Volltext Seite (XML)
1466 PAPIER-ZEITUNG. No 51. Papierprüfungs-Anstalt zu Leipzig. Jahresbericht von Otto Winkler, Uferstrasse 8. Das mit 31. Dezember 1891 abgeschlossene, siebente Geschäfts jahr war im allgemeinen für Fabrikation und Handel, besonders auch für die Papier-Industrie, ein sehr ungünstiger Zeitabschnitt. Zu den allgemeinen Misslichkeiten, die im massenhaften An gebot von Waaren zu gedrückten Preisen erkennbar wurden, kam im Laufe des Jahres die Stockung in einzelnen Waarengattungen. Alle Fabrikate, die ihren Absatz in Buchgewerbekreisen finden, waren zur Zeit des Buchdrucker-Gehilfen-Ausstandes wenig begehrt. Der Ausstand dauerte bekanntlich vom November 1891 bis Mitte Januar 1892 und warf Schatten auf alle mit der Druck- Industrie verbundenen Gewerbe. Auch auf die Papierprüfungssache übte der Ausstand ungünstige Wirkung aus. Die Sommer- und Herbstmonate (August bis De zember 1891) zeigten, gegenüber der gleichen Zeit im Jahre 1890, einen wesentlichen Ausfall an Prüfungsaufträgen. Erst im Februar 1892 fing der Verkehr mit der Anstalt wieder an lebhafter zu werden. Wenn wir ungeachtet dieser Thatsache am Jahresschlüsse 1891 doch wiederum mit einer erheblich grösseren Ziffer von Prüfungsaufträgen abschliessen (es hat eine Zunahme der aus geführten Prüfungsaufträge von etwa G7 pCt. gegenüber dem Vorjahre stattgefunden), so glauben wir darin aufs Neue die Lebensfähigkeit unserer Unternehmung und die Nothwendigkeit des Vorhandenseins unserer Anstalt bestätigt zu sehen. Es sind im Jahre 1891 im Ganzen 644 Prüfungs- Nummern für fremde Rechnung ausgeführt worden (gegen 438 im Jahre 1890.) Hiervon kommen in runden Zahlen etwa 270 auf Papierverbraucher (Behörden, Verlagsbuchhändler, Buchdrucker, 3 Papierwaarenfabriken, 2 Buchbinder), „ 250 » Papierfabrikanten (einschliesslich Buntpapier- Fabriken), » 120 » Papierhändler. Das ist annähernd das gleiche Verhältniss wie im Vorjahre, nur dass die Gruppe der Papierverbraucher im Verhältniss zum Vorjahre gegenüber den zwei anderen Gruppen etwas zurück geblieben ist. Da dieser Umstand als Folge des bereits erwähnten Aus standes im Buchdruckgewerbe anzusehen ist, liegt kein Grund vor, die im vorjährigen Berichte hervorgehobene, grössere Antheil- nähme des Verlagsbuchhandels als im Rückgänge befindlich an zusehen; im Gegentheile sind zu den bisherigen ständigen Auftrag gebern eine ansehnliche Zahl solcher Firmen getreten, die vorher nicht die Dienste der Anstalt beansprucht hatten. Unter Hin weglass ung der mit kleinen Ziffern auftretenden Untersuchungsarbeiten und unter Ausscheidung der ohne Auftrag vorgenommenen Prüfungen (von denen viele, z. B. die auf Ver gilbung gerichteten, eine grosse Zahl aufweisen würden), führen wir nachstehend nur diejenigen Zahlen an, zu denen die früheren zwei Jahresberichte einen Vergleich gewähren. Schon diese kleine Tabelle wird uns Gelegenheit geben, an die vorhandenen Zahlen einige Bemerkungen von allgemeinem Interesse zu knüpfen. 1891 1890 1889 1. Prüfung auf Reisslänge und Bruchdehnung 161 221 70 2. Prüfung auf Widerstand gegen Reiben und Knittern (einschliesslich Falz Verlustprüfung) 166 43 6 3. Bestimmung des Aschengehaltes .... 358 354 88 4. Holzschliffnachweis 140 47 50 5. Mikroskopische Faserstoff-Bestimmung . . 219 290 113 6. Leimungsprüfung 240 233 90 7. Saugfähigkeitsprüfung 29 50 52 8. Prüfung auf Zweckmässigkeit 159 97 19 9. Prüfung auf probemässige Lieferung . . . 174 176 28 etwa 1646 1511 516 Obwohl die vorstehenden Zahlen, wie bereits erwähnt, keinen Maassstab für die Thätigkeit der Anstalt überhaupt abgeben können, weil sie unvollständig sind und Angabe über viele Tarif sätze, z. B. den für Totalprüfungen an Behördenpapieren, für chemische Untersuchungen, Filtrirpapierprüfungen usw. nicht ent halten, lässt sich aus denselben doch mancher Schluss ziehen. Greift man die beiden letzten Zeilen unter Nrn. 8 und 9 heraus, so ist hierbei seit 1889 eine ganz erhebliche Steigung zu erkennen, die sich bei 8 (Zweckmässigkeitsgutachten) langsamer als bei 9 (Prüfung auf Probemässigkeit) entwickelte. Wir sind überzeugt, dass gerade die, nur durch eine langjährige Uebung zu erlangende Sicherheit in der Beurtheilung voraussichtlicher Zweckmässigkeit einer Papiersorte das erstrebenswerthe Ziel der Prüfungsanstalten sein muss. Es wird wahrscheinlich in kommender Zeit diese Frage immer öfter bei Ertheilung von Prüfungsauf trägen gestellt werden, und unsere Anstalt wird bemüht sein, das ihr damit bewiesene Vertrauen immer mehr zu verdienen. Die