Volltext Seite (XML)
2146 PAPIER-ZEITUNG. No. 75. Berichte unserer Korrespondenten. Aus Brasilien. Salto de Itii, Sao Paulo, 21. August 1892. Mein Schreiben vom 19. Juli bestätigend, muss ich heute mittheilen, dass die Eigenthümer der hiesigen Fabrik sich ent schlossen haben, den Betrieb ihrer Fabrik auf 2—3 Jahre einzu stellen, und dass die Abstellung bereits in 6—8 Wochen erfolgen wird. Obwohl bis jetzt sozusagen kein Opfer gescheut wurde, um Rohstoffe von Santos hierher zu schaffen, ist es nicht möglich, solche in hinreichender Menge zu erhalten, und deshalb ist an einigermaassen rentablen Betrieb selbst bei höchsten Preisen für das Fabrikat nicht zu denken. Der Entschluss, die Fabrik zu schliessen, ist deshalb nur zu billigen. Wir brachten in der letzten Zeit nur Rohstoff für 20 Tonnen Papier monatlich zu sammen, und davon war etwa ein Viertel selbsterzeugte Holz masse. Zum Vergleich diene, dass die mit 2 Maschinen ver sehene Fabrik in Cayeiras es höchstens auf 15 Tonnen gebracht hat. Die Beförderung eines Ballens von etwa 500 kg Lumpen vom Hafenplatze bis an den Eisenbahn Waggon, kaum 1 Kilometer Wegs, kostet 40 M. in deutschem Gelde. Dabei waren die Lumpen vielleicht 4—6 Monate unter dem Wechsel der Witterung und dem Einfluss von Schmutz in eine Art von Fäulniss verfallen, die zwar das Kochen fast unnöthig, aber auch das Sortiren und Reinigen fast unmöglich machte. Wie schon mehrfacii erwähnt, trägt die englische Bahngesell schaft die einzige und Hauptschuld an dem erwähnten Rückgang. In ihrer jetzigen Beschaffenheit kann nämlich die eingeleisige Seilbahn von Santos nach Säo Paulo unmöglich auch nur den zehnten Theil der anlangenden Waaren befördern, und dies ist seit fast drei Jahren schon der Fall, so dass sich die Anhäufung der Güter in Santos stets verschlimmert, unter gleichzeitiger Ver derbniss und Verlust derselben. Die Gesellschaft würde ein zweites Geleise anlegen, wenn ihr die Regierung das Monopol des Trans ports für einen neuen Zeitraum von etwa 30 Jahren bewilligte. Das jetzige Privileg der englischen Bahn endet nämlich in 5 Jahren, und die Regierung ist nicht willens, den Verkehr von Santos, dem zur Zeit einzigen Hafenort Sao Paulos, einer Gesell schaft von neuem zu überlassen, welche bisher in so eigennütziger Weise das Privileg ausgebeutet hat. Es werden schon 2 neue Bahnstrecken angelegt, welche nach Ablauf dieser 5 Jahre in freien Wettbewerb mit der englischen Gesellschaft treten können. Dann wird der Druck, den sich das ganze Land bisher von den englischen Monopolisten gefallen lassen musste, von selbst auf hören; Landwirthschaft, Industrie und Handel können sich von neuem entfalten, und von Seiten des Bahn Verkehrs wird dem Fortschritte nichts Drohendes mehr im Wege stehen. Ich möchte an dieser Stelle nochmals die Wasser kraft Verhält nisse des hier von verschiedenen Fabriken benutzten Tieteflusses beleuchten und gleichzeitig meine ersten Angaben berichtigen. Der Besitzer der Papierfabrik ist Ingenieur und hat mir jetzt ver sichert, dass er durch frühere Messungen bei niedrigem Wasser stande 80 cbm Wasser fand, und dass es ein Leichtes sei, das Gefälle auf 28 Meter zu bringen, so dass eine Kraftleistung von etwa 22 400 Pferdestärken erzielt werden kann, von welchen die Hälfte Eigenthum der Papierfabrikbesitzer Melchert & Co. ist. Ich bedaure, diese Angaben nicht bei meiner ersten Aufstellung schon gebracht zu haben, wo ich nur dem Augenschein nach taxirte, und mich dabei irrte, was bei dem sehr breiten, vielfach durch Felsen und Inselchen gespalteten Stromlauf leicht vorkommen kann. Die in Wirklichkeit von der Papierfabrik jetzt benutzte Kraft lässt sich auf etwa 1000 Pferdestärken annehmen. Hieraus lässt sich ersehen, welche Zukunft eine solche Anlage hat, sobald auch die Nebenbedingungen einigermaassen in Ordnung sind. Für mein Theil werde ich nun mein Glück in Nordamerika suchen, wo neue Fabriken wie Pilze aus der Erde schiessen. Ich hoffe, dass mir die Vertrautheit mit der hiesigen vollständig nordamerikanischen Fabriks-Einrichtung dort zu statten kommen wird, da ich mich auch vor keiner Arbeit scheue. 0. Wir bitten unsern Berichterstatter, die Berichte auch von den Ver. Staaten aus fortzusetzen und auch die Erlebnisse beim Suchen einer Stellung mitzutheilen. D. Red. Lumpen-Einfuhr-Verbot in Amerika. Der Sekretär des Schatzamts in Washington hat am 19. August angeordnet, dass Lumpen aus mit Cholera behafteten Orten oder Häfen in den Vereinigten Staaten von Amerika garnicht zuge lassen werden; solche, die am 19. August schon unterwegs waren, sollen Einlass finden, aber nur nach Desinfizirung. Da in fremden Ländern Blattern, Scharlach, Dipliteritis und andere ansteckende Krankheiten herrschen, so dürfen nach dem 20. September überhaupt keine Lumpen mehr gelandet werden, die nicht mit einem der folgenden Verfahren entseucht sind: 1. Kochen der ausgepackten Lumpen in Wasser mindestens eine Stunde. 