Volltext Seite (XML)
No. 91. PAPIER-ZEITUNG. 2629 raum unterbringen. Die Lesewelt verlangt Ansichts-Sendungen, sie will die ungebundenen Bücher mindestens flüchtig auf den Inhalt prüfen und einen Blick in die unaufgeschnittenen Bogen werfen. Hierzu sind die unscheinbaren, zu Paketen geschnürten Druck bogen nicht mehr zeitgemäss. Die erste Forderung ist, dass das Heften, Leimen und Ein hängen der Broschüren unterbleibt, dass also die Bogen weder durch Heftstiche verletzt, noch mit Klebstoff am Rücken überstrichen werden. Sehr einfach wäre das zu erreichen, wenn man die Bogen wie sonst üblich falzen und in der Reihenfolge der Signatur zusammentragen würde. Dann könnten sie ungeheftet und ungeleimt in den Umschlag gelegt werden. Um sie vor dem Herausfallen zu schützen, würde es nöthig sein, kreuzweise ein Band herum zubinden oder Kautschukringe umzulegen. Dieses einfache Verfahren dürfte freilich nicht viel Freunde finden, trotzdem es entschieden besser ist, als unser jetziges Broschurverfahren. Mindestens bleiben die Bogen unbeschädigt, und die Bücher Verkäufer müssen sich bequemen, das Buch binden zu lassen, bevor es zerlesen und zerrissen ist. Statt des einfachen Umschlages könnte zu dünnen Büchern auch ein Umschlag aus kräftigem Papier in Form von Brief umschlägen oder Beuteln hergestellt werden. In diese würden die gefalzten Bogen in ähnlicher Weise gelegt, wie jetzt die zum Verkauf ausgebotenen Briefbogen-Zusammenstellungen zu zehn- oder fünfundzwanzig Stück. Eine etwas kräftige, als Zunge auslaufende Klappe wäre so zum Verschliessen anzubringen, dass sie in einen, an der Hülle angebrachten Schlitz gesteckt werden könnte. Diese Hüllen, hübsch mit dem Titel und vielleicht auch mit Bücheranzeigen bedruckt, würden nicht mehr kosten, als die Arbeit des Heftens und Einhängens, und besässen dasselbe schöne Aussehen wie die Broschur. Besonders würde sich diese Art der Verpackung auch zu Lieferungswerken eignen. Zu grossen, schweren Büchern könnten Pappkästen benutzt werden, in welche die gefalzten Bogen genau hineinpassen. Ein hübsches Vorbild zu solchen Kästen ist in den jetzt gebräuchlichen einfachen Briefpapierbehältern vorhanden. Wie auf diesen die Inhaltsangabe aufgedruckt ist, können bei Bücherkästen der Titel auf die Vorderseite, Bücheranzeigen auf die Rückseite gedruckt werden. Der Rückentitel würde seinen Platz auf dn langen Seiten theilen des Kastens erhalten, zur Bequemlichkeit vielleicht beider seitig aufgedruckt. Noch bequemer zum Versenden, Verpacken und Aufstellen auf Bücherbrettern wäre eine Kastenform in Gestalt der heut benutzten Bücherfutterale mit Rückenklappe. In diesem Fall würde es nöthig sein, die gefalzten Bogen erst in einen dünnen Papier-Umschlag zu legen und mit diesem in das Futteral ein zuschieben. Die Rückenklappe, welche als Verschluss dient, kann entweder mit Kalikostreifen zugeklebt werden, wie das bei den Futteralen gebundener Bücher geschieht, oder es kann ein billiger Blechverschluss, vielleicht auch ein zum Zusammenknüpfen be stimmter Bandverschluss angebracht werden. Zur Aufnahme des Rückentitels dient auch liier der Seitentheil. Wünscht ein Käufer ein derartig verpacktes Buch vor dem Binden zu lesen, so kann das ohne jede Gefahr für die Dauer des Buches geschehen. Er hat dann nicht nöthig, die gefalzten, aber ungehefteten Bogen aufzuschneiden, sondern er nimmt sie einzeln aus dem Kasten oder dem Umschlag, liest die erste Seite, faltet dann den Bogen auseinander, so dass die innenliegenden Seiten nach Aussen kommen, und liest diese, ähnlich, wie er seine Zeitung liest. Es ist vielleicht etwas unbequem, aber die Bogen bleiben gut erhalten. Ausserdem ist anzunehmen, dass der Besitzer Ver anlassung nehmen wird, sein Buch früher mit einem dauerhaften Einbande versehen zu lassen, als dies jetzt der Fall ist, und das Buch bliebe infolgedessen gut und dauernd erhalten. Allerdings sind Pappkästen etwas theurer als es die jetzt übliche Art des Broschirens ist. Der kleine Kostenzuschlag ist aber bei Büchern, die an sich einen Werth von 5 bis 20 Mark besitzen, gewiss nicht entscheidend, wenn es gilt, dadurch die werthvollen Werke vor dem Verderben zu schützen. Da die Bogen vorher in Oktav gefalzt werden, so sind keine grossen Kästen nöthig; das Format ist eben so handlich wie bei Broschüren, die äussere Aus stattung eben so geschmackvoll. Die Rücken bleiben unbeschädigt, und auch der Schnitt wird durch die Kästen vor dem Einfluss des Lichtes und jeder zufälligen Beschädigung geschützt. Die Herstellung haltbarer und geschmackvoller Pappkästen ist in den Zeiten des Nuthapparates, der Faltmaschine und des Blechklammerverschlusses billig und schnell möglich. Der Titel und sonstige Inschriften können unmittelbaraufder Pappe angebracht werden, Ueberziehen mit Papier ist also nicht