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No. 80. PAPIER-ZEITUNG. 2287 Schreibmaschinen. Von Albert Hoffmann und Emst Wentscher.*) Einleitendes. »Schreibmaschinen« sind Vorrichtungen, durch welche Stempel mit dem verkehrt dargestellten Typenbilde nach einander auf die Schreibfläche abgedruckt werden, so dass sich auf dieser druck schriftartige Buchstaben in richtiger Reihenfolge zeigen. Die Schreibmaschine ist demnach eine Druckvorrichtung, und zwar der Regel nach eine solche für einen Abdruck. Allerdings kann man auf den meisten Maschinen auch mehrere Abzüge herstellen, wenn man dünnes Schreibpapier mit abfärbendem Durchschreibepapier durchschiesst; allzuviel gute Abzüge darf man aber auf diesem Wege nicht erwarten. Will man eine grössere Anzahl Abzüge haben, so verwendet man Hektographenfarbe bezw. ein mit Hektographen- färbe getränktes Band, und überträgt das Schriftstück dann auf den Hektographen, der davon gewöhnlich mindestens 30 gute Ab züge liefert. Man kann auch Niederschriften, bei deren Her stellung Farbband oder Farbkissen mit lithographischer Fettfarbe versehen waren, auf Stein oder Zink umdrucken und davon eine unbegrenzte Zahl von Abzügen herstellen lassen. Man kann ferner unter Benutzung des bei Edison’s Mimeograph und dem Cyclostyle verwendeten Wachspapiers und eines feinen darunter gelegten Seidengewebes eine Schablone herstellen, welche mittels des diesen beiden Apparaten gemeinsamen Druckverfahrens die Abnahme einer grossen Zahl von Abzügen gestattet. Amerika ist das Vaterland der Schreibmaschine. Dort wurde die erste brauchbare Formung derselben, die Remington, erfunden und erprobt, und die Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit des Maschinenschreibens ist dort so tief in alle Volksschichten gedrungen, dass nicht allein fast jedes grössere Geschäft eine oder mehrere Schreibmaschinen besitzt, sondern dass auch grosse Gasthöfe ihren Gästen, bedeutendere Bahn Verwaltungen den Reisenden Schreib maschinen zur Verfügung halten, und dass grosse Unterrichtsan stalten für Maschinenschreiben bestehen. Manuskripte für den Druck werden nicht selten vor der Satz-Ausführung in Maschinen schrift kopirt. Manche Druckereien haben zu diesem Zweck ein eigenes Typewriter Copying Department. Es wird berichtet, dass in den Vereinigten Staaten in den letzten 14 Jahren weit über 100 000 Schreibmaschinen verkauft worden sind und etwa 10 000 weibliche Personen ihr Brot als berufsmässige Maschinenschreibe- rinnen verdienen. In New York, Broadway 70, besteht unter der Firma »The Type Writer Head Quarters« ein grosses Schreib maschinengeschäft, welches nicht allein alle gangbaren Schreib maschinensysteme vorräthig hält und im Betriebe zeigt, sondern auch gegen Entrichtung einer kleinen Gebühr bereitwillig umtauscht. Auch in Deutschland hat die Verbreitung der Schreibmaschinen in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Die Zahl der z. B. in der Redaktion der Papier - Zeitung einlaufenden Maschinen schrift-Briefe mehrt sich von Jahr zu Jahr, und von Verkäufern der verschiedenen Systeme wird glaubhaft berichtet, dass auch eine Anzahl von Schriftstellern, z. B. Paul Lindau, Gerhard von Amyntor, sowie viele höhere Beamte, Aerzte und Rechtsanwälte die Schreibmaschine mit bestem Erfolge benutzen. Namentlich in den Schreibstuben der Versicherungs-Gesellschaften, Fabriken und Banken hat die Schreibmaschine Eingang gefunden, und den berufs mässigen Stenographen ist sie fast unentbehrlich. Ein sprechender Beweis für die wachsende Verbreitung der Schreibmaschine in Deutschland ist auch der Umstand, dass von einer Anzahl deutscher Schriftgiessereien Druckschriften herausge geben wurden, welche den Duktus und die unregelmässigen Buch staben-Abstände der Maschinenschriften nachahmen. Wenn man sich entschliesst, die Leistungen eines mangelhaften Verfahrens durch ein vollkommenes nachzuahmen, so ist dies wohl ein Beweis, dass die Merkmale des ersteren, und demnach auch dieses selbst, bekannt und volksthümlich sein müssen. Aus den Aeusserungen der Inhaber und Leiter gewerblicher Anstalten mit ausgedehntem Briefwechsel lässt sich oft entnehmen, dass dieselben zwar die Vorzüge des Maschinenschreibens vor dem Hantiren mit Feder und 'Pinte erkennen und bereit wären, eine Schreibmaschine anzuschaffen, dass sie sich aber die Ent scheidung nicht zutrauen, welche die »beste«, <1. h. die für ihren besondern Bedarf zweckmässigste ist. Angesichts der grossen Menge der angebotenen Systeme und der nur selten