2. Behandlung der Lumpen mindestens 1 Stunde lang mittels Wasserdämpfen von mindestens 100 und nicht über 115° C. 3. Mindestens 6 Stunden lange Einwirkung von Schwefligsäure gas, erzeugt durch Verbrennung von mindestens 3 Pfund Stangen schwefel auf 1000 Kubikfuss Raum. 4. Mindestens 6 Stunden lange Einwirkung einer Schweflig säure-Atmosphäre mit wenigstens 3 pCt. schwefliger Säure, die aus dem flüssigen Zustand (flüssiges Schwefeldioxyd) entwickelt ist. Bei Verfahren 2, 3 und 4 müssen die Lumpen so auf Hürden gebreitet sein, dass man sie von Zeit zu Zeit umdrehen und in allen Theilen dem Dampf oder Gas aussetzen kann. Brutto für Netto. Auf die Anfrage in Nr. 73, Seite 2091 geht uns von rechts kundiger Seite folgende Antwort zu: In der blossen Zustellung einer Rechnung mit unrichtiger Gewichts angabe pflegen die Gerichte nichts Strafbares zu finden: der Irrthum kann ohne Schuld des Verkäufers durch die schlechte Beschaffenheit der Waage, durch falsches Hören oder Abschreiben, durch unrichtige Angabe des Vorgesetzten des Verkäufers, oder durch ein Versehen des Personals entstanden sein. Im vorliegenden Falle hat aber der Kommis auf Anstiftung seines Prinzipals im Bewusstsein der Falschheit die un richtige Gewichtsangabe gemacht. Zu einer gehörigen Rechnung gehört die Angabe des Bruttogewichts, der Tara und des daraus sich ergebenden Reingewichts. Wird aber schlechthin ein Gewicht z. B. »800 kg zu je 1 M. 45 Pf. angegeben, so ist darunter 800 kg Reingewicht zu ver stehen, da Niemand für Rohgewicht den für die Waare selbst be dungenen Preis zahlt. Der Kommis hat, sofern der Käufer bezahlt hat, einen Betrug, und, wenn Zahlung noch nicht geleistet ist, einen Betrugs versuch begangen. Er kann sich damit nicht entschuldigen, dass er der Meinung gewesen sei, er begehe nichts Strafbares, wenn er die Auf träge des Prinzipals ausführe; denn ein Irrthum über das Strafrecht ist unentschuldbar. (Vergl. Nr. 66, Seite 1894 dieser Zeitung.) Dieser Umstand würde nur bei Bestimmung des Strafmaasses zu berücksich tigen sein. M. Fabriksbuchhaltung. Bestellbuch. Die in Nr. 71, S. 2034 aufgeworfene Frage: wie man sich bei vielen rückständigen Arbeiten eine Uebersicht über dieselben ohne viele Schreiberei schaffen könne, ist im allgemeinen schwer zu beantworten. Fabrikgeschäfte haben meist ihre eigene Art der Buchführung, die dem eigenartigen Geschäftsgänge angepasst worden ist. Einige Fabriken arbeiten mit einer einzigen Fabrikations stelle, führen deshalb nur ein Fabrik-Auftragsbuch neben dem im Haupt-Kontor befindlichen Original. Andere Geschäfte wieder bestehen aus mehreren Sonderzweigen, die theils selbständig an die Sammelstelle abliefern, theils ge meinsam an einer Sache arbeiten. Da jeder für sich arbeitende und besonders verwaltete Unterbetrieb sein eigenes Auftragsbuch haben muss, so bestehen in solchen Fabriken oft 5—6 Neben- Auftragsbücher, und mancher Auftrag ist unter seiner Nummer in mehreren dieser Bücher für Lieferung der betreffenden Theilarbeit eingetragen. Es kann also vorkommen, dass man in mehreren räumlich unbequem auseinanderliegenden Nebenbetrieben nachforschen muss, wenn man sich über die Fertigstellung einer Arbeit unterrichten will. Grosse Geschäfte dieser Art haben deshab eine durch Sprach rohr und Telephon mit allen Abtheilungen und dem Hauptkontor verbundene Centralstelle, in der ein Beamter den ganzen Tag fleissig zu thun hat, um die Wünsche und Anfragen der Betriebe unter sich zu vermitteln. Ausserdem befindet sich dann noch eine lungenkräftige Persönlichkeit mit einer vom Hauptkontor oder der Versandtstelle aufgestellten Mahnliste unterwegs, um dem Werden der eiligsten Arbeiten nachzuspüren, die etwa Säumigen anzu treiben, überhaupt das vieltheilige Räderwerk eines solchen Be triebes vor Stockungen zu bewahren. Ohne Schreiberei kommt man nicht aus, wenn man sich eine Uebersicht über das verschaffen will, was zur Zeit der Absendung an einen Kunden noch in Arbeit oder nahezu fertig ist, was also vielleicht mitgehen kann, wenn die Sendung noch einen halben Tag Zurückbleiben darf. Es kommt nur darauf an, die Schreib arbeit möglichst abzukürzen, die richtigen Leute dafür zu finden (denn in der Fabrik selbst darf das nicht gemacht werden) und die Uebersichtlichkeit nicht zu stören.