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PAPIER-ZEITUNG. 1265 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. satz zu einander. So gelangte man zu dem Schluss, die für Roth empfindliche Negativplatte müsse in der Komplementärfarbe Grün, die für Gelb empfindliche Platte in der Komplementärfarbe Blau abgedruckt werden usw. In der That erhielt man dadurch eine Annäherung an die Naturfarbe, keineswegs aber die wirkliche Naturfarbe selbst. Naturfarben-Lichtdruck. Seit kurzer Zeit sind einigen Interessenten der photographischen Kunsttechnik und der graphischen Künste die Ergebnisse eines photographischen Wiedergabeverfahrens zugänglich gemacht worden, welches ein altes Problem der Photochemiker löst und wahrschein lich berufen ist, den auf photographischer Grundlage beruhenden Flach-, Hoch- und Tiefdruckverfahren neue Bahnen zu weisen. Es ist gelungen, auf photographischem Wege die drei Grund farben, Gelb, Roth und Blau, aus beliebigen farbigen Vorlagen einzeln so auszuziehen, dass die drei gewonnenen Negative ohne irgendwelche Retusche Druckplatten liefern, durch deren Ueber einanderdruck vollendet schöne Farbendrucke entstehen, wie man sie bisher nur durch mühsame Anfertigung von 12 bis 18 Platten erzielen konnte. An der Erfindung sind betheiligt die Herren Prof. H. W. Vogel, Chromolithograph Ulrich und Dr. E. Vogel, sämmtlich in Berlin. Zur Fortentwickelung und Ausnutzung der Erfindung ist eine »Gesellschaft für Natur farbenlichtdruck Vogel- Ulrich gegründet. Vor- i läufige Proben des Verfahrens liegen in der Verlagshandlung von B. Wagner in Berlin, Dessauerstr. 2, zur Ansicht für Interessenten aus. Um das Verfahren verständlich zu machen, muss man auf die Versuche zurückgreifen, welche zur Lösung des lockenden Problems, die echten Farben der Natur auf chemisch-mechanischem Wege durch die Photographie wiederzugeben, gemacht wurden. Man hat zu diesem Zweck hauptsächlich zwei Wege ein geschlagen: 1) direkte Aufnahme mittels photographischer Schichten, die für alle Farben empfindlich sind und die Wirkung jeder Farbe in der Originalfarbe wiedergeben; 2) Aufnahme mit Benutzung des Farbendruckprinzips und der damit möglichen Vervielfältigung. Den ersten Weg schlugen u. a. folgende Forscher ein: Seebeck (Goethe’s Farbenlehre 1810), Becquerel, Nipce de St. Victor, Poitevin, Zenker, Verress, Lippmann usw. Die Ergeb nisse waren insofern unbefriedigend, als die im Negativ erzielten und unter gewissen Einschränkungen auch auf das Positiv über tragbaren Farben aus physikalischen Gründen nicht genau den Naturfarben gleichen, dass sie ferner nur die Aufnahme glühend heller Körper (Spectrum, durch elektrisches Licht beleuchtete bunte Scheiben) gestatten und für jedes neue Bild eine neue Auf nahme nöthig machen. Der zweite Weg, der in der Papier-Zeitung wiederholt als allein erfolgverheissend bezeichnet wurde, wurde bereits von Ransonnet in Oesterreich und Collen in England 1865 vorgeschlagen. Beide Forscher verlangten die Herstellung dreier Aufnahmen nach dem selben farbigen Gegenstände durch rothes, gelbes und blaues Glas. So sollten drei Negative entstehen, in denen einerseits nur die rothen, anderseits nur die blauen und gelben Strahlen der Natur gewirkt hätten. Diese sollten auf Stein kopirt und die er haltenen photolithographischen Steine in Gelb, Blau und Roth auf dasselbe Papier abgedruckt werden. Der Gedanke war nicht ausführbar, weil man damals roth- und j gelbempfindliche photographische Platten nicht kannte. Erst 1873 wurden solche durch Dr. H. W. Vogel, Berlin, er funden, und nunmehr nahmen Cros, Ducos du Hauron in Frank reich, später Albert in München den Gedanken wieder auf, indem sie sich der nach Vogel’s Prinzip »farbenempfindlich« gemachten Platten bedienten. Albert benutzte statt der Lithographie den sogenannten Lichtdruck (Lichtleimdruck), bei welchem das photo graphische Negativ auf eine mit lichtempfindlichem chromirtem Leim bedeckte Glasplatte kopirt wird. Diese zeigt dann ein Bild, welches wie jede lithographische Platte schwarz oder in Farbe abdruckbar ist. Bei der Wahl der Abdruckfarbe ergaben sich aber Eigenthüm- lichkeiten. Jedes gewöhnliche (schwarze) photographische Bild wird bekanntlich mit Hilfe des Lichts nach einer Negativplatte, auf welcher Schwarz nicht gewirkt hat, auf im Lichte dunkel werdendes Papier kopirt. Analog braucht man für die Her stellung der Kopie in Gelb bei dem Naturfarbenlichtdruck-Ver fahren eine Negativplatte, auf welche Gelb nicht gewirkt, für die Herstellung der Kopie