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1322 PAPIER-ZEITUNG Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Liniennetze für Autotypieen. Ich nehme Bezug auf den Aufsatz gleichen Titels in Nr. 41, S. 1181 der Papier-Zeitung. Dort wurde gesagt, dass ein Bedürf- niss bestehe nach Liniaturen für autotypische Zwecke, in eine undurchsichtige Schicht auf Glas gezogen. Dies habe aber seine Schwierigkeiten, weil die dazu benutzten Maschinen, hauptsächlich die Schraubenspindeln, scheinbar unvermeidliche Fehler aufweisen. Es sei deshalb nicht möglich, tadellose Liniennetze herzustellen, bei denen 6 Striche auf das Millimeter gehen. Die Redaktion der Papier-Zeitung bemerkte sehr richtig dazu, dass für spektroskopische Zwecke sehr viel feinere Netze in Gebrauch seien. Diese That- sache kann ich mit Beweisen belegen, die auch für ein weiteres Publikum Interesse haben werden. Für mikroskopische Zwecke werden hier in Berlin sog. Deck gläser gefertigt, mit Linien - Systemen, die mit Diamant ein geschnitten werden. Diese Systeme sind Millimeter-Maassstäbe in hundertfacher oder noch weitergehender Verkleinerung. Ich sah solche Gläser, auf denen mit dem blossen Auge nichts zu erkennen i war als ein kleiner weisser Fleck, der sich erst unter einem hundertfach vergrössernden Mikroskop in eine Skala von 30 Milli metern auflöste. Von den Strichen war je der fünfte länger als die übrigen und der zehnte durchgehend. Wer sich hierfür interessirt, dem wird Herr Mechaniker Bachmann, Berlin, Katzbach- strasse 7, gern die Stücke vorlegen. Hier stehen also 100 Striche auf dem Millimeter. Das ist das Gewöhnliche. Die Striche sind, weil für Messungen bestimmt, genau gleich weit und genau gleich stark. Wenn bei hundert facher Vergrösserung darin kein Fehler zu sehen ist, dann kann man sagen, auf autotypische Netze rückbezogen, die Arbeit sei absolut fehlerlos. Wie sonderbar nimmt es sich dagegen aus, wenn Herr Husnik klagt, er könne nicht 6 Striche fehlerfrei be kommen, und die Fehler seien mit dem blossen Auge sichtbar! Aber 100 Striche aufs Millimeter sind noch ein verhältniss- mässig grobes Netz. Derselbe Mechaniker, dessen Adresse ich ! anführte, kann bis 1000 Striche aufs Millimeter mit Diamant in Glas tadellos ziehen. Das wird mir kaum geglaubt werden. Ich bemerke jedoch, dass dies die Grenze für menschliches Können noch lange nicht ist. In Müllers »Lehrbuch der Physik und Meteorologie«, Verlag von Vieweg & Sohn in Braunschweig, Seite 713, ist zu lesen: »— — Weit schwierigere Probe-Objekte sind verschiedene Arten von Diatomeen, namentlich Navicula und Pleurosigma. Nur mit sehr guten Mikroskopen kann man auf ihnen verschiedenartige Streifungen entdecken. Man hat gegen diese Probe-Objekte geltend gemacht, dass selbst die verschiedenen Schuppen desselben Flügels nicht ganz gleiche Grösse und Beschaffenheit haben. Um diesem Uebelstand zu entgehen, wendet Nobert (ein unlängst verstorbener Mechaniker in Barth i. P.) sehr fein getheilte Glas-Mikrometer als Probe-Objekte an. Seine Probe platte enthält 10 Gruppen von Parallel-Linien. Bei der ersten Gruppe beträgt die Entfernung je zweier Linien 1/1000, bei der zehnten Gruppe 1 4000 Pariser Linie. (Das sind 444 bis 1782 Striche auf das Millimeter.) Je mehr nun die Leistung des Mikroskops zunimmt, desto mehr dieser Gruppen wird man in einzelne Linien aufgelöst sehen. Die Linien der ersten Gruppe sollen bereits bei einer 70 maligen Vergrösserung deutlich sichtbar sein, während man sie bei einer 300 maligen Vergrösserung noch bis zur sechsten und siebenten Gruppe getrennt erkennen soll.« Man müsste meinen: hier wäre denn doch das Aeusserste er reicht, denn um 1782 tadellose Striche auf das Millimeter ziehen zu können, Linie für Linie ohne Fehler, nicht etwa ineinander laufend, jeden fünften und zehnten Strich länger als die übrigen, dazu bedarf es nicht nur eigens konstruirter Apparate von ausser ordentlicher Genauigkeit und einer erfahrenen, sehr geschickten Hand, sondern auch einer genau gleichen Temperatur im Arbeits raume, einer Luft von genau regulirtem Feuchtigkeitsgehalt und noch anderer Bedingungen von gleicher Schärfe. Am angeführten Orte ist aber weiter zu lesen: »In neuerer Zeit hat Nobert noch feinere Probeplatten gemacht, welche bis zu 30 Liniengruppen gehen: bei der letzten dieser Gruppen beträgt die Entfernung je zweier Linien (von der Mitte eines Striches bis zur Mitte des nächsten) nur 1/8000 Pariser Linie (3564 Striche auf das Millimeter!). Mit Recht sagt Harting in seiner Zeitschrift .Mikroskop" : Man weiss nicht, soll man sich mehr wundern über die Kunst, womit diese Linien gezogen worden sind, oder über das Unterscheidungsver mögen des Mikroskops, welches solche Linien zur Ansicht bringt.