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No. 76. PAPIER-ZEITUNG. 2179 und das stumpfe durchbohrte Holzende konnte den Buchstaben keinen Schaden thun. In derselben Druckerei fand ich aucli einen sehr zweckmässig gewählten Platz zum Ausblasen der Kästen. In dem Geschoss, wo die Setzerei untergebracht ist, befindet sich nach dem Hofe hin ein leicht zugänglicher Balkon. Mit der eisernen Umfriedung des selben ist ein niedriges pultartiges eisernes Gestell in Verbindung gebracht. Auf dieses Gestell wird der auszublasende Kasten ge stellt, die Thür zum Setzersaal wird geschlossen, und nun bläst der Lehrling, ohne Jemand zu belästigen, den Staub von seinem erhabenen Platze in alle Winde hinaus. —nn. Drucksachenberechnung. In Nr. 67 der Papier-Zeitung finde ich unter der Ueberschrift »Selbstbetrug bei der Drucksachenberechnung« eine Betrachtung, die sich mit einem recht verbreiteten Uebelstande in unserem Berufe beschäftigt. Es ist nur zu wahr, was darin in Bezug auf das stereotype »das kann man ja nicht so rechnen« gesagt wird; in besseren und besten Druckereien kann man es hören, ohne dass eigentlich viel über seine Bedeutung nachgedacht wird. Ein mit dem eben bezeichneten Ausspruch nahe verwandtes Kapitel in unserem Berufe ist dasjenige des stehenden Satzes; letz terer muss auch oft herhalten, wenn man eine Arbeit »nicht so rechnen kann«. In den Druckereien, die ich während meiner 25jährigen Praxis durchwanderte, hatte ich Gelegenheit, nicht nur die sonderbarsten Ansichten über den Wertli des stehenden Satzes zu hören, sondern dieselben auch auf den Satzbrettern ins Prak tische übertragen zu sehen. Was da mitunter auf die Möglichkeit hin, »einmal wieder zu kommen«, alles stehen bleibt, grenzt oft ans Naive. Die allergewöhnlichsten Rechnungsköpfe, Quittungen, Büchertitel, drei- bis vierfeldrige Tabellenköpfe, kurz die aller- einfachsten Sachen standen, »bis sie wieder kommen«, auf Brettern, oder verriethen durch irgend eine grössere Zeile, dass sie gestanden hatten, infolge Herausziehens von Stegen, Linien usw. aber ihren Halt verloren hatten. Derartiger »Speck« widert den ordnungs liebenden Buchdrucker förmlich an, und es hält schwer, diejenigen Setzer, die jahrelang derartigen stehenden Satz als den Inbegriff aller Geschäftsvortheile betrachteten, davon zu überzeugen, dass diese Sorte »Speck« eigentlich nur den eisernen Bestand an Zwiebelfischen bildet. Es soll nun nicht behauptet werden, dass stehender Satz durchgängig ein Uebel sei, — im Gegentheil, es giebt sehr viele Drucksachen, deren Stehenlassen sich ganz gut rentirt, ja, die in der oft recht kurz bemessenen Zeit garnicht fertiggestellt werden könnten, wenn nicht der grösste bezw. wesentlichste Theil stände, z. B. gewisse Arten Preislisten, Fahrpläne, zu Jahres- und Monats berichten gehörige Tabellen usw. In allen Fällen, in denen es sich um die Frage: »Soll der Satz stehen bleiben« handelt, müsste diese durch den Faktor oder einen mit dessen Funktionen betrauten, älteren, erfahrenen Setzer entschieden werden, nie aber dem Er messen jüngerer Setzer oder Lehrlinge anheimgestellt werden. Stehender Satz der oben bezeichneten Art ist für kleinere und mittlere Druckereien eine stets unangenehm sich fühlbar machende Ursache von Materialmangel, für grössere Druckereien aber, die nicht unter sehr strenger, mit gewissenhaftester Revision der Satz- und Bretterregale verbundenen Aufsicht stehen, Futter für Zwiebelfische. Man kann die Fähigkeit und den Ordnungssinn eines Setzereileiters am besten nach dem Zustande der Satzbretter beurtheilen, und derjenige Prinzipal, der sich ab und zu einen Blick in die düstersten Winkel seiner Satz- und Formen-Regale gönnt, erweist seinem Geschäfte einen grösseren Dienst, als wenn er in dem Gedanken: »Das kann man ja nicht so rechnen « seinem Konkurrenten eine Arbeit wegschnappt. Man ist in der Buch druckerwelt nur zu oft geneigt, die über Gebühr billig arbeitenden Druckereien als »Zwiebelfischbuden« zu bezeichnen. Das Stehen lassen vielen Satzes einfacher Art hat auch moralisch seine Nach theile, denn es leistet der ohnehin nicht seltenen Bequemlichkeit der Setzer Vorschub. Ein guter Theil des Ordnungssinnes der Setzer wird durch rechtzeitiges Aufräumen gefördert; durch schlechtes Aufräumen wird »die Bude« verfischt. Will man aber durchaus etwas »Vortheil« aus stehendem Satze erreichen, bezw. die Satzkosten irgend einer Drucksache möglichst vermindern, so lässt sich manches hierin auf andere Weise erzielen. Fast jede Druckerei hat eine Anzahl eigenartiger Arbeiten, die man, da sie sich öfter wiederholen, füglich als »Stammarbeiten« bezeichnen kann, in gewissen Zwischenräumen herzustellen. Nehmen wir beispielsweise den Umschlag einer besser auszustattenden Broschüre. Der Umschlag erhält in der Regel eine mehr oder weniger reich ausgestattete Umrahmung. Die auf diese Umrahmung verwendete