in Roth eine Negativ platte, auf welche Roth nicht gewirkt hat. Kurz: die Druckfarben und die auf das betreffende Negativ wirksamen Naturfarben stehen in einem Gegen- Die Abweichungen waren unter Umständen derartig, dass die Bilder künstlerisch werthlos wurden. Professor H. W. Vogel wies 1885 den Grund dieses Fehlers dahin nach, dass der Begriff Komple mentärfarben in hohem Grade schwankend ist, dass eine und die selbe Farbe sogar mehrere Komplementärfarben haben kann, unter denen die Drucker diejenigen aussuchten, welche ihnen am besten dünkten. Auf die Schwierigkeiten bei praktischer Ausführung dieser theoretisch vollkommen einleuchtenden Zerlegung wurde schon in dem Aufsatz Farbenlichtdruck« im Jahrgang 1887, Seite 71, aufmerksam gemacht und dabei gezeigt, wie man bisher durch Retusche die Mängel der photochemischen Zerlegung mühsam zu verbessern suchte. Die Ursachen der vorhandenen Unsicherheit hat nun Professor H. W. Vogel weggeräumt durch Aufstellung folgenden Gesetzes: Zur Herstellung der für Isolirung der Einzelfarben erforder lichen Platten sind Färbungen durch Farbstoffe erforderlich, welche rothes, gelbes, grünes oder blaues Licht verschlucken. Genau dieselben Farbstoffe oder aber ihnen spektroskopisch gleichende müssen als Druckfarben genommen werden, um wirklich naturähnliche Drucke zu erreichen. Herr Ulrich, Chromolithograph, war der Erste, der die Richtig keit dieses Prinzips praktisch erwies, 1890 bereits derartig ge fertigte Lichtdrucke in der Amateurausstellung in Berlin, 1891 auf der deutschen Ausstellung in London ausstellte und dort den ersten Preis erhielt. Um dieselbe Zeit tratDr. E. Vogel jun. der Angelegenheit näher und erzielte durch Anwendung neuer Plattenfärbungen, die er selbst präparirte, sowie durch Anwendung neuer korrespondirender farbiger Strahlenfilter an Stelle der in der Färbung wechselnden farbigen Glasscheiben Resultate, die alle bisherigen übertrafen. Infolgedessen hat dann unter Direktion von Herrn Pächter, in Firma R. Wagner in Berlin, der die hohe Bedeutung der Sache erkannte, die Gesellschaft für Naturfarbenlichtdruck die weitere Pflege des Verfahrens in die Hand genommen. Der Schreiber dieser Zeilen hatte Gelegenheit, sich durch Be sichtigung der bei R. Wagner angeordneten kleinen Ausstellung sowie durch Rücksprache mit den Hauptbetheiligten über das Verfahren zu unterrichten und kam zu der Ueberzeugung, dass hier ein höchst bedeutsamer und voraussichtlich folgenreicher Fortschritt auf dem Gebiete der Druckkunst vorliegt. Ausgestellt waren etwa 10 Farbenlichtdrucke, nach Oelbildern, Aquarellen, Kunstgegenständen und nach der Natur. Sie wiesen einen grossen Farbenreichthum auf, von dessen Uebereinstimmung mit dem Vorbild man sich mehrfach durch Vergleichung über zeugen konnte, und machten den Eindruck, als seien zu ihrer Her stellung 12 bis 16 Farben verwendet. Und diese prächtigen Far benlichtdrucke sind mit je drei Farben gedruckt ! Die Einzel-Abzüge der Farbenplatten lagen vor. Die Reihen folge des Druckes ist: Gelb, Roth, Blau. Die übereinanderge druckten Gelb- und Rothplatten ergeben noch ein ziemlich un fertiges Bild; so wie aber die Blauplatte darübergedruckt ist, ge winnt das Bild Leben, Farbenreichthum und 'riefe. Es ist ge radezu verblüffend, was hier die Blauplatte Alles schafft, wie sie Farbschattirungen hervorzaubert, die alle Töne von Braun, Grün, Olive, Violett enthalten, bis zum tiefen, farbenlosen Schwarz. Selbst Herr Ulrich versicherte, er sei stets von neuem überrascht, wenn nach dem Druck der ersten beiden Platten auf das nichts sagende rothgelbe Blatt das Blau gedruckt wird und nun, wie durch ein Wunder, das Bild in seiner ganzen leuchtenden Kraft, in seiner ausdrucksvollen Vielfarbigkeit erscheint. Es versteht sich von selbst, dass neben der Wahl der zur Ausscheidung einer Farbe bei der photographischen Aufnahme erforderlichen Farblösung auch die Wahl der zum Druck ver wendeten Farben von grösster Bedeutung ist. Ueber die Herkunft dieser Farben geben die Erfinder keine Auskunft, und aus den Abdrücken geht nur hervor, dass es sich um ein dem Chromgelb nahestehendes Gelb, ein zwischen Kobalt und Preussisch-Blau stehendes Blau und ein etwas »süsses« Roth handelt. Die Farben sind von grosser Reinheit, Feinheit und Theilbarkeit. Ein Rück schluss aus dem fertigen Druck auf die Zahl der Farben ist unmöglich, und tüchtige Chromolithographen, die gefragt wurden, wie viel Farben sie zu einem der ausgestellten Bilder brauchen würden, gaben die Zahl auf 12, 15, 18 an.