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No. 96 PAPIER-ZEITUNG. 2789 Lichtdruckschicht schon bei jedem nachfolgenden Druck anders verhält, wie bei dem vorhergehenden; wir kennen die Abhängig keit der Lichtdruckschicht von Temperatur und Feuchtigkeit, und wissen, wie diese sich oft schon im gewöhnlichen Lichtdruck in störender Weise geltend macht, so dass die Herstellung gleich artiger Drucke in einer Auflage fast unmöglich erscheint. Und dennoch hat sich die Praxis dieser Aufgabe gewachsen gezeigt, so dass auch im Falle des Dreifarbendrucks, abgesehen von jeder Möglichkeit der Anwendung stabilerer Schichten, welche durch Uebertragung auf Stein oder Zink gewonnen werden könnte, die Zukunft desselben als gesichert bezeichnet werden darf.« Kalligraphie als Gewerbe. In einem früheren Jahrgange der »Papier-Zeitung wurde von einem in Amerika heimischen Industriezweige berichtet, dessen Angehörige sich damit beschäftigen, Besuchskarten mit weisser Schrift auf schwarzen Grund zu schreiben. Ein ähnlicher Industrie zweig ist seit etwa einem Jahrzehnt auch in Deutschland heimisch. »Kalligraphen« nennen sich diese Gewerbetreibenden, »Kalli graphische Anstalten« die Geschäfte. Die Thätigkeit der Kalligraphen ist verschiedenartig. Es giebt Künstler darunter, die zu Adressen und Diplomen Titel und Texte schreiben oder zeichnen — die Maler können dies ja nicht — es giebt aber auch bescheidene Handwerker, die mit viel geringfügigeren Aufträgen zufrieden sind. Die Haupt beschäftigung solcher handwerksmässiger Kalligraphen besteht hauptsächlich in der Herstellung farbig geschriebener Etiketten, Verkaufsschilder, kleiner Schaufensterplakate und dergleichen. Besuchskarten, mit heller Schrift auf dunklen Karton geschrieben, scheinen in Deutschland nicht viel verlangt zu werden, wohl wegen des immerhin hohen Preises, den die Herstellung geschriebener Karten verursacht. Auf den ersten Blick erscheint es fast komisch, dass in unserer Zeit noch Kunstschreiber mit dem Buch- und Steindruck in Wett bewerb treten können. Und doch ist es so. Auch ist das Ein kommen der Kalligraphen nicht schlecht; ein geübter Kunst schreiber verdient, als Gehilfe in einer kalligraphischen Anstalt beschäftigt, ebensoviel wie ein geübter Schriftsetzer. Die Wochen verdienste schwanken zwischen 16 und 35 M. Ebenso scheinen sich die Geschäftsinhaber güt zu stehen. Dass es nicht an Auf trägen mangelt, geht aus der verhältnissmässig grossen Zahl solcher Geschäfte hervor. In Leipzig befinden sich, so viel mir bekannt, ungefähr 28 kalligraphische Anstalten, von denen einige reisen lassen und ziemlich umfangreich sind. Auch in kleineren Städten findet man solche Anstalten. Die besten Kunden finden die Kalligraphen unter den In habern von Ladengeschäften, welche die hübsch aussehenden, mit weisser, rothef oder sonst beliebter Farbe auf schwarzen Karton geschriebenen Preis-Etiketten zum Auszeichnen der in den Schau fenstern liegenden Waaren benützen, ebenso kleine Firmenschilder oder Plakate anfertigen lassen, die hinter die Schaufenster ge- hängt werden. Hier findet der Kalligraph ein weites Feld seiner Thätigkeit. Er schreibt die aussergewöhnlich kleinen Preis- Etiketten der Juweliere oder Goldschmiede ebenso wie die grossen Etiketten der Fünfzig-Pfennig-Bazare, das einfache Plakat ebenso wie das hochfeine, in fünf oder sechs Farben ausgeführte Firmen schildchen. Er würde mit derselben Gemüthsruhe auch Besuchs karten schreiben, wenn sie das liebe Publikum entsprechend be zahlte. Sollte hier der Modeteufel einmal sein Spiel treiben, so könnten die Fix-Schreiber den Accidenzdruckern noch recht un erwünscht in das Handwerk gerathen. Die Kalligraphen und deren Gehilfen sind in der Kegel ge lernte Lithographen oder Dekorations- und Schrift-Maler, mitunter auch ehemalige Kaufleute oder Schreiber. Da nicht mit dem Pinsel gemalt, sondern stets mit der Stahlfeder geschrieben wird, so eignet sich Jedermann dazu, der mit der Feder umzugehen ver steht und ein gewandter Schönschreiber ist. Gewandtheit in der Feder führung ist unerlässlich, wenn der Betreffende einen anständigen Verdienst erübrigen will, da die Herstellung der Preis-Etiketten und ähnlicher Sachen meist auf Stück gegeben und je nach der Ausführung hundertweise mit entsprechenden Preisen bezahlt wird. Schwierig ist die Zubereitung der Farbe. Viele Kalligraphen behandeln dies als Geschäftsgeheimniss, da sie oft nur nach längeren Versuchen die von ihnen ausgeübte Art der Farbenzubereitung gefunden haben. Die Farben müssen, da fast immer hell auf dunklen Grund geschrieben wird, sehr gut decken; daher werden in der Regel Metall- oder Erdfarben gewählt. Ferner ist es auch nöthig, dass die angemachten Farben leicht aus der Feder fliessen. Ander seits müssen die geschriebenen Gegenstände, da sie meist