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lassen. Die Geschäftskundigsten nützten ihr Geisteswerk vielleicht erst durch einen Zeitungsabdruck aus, minder Geschäftskundige unterliessen auch das und boten ihr Werk sofort Verlegern zum Buchverlage an. Das war damals die gute Zeit der Roman- Verleger. Sie erhielten zugkräftige Werke zum Verlag angeboten, zahlten ein bescheidenes Honorar, fanden für ihre Verlagssachen willige Käufer und wurden dabei gemächlich reiche Leute. Diese gute, alte Zeit ist unwiderbringlich dahin. Die Zeit schriftenliteratur hat den alten Roman-Verlegern einen mächtigen Gedankenstrich in ihr Geschäftsleben gemacht und sie vor ein grosses Fragezeichen gestellt. Einige empfinden das jetzt schon, andere werden es später empfinden. Es dürfte nicht viel Schriftsteller von Ruf mehr geben, die ihre Romane sofort zur Buchausgabe für das hierfür übliche Honorar verkaufen. Denn das hiesse in das eigene Fleisch schneiden, das wäre so gut wie baares Geld verschenken. Nein, der Schriftsteller bietet seinen Roman erst einer grossen Zeitung oder Zeitschrift an, und diese zahlt ihm dafür viel mehr, als der Buch-Verleger überhaupt zahlen kann. An letzteren kommt erst das Angebot eines zweiten, dritten oder vierten Abdruckes. Vor dem bescheidenen Buch-Verleger steht erst die Riesen gestalt des grossen Zeitschriften-Verlegers, der einen guten Magen hat und viel verdauen kann. Wonach der kleine Buch-Verleger Appetit hat, das kann der Zeitschriftenriese auch geniessen; er schnappt ersterem die besten Bissen weg und lässt nur die Brocken übrig, die von seiner reich gedeckten Tafel fallen. Reich gedeckt ist diese Tafel immer. Denn alle Angebote richten die Schrift steller erst an ihn, er hat die Auswahl und behält alle vielver sprechenden Werke für sich. Erst druckt er sie in seiner Zeit schrift ab, dann macht er noch ein hübsches Oktavbändchen daraus und veranstaltet eine Buchausgabe. Diese vertreibt er schneidig mit seinen Zeitschriftenhilfsmitteln und macht trotz des hohen Honorars, das er zu zahlen gewöhnt ist, noch ein hübsches Geschäft. Währenddessen sitzt der Buchverleger in seinem Arbeits zimmer und harrt der Abfälle von des Reichen Tische. Sie kommen, oft sogar in grosser Menge; aber ach, es ist nicht viel Aussichtsvolles darunter. Druckt er Werke, die schon in Zeitungen ausgenützt sind, so findet er naturgemäss keinen grossen Absatz mehr; druckt er mittelmässige Sachen, so ist es noch schlimmer. Einige Buch-Verleger sind in dieser Klemme darauf verfallen, Romane bekannter Schriftsteller mit allen Rechten für erstaunlich hohe Summen anzukaufen und sie vor der Buchausgabe an Zeit schriften wieder zu verhandeln; also eine Art literarischer Kom missionsgeschäfte auf eigene Rechnung zu machen, ähnlich, wie literarische Bureaus solche Geschäfte gegen Prozente betreiben. Einzelnen mag der kühne Wurf gelungen sein, andere haben da bei gewaltigen Schaden erlitten. Sie bezahlten einen Roman mit zehn-, zwölf- und fünfzehntausend Mark, boten ihn zum einmaligen Abdruck an Zeitschriften an und — erhielten ihn stets mit ver bindlichstem Danke zurück. Die Verleger schüttelten darob wohl den Kopf, denn ihnen war es unbegreiflich, dass man den Roman eines berühmten Schriftstellers zurückweisen könne. Schliesslich fügten sie sich ins Unvermeidliche, druckten den Roman als Buch, lösten einige tausend Mark daraus und büssten die andern Tausende ein. Die Buch Verleger übersahen, dass die Zeitschriften Verleger solche Angebote in vielen Fällen grundsätzlich abweisen. Warum sollten sie auch vom Buch verleget aus zweiter Hand kaufen? Sie bekommen ja genug unmittelbare Angebote, sie bilden ja die Thorwache, an welcher die fetten Gänse vorübergeführt werden, sie haben es in der Hand, alle geniessbaren Bissen wegzukaufen und die Buchverleger aushungern zu lassen. Und wenn diese auf schwachen Füssen stehen, öffnen die Zeitungsriesen ihre ge füllten Magazine, blenden mit ihrem Reichthum, breiten liebend ihre Arme aus und rufen den anderen zu: Kommt her zu uns, ihr Schwachen; hier in unserer Aktiengesellschaft seid ihr alle geborgen! Die grosse Centrale verzeichnet über kurz oder lang eine neue Erwerbung, und ein weiteres Verlagsgeschäft hat auf gehört zu bestehen. Aehnlich wie im schönwissenschaftlichen Verlag sich die Dinge zu entwickeln scheinen, kann es auch in anderen Zweigen werden. Die Zeitschriften häufen sich in einer Hand, und die zeitungs losen Verleger sehen zu spät ein, dass sie den günstigen Augen blick zur Erwerbung noch käuflicher Zeitschriften verpassten und sich dadurch eine unberechenbare Macht entgehen liessen. Un zweifelhaft birgt, das Anhäufen der Zeitschriftenliteratur in einer Hand für die kleineren Verleger eine Gefahr in sich, die ihre Rückwirkung auch für die Hilfsgeschäfte, wie das Papiergeschäft, I den Buchdruck, die graphischen Künste und die