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Genaue Adressen! Eine Berliner Fabrik erhielt kürzlich einen mit vielen Post stempeln und Randbemerkungen versehenen Brief. Das Schreiben war erst nach dem Orte, an dem sich früher die Fabrik befand, von da durch Post vermerk nach Berlin, Al exanderstrasse ge sandt worden, während das Geschäft sich in der Alexandrinen- strasse befindet. Da ein kleiner Fehler im Namen gemacht war, so wurde die in Berlin seit Jahren bestehende Firma merkwürdiger Weise als • »nicht gemeldet« bezeichnet, und der Brief ging als unbestellbar zurück. Dort wurde man auf den Adressenfehler aufmerksam, auch die Strasse wurde richtig gestellt, weil ein für sorglicher Briefträger auf den Umschlag geschrieben hatte »Viel leicht Alexandrinenstrasse!« Kurz, der Brief gelangte — endlich — in die rechten Hände. Aus dem Inhalt ging hervor, dass der Absender einen von der gedachten Firma fabrizirten Artikel bisher auf dem Umwege über Wien bezogen hatte, durch Zufall auf die rechte Adresse ge führt war und nun Muster und Preise erbat. Da die anfra gende Firma in diesen Sachen ein lebhaftes Geschäft macht, so ist leicht nachzuweisen, dass sie durch die Verzögerung, hervor gerufen durch einen einzigen kleinen Irrthum in der Adresse, verhältnissmässig bedeutenden Schaden erlitten hat. Man verlasse sich also nicht auf Findigkeit der Post, die in der Bestellung von Bierkarten ja allerdings manchmal Erstaunliches leistet, sondern schreibe die Adressen genau und sorgfältig. Dass sich dergleichen Fälle oft ereignen, liegt meist daran, dass in den betreffenden Geschäften kein Adressenbuch geführt wird, dass die Aufschriften vielmehr aus dem Gedächtniss oder auf Grund der vorliegenden Brief-Korrespondenz erfolgen. Da durch entstehen Fehler, namentlich dann, wenn im Kontorper sonal Veränderungen eintreten. Man sollte auch in kleineren Geschäften, ja selbst für Privat bedarf, ein gewöhnliches mit Alphabet versehenes Registerbuch zum Einschreiben jeder Adresse benutzen, die voraussichtlich je mals wieder benutzt werden wird. Bei gewissen Adressen, wie z. B. »Berliner Kokswerke«, würde die Adresse unter B voll ständig gebucht werden, während unter K (Kokswerke) und C (Cokeswerke) einfache Hinweise auf B genügen würden. Sehr nützlich ist es auch, wenn den Adressen ganz kurz die Beziehungen beigefügt werden können, die man zu der betr. Firma pflegt. So würden Rabattbewilligungen, Preisofferten usw. sehr zweckmässig neben der bez. Adresse ihren Platz finden. Es wird sich herausstellen, dass solche gelegentlich sofort gemachten Notizen später ausserordentlich werthvoll werden. Hier eine Stelle aus einem solchen Buche: Carl Behrendt, Torgau, Markt 56. 4. 5. 92. Musterbeutel mit 20 pCt. R. u. postfrei offerirt. (Raum für spätere Notizen.) Balfour Bros., New- York. U.S., 78, Walnut Street. 28. 7. 92. Meine grüne Liste mit 10 pCt. ab Berlin. Zahlbar nach Eintreffen, in Sichtwechsel auf Berlin. 4. 9. 92. Pauspapier Marke Frosch 1000 Bogen 65 M. 6. 10. 92. James Balfour persönlich hier. Pausfarbe trocken 1 kg 5 M., 100 kg 400 M. Rezept 500 M. Emil Bolte, Leipzig, Neumarkt 3. Privat-Adresse des Hm. C. Eberhard: Hainstrasse 16.) (Unter Eberhard Hinweis auf Bolte.) Bleifolie siehe Calame Robert. und so fort. B C D E F G H Wie durch mangelhaftes Adressiren, kann man durch un leserliche Unterschrift oftmals direkt und indirekt Schaden erleiden. Firmen, die auf offenen, von der Post bezogenen Karten schreiben, sollten nie vergessen, ihren Stempel aufzudrücken. Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Erfurter kleiner Geschäfts mann auf offener Karte etwas in Berlin bestellte, und zwar um gehend« abzusenden, da sonst das Geschäft unterbleibe. Leider hatte der Mann seine Adresse beizufügen unterlassen und den Namen so undeutlich geschrieben, dass man es hier für gut fand, zuvor um genaue, klare Adresse zu ersuchen. Dies geschah eben falls auf offener Karte; die Adresse wurde der undeutlichen Un terschrift möglichst genau nachgemalt. Die Karte kam als unbestellbar zurück. Gleichzeitig traf eine neue Karte des Betreffenden ein,auf der sich dieser über dieverzögerte Absendung bitter beklagte und dringend ersuchte, nun sofort zu expediren. Die Unterschrift