Arbeit macht sich vielleicht bezahlt, wenn die Broschüre ziemlich stark, ihre Auflage und mit ihr die jenige des Umschlags ziemlich gross ist, so dass ein paar Stunden Arbeit mehr oder weniger auf das Ganze ohne Einfluss sind. Bei kleiner Bogenzahl und Auflage wird die Sache schon bedenk licher. Hier habe ich nun folgendes Verfahren eingeschlagen: In der Voraussicht, dass die auf die Umrahmung verwendete Satzzeit schwerlich ganz in Anrechnung gebracht werden könne, traf ich bei Entwurf und Ausführung Fürsorge, dass die gefällige Oktav- Umrahmung sich leicht für eins der öfter herzustellenden Konzert- usw. -Programme verwenden liess; meist machte sich die Sache prächtig, ich erhielt einen schön umrahmten Umschlag und ein nicht minder hübsches Programm, ja, vielleicht nach Anbringung einer Kopfleiste ein zweites und nach Hineinsetzen einer Vignette ein drittes Programm, und schliesslich, wenn die Umstände sonst günstig waren, noch ein hübsches Oktav-Circular mit Einfassung. Dann aber wurde der Satz schleunigst abgelegt, um nicht lang weilig zu werden, denn er hatte sich durch seine drei- bis vier malige Verwendung, die ihm jedesmal ein anderes Gesicht verlieh, gut bezahlt gemacht. In Druckereien mit eigenem Verlag ist eine noch vielseitigere Verwendung einer Umrahmung möglich; die Umschlag-, Programm- und Circular-Einfassung findet dann noch Verwendung bei Herstellung eines Prospektes, eines Bestell scheines usw. Ein denkender Setzer ist gleich beim Entwurf einer derartigen Umrahmung im Klaren, wozu sie äusser der augen blicklich vorliegenden Drucksache noch Verwendung finden kann. Mehrfache Verwendung lassen auch andere Satzformen, z. B. Brief leisten, Karten usw. zu. Im grossen Ganzen aber sollte jeder Setzereileiter darauf sehen, dass nicht zu viel stehen bleibt. Dies gilt nicht nur in der Accidenzsetzerei, sondern auch für den Werk- und Zeitungssatz. Was man z. B. mitunter an Kapitelüberschriften, todten und lebenden Kolumnentiteln, Schmutztiteln, Anzeigenzeilen, Zeitungs rubriken alles findet, sammt Stegen, Durchschuss und Quadraten ausgebunden und verwahrt vor eifrigen Aufräumefingern, ist oft recht lächerlich. Als ich vor einigen Jahren eine neue Stellung antrat, fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, auf dem »Vor theilschiff« eines alten Zeitungssetzers unter anderen nicht mehr recht zu entziffernden Ueberschriften die Zeile: »Die Einnahme von Plewna«. Ein recht schwerer Seufzer, wie ihn schwerer kaum Osman Pascha bei Uebergabe der Bulgarenfestung anno 1877 ausgestossen haben mag, entrang sich der Brust des alten biederen Kollegen von der Zeitung, als ich ihm seinen »Speck« wegnehmen und ablegen liess. Ich schliesse meine Betrachtung mit den Worten: »Prinzipale, Faktore usw., haltet Umschau auf den Brettern!« Giessen. Hermann Elle. Büchertisch. Fliegender Sommer. Von Ludwig Ganghofer. Berlin 1S92, Verlag des Vereins der Bücherfreunde. Gegen Zahlung von 3 M. 75 Pf. für ungebundene, 4 M. 50 Pf. für gebundene Bände jähr lich 6—8 abgeschlossene Werke im Umfange von etwa 150 Bogen. »Fliegender Sommer« ist eine inhaltreiche Sammlung von 28 kleinen Erzählungen und Stimmungsbildern, die wohl geeignet sind, den Leser zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen. Wie Sommerfäden, vom leisen Winde getragen, bald im röthlich gefärbten Waldlaub, bald an den letzten Blumen des Hausgartens, bald am stolzen städtischen Hause sich festsetzen, so führen die Motive dieser Erzählungen in die verschiedensten Bereiche des Menschenlebens. Es sind theils sinnige, anmuthende Seelenschilderungen, theils Charakter bilder wunderlicher Menschen, theils anekdotenhafte Vorgänge, theils Darstellungen erschütternder Ereignisse. Besonders eindrucksvoll von den sämmtlich lesenswerthen Kurzgeschichten sind: Der Wildbach, Der Herrgottspfänder, Die Zitherspieler, Eine alte Geschichte. Meyer’s Kleiner Hand-Atlas. Mit Benutzung des Karten materials aus Meyer’s Konversations-Lexikon zusammengestellt in 100 Kartenblättern und 8 Textbeilagen. 17 Lieferungen zu je 50 Pf. Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. Zu den von uns früher lobend erwähnten vortheilhaften Eigenthüm- lichkeiten des Meyer’schen »Kleinen Hand-Atlas«, von welchem jetzt 13 Lieferungen vorliegen, zählt auch die, dass in demselben neue Gesichtspunkte zur Aufnahme kamen, welche in den grossen Hand- Atlanten bisher . vielfach vernachlässigt wurden; z. B. die Wiedergabe der Dampfer- und Kabelverbindungen, Angaben über französische, dänische und polnische Sprachgrenze. Auf dem Blatte »Schweiz« ist eine Darstellung der Vertheilung der drei Nationalitäten gegeben. Was ferner den Meyer’schen Kleinen Hand-Atlas besonders angenehm aus zeichnet, sind die Pläne und Umgebungskarten der Weltstädte, denen ganze Blätter gewidmet wurden. Namenregister zur schnellen Auf findung sind diesen Plänen und Uebungskarten beigegeben.