, verzichtet. Man giebt den Leuten Bücher, die wohl täglich ausgefüllt werden müssen und die auch jeden Abend kontrollirt werden sollen, ob die Eintragungen auch wirklich ge schehen sind, die aber im wesentlichen nur bestimmt sind, das Gedächtniss der Leute beim schliesslichen Ausfüllen sogenannter Lauf- oder Auftrags-Zettel zu unterstützen. (Schluss folgt.) Tonplatten. Bei besseren mehrfarbigen Accidenz-Arbeiten kommt dem Ton druck eine hervorragende Bedeutung zu. Am zweckentsprechendsten erweisen sich die glatten Töne, welche in hellen Farbmischungen gedruckt werden, damit die daneben oder darüber stehende Zeichnung um so mehr hervortreten kann. Derartige glatte Ton platten lassen sich aus Karton, der auf Holzplatten geklebt wurde, leicht bereiten, und die Herstellung derselben ist wohlbekannt. Beim Schneiden ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, dass die heraus zunehmenden grösseren Stellen nicht bis auf das Holz ausge schnitten werden, sondern dass die unterste Kartonschicht haften bleibt. Verfährt man auf diese Weise, so wird ein Loslösen des Kartons vom Holz nicht stattfinden, was anderseits, wenn man mit dem Messer bis auf das Holz dringt, schon beim Schneiden selbst geschehen kann. Dem Werfen des Holzes kann man am Wirksamsten dadurch begegnen, dass auf der unteren Seite des selben genau so viele Kartonbogen aufgeklebt werden, als die Oberfläche enthält. Bei grösseren zweifarbigen Formen empfiehlt es sich, die Re vision zweimal zu machen, und zwar zuerst in Bezug auf Text fehler, schlechte Buchstaben, Linien usw., also in der üblichen Weise wie bei einfarbigem Druck. Hiernach erst erfolgt das genaue Einpassen der Farben und die sogenannte Standrevision. Es kann doppelten Zeitaufwand erfordern, wenn bei nur einmal zu machender Revision die mit vieler Mühe zum Stehen gebrachten Theile wegen kleiner Fehler auseinander gerückt werden müssen. Der nächste Abzug wird zeigen, dass der genaue Stand verloren ging, und man sich der schon einmal gehabten Mühe nochmals unterziehen muss. Man kommt am schnellsten zum Ziel, wenn der Stand erst nach er- erfolgter Textrevision geregelt wird. R. Papierstereotypie. In Waldow’s Encyklopädie der Graphischen Künste wird die erste Anwendung der Papierstereotypie bis ums Jahr 1700 zurück geführt, auch über verschiedene »Nach-Erfindungen« dieses Ver fahrens im 18. Jahrhundert und dem Anfang des 19. berichtet. Das ist insofern nicht zutreffend, als es sich bei diesen älteren Verfahren nicht um Herstellung einer Papiermatrize aus ver schiedenen Papierlagen und verbindenden pastosen Kleisterschichten handelte, sondern um Papierfaserbrei oder eine Thonerdeschicht mit übergelegtem Papierblatt usw. Die Erfindung der Papierstereotypie nach dem jetzt ange wendeten System wurde bisher dem Franzosen Claude Genoud aus Lyon zugeschrieben, der sie ums Jahr 1830 ausgeübt haben soll. Nach neueren Feststellungen, welche die Herren Lon Roger, Professor an der Ecole Gutenberg und der Ecole Etienne, und E. Desormes, Direktor der Ecole Gutenberg in Paris, im 22. Heft des »Bulletin de la Chambre syndicale des imprimeurs typographiques« veröffentlichen, ist ermittelt worden, dass die Erfinder-Ehre nicht Genoud, sondern einem noch heut lebenden 84jährigen Gelehrten, Herrn Lottin de Laval auf Schloss Trois- Vals bei Menneval, nahe Bernay, zukommt. Es wurde festgestellt, dass auch Genoud Papier nur zur Be deckung der aus Thonerde bestehenden plastischen Schicht ver wendete und die Abformung in einer Presse vornahm, während das Verfahren erst dann als zuverlässig betrachtet werden konnte, wenn Papier als Hauptbestandtheil benutzt und mit der Bürste in den Satz eingeschlagen wurde. Dies geschah erst gegen Ende der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts, und zwar durch Pierre Leroux in Boussac. Lottin de Laval benutzte als eifriger Forscher ein Papier- Abformungsverfahren, wie es noch heute bei den Archäologen in Gebrauch ist, indem er Löschpapier mit Kleistermischung er weichte, an alte Skulpturen presste und klopfte und damit für das Louvre-Museum getreue zum Gips- und Metall-Abgiessen ge eignete Abformungen erzeugte. Pierre Leroux war mit ihm be freundet und kam beim Anblick dieser Abformungen auf den Gedanken, das von Lottin erfundene und »Lottinoplastie« ge nannte Verfahren auf die Abformung des Typensatzes zu über tragen, was ihm auch nach einigen Versuchen gelang. Lottin de Laval hat der Direktion der Ecole Gutenberg zwei Exemplare eines von ihm 1857 herausgegebenen Buches »Manuel de lottino plastie« überreicht, und die anfangs genannten Leiter dieser Anstalt sind dadurch zu der Ueberzeugung gelangt, dass Lottin das Verdienst zukomme, den Gedanken einer Abformung von Druckstöcken und Schrift in zuverlässiger, praktisch verwendbarer Weise zuerst öffentlich ausgesprochen zu haben. Rokoko. Die in Nr. 27, Seite 765 besprochene und in Beispielen vor geführte Rokoko-Einfassung hat in grösseren Druckereien viel Anklang gefunden. Dabei stellte sich aber bald heraus, dass ihre Anwendung den in diesem Stil fast durchweg wenig geschulten Accidenzsetzern erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Um für die Anregung, welche andere Kunstgewerbe aus alten Ornamentstichen und Photographieen aus Rokoko-Schlössern zu schöpfen pflegen, einen Ersatz zu bieten, hat die Schriftgiesserei Gustav Reinhold in Berlin W. das Opfer gebracht, ein reich ausgestattetes Heft in grossem Quartformat mit sorgfältig ausgeführten, unmittelbar für die Praxis bestimmten Anwendungsproben herauszugeben. Die Ausstattung des Aeussern und die Anordnung der Beispiele im Innern bekunden eine geschulte, treffsichere Hand. Schon der Umschlag mit einem schräg gelegten, breiten schwarzen Streifen,