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2566 PAPIER-ZEITUNG. gaben. Unter den Ausstellungsstücken dieser Gruppe befindet sich viel »Genre«, bei welchem auch die Darstellungsgegenstände geeignet sind, das Interesse der Beschauer zu fesseln. Ein Bild chen von eigenartigem Reiz ist z. B. »La promenade publique« von Deboucourt. Man sieht auf dieser langen und schmalen Dar stellung das damalige modische Paris auf der Promenade, schwatzend, sich spreizend und kokettirend. Die Art, wie diese Dämchen und Herrchen wiedergegeben sind, verräth einen starken Sinn für Humor und Satire, ohne durch karrikaturenhafte Darstellung abzuschrecken. Dabei ist dieses Bildchen auch ein interessantes Beispiel früher Freilichtmalerei. Die unmittelbare Beleuchtung der Figuren durch Sonnenlicht im frühlingsgrünen Park ist mit erstaunlicher Korrektheit dargestellt. Trübe Betrachtungen zu wecken geeignet ist das hübsche Bild der Königin Antoinette von Franpois Janinet. Es stellt Königin mit ihrem Söhnchen dar und stammt aus der für das Königspaar noch glücklichen Zeit, als Alles der eleganten, vornehmen Königin und ihrem Sprössling zujubelte. Von der Stimmung, welche das französische Volk damals noch zum Ausdruck brachte, zeugt der unter dem Bilde stehende Vers: Les Sentiments de la Nation. Antoinette, des Lys Esperance bien chere, Ce beau Jour niet le Comble ä la Felicit, Vous etes dans nos Coeurs, Roi, Enfant et. Mere, Reunis par l’Amour et la Fidlit. Als tüchtige Ausüber der Tuschmanier in Nachahmung von Aquarellen und getuschten Zeichnungen sind noch Ploos van Amstel in Amsterdam und die Künstlerfamilie Prestel in Frankfurt a. M. zu erwähnen. Die dritte Art der auf der Ausstellung vertretenen Kupfer druck-Kornmanier wird durch Inschriften als »Kreidezeichnungs manier« bezeichnet. Diese Manier wurde hauptsächlich zur Wieder gabe von Pastellbildern, namentlich den sehr beliebten Putten bildchen von Boucher, verwendet. Auf diesem Gebiet zeichneten sich die Franzosen Louis Bonnet und Gilles Demarteau aus. Hier findet sich die treffliche Nachahmung einer auf Tonpapier ausgeführten Kreidezeichnung: Simson wird von den Philistern überwältigt. Die Wirkung einer mit schwarzer Kreide auf schieferblauem rauhem Papier ausgeführten Zeichnung, die durch einige mit weisser Kreide aufgesetzte Lichter belebt wurde, ist in täuschender Weise nachgeahmt. Sehr gut ist auch ein von Pierre Michel Alix ausgeführtes Bildniss des General Berthier. Nicht allein, dass liier in dem charakteristischen Gesicht grosse Klug- heit und Entschlossenheit zum Ausdruck kommt, auch der Marmor in der elliptischen Umrahmung ist täuschend dargestellt. Die bei dem erwähnten Simson-Bilde angewendete Grau-in-Grau-Aus- führung kehrt auch bei anderen Bildern mehrfach wieder, so z. B. bei Bonet, Venus und Amor (Blau in Blau) und bei Prestel, »Die Wahrheit besiegt den Neid« (Sepia). Man darf diese kleine, aber wohlgeordnete Ausstellung nicht bloss als eine Veranstaltung für Kunstfreunde, Sammler und Kunsthistoriker auffassen, sondern sie hat eine freilich nicht auf der Oberfläche liegende Bedeutung für den gesammten Kunst druck und das graphische Gewerbe der Gegenwart. Während man sich vielfach quält, Bilder für Werke und Zeitschriften in verschiedenen bunten Farben zu drucken, die sich meist immer noch als unzureichend herausstellen, zeigen gerade die ältesten Beispiele der Farbenholzschnitte, wie man auf dem Wege des Grau-in-Grau-Drucks mit leichter Mühe zu vollbefriedigenden, durchaus künstlerischen Erzeugnissen gelangen kann. Wer diese ehrwürdigen Zeugen alter, in ihrer Weise reifer deutscher Kunst mit Aufmerksamkeit studirt, wird finden, dass hier die Keime einer feinen und wirksamen Farben-Illustration der Zukunft liegen können, welche sich nicht mehr bemüht, eine Wiedergabe von Oelbildern zu bieten, sondern sich damit begnügt, durch Heran ziehung bescheidener, nur andeutender, gewissermaassen mehrere in eine zusammenziehender Farben einen vollen künstlerischen Eindruck zu machen. Wohlgelungene Arbeiten in dieser Aus führungsart aus neuerer Zeit liegen schon vor, sind auch von uns mehrfach als Vorbilder empfohlen worden, haben aber noch nicht vermocht, dieselbe Aufmerksamkeit wie die Vielfarbenbilder zu erregen. Die feine Wirkung des »Clair-Obscur« muss den maassgebenden Kreisen vor Augen geführt werden, damit sie in ihrem ganzen Zauber erkannt wird. Hierin sollte die praktische Wirkung auf Vertreter der graphischen Kunst gipfeln, welche von dieser Ausstellung neben der Erweiterung kunstgeschichtlicher Kenntnisse geboten wird. A. H. Schriftzeichnen im Kunstgewerbemuseum zu Berlin. Unter den Schülerarbeiten, welche