ansehnlichste Zunahme an Aufträgen ist bei Nummer 2 der Tabelle »Prüfung auf Widerstand gegen Reiben und Knittern zu finden. Diese ungewöhnliche Mehranwendung einer Prüfungsart erklärt sich aus unserer veränderten, durch Erfahrung gewonnenen Meinung vom Werthe dieses Prüfungsmittels, das wir sonst nicht hochschätzten, weil es nur subjektive Wahrnehmungen erlaubt. Wir haben uns überzeugt, dass diese uralte Methode, die Zähigkeit eines Papieres zu erkennen, bei einiger Uebung viel zuverlässiger ist, als man annehmen möchte. Früher haben wir diese Prüfungen nur ausgeführt bei Total-Untersuchungen an Papieren für preuss. Behörden und waren dabei so vorsichtig, neben der sogenannten trockenen Wäsche noch Zerreissversuche an Falzstreifen auszuführen, um eine Kontrolle für unsere Reibe- und Knitterprüfungen zu haben. Später, als wir öfter die Zähigkeit an Papieren für Streich- und Packzwecke nachzusehen hatten, um Gutachten über deren Zweckmässigkeit äbgeben zu können, orientirte uns diese einfache Probe in der Regel so ausreichend über den Grad der Sprödigkeit unseres Materials, dass weitere Festigkeitsmessungen überflüssig wurden oder nur zur Bestätigung der ersten Wahrnehmungen dienten. Hieraus folgt einigerraaassen auch, warum die Prüfungen auf Reisslänge und Dehnung, wie es thatsächlich unter Nr. 1 unserer Tabelle ersichtlich ist, weniger zur Anwendung kamen als im Vorjahre, zu welcher Zeit öfter Festigkeitsprüfungen sogar an solchen Waaren gefordert wurden, bei denen sich aus den gewonnenen Zahlen auf die Güte der Waarc wenig schliessen liess. Wir sind in neuerer Zeit bei solchen Fällen wiederholt, ohne vorher zu fragen, dazu übergegangen, die Bestandtheile und diejenigen Eigenschaften der Papiere zu untersuchen, auf die es beim Verwendungszwecke hauptsächlich ankommt, und haben durch Ausfertigung eines einfachen Gutachtens über Zweck mässigkeit des geprüften Papiers, wie wir glauben, unseren Auftraggebern mehr gedient, als wenn wir ihnen Zahlen nannten. Ueber die hohen Ziffern unter 3 und 6 der Tabelle haben wir uns bereits im vorjährigen Berichte dahin ausgesprochen, dass sie mit zunehmender Zaid der Bücher- und Druckpapiere, die zur Untersuchung, kamen, gewinnen mussten. Im übrigen ist den Schwankungen in Zahl der Einzelaufträge z. B. bei Nrn. 5 und 7 kein grosser Werth beizulegen, weil sie oft durch Zufall erzeugt werden. Von den besonderen Fällen, die allgemeineres Inter esse finden dürften, ist zunächst über ein sich öfter wieder holendes Vorkommniss zu berichten. Zur Herstellung eines ungewöhnlich blätterreichen Buches war aus den eingelieferten Proben zu wählen. Neben beständiger Farbe, Leimung und Druckfähigkeit durfte der Druck bei aller Bogenschwäche nicht durchsch einen, das Papier sollte auch grössere Festigkeit besitzen. Das nach gewählter Probe gefertigte Papier aus Lumpenfasern schien alle Eigenschaften zu haben, die am Offertenmuster gefunden wurden; Farbe, Dicke, Leimung, Aschengehalt und Faserstoff waren probegemäss, nur die Festigkeit schien etwas schwach zu sein. Dieser Uebelstand war aber so bedeutend, dass sich schon beim Zusammendrücken Brüche und Löcher zeigten. Für den bestimmten Zweck war es ganz unbrauchbar. Wir sind überzeugt, dass der Fabrikant, im Bewusstsein genau so wie bei Herstellung der Probe gearbeitet zu haben, lieferte, und den Mangel der Waare selbst nicht gekannt hat. Dagegen zeigt der Fall, wie nöthig die genaue Kontrolle ist, besonders bei Papieren, die gewisse Eigenschaften in erhöhtem Grade haben müssen. Ein anderer wiederholt vorgekommener Fall betraf ein zwei seitig weiss gestrichenes Chromopapier, bei dem die Druckseite nach mehrfarbigem Bedrucken vereinzelte blaue Farbfleckchen bekommen hatte, wodurch viele Drucke unbrauchbar wurden. Drucker und Chromopapierfabrikant lagen im Streite. Letzterer behauptete, dass die Flecken durch unsaubere Arbeit des Druckers entstanden wären, was der Drucker als undenkbar zurückwies. Die Untersuchung ergab: dass die Fleckenbildung durch den Farbaufstrich herbeigeführt wurde, in welchem sich kleine blaue und violette, im Alkohol wie im Wasser lösliche Farbkörnchen befanden, die eine theilweise Auflösung erst bei wiederholtem Feuchten erfahren hatten, während sie zur Abtönung der Grund farbe dienend, in derselben wahrscheinlich beim Anrühren nicht vollkommen gelöst worden waren. Der Drucker war gerecht fertigt. Ein weiterer Fall, bei dem frühere von uns vorgenommene Versuche und Beobachtungen uns zu statten kamen, war folgender: