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826 PAPIER-ZEITUNG. No. 29. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Ueberhitzen der Schrift beim Stereotypiren. Es ist bekannt, dass Schriftsatz, der beim Stereotypiren starker Hitze ausgesetzt wird, » wächst«, d. h. sich stärker dehnt als der um schliessende Eisenrahmen gestattet, und daher in die Höhe gedrängt wird. Damit ist eine Schwächung von Kegel und »Dickte« verbunden, und die Pressung ist nicht selten so stark, dass die an den Signaturen liegenden Stellen der Typen in die Signatur höhlungen hineingetrieben werden. Ein solcher Fall kam vor kurzem in der Langenscheidt’schen Buchdruckerei in Berlin vor, und zwar beim Muret’schen englischen Wörterbuch, dessen Satz in einer der ältesten Stereotypieen Berlins klischirt worden war. Die Firma wandte sich um Aufklärung an die Schriftgiesserei Flinsch in Frankfurt, von welcher die Schriften neu bezogen waren, und erhielt folgende sachgemässe und all gemein interessirende Auskunft: »Wie die Veränderungen an den einzelnen Buchstaben zeigen, kann die Schrift nur dadurch beschädigt worden sein, dass sie bei dem Stereo typiren zu heiss wurde, und dass sich alsdann bei zu festem Schliessen die einzelnen Typen zerdrückten. Den besten Beweis hierfür finden Sie an einliegenden (wieder zurückfolgenden) Buchstaben, die sich mit ihrer Rückseite in die Signatur der darüberstehenden Buchstaben eingedrückt haben. Das Schriftmetall hat, so gut wie jedes andere Metall, das Be streben sich auszudehnen, wenn es heiss wird, und da die Typen, wenn sie zu fest geschlossen sind, nach der Seite Widerstand finden, so presst sich eben ein Buchstabe in die Signatur des andern, und wenn diese Ausdehnung erschöpft ist, — dann steigen die Buchstaben nach der Höhe. Hierdurch entstehen dann Höhedifferenzen, wie sie einliegende zwei Buchstaben zeigen, von denen der eine die veränderte und der andere die ursprünglich von mir gelieferte Höhe hat. Das zu feste Schliessen ist jedenfalls auf die Befürchtung zurückzuführen, der kom- plizirte Satz könnte bei dem Ein- und Ausheben durch Herausfallen beschädigt werden. Es ist bedauerlich, dass durch das Stereotypiren der so genau einheitliche Kegel und die Höhe verdorben wurden. Sie werden sich ja durch eine Vergleichung leicht überzeugen, dass jetzt ganz aussergewöhnliche Kegelstärken vorhanden sind, und dass die Höhe Schwankungen bis zu mehr als einem halben Punkt zeigt. Ich vermuthe noch, dass vielleicht auch Ihre um die Form sitzenden schrifthohen Stege etwas zu niedrig sind, so dass beim Aufpressen der Mater der Druck zu sehr auf die Schrift wirkt und nicht durch die schrifthohen Stege aufgehalten wird. (Diese Vermuthung traf nicht zu.) Alle diese Umstände sind es allein, welche eine Veränderung der Schrift hervorgerufen haben, und ich bedaure, dass hier in keiner Weise mehr Abhilfe geschaffen werden kann. Derartige Beschädigungen der Schrift bei dem Stereotypiren lassen sich nur dann vermeiden, wenn die Form, nachdem die Mater abge schlagen ist, etwas geöffnet wird, und wenn alsdann das Trocknen durch Dampfheizung stattfindet. Hier am Platze werden von einer Zeitung sämmtliche Seiten auf diese Art stereotypirt, und die Herren arbeiten nun schon über 15 Jahre mit meiner Schrift, ohne dass derartige Ver änderungen, wie bei Ihnen, vorkamen. Auf Ihre Frage, ob das Metall vielleicht etwas Zink enthalte, erlaube ich mir zu erwidern, dass dies unter keinen Umständen der Fall ist, da ich ja in meinem eigensten Interesse mit der grössten Aengstlichkeit darüber wache, dass nicht einmal Spuren dieses Metalls in meine Legirungen hineinkommen. Sie können sich hierüber leicht Gewissheit verschaffen, wenn Se die Schrift auf ihren Zinkgehalt analysiren lassen.« Aus dieser Darlegung der Schriftgi esserei Flinsch geht h er vor, dass derartige Veränderungen nicht durch das Schriftmetall hervorgerufen werden, sondern durch Ueberhitzen und zu starkes Schliessen. * * * Zu dem vorstehend mitgetheilten Vorfall, der wieder die all gemeine Aufmerksamkeit der Buchdrucker auf die Mängel der Heissstereotypie gelenkt hat, erhielten wir noch folgende Aeusserung: In einer schlesischen Druckerei kam vor Jahren ein ähnlicher Fall vor, wenn auch nicht mit so schlimmen Folgen. Dort wurde eine Anzahl Rand-Einfassungen aus neuem Material gesetzt und, um dieses zu schonen, im eigenen Hause stereotypirt. Als dann die Rändersätze abgelegt, mit dem ungebrauchten Reste der Einfassungen vermischt und daraus später neue Arbeiten gesetzt wurden, da zeigte es sich, dass die stereotypirten Stücke sowohl in der Höhe als im Kegel ungenau geworden waren. — bei Ein fassungen ein besonders schwerer Uebelstand. Die Höhe war ge schwunden, der Kegel gewachsen — also das Gegentheil von dem erstangeführten