in Schau fenstern und an Thüren hängen, vollständig unempfindlich gegen Lieht sein, dürfen auch nicht unter dem Einfluss von Feuchtigkeit leiden. Oelfarben eignen sich aus verschiedenen Gründen nicht. Einerseits fliessen sie schlecht aus der Feder, anderseits trocknen sie zu langsam, und endlich dunkeln sie im Sonnenlicht meist nach. Weiss z. B. verliert seine blendende Helligkeit und nimmt geblichen Ton an. Zum Anmachen der Farben wird — soviel bekannt ist — in der Regel Wasserglas benutzt, welches den obigen Ansprüchen noch am besten genügt. Die Farbe wird so fein wie möglich ge rieben, dann in einem verschliessbaren Gefäss mit Wasserglas versetzt und bleibt vor dem Gebrauch ungefähr einen Tag stehen. Zu weisser Schrift wird auf diese Art Kremserweiss oder auch Zinkweiss mit Wasserglas angemacht, zu Roth Zinnober, zu Gelb Chromgelb, zu Gold reine, echte Bronce usw. Die Mischung von zerstossenen Eierschalen, welche amerikanische Kalligraphen ver wenden, wird meines Wissens in Deutschland nicht viel gebraucht. Wie ein flüchtiger Versuch lehrte, lässt sich damit recht gut schreiben, doch löst sich die zerstossene Eierschale nicht auf und setzt sich deshalb immer wieder als Bodensatz nieder, was Un bequemlichkeiten bereitet. Die in Wasserglas angemachte Farbe trocknet ziemlich schnell, und die damit erzeugte Schrift sitzt unverwischbar fest auf dem dunklen Papier- oder Pappgrunde, hält sich auch in ihrer vollen Reinheit. Die Deckkraft ist gut, und jeder Schriftzug kommt rein und klar zum Vorschein. Ein Uebelstand ist nur, dass die Stahl federn oft gereinigt werden müssen. Die Stahlfedern sollen sehr elastisch sein und dürfen keine zu scharfe Spitzen besitzen. Zu grossen, dicken Schriften wird die Feder an der Spitze meist besonders zugeschnitten und dann etwas abgeschliffen. Mit derartig zubereiteten Federn schreibt der Kalligraph sehr dicke Züge, indem er den Buchstaben erst mit Bleistift in Konturen umzieht und dann die Feder so kräftig aufdrückt, dass sie eine grosse Farbenmenge fliessen lässt, die sich zusammenfliessend zu einem dicken Striche vereinigt. Bei Preis-Etiketten u. dergl. findet man daher stets, dass die breiten Striche an beiden Seiten dick aufgetragene Farbe zeigen, die sich nach der Mitte zu muldenförmig vertieft. Die meisten Arbeiten werden auf tiefschwarzes Kartonpapier ausgeführt, das entweder eine matte oder leicht geglättete Oberfläche hat. Je nach der Arbeit wird dasselbe dicker oder dünner benutzt. Der Verbrauch derartigen Kartonpapiers dürfte bei der regen Thätigkeit der Kalligraphen ziemlich bedeutend sein. X. Unvollständige Lieferung. (Geroks Palmblätter.) In Buchhändlerkreisen hatte es unliebsames Aufsehen gemacht, als die Verlagsfirma Greiner & Pfeiffer bei der neuesten Auflage von Geroks »Palmblättern« statt der in Aussicht gestellten 15 Lieferungen zu je 1 Mark nur 14 lieferte und diese Minder leistung dadurch zu verschleiern suchte, dass sie die letzte, eigentlich 14 te und in gewöhnlichem Umfang erscheinende Lie ferung mit dem handschriftlichen Zusatz »15. Lieferung« (14 15) versah. Auf diese Weise war ein von den einfachen Heften sich nicht unterscheidendes »Doppelheft« geschaffen, und die Verlags handlung liess sich dasselbe auch zum doppelten Preise bezahlen. Zu den Tageszeitungen, welche sich gegen dieses Verfahren am entschiedensten aussprachen, gehörte die Schwäbische Tagwacht. Der verantwortliche Redakteur derselben wurde verklagt, vom Gericht aber freigesprochen, da dasselbe den in Klage gestellten derben Ausdruck nicht als zu scharf ansah. Die klagende Firma wurde in die Kosten verurtheilt. Büchertisch. Das Zolltarifgesetz und das amtliche Waarenverzeichniss zum Zolltarife in der vom 1. Februar 1892 geltenden Fassung. Zu sammengestellt von P. Reinhold, kaiserl. Rechnungsrath im Reichs schatzamt. Berlin, 1892, R. v. Decker s Verlag. Das amtliche Waarenverzeichniss, welches in diesem Buche äusser dein Zolltarif enthalten ist, hat für den Einfuhrverkehr insofern Be deutung, als es eine grosse Zahl von Sondererzeugnissen, deren Ein reihung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Interessenten und der Zollbehörde führen könnte, bestimmt klassifizirt. Auch im Papier- waarenfach giebt es eine nicht ganz geringe Zahl von Gegenständen, deren Klassifikation Ansichtsverschiedenheiten veranlasste. Mit Bezug auf die Einreihung der einzelnen Waaren in die Zollkategorieen sind die behördlichen Ansichten auch nicht zu allen Zeiten gleich gewesen. So ist z. B. an dem amtlichen Waarenverzeichniss vom 1. Juli 1888 wieder holt geändert worden, und es wird daher den Interessenten erwünscht sein, noch vor dem Erscheinen einer neuen amtlichen Ausgabe des gegenwärtig giltigen Waarenverzeichnisses eine halbamtliche, ver trauenswürdige Zusammenstellung in Händen zu haben.