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2660 PAPIER-ZEITUNG. No. 92. g22 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. 636383 6 Druck ohne Punkturen. In Nr. 86 der Papier-Zeitung wurden in einem mit vorstehender Ueberschrift versehenen Artikel Angaben über den Druck ohne Punkturengemacht, die bei demFachmanne, welchem die Fortschritte der Neuzeit in Bezug auf die Thätigkeit der Buchdruckmaschine nicht unbekannt geblieben sind, Bedenken erregen dürften. Einige allgemeine Bemerkungen über die Nothwendigkeit der Anwendung wie die Fortlassung der Punkturen auf der Tiegel druckpresse werden das Verständniss erleichtern. In den kleinsten bis zu den grössten Buchdruckereien ist heute die Tiegeldruckpresse vertreten. Für den Maschinenmeister lehrling ist gewöhnlich die Unterweisung an der Tiegeldruckpresse die erste Beschäftigung, und in kurzer Zeit vermag sich dieser durch Anlegen an derselben nützlich zu machen. Ein Punktiren auf der Tiegeldruckpresse ist, selbst bei Schön- und Widerdruck, für gewöhnlich unnöthig, wenn den beiden Hauptbedingungen — gut befestigte Anlegemarken und ein im rechten Winkel ge schnittenes Papier — genügt und die Form genau auf die Mitte der Papierbreite geschlossen worden ist. Die Anzahl der zu druckenden Farben ist gleichgiltig, wenn nur das Anlegen ge wissenhaft bewirkt wird. Das bei mehrfarbigem Druck zu ver wendende Papier, (auch bei einseitigem Druck) muss selbst verständlich von jeder Feuchtigkeit frei sein und glatt liegen. Anders jedoch verhält es sich beim Druck mehrfarbiger Ar beiten auf gummirtem Papier. Bekanntlich gehört die Verarbeitung des gummirten Papiers wegen der Neigung desselben zum Wellig werden nicht zu den Annehmlichkeiten des Druckens, besonders dann nicht, wenn es zum Druck kleiner Formen auf der Schnell presse bestimmt ist. Hierzu ist die Tiegeldruckpresse am Platze, der man diese Arbeiten nur dann entziehen dürfte, wenn dringende Umstände dies gebieten. Mehrfarbige Arbeiten auf gummirtem Papier lassen sich auf der Tiegeldruckpresse wie auf der Ein- farben-Maschine nur mittels Punkturen herstellen. Beim Tiegel druck werden Stachelpunkturen in die zuerst zu druckende Form seitlich vom Satz eingefügt, beim Druck der weiteren Formen werden genau an den Stellen, wo sich die eingestochenen Löcher befinden, auf dem Tiegel Punkturen in Gestalt von Reissnägeln, mit der Spitze nach oben gerichtet, befestigt. Bei gutem Punktiren wird dann ein tadelloser Stand erzielt. Die Druckleistung ist bei einer derartigen Arbeit gering und beträgt für die Stunde etwa 300 bis 350 Druck. Gewöhnlich betrifft dieser Buntdruck mehrfarbige Etiketten, welche, verschiedene Mal gesetzt, immer noch eine nicht unlohnende Arbeit bilden. Doch nun kommen wir zur Hauptfrage, die in dem betreffen den Artikel von dem Herrn Verfasser behandelt wurde: »Ueber die Fortlassung der Punkturen beim Werkdruck«. Unsere Maschinenfabrikanten sind schon seit Jahren bemüht, das Punktiren überhaupt überflüssig zu machen. Man hat versucht, diesem Zwecke entsprechende Vorrichtungen für die Schnellpresse zu konstruiren, und in der That sind diese Bemühungen von den besten Erfolgen begleitet gewesen. Nicht alles Gebotene ist gut, aber es giebt zweifellos sehr leistungsfähige Anlege-Vorrichtungen. Dass die Meinungen der Arbeiter (in diesem Falle also der Maschinenmeister) über die Zweckmässigkeit einer neu einzuführen den Erfindung, welche die Beseitigung einer bisher für unentbehrlich gehaltenen Arbeitsleistung bedeutet, sich sehr verschieden gestalten, ist wohl anzunehmen. Dem weiteren Fortschreiten der Technik wird jedoch dadurch kein Halt geboten, und so musste sich denn Mancher, der der Sache nur mit Misstrauen gegenüberstand, in das Unvermeidliche fügen. Die Ersetzung der Seitenmarke durch eine rechts und links seitlich verstellbare, jedem Format der Maschine anzupassende selbstthätige Anlege-Vorrichtung ist die Neuerung, welche das Punktiren an der Schnellpresse aufhebt. Die nach links und rechts verstellbare Schiene bedingt natürlich beim Schöndruck ein rechts- und nach dem Umschlagen des Bogens beim Widerdruck ein linksseitiges Anlegen. An letzteres müssen sich die Anlegerinnen allerdings erst gewöhnen, was bei einer 8 tägigen Uebung, während