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1948 PAPIER-ZEITUNG. No. 68. Das Dämpfen selbst dauert ungefähr vier Stunden, doch ist die Dauer nicht unter allen Umständen ganz gleich; gewöhnlich werden schon nach drei Stunden dem Dämpffass Proben entnommen, indem das Fass ein wenig gelüftet und aus dem Bündel ein Zweig herausgerissen wird. Sobald an den Probezweigen zu erkennen ist, dass sich die Rinde gut schält, wird mit dem Feuern auf gehört, das Fass mittels des Hebebaumes abgehoben und das Pflanzenbündel herausgenommen. Die frischgedämpften Pflanzen werden sofort entrindet. Zu diesem Zwecke wird in die Rinde am unteren stärkeren Ende der Länge nach ein Einschnitt gemacht, die Rinde mit der Hand bis zur ersten Astverzweigung abgeschält, und nun erfasst die Arbeiterin mit der linken Hand das abgeschälte Stammende, schlingt mit der rechten die Rinde um einen in den Boden eingerammten Pflock und zieht nun mit einem Ruck dem ganzen Strauch gewissermaassen die Haut ab. Dieses rasche Entrinden wird offenbar nur ermöglicht durch das vorhergegangene Dämpfen, denn wenn man von einer un gedämpften Pflanze die Rinde abziehen will, wird sich dieselbe nicht mit einem Zuge als ein Ganzes vom Kern ablösen, sondern bei jeder einzelnen Ast Verzweigung abreissen und zerspleissen. Astverzweigungen besitzt aber die Mitsumatapflanze sehr viele, denn der Stamm derselben theilt sich in drei Aeste, von denen sich jeder wieder in geometrischer Progression weiter theilt, so dass man beim Schälen ohne Dämpfen sehr viele kleine, abgetrennte Rindenstücke erhalten, und sich die Arbeit selbst sehr mühsam und zeitraubend gestalten würde. Der Zweck des Dämpfens ist also in erster Linie der, rasches Entrinden zu ermöglichen, und die Wirkung des Dämpfens ist so zu erklären, dass durch dasselbe das Fasergefüge inniger, die Fasern selbst aber bedeutend zäher und fester werden. Im Dämpfen liegt also wohl eine der wich tigsten Ursachen für die ausserordentliche Güte und Festigkeit der japanischen Faserstoffe. Es ist bekannt, dass Holzstoff, welcher aus gedämpften Holz scheiten hergestellt wurde, längere und festere Fasern besitzt als solcher aus ungedämpftem Holze; auch die grössere Festigkeit des nach Mitscherlich’schem Verfahren hergestellten Zellstoffes gegen über anderen Zellstoffen ist jedenfalls zum Theil auf das bei diesem Verfahren angewendete Dämpfen des Holzes vor dem Kochen zurückzuführen. Wie bei vielen anderen Erfindungen ge bührt aber auch bezüglich des Dämpfens der Faserstoffe den Chinesen und Japanern die Priorität, denn das in obigen Zeilen beschriebene Verfahren ist so alt wie die chinesische Papier erzeugung und in Ostasien seit vielen Jahrhunderten im Gebrauch. Eine höchst interessante Art des Dämpfens kann man in jenen Gegenden Japans beobachten, wo die Naturkräfte selbst zu diesem Prozess herangezogen werden. Japan ist bekanntlich sehr reich an Vulkanen und heissen Quellen, und die Zahl der letzteren wird noch fortwährend vergrössert durch die heftigen Erdbeben, von welchen dieses Inselreich beständig heimgesucht wird. In einzelnen Gebieten, wie z. B. auf der Halbinsel Idzu bei Atami, welches ein starkbesuchter Badeort ist, findet sich eine grosse Anzahl solcher Quellen, die infolge ihrer hohen Temperatur beständig Dampf ausströmen und in regelmässigen Zwischenräumen geiserartig emporschäumen. Das siedend heisse Wasser wird nun vielfach durch Bambusrohren aus den Quellen zu den Dämpfheerden ge leitet und diese dadurch fortwährend mit frischem Dampf versorgt, ja häufig hängt man die Pflanzenbündel unmittelbar in die Quellen und lässt so ohne weitere Beihilfe den Prozess von der Natur selbst besorgen. Es ist möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass die Japaner in alter Zeit eben bei solchen heissen Quellen durch Zufall auf die Idee des Dämpfens geführt wurden, und dass die Dämpfheerde mit künstlicher Feuerung nur Nachbildungen der ersten natürlichen Dämpfheerde sind. Die von den gedämpften Pflanzen frisch abgeschälte, noch feuchte Rinde wird zunächst an der Sonne getrocknet und dann entweder ungereinigt, so wie sie ist, in Bündeln in den Handel gebracht, oder dort, wo genügend Wasser vorhanden ist, auch gleich gereinigt. Zu diesem Zwecke wird die Rinde durch mehrere Tage in fliessendes Wasser gelegt, um sie weich zu machen, und dann schaben Arbeiterinnen die äussere braune Rindenschale mit Messern vom Baste ab. Diese Arbeit ist sehr mühsam und zeit raubend, und hauptsächlich dadurch wird der Preis der Rinde so hoch, dass selbst im Inneren Japans für 100 kg 8 bis 10 Yen (24 bis 30 M.) bezahlt werden. Da die japanischen Faserpflanzen und insbesondere Mitsumata gewöhnlich in höher gelegenen Gegenden angebaut werden, wo sie bei dem eigenartigen Klima des Landes sehr