war genau ebenso undeutlich wie die erste. Die Berliner Firma packte nun beide Karten ein und schickte sie an die Erfurter Postbehörde mit der höflichen Bitte; den unbekannten Absender dort ermitteln zu lassen und ihm das anliegende Schreiben zuzustellen. Was daraus geworden ist, weiss ich nicht. Jedenfalls sind die angegebenen Fälle mahnende Beispiele für Geschäftsleute, sich im Verkehr nach aussen hin überall der grössten Deutlichkeit und Genauigkeit zu befleissigen. H. H. Nachbildung von Photographieen. Der Buchhändler Arthur Jünger in Berlin hatte, in Aus übung eines von Photographieverlegern nicht selten angewendeten Verfahrens, nach einem von den Hof-Photographen Selle & Kuntze in Potsdam gefertigten photographischen Bilde der kaiserlichen Familie von dem Maler Lotzmann in Berlin ein Grau-in-Grau- Gemälde herstellen lassen, von welchem er photographische Nach bildungen fertigen liess und verkaufte. Die Nachbildung wies einige Veränderungen sowie eine Personen-Vermehrung auf und trug den üblichen Schutzvermerk. Die Firma Selle & Kuntze stellte hierauf, wie bereits in Nr. 1, Seite 22 mitgetheilt wurde, Strafantrag und erzielte beim Land gericht! ein obsiegendes Erkenntniss, wurde aber mit ihrem Anspruch auf Geldbusse abgewiesen. Beide Theile legten Revision ein. Nachdem am 17. Mai der zweite Strafsenat des Reichsgerichts in der Sache verhandelt hatte, wurde am 24. Mai das Urtheil gefällt. Dasselbe ging dahin, dass sowohl auf die Revision der Angeklagten, als auf die der Neben kläger das Urtheil des Landgerichts aufzuheben und die Sache in die erste Instanz zurückzuverweisen sei. In den Urtheilsgründen wurde Folgendes ausgeführt: Was die Revision der Angeklagten anlangt, so hat der erste Richter die Frage, auf welche es hier ankam, nämlich ob das Lotzmann’sche Bild als eine künstlerische Nachbildung im Sinne des Gesetzes vom 10. Januar 1876 anzusehen sei, vermöge einer irrigen Rechtsanschauung ganz unentschieden gelassen. Eine Vergleichung der §§ 1, 3 und 8 dieses Gesetzes ergiebt, dass drei Fälle möglich sind, 1) die Nachbildung auf mechanischem Wege, welche verboten ist; 2) die künstlerische im Sinne des § 8; diese ist zulässig und ist selbst Gegenstand eines gesetzlichen Schutzes; es bleibt dann 3) der in der Literatur nicht erwähnte Fall übrig, nämlich eine auf nicht mechanischem Wege hergestellte Nachbildung, die jedoch als künstlerische im Sinne des § 8 nicht angesehen werden kann. Eine solche Nachbildung ist für sich allein nicht verboten, aber eine weitere Nachbildung nach ihr — die Verbreitungsabsicht voraus gesetzt — ist mangels der Genehmigung des Verfertigers unstatthaft, denn der Nachbildner kann sich auf § 8 nicht berufen, und hier greift in der That der vom ersten Richter angezogene Satz Platz, dass die Nachbildung der Nachbildung als Nachbildung des Originalwerkes zu betrachten ist, was im Gesetze vom 9. Januar 1876 ausgesprochen ist. Der erste Richter hat nach diesem Gesichtspunkte nicht das Sachver- hältniss geprüft. Er geht von dem Satze aus, dass jede durch freie Handzeichnung hergestellte Nachbildung von selbst als ein Werk der zeichnenden Kunst im Sinne des § 8 des Gesetzes vom 10. Januar 1876 anzusehen ist, eine Ansicht, die der Senat für rechtsirrthümlich erachtet. Anderseits schliesst der erste Richter die Anwendbarkeit des § 8 hier aus Gründen aus, die er aus der besonderen Lage des Falles entnimmt. Er hat erwogen, dass Lotzmann überhaupt nicht den Gedanken gehabt habe, ein selbständiges Kunstwerk zu schaffen, dass er vielmehr be- wussterweise dem Jünger den Weg eröffnen wollte, die verbotene Nach bildung ungefährlich zu ermöglichen. Das ist der Punkt, der haupt sächlich für rechtsirrthümlich erachtet wird. Rechtsirrthümlich ist es nach Ansicht des Senates, dass hier sub jektive Momente in die Schuldfrage hineingetragen werden. Der erste Richter verkennt, dass es sich in § 8 lediglich um ein objektives Kriterium handelt. Stellt sich objektiv ein Werk als ein solches dar, wie es § 8 voraussetzt, so kann die Nachbildung nicht unzulässig werden durch die Art der Benutzung, insbesondere auch nicht dadurch, dass es für einen Zweck hergestellt wird, der der Kunst fremd ist. Namentlich nimmt der Senat auch an. dass es garnicht