Buchbinderei ausüben wird. Unter den kleineren Verlegern haben nur wenige eigene Druckerei und Buchbinderei, noch wenigere können daran denken, eigene Papierfabriken zu gründen oder zu erwerben. Anders ist das mit den Riesengeschäften. Wir sehen, dieselben besitzen bereits gut eingerichtete Buchdruckereien, dazu alle graphischen Hilfsanstalten, sowie Buchbindereien, und es steht zu erwarten, dass sie bei geeigneter Zeit daran gehen werden, eigene Papier fabriken zu erwerben. Je weiter demnach die Centralisation des Buchhandels fortschreitet, desto mehr ist eine Lahmlegung der selbständigen, für Verleger arbeitenden Buchgewerbetreibenden zu erwarten. Grund genug, um jene Vorgänge im Verlagshandel allen Angehörigen des Papier- und Buchgewerbes der Beachtung zu empfehlen und bei Zeiten auf den Ursprung der kommenden Gefahr hinzuweisen. .) (. Neuerungen an Tiegeldruckpressen. Das Bildniss Kaiser Friedrichs, welches der Nr. 83 beilag, ist auf einer Tiegeldruckpresse »Gutenberg« der Firma Franz Franke, Gutenberg-Haus in Berlin W., gedruckt und soll die Leistungsfähig keit dieser Maschine im Illustrationsdruck bekunden. Die kräftig gebaute Presse zeichnet sich durch folgende Neuerungen aus: 1. Die Leckwalze macht am Farb-Cylinder eine ganze Umdrehung und giebt die Farbe demnach nicht in Streifen auf den Farbteller ab, sondern bedeckt die ganze Fläche des letzteren gleichmässig mit Farbe. 2. Die Auftragwalzen sind von ungleicher Stärke, um eine gleichmässige Abrollung derselben auf den Laufschienen und die damit verbundenen Missstände in Bezug auf die Farbenver- theilung auf der Form zu verhüten. Dadurch bietet der Druck von Formen, welche abwechselnd lichte und tiefschwarze Partieen zeigen, bei entsprechender Regelung der Farb-Zufuhr wenig Schwierigkeiten. 3. Die »Gutenberg«-Pressen sind mit der in Nr. 83, Seite 2322 beschriebenen Schutzvorrichtung versehen. Dass der Druck eines solchen Blattes wie das in Kreidemanier ausgeführte, zahlreiche Halbtöne aufweisende Kaiser Friedrich- Bildniss nur auf einer Presse möglich ist, welche gut konstruirt und in allen Theilen sorgfältig ausgeführt ist, wird Fachleuten einleuchten. Im Geschäftsraum des Gutenberg-Hauses sind mehrere Grössen der Gutenberg-Presse ausgestellt und werden auf Wunsch im Betriebe gezeigt. Eine solche grösseren Formats ist mit einer einfach zu handhabenden Vorrichtung zum raschen Abstellen der Auftragwalzen ausgestattet, wodurch ein gelegentlich erwünschtes Leerläufen der Form ohne Einfärbung ermöglicht wird. Büchertisch. Das Leben auf der Walze. Von Wolfgang Kirchbach. Berlin 18DÜ, Verlag des Vereins der Bücherfreunde. (Friedrich Pfeilstücker). Gegen vierteljährlichen Beitrag von 3 M. 75 Pf. (gebunden 4 M. 50 Pf.) jährlich 8 Bände, zusammen mindestens 150 Bogen stark. Der Volkswirthschaftslehrer und Privatdozent Ilans Landmann hat das Buch des Kandidaten Göhre, »Drei Monate Fabrikarbeiter«, gelesen und beschliesst, ebenfalls »unter das Volk« zu gehen, um dessen An schauungen und Bedürfnisse aus eigener Beobachtung kennen zu lernen. Er steigt aber noch einige Staffeln tiefer herab als Göhre, nämlich zu den »Kunden der Landstrasse, den Strolchen, Fechtbrüdern und Vaga bunden. Festzustellen, ob der Verfasser des vorliegenden Buches überall den »Lumpenkomment < richtig getroffen hat, wäre nur Demjenigen möglich, der sich ähnlicher Studien befleissigte. Jedenfalls sind einige in der Erzählung geschilderte Exemplare, z. B. ein verkommener Student und ein ehemaliger Schauspieler nicht uninteressant. Leider ist es aber dem Leser nicht möglich, sich für den Helden selbst zu erwärmen. Derselbe benimmt sich vielfach so albern und ungeschickt, dass er gelegentlich wie ein karrikirter Salontiroler erscheint. Er wird dem gemäss auch von den »Kunden« bald durchschaut und jämmerlich gerupft. Fast noch weniger Sympathie vermag seine Braut, Emma von Arnim, zu erregen, die auf die Kunde von dem tollkühnen Unternehmen des jungen Gelehrten demselben mit einem gemeinsamen Bekannten, einem jungen Maler, nachreist. (!) Bei einer von dem gewissenlosen Be gleiter herbeigeführten Liebeserklärung benimmt sich die adlige Dame wie ein minder gut erzogenes Ladenmädchen. Ein Kind der Strasse, welches sich dem dilettirenden Landstreicher angeschlossen hat, ver anlasst bei der suchenden Braut Missverständnisse, und die Entblössung des Gesuchten von allen seinen Geldmitteln durch einen gelungenen Gaunerstreich drückt denselben zeitweise auf den Standpunkt eines wirklichen Strolches herab. Indess: alles endet noch gut, und im Schluss bilde sehen wir den Privatdozenten Dr. Landmann nebst Fräulein Braut, sowie der kleinen ungewaschenen, inzwischen als Mädchen für Alles engagirten Leidensgefährtin des Helden gemeinsam auf einem Karussel(!) beim Klange eines Leierkastens das glückliche Wiedersehen und die Aufklärung aller Missverständnisse feiern.