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No. 29. PAPIER-ZEITUNG. 827 V orbilderwerke. Das Vorhandensein zahlreicher, insbesondre für die graphi schen Gewerbe bestimmter Vorbilderwerke legt dem praktisch arbeitenden Fachmann die Frage nahe, in welchem Umfange diese Vorbilder benutzt werden dürfen. Diese Frage wird durch Herrn Amtsrichter Gr. im VH. Heft von Liesegang’s Photographi schem Archiv wie folgt beantwortet: Die gesetzliche Grundlage zur Beurtheilung des Umfangs, in welchem Vorlagewerke für graphische Anstalten zur Nachbildung benutzt werden dürfen, bildet die Vorschrift des § 5, Ziffer 3 des Künstlergesetzes vom 9. Januar 1876, wonach die Nachbildung eines Werkes der bildenden Künste an einem Werke der Industrie, Fabriken, Handwerke oder Manufakturen verboten ist. Die Vor aussetzung hierfür ist, dass die Nachbildung mit dem Werke der Industrie usw. in eine derartige Verbindung gebracht ist. dass sie sich als ergänzender Bestandtheil desselben darstellt, und zu dem Zwecke und mit dem Erfolge geschieht, das also nachgebildete Werk zum Gegenstände des Gebrauchs und Handels zu machen. Dagegen ist gestattet a) nach § 4 a. a. 0. die freie Be nutzung des Werks der bildenden Kunst, b) die Benutzung des selben als Muster zu gewerblichen Zwecken. Zu a ist bezüglich des Gegensatzes des Begriffs Nachbildung« zu dem der »freien Benutzung hervorzuheben, dass als Nach bildung jede in ihrem wesentlichen Bestände identische Wieder gabe des Originalwerks gilt, und es hierbei gleichgültig ist, durch welches Verfahren dieselbe erfolgt, während die Entnahme des sogenannten Motivs aus dem Kunstwerk, die Verarbeitung seines Gedankens für ein neues selbständiges Erzeugniss als freie Be nutzung anzusehen ist, indem das vorhandene Werk in freier schöpferischer Thätigkeit zur Hervorbringung eines neuen be sonderen Werkes verwendet wird. Dies gilt insbesondere auch für die Verwendung zu Gegenständen der Industrie und des Kunst gewerbes. Zu b unter »Muster « sind nach der Entstehungsgeschichte des Musterschutzgesetzes vom 11. Januar 1876 beziehungsweise des Gebrauchsmustergesetzes vom 1. Juni 1891 die Vorbilder für die Form von Industrie-Erzeugnissen zu verstehen, die bestimmt und geeignet sind, zur Befriedigung des Geschmacks oder ästhetischen Gefühls (Geschmacksmuster) zu dienen. Ob und inwieweit diese unter a und b angedeuteten Bedingungen, die eine Benutzung der in den fraglichen Werken enthaltenen Bilder zulassen, vorhanden sind, muss für jeden Einzelfäll, wenn nöthig nach Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens, besonders gewürdigt werden. Das Verständniss dieser Sätze wird sich aus nachstehenden Beispielen ergeben: 1. Die von F. Warnecke herausgegebenen »Musterblätter« (Verlag von Hermann in Berlin), das bei Engelhorn in Stuttgart erschienene »Musterbuch für graphische Gewerbe und die von •I. Hoffmann in Stuttgart verlegten Dekorativen Vorbilder er klären in ihren Titeln selbst, dass sie als Muster und Vorbilder zur Nachbildung an Werken der Industrie usw. bestimmt sind. 2. H. Dolmetsch’s Ornamentenschatz (Verlag von J. Hoffmann in Stuttgart), Georg Hirth's Formenschatz. Joh. Schallers Studien blätter für Dekorationsmalerei (Verlag von Ch. Claesen & Co. in Berlin) weisen in ihren Vorworten darauf hin, dass die darin ent haltenen Bilder lediglich zur Verwendung für freie Benutzung« im obigen Sinne dienen, indem sie die Ausdrücke gebrauchen: zur gründlichen Kenntnis» der verschiedenen Stilarten , »als Fund grube, aus der bei Ausarbeitung eigener Kompositionen Anregungen zu neuen Ideen entnommen werden können«, Quelle der Be lehrung und Anregung für Künstler und Gewerbetreibende , »Studienblätter für Dekorationsmalerei«. 3. Wieder andere Werke, wie »M. Gerlach’s Allegorieen und Embleme« (Verlag von Gerlach & Schenk in Wien) und G. Hirth’s »Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten ent halten zwar keine besondre Bemerkung in dieser Hinsicht, aber gerade deshalb ist ihre Verwendung nach § 4 des Gesetzes nur mittels freier Benutzung statthaft. Soweit in diesen Werken, wie in Hirth’s »Formenschatz«, Bilder alter Meister sich befinden, die bereits Gemeingut für Jeder mann geworden sind, mit Bezug auf deren Originale also ein Urheberrecht nicht oder nicht mehr besteht (z. B. nach § 9 des Gesetzes wegen Ablaufs der 30jährigen Frist nach dem Tode des Erhebers), kommt die Vorschrift des § 7 a. a. 0. zur Anwendung, wonach der mittels eines vom Original verschiedenen Kunst verfahrens hergestellten, in diesen Werken enthaltenen Nachbildung als solcher und für sich selbst wieder der Urheberrechtsschutz des § 1 des Gesetzes zukommt. Ausmalen von Accidenzarbeiten. In Nr. 16, Seite 444 wurde gerathen, kleine Farbenstellen in besonderen Fällen anzutuschen statt zu drucken. Bei Auflagen unter 1000 sind die Vorbereitungen für den Druck einer Farbe, wie Plattenschneiden, Schliessen, Einpassen, Farbe-Einrichten und dergleichen, selbst dann noch unverhältnissmässig zeitraubend, wenn hinterher alles glatt, geht und nicht Umstände eintreten, die den doppelten und dreifachen Zeitaufwand verursachen. Mancher Drucker kann eine Geschichte davon erzählen. