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No. 98. PAPIER-ZEITUNG. 2847 Strohpappen. Während Holzpappen, soweit uns bekannt, ausschliesslich auf Pappenmaschinen gewöhnlicher Art geformt, nass abgenommen und durch Einzeln-Aufhängen getrocknet werden, giebt es in Europa und Amerika vieleFabriken, welche Strohpappen auf für diesen Zweck ge- bautenPapiermaschinenfertigen. Da solche »Strohpappenmaschinen« in 24 Stunden 5 bis 10 000 kg Pappen liefern, so müssen die Fabriken für die Bewegung grosser Mengen Rohstoff und Fabrikat ein gerichtet sein und auf dem europäischen Kontinent so liegen, dass sicli Kohlen und Stroh ohne zu grosse Kosten beschaffen und die Pappen billig nach Deutschland, England und Amerika verladen lassen. Alle diese Bedingungen sind in der Anlage von Fr. Halbach in Leer, Ostfriesland, vereinigt, welche der Heraus geber dieses Blattes vor kurzem besuchte. Es ist die grösste dieser Art in Deutschland und vielleicht in der ganzen Welt. Sie liegt nahe dem Bahnhof in Leer, hat Anschlussgeleise sowie Landungsplatz für Segelschiffe und Dampfer an dem tiefen Nebenarm Leda der Ems. Ein der Firma gehöriger Dampfer von 300 Tonnen Gehalt lichtete in unserer Gegenwart die Anker, um eine Ladung Pappen nach England und Kohlen zurückzubringen. Der Dampfer versorgt jedoch die Fabrik nur zur Hälfte ihres Bedarfs an Kohlen, die andere Hälfte wird aus Westfalen be zogen. Alle inneren Transporte vom Landungsplatz, Vorraths- Fig. 1. schuppen usw. zur Fabrik erfolgen möglichst auf Schmalspur geleisen. Die Fabrik erzeugt mit ihren 6 Pappenmaschinen wöchent lich, d. h. in 6 Arbeitstagen, etwa 200 000 kg Pappen und braucht dazu 140 bis 145 pCt., das ist rund 290 000 kg oder 5800 Gentner Stroh. Solange die Schifffahrt offen ist, wird dasselbe meist in Schiffen herangebracht. Die Beauftragten der Fabrik gehen mit Pressen auf die Güter, packen das Stroh, binden es mit Eisen draht und senden es nach Leer. Dasselbe wird aus Holland und Deutschland bezogen. Das holländische Stroh ist weniger gut als das deutsche und wird mit diesem gemischt verwendet. Roggenstroh ist am beliebtesten und wird am besten bezahlt. Da aber die Gegend, besonders Holland, nicht genug davon liefert, so werden alle anderen Arten mitverarbeitet. Nimmt man den Werth von Roggenstroh zu 100 an, so haben die anderen Arten etwa die in folgenden Zahlen gegebenen Werthe: Roggenstroh — 100 Weizenstroh = 90 Haferstroh = 80 Gerstenstroh = 65—70. Hierbei ist vorausgesetzt, dass sich das Stroh in gutem, trockenem Zustande befindet. Ist dies nicht der Fall, so wird in der Fabrik ein demMinderwerth entsprechender Gewichtsabzug gemacht. Die Anlage wurde nicht von Anfang an so grossartig geplant, wie sie jetzt ist, sondern nach Bedarf erweitert. Vier Pappen maschinen stehen jedoch nebeneinander in einem Gebäude. In folge der verschiedenen Erweiterungen wurden auch verschiedent lich neue Kraftquellen erforderlich, und es werden jetzt von 9 Cornwallkesseln, drei 75 pferdigen Dampf-Maschinen mit Konden sation und 6 Betriebsmaschinen der Pappmaschinen etwa 300 Pf. St. erzeugt. Das Betriebswasser wird aus der Leda in Klärteiche gepumpt und aus diesen nach Bedarf entnommen. Die 5 Häckselmaschinen, mit welchen das Stroh in Stückchen von etwa 2 cm Länge geschnitten wird, stehen eine Treppe hoch über den zu ebener Erde befindlichen Kochern, sodass das ge- häckselte Stroh unmittelbar von dort aus in die Kocher gefüllt werden kann. Alle IG Kocher sind, wie Fig. 1 zeigt, kugel ¬ förmig, von 8' Durchmesser, von Wagner & Co. in Cöthen ge baut und drehen sich langsam. Gleichzeitig mit dem Stroh wird Kalkmilch zugelassen, die eine Treppe hoch in einem Bottich aus gebranntem Kalk bereitet wird und durch ein Sieb mit an schliessender Rinne in das offene Mannloch fliesst. Das Nässen mit Kalkmilch hat zunächst die Wirkung, dass das Stroh sich dichter zusammendrängt und der Kocher 1300 bis 1500 kg da von aufnimmt. In den Kocher wird Dampf geleitet, bis ein Druck von 3 bis 4 Atmosphären erreicht ist; dann wird bei diesem Druck etwa eine Stunde lang gekocht und nach Abblasen des Dampfes das Mannloch geöffnet. Lässt man den Kocher dann umlaufen, so entleert er sich von selbst. Der wässrige Theil des Inhalts der Kocher kann vom Fussboden, auf welchen das Stroh fällt, abfliessen, und das Stroh erfährt hier auch erforderlichen Falls durch Bespritzen mit Wasser eine Waschung. Jeder Kocher kann fünf- bis sechsmal in 24 Stunden gefüllt und entleert werden. Das Stroh hat durch das Kochen schon viel von seiner Sprödigkeit verloren und dunklere Färbung erhalten, muss aber noch starke Quetschung erfahren, damit seine Knoten sich auf lösen und zertheilen, und die Halme sich zerfasern. Dies geschieht erfahrungsmässig am besten auf Kollergängen, unter deren schweren Läufern alle Theile des Strohs breit gequetscht und zerfasert werden. Fr. Halbach hat deren 16 von Wagner & Co. in Köthen gelieferte mit Bodenstein und Läufern aus Granit, wie vor stehende Fig. 2 zeigt. Das auf dieselben geworfene Stroh bedarf nur sehr kurzer Zeit, um zermalmt zu werden und kann deshalb rasch einer neuen Ladung Platz machen. Vierzehn zum Theil mit Waschhauben versehenen Holländern verschiedener Grösse fallt die Aufgabe zu, das gekollerte Stroh in Papierstoff zu verwandeln, der sich zur Verarbeitung auf der Pappen maschine eignet. Da jeder Holländer zum Füllen, Mahlen und Ent leeren nur etwa 1 Stunde in Anspruch nehmen soll, so müssen Walze und Grundwerk sehr leistungsfähig sein, um in so kurzer Zeit das Stroh, ohne es zu zerschneiden, in Fasern zu zerreiben oder zu zermahlen.