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No 91. PAPIER-ZEITUNG. 2623 und Woge in Alfeld. In Deutschland bestünden etwa 50 Cellulose fabriken, darunter mindestens 20 unabhängig von Mitscherlich. Es sei heutzutage die vollständige Einrichtung einer nach dem Mitscherlich’schen System zu betreibenden Sulfitcellulosefabrik von bestimmten Firmen käuflich zu erhalten. Zum Beweise wurden übergeben und vorgetragen: ein Brief der Maschinenfabrik Germania vom 6. September 1892 und 6 gedruckte Verkaufsofferten, bezw. Empfehlungen. Mit Hilfe eines jetzt jederzeit zu habenden Technikers sei es Jedem auch ohne eigene Kenntnisse und ohne Beistand Mitscherlich’s möglich, eine Cellulosefabrik nach Mitscherlich zu errichten. Beweismittel: ein auszuwählender Lehrer einer technischen Hochschule. Da das klägerische Verfahren kein Geheimniss mehr sei und Jedem ohne jegliches Entgelt offen stehe, so könne man nicht sagen, nur Be klagter, welcher für die mitgetheilten Kenntnisse nach dem Vertrage vom Jahre 1881 ein Lehrgeld von 10 000 M. habe zahlen müssen, sei von der Benutzung ausgeschlossen. Kläger bestritt dieses Vorbringen. Das Berufungsgericht ver anlasste nun über Identität und Zusammenhang des Fabrikbetriebes in Schwarza mit dem klägerischen Verfahren vom 6. April 1891 einen Beweisbeschluss und die Einholung eines auf Augenschein zu stützenden schriftlichen Gutachtens des Professors Dr. Stohmann in Leipzig. Nachdem der genannte, im Augenscheinstermin vom 15. Mai 1891 vereidete Sachverständige sein Gutachten zu den Akten ge geben, wurde derselbe von dem Beklagten als unzuverlässig und befangen abgelehnt, welches Ablehnungsgesuch jedoch durch Be schluss des Oberlandesgerichts vom 10. Dezember 1891 — be stätigt durch Beschluss des Reichsgerichts vom 5. Februar 1892 — für unbegründet erklärt wurde. Auf Antrag des Beklagten, noch einen zweiten Sachverständigen zu hören, wurde dann über die Aufstellungen des Beweisbeschlusses in der nämlichen Weise das Gutachten des ebenfalls bei der Augenscheinseinnahme vom 8. April 1892 vereideten Professors Dr. Tollens aus Göttingen beigezogen. Der Berufungskläger hat den Inhalt der beiden Gutachten im Verhandlungstermine vorgetragen. Dazu bemerkte derselbe: Es sei nunmehr der gesammte Klageanspruch bewiesen, mindestens aber erschienen die Berufungsanträge sub 1 und 3 bereits hinreichend gerechtfertigt und werde eventuell um Theilurtheil gebeten. Der Inhalt des Antrages 1 sei von beiden Sachverständigen bestätigt. Das Gut achten des Professors Tollens könne jedoch im übrigen nicht für zutreffend erachtet werden. Kläger hat dieses Gutachten in Gemässheit seines Schriftsatzes vom 18. Juli 1892 bemängelt und dabei zu Antrag 3 in Betreff der Kocher insbesondere geltend gemacht: Kläger habe schon im Jahre 1881 einen stehenden Kocher in seiner Fabrik in Münden verwendet, welchen Beklagter damals dort gesehen. Beweismittel: der vorgelegte und mitgetheilte Brief des Klägers an Beklagten vom 21. November 1881; Eidesantrag. Die darin bestehende Verschiedenheit, dass die Kocher bei Mitscher lich mit Bleifolie, bei Wolff durchweg mit dickem Bleiblech ausgekleidet seien, habe der Sachverständige Tollens lediglich daraufhin festgestellt, dass Beklagter ihm gegenüber diese Eigenschaft seiner Kocher be hauptet und er, der Sachverständige, beim Augenschein an einer Stelle eines Kochers am unteren Mannloche — die oberen Wandungen seien nicht zu sehen gewesen — dickes Bleiblech wahrgenommen habe. Demgegenüber sei darauf hinzu weisen, dass Kläger bereits in seinem Geheimbuch Seite 10, Tafel 2, Figg. 6 und 7 angegeben habe, dass in der Nähe der