Falle war eingetreten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Veränderung des Typen- Systems in beiden Fällen auf das Erhitzen zurückgeführt werden muss. Die allgemeine Annahme, dass stark erwärmtes Schrift metall beim Erkalten »schwinde«, also im Volumen kleiner werde, sei es durch Verflüchtigen eines seiner Bestandtheile oder durch Dichterwerden des ziemlich porösen Metalles, ist jedoch nicht be gründet. Das Schwinden« tritt nur dann ein, wenn das Metall während des Erwärmens scharfem Druck ausgesetzt wird, und zwar in der Richtung des Druckes. Im ersten Falle waren die zu stereotypirenden Formen zu stark geschlossen, jedenfalls auch beim Trocknen zu stark erhitzt. Blei, ein Hauptbestandtheil des Letternmetalles, dehnt sich beim Erwärmen bis 100° Cum 1/351, Gusseisen dagegen um 1/901, Messing um 1/535, Stabeisen um 1/812, Stahl um 1/927 seiner Länge. Wo Blei sicli also um 1 mm dehnen würde, erreicht die Ausdehnung bei Messing 1,52, das Anderthalbfache, bei Stabeisen 2,31, bei Gusseisen 2,56 und bei Stahl 2,64 mm. Wenn nun Schriftformen, wie üblich, in Eisenrahmen ge schlossen der Wärme ausgesetzt werden, so muss nach Vorstehen dem ein Zwang entstehen, den das weichere Letternmetall unter allen Umständen zu tragen hat. Die Ausdehnung bleibt stets dieselbe, ob das Metall unter Druck steht oder nicht. Wenn es sich nach der Schliessrichtung hin nicht ausdehnen kann, so wird es versuchen, in die Höhe zu gehen (die Typen werden nach dem Erkalten länger geworden sein), und wenn es auch hier durch scharfen Druck gehindert ist, wenn es nach keiner Richtung ent kommen kann, so geht es in sich selbst zusammen, es verdichtet sich, d. h. die Typen werden im allgemeinen schwächer. Ein Drittes entsteht, wenn das Metall von oben scharf ge presst wird, nach der Seite hin aber Luft bekommen hat (durch Aufschliessen der Form). Dann wird, wenn die umgelegten »schrifthohen« Stege zu niedrig waren, die erkaltete Type in der Höhe »geschwunden: sein, in der Dickte und im Kegel dagegen zugenommen haben. Die geschilderten Uebelstände wachsen, wenn die Form über 100« C. erwärmt wird, um die angegebenen Zahlen für je 100°. Bei Stereotypie-Apparaten, wo die Platte durch Dämpfe des Schmelzkessels oder durch abziehende Feuergase erwärmt wird, kommt es bei mangelhafter Aufsicht hin und wieder vor, dass die weicheren Füllstege oder gar wohl die Kolumnen-Füsse zum Theil abschmelzen, ein Beweis, dass 300 — 350° C. erreicht wurden. Bei so hoher Hitze verdreifacht sich die lineare Ausdehnung, der Zwang in der geschlossenen Form wird dreimal so gross wie bei der Erwärmung unter 100» C., wie sie durch Dampfheizung er zielt wird. Dazu kommt noch, dass das so stark erhitzte Metall, nahe seinem Schmelzpunkte, weich und infolgedessen widerstands unfähig geworden ist, also auch noch die im Schliessrahmen auf gespeicherte Spannung ausgleichen muss und in diesem Zustande überhaupt zu Form-Veränderungen geneigt ist. Es sei noch darauf hingewiesen, dass auch sehr viel härtere Metalle, z. B. Messing, beim Erwärmen in Eisenformen die durch die verschiedene Ausdehnungsfähigkeit bedingte Maassdifferenz beim Erkalten aufweisen. Es ist daher nicht möglich, Messing kerne in Eisen warm einzusetzen. Ein Messingeylinder, der in ein Eisenstück kalt knapp passend hineingetrieben werden muss, wird nach dem Erwärmen und folgendem Abkühlen lose heraus fallen, also kleiner geworden sein. Ebenso schmilzt man in Glas- cylinder (für elektrotechnische Zwecke) stets Platindraht deshalb ein, weil Platin und Glas genau dieselbe Ausdehnung in der Wärme haben. Wenn aus diesen Darlegungen Schlüsse gezogen werden können, so sind es folgende: 1. Man benutze zum Erwärmen von Stereotyp-Formen Apparate mit Dampfheizung, um Ueberhitzung zu vermeiden. 2. Man sorge dafür, dass das Metall sich ungezwängt frei ausdehnen kann: a) in der Schliessrichtung, indem man zu diesem Zwecke Blei-Rahmen verwendet, oder, was nicht so gut ist, indem man die Form nach dem Abschlagen, vor dem Einschieben in die Dampfheiz-Presse, etwas öffnet; b) in der Höhe, indem man genau passende schrifthohe Anlagestege verwendet, besser noch unveränderliche Gusseisenstege, die auf diese Höhe um die Differenz zwischen den Ausdehnungszahlen von Blei und Eisen stärker sein müssen, was bei Pariser Höhenur 1/25 mm ausmacht. Um den Zwang auszugleichen, der auch bei Verwendung passender Höhestege in der unnachgiebigen Eisenpresse beim Er wärmen der Schriftform in der Längsrichtung der Typen ent stehen muss, verwende man als Decke eine dicke elastische Filzschicht und ziehe die Pressschraube nur mässig an. Ob es gut gethan sein würde, die Höhestege um ein Kartonblatt höher zu machen als die Schrift, darüber mögen erfahrene Stereo typeure sich äussern. Hermann Hoffmann.