in den letzten Wochen im Mittelraume des königlichen Kunstgewerbemuseums zu Berlin aus- | gestellt waren, befanden sich auch Beispiele der in der Fachklasse | für Schriftzeichnen unter Leitung des Malers Ansgar Schoppmeyer ■ gefertigten Arbeiten. Wir verfolgen die Leistungen dieser Klasse, welche die Aufgabe hat, die Kunst des Schriftzeichnens zu pflegen und zu beleben, seit Jahren mit grosser Aufmerksamkeit, und haben auf diese Einrichtung, welche nicht allein für Schilder- und Inschriftmaler, sondern auch für junge Lithographen bestimmt ist, bei verschiedenen Gelegenheiten hingewiesen. Aus dem, was wir selbst von den Leistungen der Klasse sahen und von Schülern erfuhren, welche den Unterricht bei Herrn Schoppmeyer besuchten, haben wir indess mehrfach ersehen, dass der Unterricht in dieser Klasse nicht in der Weise ertheilt wird, welche geeignet ist, dem praktischen Kunstgewerbe Nutzen zu bringen. Die diesmalige Schüler-Ausstellung hat uns nicht allein in dieser Anschauung bestärkt, sondern auch zu der Ueberzeugung gebracht, dass über das beim Unterricht in dieser Klasse befolgte System eine öffentliche Aussprache erforderlich ist. Was man bisher von Arbeiten dieser Klasse sah, waren fast ausschliesslich schön in Farben ausgeführte gothische, romanische und Zopf-Initialen, die nach alten Vorbildern wiedergegeben waren, dann einige Ansätze zu kalligraphisch ausgeführten Adressen und Diplomen, alles recht nett ausgeführte Sachen, aber sämmt- lieh Kopieen oder doch sehr durchsichtige Nachahmungen, und fast in keinem Falle wurden Aufgaben gestellt und gelöst, wie sie in denjenigen Betrieben, welche gegenwärtig als Vertreter der kalligraphischen Kunst zu gelten haben, also in den lithographi schen Anstalten, den Schriftzeichnern gestellt werden. Die Fachklasse für Schriftzeichnen am Kunstgewerbemuseum bevorzugt offenbar zu sehr die zum Ornament ausgebildete, zu weilen entartete Schrift, die man mit grösserem oder geringerem Recht »Schnörkelschrift« nennt. Was an einfachen Antiqua- und Renaissance-Formen auf der diesjährigen Ausstellung vertreten war, kann keineswegs auf Mustergiltigkeit Anspruch machen, und flotte, schwungvolle, erfindungsreiche Schriftzeilen, bei welchen die zeilebildenden Buchstaben mit Rücksicht auf ihre Nachbarn unter leiser Veränderung der Normalform aneinander komponirt wurden, wo also nicht der Buchstabe, sondern die Buchstaben- Gruppe oder -Zeile als Ganzes erscheint, waren nirgends vorhanden. Das Einzelne ist oft befriedigend, aber es fehlt meist der Blick für die Gesammtwirkung, die z. B. dem Buchdrucker in eindring licher Weise anerzogen wird. Es ist gerade so, als wenn in der Fachklasse für dekorative Malerei nur Einzeltheile ausgeführt und ausgestellt würden: hier ein Eck-Ornament, da eine Rosette, aber keine einheitliche Komposition. Die Titel-Anordnungen z. B., welche fast sämmtlich in gothischer Schrift ausgeführt sind, ge nügen nur in sehr bescheidenem Maasse den für Aufeinanderfolge freistehender Zeilen geltenden rythmischen und Proportions gesetzen. Hier müssten die einfachen und klaren Titelgesetze be rücksichtigt werden, welche der Buchdruck auf Grund langer Erfahrung aufgestellt hat. Man bemerkt überhaupt in deutlicher Weise, dass diese Fachklasse mit dem Gewerbe zu wenig Fühlung hält. Dass eine Ausbildung der Schüler für einen praktischen Beruf erstrebt wird, lässt sich nirgends erkennen. Deshalb hört man auch von wohlunterrichteten Angehörigen der graphischen Gewerbe nicht selten die Aeusserung, dass ein Besuch der Schrift - Klasse am Kunstgewerbemuseum für die Lehrlinge und jüngeren Gehilfen nicht den erwarteten Nutzen habe. Sie lernen darin kunstreiche Initialformen kopiren, werden aber anscheinend nicht mit dem nöthigen Nachdruck auf die einfachen klassischen Schriftformen der Renaissance-Zeit und die vortrefflichen Vorbilder hingewiesen, welche die Gegenwart geschaffen hat. Die grosse, in den Ausstellungsarbeiten sich bekundende Vorliebe für die verschnörkelte Schreibmeisterkanzlei des XVII. und XVIII. Jahrhunderts ist zweifellos von besonders verderb lichem Einfluss auf die Schüler. Dieselben verlieren dadurch, dass sie mit solchen Aufgaben beschäftigt werden, bevor sie in klassischen Schriften fest genug sind, das Gefühl für die einfache, reine, schöne Form. Wir hatten früher einmal Gelegenheit, das Vorlagen-Material dieser Klasse zu besichtigen und fanden z. B., dass den Schülern in der ersten Stunde ein Alphabet zopfiger französischer halbfetter Versalien zur Nachbildung vorgelegt wurde. Wer an solchen Formen herangebildet wird, der muss in kurzer Zeit das Gefühl für reine Schriftschönheit verlieren. Dann