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass das Drucken äusser der Maschine zwei theuer bezahlte Kräfte beansprucht, während das Ausmalen von einem, höchstens zwei Mädchen besorgt werden kann und nur geringen Raum in Anspruch nimmt. In grossen Städten bestehen besondere Kolorir-Anstalten, die nur mit Mädchen und Kindern arbeiten und jahraus jahrein für Druckereien beschäftigt sind. Der Drucker, oder wer darüber zu bestimmen hat, sollte daher vor der Bearbeitung kleiner Farbenflächen stets erwägen, was vortheilhafter ist: Drucken oder Ausmalen. Ganz kleine Theilchen, wie z. B. rothe Punkte und der gleichen, kann man häufig mit spitzem Pinsel ohne weiteres anlegen, bei andern ist es rathsam, sich genau passender Schablonen zu bedienen. Diese können entweder aus Paraffin papier, das die Wasserfarbe abstösst, oder aus Metall hergestellt werden, je nach Höhe der Auflage und nach den begleitenden Umständen. Kommt z. B. eine sich stets gleich bleibende Arbeit wiederholt vor, was in Etikettendruckereien nicht selten ist, und muss dabei noch oft mit der Farbe gewechselt werden, so sind Metallschablonen zweckdienlicher, während für gewöhnlich Papierschablonen vollständig ausreichen. Zu Papierschablonen benutzt man zähes, nicht zu dickes Schreibpapier, das entweder auf heissem Wege oder durch Ueberreiben mit einer kalten Auflösung von Paraffin getränkt wird. Paraffin, in Lichtform käuflich, löst sich in Alkohol, Aether oder Benzol; das Lösungsmittel verdunstet und hinterlässt seinen Paraffingehalt auf dem Papier. Der Paraffinbogen wird mit der Konturform bedruckt und dann auf Glasunterlage mit haar scharfem Messer ausgeschnitten, damit keine Rauhheiten ent stehen, die das Eintreten von Tuschfarbe unter die Schablonen zulassen. Nach dem Schneiden werden die Schnittränder noch mals mit dem Falzbein leicht geglättet. Sind die Konturen der Arbeit fertig vorgedruckt, so kann die Schablone Bogen für Bogen direkt darauf gelegt werden. Nur in besonderen Fällen wird sich das Anbringen von Anlegestrichen, die am besten auf vorge druckte Kreuze eingepasst werden, nöthig machen. Dies gilt da, wo mehrere kleine Tuschstellen zerstreut liegen. Metallschablonen werden aus papierstarkem Zinkblech, besser noch aus dünnem Kupferblech angefertigt. Letzteres, sogenanntes Schablonenblech, kann u. a. von Raven Söhne in Berlin in Tafeln zu 60 Pf. bezogen werden. Das Blech wird mit geschmolzenem Pech auf beiden Seiten dünn überzogen. Auf einer Seite wird ein frischer Abzug von der Konturform gelegt, durch Ein pressen übertragen und durch Einstäuben mit Silberbronze sichtbar gemacht. Mit einer scharfen Ahle wird alsdann die Kontur der auszuschneidenden Tonfläche, den Linien des übergedruckten Ab zuges folgend, ringsum eingeritzt, so dass überall das blanke Metall offen liegt. Darauf wird die Platte mit einem finger dicken Wachsrande umgeben und mit verdünnter Salpetersäure übergossen. Die aufsteigenden Luftbläschen werden mit einem weichen Pinsel leicht abgestrichen. In 5—10 Minuten ist das Blech durchgeätzt; es wird mit Wasser abgespült und kann sofort benutzt werden. Der Pech-Ueberzug wird nicht entfernt, da die Blechränder sonst Tusche annehmen und schmieren. H. H. ---- Zollbehandlung lithographischer Arbeiten. Auf Grund der Beschwerde einer Lithographischen Anstalt in Frankfurt a. M. bat die Frankfurter Handelskammer den Minister für Handel und Gewerbe in einer Eingabe, dahin wirken zu wollen, dass der lithographischen Industrie Deutschlands im Auslande dieselbe Zollbehandlung zu Theil werden möge, wie sie die ausländischen Mitbewerber im Deutschen Reiche, dessen Tarif die Lithographieen einem Zoll nicht unterwirft, geniessen. Der Herr Handelsminister erwiderte hierauf, dass bereits bei den Verhandlungen über die neuen Handels- und Zollverträge das Bestreben darauf gerichtet gewesen sei, die fremden Zollsätze für Lithographieen, Chromos, Etiketten und dergleichen wesentlich zu ermässigen. Infolgedessen sind folgende Vergünstigungen er zielt worden: