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2910 PAPI ER-ZEITUNG, No. 100. Buchdruck e_ 8 Steindruck •088,28880828222,202288 Buchgewerbe Buchbinderei 'S • Buchhandel 2-28343 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. 63 6 Messinglinien. Herr Hermann Smalian, einer der tüchtigsten Kenner unserer Messinglinientechnik, veröffentlichte in dem von Julius Engelmann in Berlin herausgegebenen 1893er Kalender für Buchdrucker einen Aufsatz über die Geschichte der typographischen Linien, ins besondre der .Messinglinien, aus welchem wir nachstehend Das jenige wiedergeben, was in weiteren Kreisen Interesse erregen dürfte. Die Linien, d. h. diejenigen Typen, mit welchen Striche in gedruckten Büchern und Flugblättern gedruckt sind, wurden in der ersten Zeit nach Erfindung der Buchdruckerkunst ebenso ge gossen, wie die übrigen Typen. Dies war um so eher möglich, als der damalige Buchdruck nur geringe Ansprüche an dieses Material stellte. ■ In dem Maasse jedoch, in welchem grössere tabellarische und Accidenz-Arbeiten in den Druckereien Eingang fanden, musste auch den Linientypen grössere Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu gewendet werden. Man goss von da ab nur noch die kleinen Stücke, die sogenannten Stücklinien in der Art der übrigen Typen, während längere Linien mit Hilfe von Ziehbank, Bild- und Höhehobel hergestellt wurden. Man goss dieselben etwas stärker als sie gebraucht wurden. Auf der Ziehbank wurden die aus ziemlich weichem Schriftmetall in langen Bahnen gegossenen Linien mittels einer Kurbel unter einer verstellbaren Schneide hindurchgezogen, so dass nach beiderseitiger Bearbeitung und all- mäliger Abnahme breiter Späne derjenige Kegel erreicht war, welchen man der Linie geben wollte. Diese Bahnen hatten die ungefähre Länge von zwei Fuss, erhielten ein Bild eingehobelt und wurden in den Druckereien mittels eines sogenannten Schnitzers (eines kurzen scharfen Messers mit handlichem Griff) in die erforderlichen Längen geschnitten. Mit der Herstellung längerer Stücke aus Bahnen war natürlich ein erheblicher Verlust an Zeit und Material verbunden, nament lich wenn ungeübte Hände diese Arbeit verrichteten. Allein damals war Zeit noch nicht in demselben Maasse Geld wie heut, und dann blieb auch, wenn die Linien im Druck gut erscheinen sollten, kein anderer Weg übrig, denn bei der primitiven Her stellungsart der kleinen Stücke durch Guss zeigten dieselben leicht an den Anschlussstellen Lücken. Der Bezug in Bahnen blieb auch bis in neuere Zeit, als schon die Messinglinien eingeführt waren, üblich, besonders in England und Norwegen, wozu die in beiden Ländern herrschenden unsystem losen Kegel Verhältnisse hauptsächlich beitrugen. Da der Guss der Stücklinien mehr Schwierigkeiten bot, als der der Typen, so verwendeten die ersten Buchdrucker bezw. Schriftgiesser hierzu ein möglichst weich flüssiges und infolgedessen weniger widerstandsfähiges Metall. W. Hasper berichtet in seinem Handbuch von 1835 noch, »dass die damit hergestellten Linien schon nach drei- oder viermaligem Gebrauch so stumpf werden, dass sie zu einer eleganten Arbeit nicht mehr zu verwenden sind.« Dieser Umstand veranlasste oftmalige Erneuerung des Linien- Materials, und um dies billig zu bewerkstelligen, gossen sich viele Buchdruckereien die Linien selbst, zu welchem Zweck noch in den dreissiger Jahren die Schriftgiessereien Dressler und Rost- Fingerlin in Frankfurt a. M. und Genzsch & Heyse in Hamburg j die erforderlichen Werkzeuge: Giess-Instrument. Giess-Ofen, Zieh-1 bank, Bestosszeug, Hobel und Linienbildstähle, lieferten. wahr scheinlich weil bei der Linienfabrikation damals nicht viel zu ver dienen war. Wie man aber auch nun bestrebt war, die Linien aus Schrift zeug billig herzustellen, — immer blieben sie bei ihrer geringen Widerstandsfähigkeit ein verhältnissmässig theures Material, und । man dachte ernstlich darüber nach, dieselben aus härterem Metall zu fertigen. Zunächst verfiel man auf Zink. In Frankreich, Italien und Deutschland ersetzte man die Schriftzeuglinien vielfach durch