vorhandenen Gelegenheit, Exemplare derselben *) Die Verfasser haben sich dergestalt in die Arbeit getheilt, dass A. H. die ausgeführten, E. W. die unausgeführten, nur in Patentschriften beschriebenen Maschinen bearbeitete, deren Kenntniss ebenfalls,' nament lich für den Techniker, von Werth ist. neben einander zu sehen und vergleichend zu prüfen, ist es allerdings sehr schwer, eine Uebersicht und ein Urtheil zu ge winnen. Die bisher ausgegebenen wenigen Monographieen über Schreibmaschinen haben meist zu dürftigen Inhalt, es fehlt ihnen oft der Hinweis auf die wesentlichen, kennzeichnenden Merkmale der Konstruktion, und oft sind sie auch nicht sachlich und un parteiisch genug. Der Verfasser der die ausgeführten Maschinen behandelnden Abtheilung hielt es daher für eine dankbare und nützliche Aufgabe, sich mit allen ihm erreichbaren Schreibmaschinen bekannt und vertraut zu machen, und die Ergebnisse seiner Studien und Erfah rungen in objektiver Weise den zahlreichen Interessenten vorzulegen. Diese Aufgabe wurde dadurch wesentlich erleichtert, dass die wichtigsten Schreibmaschinensysteme in Berlin vertreten sind. Der Verfasser hatte Gelegenheit, sich mit sehr vielen der nach stehend beschriebenen Maschinen vertraut zu machen, mit einer Anzahl derselben sogar monatelang zu hantiren. Von Vortheil war es dabei, dass ihm stets wenigstens ein halbes Dutzend Maschinen gleichzeitig zu vergleichenden Versuchen zur Verfügung standen. Bei denjenigen Maschinen, welche der Besichtigung und Hantirung nicht zugänglich waren, boten Patent schriften und amerikanische Druckschriften eine hinreichende Grund lage für Kenntniss von Konstruktion und Wirkungsweise. Es wäre verfehlt, wenn eine Arbeit, wie die hier unter nommene, darin gipfelte, dass eine oder zwei Maschinen schliesslich als die »besten« bezeichnet würden Abgesehen davon, dass einem solchen Superlativ stets widersprochen werden kann, dass es an jeder Maschine noch etwas Verbesserungsbedürftiges giebt, und der »besten« Maschine schliesslich eine »allerbeste« folgen kann, ist es wohl verständlich, dass für den Sonderzweck und die individuellen Anforderungen des Einen diese, des Andern jene Maschine als beste gelten kann. Die Aufgabe des Schildern den kann daher nur sein, überall auf die wesentlichen Merkmale, die Vorzüge und Schwächen aufmerksam zu machen und ein möglichst vollständiges Material herbeizuschaffen, welches den Interessenten einen Ueberblick und Gelegenheit zur Bildung eigenen Urtheils bietet. Vorzüge und Mängel. Zunächst erscheint es zweckmässig, die allen Schreibmaschinen erster Klasse gemeinsamen Vorzüge und Mängel gegenüber der Handschrift zusammenzustellen. Vorzüge sind: 1. Die Schreibmaschine liefert eine der Druckschrift ähnliche, sehr deutliche Schrift. Ein Wort kann falsch geschrieben, aber nie unleserlich sein. 2. Ein geübter Maschinenschreiber kann doppelt so viel und noch mehr leisten, als ein Handschreiber. 3. Durch Einschalten von Durchschreibepapier sowie durch Uebertragen auf die Hektographenplatte, Stein- oder Zink- platte usw. kann man das Schriftstück vervielfältigen. 4. Die gegenüber der Federschrift erheblich einfachere Hand- und Fingerbewegung ermüdet nicht so leicht. Schreibkrampf ist ausgeschlossen. 5. Die Schreibmaschine ermöglicht auch Gelähmten, sofern sie nur noch einen Finger bewegen können, ferner Blinden und Schreibkrampf-Behafteten müheloses Schreiben. 6. Schreibmaschinen-Manuskript lässt sich wegen der vollen deten Gleichmässigkeit der Schrift leicht für den Druck berechnen. 7. Auch jugendlichen Hilfskräften mit noch unausgeschriebener Handschrift können geschäftliche oder amtliche Schreib arbeiten anvertraut werden. Diesen Vorzügen stehen allerdings auch einige Nachtheile gegenüber: 1. Der Vorgang des Typen-Abdrucks erfolgt an einer andern Stelle, als derjenigen, an welcher die Hände thätig sind. Man kann daher den Vorgang des Schreibens nicht unmittel bar beobachten, sondern muss, um das eben Geschriebene zu sehen, mit Schreiben innehalten, oft auch einen Maschinen theil zurückklappen. 2. Man kann nicht so rasch wie mit der Feder von einer Stelle des Blattes zur andern gelangen. 3. Man kann nur auf lose Blätter oder Bogen, nicht in Bücher schreiben. (Zwei amerikanische Maschinen, welche das Be schreiben von Buchseiten gestatten, sind untergeordneten Ranges.) 4. Die Tasten-Schreibmaschinen arbeiten sämmtlich mit mehr oder weniger starkem Geräusch. 5. Schreibmaschinen lassen sich nicht so bequem mitführen wie Feder und Tinte.