Mannlöcher dickes Bleiblech, durch Cementschicht be festigt, angewendet und mit Mauersteinen theilweise bedeckt werden solle. Und wäre auch, was nicht der Fall, die Behauptung des Be klagten, seine Kocher seien durchweg mit Bleiblech ausgekleidet, erwiesen, so hätte Beklagter damit nicht eine neue Erfindung gemacht, sondern nur die klägerische Vorschrift ausdehnend angewendet. Der Berufungsbeklagte, das Thatsächliche der vorstehenden Ausführung bestreitend, aber den Inhalt des Briefs vom 21. No vember 1881 anerkennend, acceptirte seinerseits das Tollens'sche Gutachten und verwarf das Stohmann’sche. Nachdem er das letztere wiederum als unzuverlässig erklärt, führte er, soweit die Berufsanträge 1 und 3 in Frage kommen, Folgendes an: Die Behauptung des Sachverständigen Stohmann, dass die Ein richtung und die Betriebsmethode in der Fabrik zu Schwarza mit der klägerischen übereinstimmten, sei insofern richtig, als in Schwarza aus Holz mittels Sulfitlauge Cellulose bereitet werde. In den Einzelheiten weiche jedoch die Methode ganz erheblich von Mitscherlich’s Angaben ab. Sämmtliche Apparate seien anders. Dem Sachverständigen seien die Gründe, aus welchen Beklagter bei seinen Kochern und zwar überall und nicht bloss am Mannloche, Bleiblech statt Folie in Anwendung gebracht, verborgen geblieben. Einer der Gründe sei folgender: Be klagter habe früher nach der Vorschrift des Klägers Kocher mit Blei folie, die mittels Theers auf den Kocherblechen befestigt gewesen, benutzt, und dabei oft eine Kochung erhalten, welche von ausgeflossenem Theer verunreinigt und von einem Zerfressen des Kesselblechs und theilweiser Zerstörung des Kochers begleitet gewesen sei. Diese Uebel stände würden durch den Gebrauch von Bleiblech vermieden. Auch die Ausmauerung der Kocher sei völlig verschieden. In des Beklagten Fabrik würden dünne, säurefeste Normalsteine, doppelt über einander gelegt, verwendet, wie sie wohl zur Zeit anderswo noch nicht in Gebrauch, aber von bestimmten Firmen im Handel käuflich zu haben seien. Wie alle anderen Theile einer Cellulosefabrik, würden ins besondere auch die Kocher von gewissen Fabriken Jedermann fertig geliefert. Beklagter beantragte deshalbige Beweiserhebung und insbesondere über seine gesammten Behauptungen die Vernehmung eines dritten Sachverständigen, als welchen er den Professor Egbert Hoyer in München vorschlug. Kläger, dem Vorbringen widersprechend und den Sachverständigen Hoyer ablehnend, suchte noch seinen Antrag, die Zuwiderhandlungs strafe auf die höchste zulässige Summe von 1500 M. zu normiren, durch den Hinweis auf die grosse materielle Wichtigkeit der Sache für ibn und die Nothwendigkeit, mit allem Ernst gegen den Beklagten vor zugehen, zu rechtfertigen. Der Beklagte bezeichnete die beantragte Strafe als zu hoch und stellte in Betreff der vorläufigen Vollstreckbarkeit, für deren Herbei führung eine Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe des von diesem auf 40 000 M. angenommenen Werthes des Streitobjekts zu niedrig erscheine, den Antrag, ihm gegen Sicherheitsleistung dieAbwendung der Zwangsvollstreckung nachzulassen. Das Urtheil des Oberlandesgerichts lautete wie folgt: Unter Abänderung des Versäumnissurtheils des Oberlandes gerichts vom 22. Oktober 1891, insoweit dasselbe den Beklagten zur Einstellung des Betriebes seiner Fabrik verurtheilt, wird anderweit dahin erkannt: »Beklagter ist schuldig, in seiner Cellulosefabrik zu Schwarza bei Meldung einer Strafe von 1500 M. für jede Zuwiderhandlung die Behandlung des Holzes mit einer Lösung von sogenanntem doppeltschwefligsaurem Kalk (schwefligsaurer Kalk, gelöst in wässeriger Lösung von schwefliger Säure) bei einer Temperatur von über 108 0 Celsius zur Gewinnung von sogen. Sulfitcellulose zu unterlassen; und ebenso bei gleicher Strafe die Benutzung eines Kochers zu unterlassen, welcher mit Bleiblech und Mauer werk aus Cement und gebrannten Steinen gegen die Einwirkung der schwefligen Säure geschützt ist. Dieses Theilurtheil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt, falls Kläger in Höhe von 80 000 M. Sicherheit hinterlegt.