solche aus Zink. Charles Derriey führte in seinem 1847 heraus gegebenen Linien-Probenheft 128 Muster von Zinklinien vor. Nach deutschen Mittheilungen waren dieselben frei von Blasen, ihre I Bildfläche zeigte tadellose Reinheit, Kegelstärke und Schrifthöhe waren in den etwa einen Meter langen Bahnen mathematisch genau, selbst bei den schon damals vorhandenen Achtelpetit-Linien. Biegsam und hart zugleich, folgten sie, ohne zu leiden, jeglichen | Krümmungen, welche der Satz verlangte und waren unverwüstlich | durch ihre Härte. Allein diese guten Eigenschaften wurden vollständig auf gewogen durch die grosse Oxydationsneigung des Zinks, welche namentlich für das Bild der Linie sehr gefährlich war. Man ver suchte zwar, die Linien durch sorgfältige Behandlung zu schonen, allein ohne wesentlichen Erfolg. Die Nothwendigkeit drängte daher, ein geeigneteres Metall zu suchen, und man fand als solches das Messing. Messinglinien waren im Anfänge nicht beliebt. Der Grund hierzu ist äusser in dem anfänglich sehr hohen Preise derselben, in der Eigenschaft des Federns zu suchen, welche die ersten Messinglinien-Fabrikanten nicht zu beseitigen wussten. Man be schränkte daher die Anwendung der Messinglinien auf kleinere, namentlich tabellarische Arbeiten, während man für grössere, beispielsweise für Eisenbahnpläne, mit Vorliebe Schriftzeuglinien verwendete. Der fortschreitenden Technik gelang es jedoch, auch dieses Federn der Messinglinien durch vorheriges Walzen der Messing- , streifen zu beseitigen, so dass auch die längsten Linien ohne | Störung verwendet werden können. Die Anpassung der Linienkegel und Linienlängen erfolgte in den verschiedenen Ländern auf verschiedene Weise. In England und Nordamerika, wo einheitliches Schriftsystem noch nicht erreicht ist, wurde der Kegel nach Bestellung, die Länge in gewissen. ■ einander nicht immer gleichbleibenden Normallängen geliefert. In Frankreich dagegen mit seinem ausgebildeten Schriftsystem bildeten sich schon früh Sortimente aus, die allerdings eine Menge entbehrlicher Längen enthielten, wie aus folgender Sortirung । hervorgeht: von 1/, bis 43/4 Cicero um 1 j Cicero steigend: LS Längen „ 5 » 101/2 » - 1/2 , „ 12 » - 11 „ 19 „„1„ » 9 „ .. 20 „50 .. » 2 .. .. 16 Die Nothwendigkeit des Zusammensetzens von Linien wurde hierdurch zwar auf ein Geringes beschränkt, aber es war ein ausserordentlich grosser Vorrath von Linien erforderlich. Die Praxis lehrte bald, dass eine solche Eintheilung sehr unvortheilhaft für den Buchdrucker sei, und bald bildete sich ein ziemlich allgemein angenommenes System heraus, nach welchem Schnitte in folgenden Grössen geliefert werden: 6, 8, 10, 12, 14, IG, 18, 20 Punkt, 2, 3, 4, 5. G, 8, 12. IG, 20 Cicero. Diese Längen genügen zu allen Accidenz-Arbeiten gewöhnlicher Art, und nur für 'rabeilen werden grössere Längen bestellt und an- gefertigt. Ueber die von uns im Jahrgang 1891, Seiten 154 und 1x0 in Einzeltheilen und Anwendungen gezeigten Kombinationslinien sagt Herr Smalian Folgendes: »Diese Linienart wurde zuerst von Stephenson, Blake & Co. in Sheffield auf den Markt gebracht. Das von dieser Firma im Jahre 1882 herausgegebene Probenbuch enthält auf 3 Seiten G2 Einzellinien (Grundmuster) und auf 5 Seiten 85 Zusammen setzungen, sowie ein Doppelblatt mit mehrfarbigen Anwendun gen. Es war leicht, aus den Einzellinien Linienbilder von ver schiedenen Mustern und Breiten herzustellen, dagegen schwer, diese Muster auch in den Ecken festzuhalten. Zum Theil hatten die Fabrikanten dies durch Herstellung von Gehrungen, zum Theil durch Schaffung einer Anzahl viereckiger Eckstücke (Kassetten) versucht. Diese Eckstücke waren aus Schriftzeug und in 7 verschiedenen Mustern vorhanden. Gebührt den Herren Stephenson, Blake & Co. demnach unstreitig das Verdienst, die Brass Combination Rules^ wie sie die Kom- binationslinien nannten, zuerst produzirt zu haben, so boten dieselben in der Herstellung doch nichts Genaues. Man findet in dem ganzen Probenbuche wenig Gehrungen, welche exakt schliessen, und noch weniger, welche im Muster exakt sind. Allem