schroffem Tem peraturwechsel und besonders in den Winternächten grosser Kälte ausgesetzt sind, so ist anzunehmen, dass dieselben auch hier in Europa gut fortkommen würden. Bei dem grossen Unterschied in den Arbeitslöhnen — eine mit Rindeputzen beschäftigte Arbeiterin bekommt in Japan je nach Leistungsfähigkeit 20 bis 25 Pf. Taglohn — würde aber die in Europa gezüchtete und ge- gereinigte Rinde bedeutend theurer kommen, als aus Japan be zogener Bast, trotz der ungeheuren Entfernung dieses Landes. Die weitere Verarbeitung der gereinigten Mitsumatarinde zu Papier hat Schreiber dieses schon in früheren Aufsätzen aus führlich beschrieben. Emil Nemethy. Reagenspapiere zum Nachweis geringer Mengen schwefliger Säure. Nr. 32 des Wochenblatts für Papierfabrikation bringt einen Bericht der Königl. Württ. Centralstelle für Gewerbe und Handel über das von mir in der Papier-Ztg. 1888, Seite 178 angegebene Reagenspapier zum Nachweis geringer Mengen schwefliger Säure. Da die gemachten Angaben jedoch nicht alle Erscheinungen berücksichtigen, welche beim Gebrauch dieses sehr empfindlichen Reagens vorkommen, so möchte ich hierüber nachfolgende Be merkungen anfügen. Das Perriodatpapier giebt die geringsten Mengen freier schwefliger Säure sowohl in Flüssigkeiten als auch in der Luft an, muss aber für letzteren Zweck durch Anhauchen oder leichtes Anspritzen etwas angefeuchtet werden. Sind grössere Mengen von schwefliger Säure vorhanden, so verschwindet die Bläuung wieder, da das aus der Jodsäure durch Abgabe von Sauerstoff an die schweflige Säure zunächst ausgeschiedene Jod sich mit neuen Mengen von schwefliger Säure und Wasser zu Jodwasserstoffsäure und Schwefelsäure in bekannter Art umsetzt, wie ich zur Zeit auch in meiner Anweisung zur Untersuchung der Sulfitlaugen, Papier-Ztg. 1886/87, beschrieben habe. Ist also in der Luft eines Raumes, oder in einer Flüssigkeit sehr viel schweflige Säure enthalten, so wird die Bläuung des Papiers zwar auch eintreten, aber so rasch wieder verschwinden, dass sie einem weniger aufmerksameren Beobachter gänzlich entgeht, und er gerade einen starken SO-Gehalt der untersuchten Stoffe infolge des Wiederweisswerdens des Probepapieres übersehen kann. Aus diesem Grunde verwende ich als ein zwar für geringe Mengen SO, minder empfindliches, dafür aber keine Täuschungen ver ursachendes Reagenspapier, das gewöhnliche auch zur Unter suchung der Bleichlaugen benutzte Jodkaliumstärke - Papier, in der Weise, dass ich bei Streifen desselben zunächst durch Eintauchen in dünne Chlorkalklösung oder durch Ein wirkung von schwachem Chlorgas die Ausscheidung von Jod und damit die Blaufärbung der Stärke bewirke und dieses blaue Jodstärkepapier dann als Probe benutze. Ist eine grössere Menge schwefliger Säure vorhanden, so wird die blaue Jodstärke entfärbt, und das Papier bleibt dauernd weiss. Für technische und auch wohl für gesundheitspolizeiliche Untersuchungen halte ich auch dieses Jodkalium-Reagenspapier für vollkommen ausreichend. Für feinere wissenschaftliche und pflanzenphysiologische Prüfungen, wie sie leider in der Nähe von Sulfitfabriken, namentlich von solchen mit Kiesofen- und Thurmbetrieb, noch öfter vorkommen, ist man freilich gezwungen, das etwa hundertfach empfindlichere Periodatpapier anzuwenden. Die weiter mitgetheilte Beobachtung, dass in einem Gemisch von einigen Tropfen Sulfitlauge mit ein Viertel Liter Wasser durch Periodatpapiei - die schweflige Säure nicht nachgewiesen werden konnte, erklärt sich sehr einfach durch den Gehalt des Wassers an Luftsauerstoff, welcher geringe Mengen schwefliger Säure sehr rasch oxydirt. Aus diesem Grunde habe ich für die Laugenuntersuchungen auch vorgeschrieben, dass man zur Verdünnung der Proben luftfreies, ausgekochtes oder Kondens wasser verwenden solle, da bei lufthaltigem Wasser bis zu 0,2 pCt. Fehler konstatirt sind. Für Lösungen, die neutralen schweflig sauren Kalk (Monosulfit) enthalten, ist die Zugabe verdünnter Säuren bei Anwendung des Periodatprobepapieres gewiss vor- theilhaft, docli benütze ich in diesem Fall nicht verdünnte Salz säure, welche sich bei längerer Einwirkung mit der Jodsäure unter Bläuung der Stärke zersetzen kann, sondern in gleichem Verhält- niss verdünnte Schwefelsäure, bei welcher eine derartige Zer setzung nicht eintritt. Da Abwasser, welche freie schweflige Säure enthalten, für die Fischerei in hohem Grade nachtheilig sind, während die An wesenheit von neutralem Monosulfit den Fischen nicht schadet, so wird es sich empfehlen, die Untersuchung der Abwasser mit Periodatpapier, sowohl unter Zusatz von Säure als ohne solchen, vorzunehmen; tritt in letzterem Falle keine Bläuung des Papiers ein, so ist auch keine Gefährdung der Fischerei zu befürchten. Charlottenburg, August 1892. Dr, Adolph Frank.