nöthig. Dadurch wird die Herstellung bedeutend verbilligt. Die Ecken der Kästen werden mit Blechklammern oder Blechstreifen verbunden, ein Verfahren, das eben so haltbar wie geschmackvoll ist. Eine Umwandlung des bisherigen Brauches könnte allerdings | nur allmälig durchgeführt werden. Es würde sich empfehlen, zunächst mit der wissenschaftlichen Literatur zu beginnen. Denn es ist anzu nehmen, dass Gelehrte und die Leiter von Bibliotheken die Neuerung mit besonderer Freude begrüssen würden. Besonders letztere haben vielfach Gelegenheit, die Schäden des Broschirens zu erkennen und zu fühlen, sie würden voraussichtlich unbroschirte Bücher den broschirten vorziehen. Verleger, welche die Neuerung einführen wollten, könnten vielleicht damit beginnen, dass sie nur einen Theil der Auflage broschiren, den andern Theil aber in Kästen versenden, und dies in ihrem Rundschreiben bemerken. Vielleicht könnte im Rundschreiben auch der Grund dieses Vorgehens angegeben und der Vortheil des Versendens nichtbroschirter Bücher in Kästen hervorgehoben werden. Ein Einwurf gegen das vorgeschlagene Verfahren ist allerdings geltend zu machen; nämlich die Schwierigkeit, welche mit den Ansichtssendungen verknüpft ist. Geheftete und geleimte Bücher können gefahrloser zur Ansicht in fremde Wohnungen geschickt werden, als in Kästen befindliche Bogen. Bei letzteren liegt die Möglichkeit nahe, dass ein Bogen abhanden kommen kann. Dagegen kann sich aber der Sortimenter sichern, indem er vorher das Buch genau prüft oder »kollationirt«, wie es in der Buchhandelssprache heisst, und nach Empfang ebenso wieder genau durchsieht. Dieses Kollationiren wird ausgeführt, indem man sämmtliche Bogen des Buches mit der rechten Hand fest an der oberen Ecke anfasst, hierauf die untere Buchseite am Rücken zwischen den Daumen und die anderen Finger der rechten Hand nimmt, etwas nach unten drückt, und dann Bogen um Bogen vom Daumen ablaufen lässt, wobei man zugleich die Reihenfolge der Bogen zählt. Versteht man diesen Handgriff', so ist das Prüfen der Bogen schnell voll bracht und dürfte für den Sortimenter eine leichte Mühe sein. Ausserdem könnten anfangs die zur Ansicht zu sendenden Bücher nach wie vor broschirt, vielleicht auch im gebundenen Zustande zur Versendung kommen, wogegen die direkt bestellten Bücher in Kästen versandt werden. Allmälig wird man sich auch an die unbroschirten Ansichts-Sendungen gewöhnen. (Das »Kollationiren« kann auch vor dem Druck durch die nachstehend beschriebene, mehrfach in Vorschlag gebrachte, aber selten angewendete Einrichtung erleichtert werden: Die Höhe des gefalzten Oktavbogens wird in ebensoviele Theile zerlegt, als das Werk Bogen besitzt, und auf die Länge des er mittelten Betrages wird im Bundsteg eines jeden Bogens, also zwischen der ersten und der letzten Seite, gleich weit von den beiden Langseiten der Kolumnen entfernt, ein Stück fette Viertel petitlinie in den Bundsteg eingefügt. Beim ersten Bogen steht dieses Linienstück nahe dem oberen Rande, beim zweiten Bogen beginnt es da, wo das Linienstück des ersten Bogens endet, usw., bis beim letzten Bogen das letzte Linienstück in der Nähe des unteren Randes steht. Es verstellt sich von selbst, dass alle Linien stücke gleich lang sein müssen. Besichtigt man nun den Rücken der in regelrechter Aufeinanderfolge gereihten Bogen, so müssen die dicken schwarzen Linien, welche beim regelrechten Falzen genau im Rückenfalz erscheinen, eine treppenförmige rythmische Reihe ergeben, und es bedarf nicht einer Durchsicht aller Bogen, sondern nur eines einzigen Blicks über den Rücken hin, um zu erkennen, ob das Buch »komplet« ist oder nicht. Bei dem vorstehend ge gebenen Beispiel ist eine Broschur von 6 Bogen Umfang an genommen, bei welcher also 6 Striche in der geschilderten Auf einanderfolge erscheinen müssen. Die Punktlinien deuten dieRücken- fälze an. Die Red.) Ich verhehle mir nicht, dass mein Vorschlag gleichbedeutend mit einer Umwälzung des eingebürgerten Verfahrens ist. Warum soll man aber ein Verfahren, das unzweckmässig und für die Bücher gefahrvoll ist, weiter dulden? Warum soll man die Bogen erst mit Nadelstichen verletzen, warum sie am Rücken mit Leim und Kleister zusammen kleben und ihre Dauer schädigen? Weiss man doch, dass all diese Hefterei und Leimerei nur vorübergehend ist und früher oder später durch einen Einband ersetzt werden muss. Verkaufe man doch die Bücher, wie sie aus der Druckerpresse kommen, falze die Bogen zum handlichen Format, beschmiere sie aber nicht mit Klebmitteln, und überlasse es dem Bücherkäufer, die noch unbeschädigten Bücher nach Belieben binden zu lassen. Und will man das nicht, so versende man sie mindestens sofort in dauerhaftem Einband gebunden. Dies wäre ohne Zweifel viel richtiger, als das übliche Verfahren des Broschirens. G.