welcher die Maschine beim Widerdruck nur etwas langsamer gehen muss, auch bequem erreicht wird. Man ist dann sicher, gutes Register zu erhalten, wie man es sonst von der besten Punktirerin nicht erwartet. Die Hauptthätigkeit des Apparats besteht darin, dass jeder Bogen auf der anzulegenden Seite stets genau in die für ihn be stimmte Lage geschoben wird, in welcher er dann, von den Greifern erfasst, so lange verbleibt, bis das Bedrucken bewerk stelligt ist. Selbst an der Zweifarben-Maschine macht der Apparat ein Punktiren überflüssig. Die Vortheile, welche die Anbringung des Anlegeapparats an vorhandene Maschinen in sich birgt, liegen auf der Hand, weshalb derselbe heute schon in einer Anzahl mittlerer Buchdruckereien Berlins an keiner Maschine fehlt, während die grösseren sich noch zum Theil im Uebergangsstadium befinden. Als besonderer Vortheil dürfte derjenige zu betrachten sein, dass bei Anwendung des Apparats die Maschine beim Wider druck nicht wie beim Punktiren ein mässigeres Tempo als beim Schöndruck einzuschlagen braucht. Gewöhnlich lässt man, wenn es die Auflage lohnt, beim Schöndruck mit Punktur die Maschine auf dem ersten, beim Widerdruck, mit Rücksicht auf die Punktirerin und das Register, auf dem zweiten Gange laufen. Letzteres wird also nicht mehr nöthig sein, da das Anlegen eine weit weniger anstrengende Thätigkeit ist als das Punktiren. Be züglich des Lohnes würde, nach Berlins Verhältnissen berechnet, eine Anlegerin wöchentlich 3—4 M. billiger sein als eine Punktirerin. Mit Vorstehendem habe ich zu beweisen versucht, dass der Druck ohne Punktur auf der Schnellpresse nicht nur möglich ist, sondern dass er durch schnelleres Arbeiten sowie durch billigere Arbeitskraft Ersparnisse herbeiführt, die man dem Buch- druckereibesitzer unter (len heutigen Verhältnissen gönnen kann. Zum Schluss seien mir noch folgende Bemerkungen gestattet. Bei seinem Vorschläge, den Bogen beim Widerdruck zu umstülpen, hat der Herr Verfasser nicht daran gedacht, dass das Papier durchgängig in seiner Länge wie Höhe Ungleichheiten aufweist. Der weitaus grösste Theil der Werke wird auf gefeuchtetem, häufig nach dem Feuchten noch satinirtem Papier gedruckt. Dieses Papier wird auf alle Fälle, selbst wenn es von der Papierfabrik mathematisch genau geliefert worden wäre, durch die mit ihm vor dem Druck vorzunehmenden Hantirungen Veränderungen unterworfen, welche die Höhe wie Länge der einzelnen Bogen zu einander ungleich gestalten. Ein Register, also das genaue Auf einanderstehen der Zeilen, wäre demnach unmöglich durch Um- stülpen des Bogens zu erhalten. Ferner hat sich der Herr Ver fasser über das veränderte Falzen der Bogen scheinbar wenig Gedanken gemacht. Welcher Wirrwar würde wohl in den grossen, fabrikmässig betriebenen Buchbindereien entstehen, wenn von dem bisher üblichen Verfahren zum Theil abgewichen werden sollte! Es könnte vorläufig doch nur von einer theilweisen Einführung die Rede sein, auch wenn es sich um eine Sache handelte, welche sich bewährt und als möglich erwiesen hätte. Noch etwas kommt hier in Betracht, was der Herr Verfasser auch wohl nur vergessen zu haben scheint: In welcher Buchdruckerei wird heute noch der Oktavbogen in zwei Formen gedruckt, wenn die Auflage 6—700 übersteigt und Maschinen im Format zum Druck des ganzen Bogens vorhanden sind? Maschinen kleineren Formats wird der Buchdrucker sich heute nur zu besonderen Zwecken anschaffen, nicht aber zum Werkdruck. Nach dem Vor schläge des Herrn Verfassers, den Bogen zu umstülpen, ist es jedoch nicht möglich, einen ganzen Bogen in einer Form zu drucken, es sei denn, dass man von zwei Bogen zuerst die Schöndruck- und dann die Widerdruckformen vornimmt. Man hat aber nicht immer zwei Bogen desselben Werks druckfertig, um dies bewerk stelligen zu können. Es kommt in einer Werkdruckerei oftmals vor, dass man, wenn auch ungern, einen einzelnen Bogen zum Druck geben muss, um die Maschine nicht stehen zu lassen. Aber das thut man nur in der Noth, und zweckmässig ist es nicht. Bleiben wir also bei dem bisher üblichen Verfahren, und bringen wir beim Druck den Anlegeapparat in Anwendung, um ein Punktiren auf der Schnellpresse unnöthig zu machen und die uns dadurch gebotenen Vortheile zu sichern. Eduard Schmidt.