« Gründe: Der Vorderrichter ist zu der von ihm ausgesprochenen Klage abweisung hauptsächlich auf Grund folgender Erwägungen gelangt: Gegenstand des Vertrags zwischen den Parteien sei lediglich das dem Kläger unter Patentnummer 4179 patentirte Verfahren zur Herstellung von Cellulose, und hauptsächlich Patentanspruch Igewesen. Letzterer sei für nichtig erklärt und hiermit der Wegfall der Vertrags verbindlichkeiten des Beklagten von selbst eingetreten. Das eidliche Versprechen des Beklagten vom 14. Oktober 1879 sei durch den späteren Vertrag vom Jahre 1881 äusser Wirksamkeit gesetzt worden. Der Senat hat diese Begründung nicht für zutreffend erachtet und hält vielmehr dafür, dass der Grund der erhobenen Klage aus den beiden von dem Kläger herangezogenen kontraktlichen Verpflichtungen gleichmässig herzuleiten sei. Mittels der von ihm eingeräumten protokollarischen Versicherung vom 14. Oktober 1879 hat sich der Beklagte verpflichtet, über Arbeiten, die in der Mündener, sowie in der in Löhnberg zu errichtenden Cellulosefabrik ausgeführt würden, über Einrichtungen und Gegenstände niemals, weder vor. noch während, noch nach seiner Beschäftigung in der Löhnberger Fabrik Jemandem ohne die Brlaubniss des Dr. Mitscherlich etwas mitzutheilen, noch die Kenntnisse derselben ausserhalb der Löhn berger Fabrik in seinem oder Anderer Nutzen ohne Genehmigung des Friedrich Wetz in Löhnberg und des Klägers verwerthen, ferner die Fabrikgeheimnisse nach jeder Seite hin schützen zu wollen. Es leuchtet ein, dass sich dieses Versprechen auf das gesammte von dem Kläger erfundene Verfahren der Cellulosebereitung, wie dasselbe in den Fabriken zu Münden und zu Löhnberg gehandhabt wurde, bezogen hat, da von einer Beschränkung desselben auf den patentirten Theil des Verfahrens mit keinem Worte die Rede ist. Ebenso ist klar, dass Beklagter durch das Versprechen die in demselben bezeichneten Verpflichtungen direkt dem Kläger gegenüber übernommen hat. Zwar hat ausweislich des Protokolls vom 14. Oktober 1879 Kläger den Beklagten bei Beginn des Schwurtermins vor Gericht rekognoscirt, allein Kläger ist nicht bloss als Rekognoscent im Termin erschienen. Derselbe hatte in dem Vertrage mit Friedrich Wetz vom 8. September 1879 zur ausdrücklichen Bedin gung gestellt, dass der von ihm in seiner Fabrik in Münden zu Gunsten des Wetz anzulernende Beklagte auf Geheimhaltung zu verpflichten sei. Ausweislich des von Wetz an das Amtsgericht Münden gerichteten Schreibens vom 11. Oktober 1879 befand sich Beklagter bereits damals in Münden, um von dem Kläger in die Fabrikgeheimnisse eingeweilit zu werden. Wenn nun bei dieser Sachlage Kläger im Interesse seiner eigenen Sicherung selbst mit dem Beklagten am 14. Oktober 1879 vor Gericht erschien, den Termin bis zu Ende abwartete, die von ihm verlangte eidliche Versicherung des Beklagten ohne Genehmigung des Klägers nicht handeln zu wollen, entgegennahm, die vorgelesene protokollarische Ver handlung genehmigte und sich Abschrift des Protokolls erbat, so kann nicht bezweifelt werden, dass er auch als Kontrahent auftrat und auf treten wollte und als solcher von dem Beklagten betrachtet wurde.