« Man wird hieraus erkennen, dass es sehr wohl möglich ist, die von Herrn Husnik gewünschten Netze fehlerfrei zu fertigen. Herr Husnik muss sich nur an die rechte Quelle wenden, um noch viel feinere Netze oder die dafür nöthigen Maschinen zu erhalten. Die für mikroskopische Maassstäbe gebauten Maschinen haben nur eine kurze Ziehlänge, man kann darauf Striche von höchstens 30 mm Länge ziehen. Die gewöhnlich darauf gezogenen Striche sind nur 1/100 mm lang und noch kürzer. Da die Genauigkeit der Maschinen wohl auch auf der exakten Schlittenführung beruht, aber hauptsächlich doch in der absolut fehlerfreien Schraubenspindel, so ist die Länge der Striche im allgemeinen mehr abhängig von der gewissenhaften Bauart der Maschine. Die Breite des Netzes dagegen ist nicht durch Benutzung einer entsprechend langen Schraubenspindel zu erzielen. Es ist sehr schwierig, absolut fehlerfreie Schrauben herzu stellen. Man beschränkt sich deshalb darauf, solche Schrauben nur bis etwa 30—50 mm Bewegung lang zu machen. Am Ende angekommen, schaltet man um, stellt genau ein und fängt von Neuem an zu ziehen. Zum Zwecke der genauen Einstellung bei der jedesmaligen Unterbrechung bedient man sich eines mit Faden kreuz versehenen, an der Maschine befestigten Mikroskopes. Noch auf einen anderen Satz des Husnik’schen Aufsatzes will ich zurückgreifen. Es ist der, worin gesagt wird, dass man ab solut fehlerfreie Glasplatten nicht erhalten könne. Soviel ich weiss, werden die für die oben angeführten Zwecke aus Crown- glas gefertigten, bis 1/19 mm dünnen Deckgläser auch in grösseren Platten hergestellt, und ein besseres Material ist undenkbar, auch was Klarheit betrifft. Was die ungünstigen Ergebnisse anlangt, die Herr Prof. Husnik beim Ziehen mit dem Diamanten gehabt hat, so ist dies wohl nur auf mangelnde Erfahrung zurückzuführen. Dies soll kein Vor- wurf sein. Wer die Sache kennt, weiss, wieviel von der Aus wahl des Diamanten und von seiner Einstellung im Apparat ab hängt. Manchmal muss das Splitterchen um seine Achse verdreht werden, damit es schneidet, ohne zu brechen. Hier kann allein langes berufsmässiges Umgehen mit Schneide-Diamanten die für ein gedeihliches Arbeiten erforderliche Kenntniss und Uebung gewähren. S t. Wie kann man die Setzleistung vergrössern? In Nr. 36 der Papier-Zeitung, Seite 1029, machte ich darauf aufmerksam, dass unsere jetzigen vorwiegend in der Fraktur bestehenden Ligaturen bei den heutigen veränderten Typenformen keinen Grund mehr für sich hätten als ihr ehrwürdiges Alter. Ich schlug vor, an deren Stelle Buchstaben-Verbindungen einzu führen, die im laufenden Satze häufig vorkommen, und wies nach, dass damit eine lOprozentige Setz-Erleichterung fast ohne Kosten zu erreichen sei. Diese Auslassungen haben in Nr. 42 der Papier-Zeitung seitens des technischen Inspektors der Reichsdruckerei Widerspruch erfahren. Herr Taeschner weist dort darauf hin, dass die vorge schlagene Reform, gegen deren rechnerische Richtigkeit er nichts einzuwenden weiss, daran scheitern müsse, dass gewisse Kasten- Aenderungen bezw. Buchstaben-Verlegungen zu diesem Zwecke nöthig seien, und dass es den Gehilfen schwer werden würde, sich an diese neue Ordnung der Dinge zu gewöhnen. Ich bin zu sehr Praktiker, als dass ich die Einwände des Herrn T. nicht zu wür digen wüsste, und zu wenig streitsüchtig, um sie ihm einfach weg- zudisputiren. Ich erkenne das Meiste., was Herr T. meiner Idee vorgeworfen hat, als vollkommen berechtigt an. Dies würde mich aber nicht abhalten, einer so bedeutenden Setz- Erleichterung zu Liebe gewisse einmalige Schwierigkeiten mit in Kauf zu nehmen. Der Grund, dass die Uebergangsperiode Kasten- Aenderungen bedingen und dem Personal zu denken geben werde, würde mich allein nicht abhalten, eine im übrigen so vortheil hafte Reform, wenn nicht auf einen Schlag durchzuführen, so doch nach und nach einzuleiten. Ich meine also, da die Richtigkeit meiner Berechnung äusser Frage steht, dass die Uebergangsschwierigkeiten wohl zu würdigen, aber nicht ausschlaggebend seien. Die Reform lässt sich für fried liebende Leute etwa in der Art durchführen, dass Schritt um Schritt vorgegangen wird. Man kann z. B. damit beginnen, dass die unter 6000 Buchstaben nur 4mal (ff), 2mal (fi), 2mal (fl), zusammen 8 mal vorkommende f-Gruppe aufgelöst wird und da für en, das 228mal angetroffen wurde, eingeführt wird. Diese, wie selbst Herr Taeschner zugeben wird, ganz unbedenkliche Reform führt allein einen 4prozentigen Vortheil mit sich.