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792 PAPIER-ZEITUNG. No. 28. Chemie des Sulfitverfahrens. Ueber dieses Thema sind, angeregt durch meine gleichnamige Abhandlung, welche im vorigen Jahre in der Papier-Zeitung ab gedruckt war, in der letzten Zeit zwei Veröffentlichungen er schienen: die Besprechung des Herrn Emil Nemethy in Nr. 17 und diejenige des Herrn Dr. Bock in Nr. 20 dieser Zeitschrift. Herr Nemethy beschreibt in Nr. 17 einen Versuch, welchen er mit Sulfitlauge angestellt hat. Ich weiss allerdings nicht, ob in der Fabrik, in welcher der genannte Herr thätig ist, die Kochung mit direktem oder indirektem Dampf vorgenommen wird, ein sehr grosser Unterschied dürfte aber zwischen den verschiedenen Kochungssystemen, sofern nur jedesmal Calciumsulfitlaugen an gewendet werden, in Bezug auf die chemische Beschaffenheit der Ablaugen kaum vorhanden sein. Selbstverständlich ist die Lauge bei direkter Heizung zum Schluss bedeutend dünner, als bei indirekter Wärmezufuhr, und aus diesem Grunde, sowie um falschen Auffassungen von vornherein zu begegnen, will ich hier betonen, dass alle meine bisherigen Untersuchungen über den Sulfitstoffprozess sich nur auf Kochungen und Laugen des Mitscher- lich’schen Systemes erstreckten. Die Merkmale einer übergaren Kochung sind nach Herrn Nemethy folgende: Lauge und Stoff werden dunkelbraun, oft braunschwarz; beim Leeren der Kocher wird ein eigenthümlicher, unangenehm süsslicher Geruch bemerkbar; im Stoff finden sich grosse Massen von ausgefällten Kalksalzen, und die Asche des Stoffes, mit Salzsäure behandelt, entwickelt Schwefelwasserstoff, welcher von Schwefelcalcium herrührt. Da ich selbst wiederholt Gelegenheit hatte, übergare Kochungen in verschiedensten Stadien zu beobachten, so kann ich bestätigen, dass die oben angegebenen Merkmale zum grossen Theil richtig sind. Dass Lauge und Stoff eine dunkle Färbung zeigen, sowie dass sich ein unangenehmer Geruch bemerkbar macht, ist bekannt. Herr Nemethy sagte ferner: im Stoff finden sich grosse Massen von ausgefällten Kalksalzen; er äussert sich jedoch nicht, was für Kalksalze im Stoff sich vorfinden, ob Calciumsulfat oder Calciumsulfit, oder irgend eine andere Ver bindung. Nach meinen Beobachtungen, besonders nach solchen, welche ich bei stark umgeschlagenen Kochungen angestellt habe, sind es hauptsächlich grosse Massen von weissen Calciummonosulfit- Körnern, welche im überkochten Stoff sich vorfinden. Ferner hat Herr Nemethy ein Moment gänzlich vergessen: Die Aus fällung von Schwefel, welche sich bei übergaren Kochungen stets beobachten lässt, und welche sofort im Kocher die Trübung der Lauge hervorbringt, sobald der Umschlag eingetreten ist. Dieser Schwefelfindet sich auch, sobald der überkochte Stoffgewaschen wird, in der nach Mitscherlich eingerichteten Wäsche, und zwar in den Stoffrinnen, massenhaft dem Stoffe und den Calciumsulfitkörnern beigemischt und schwimmt als feinvertheilter gelber Schaum auf dem Waschwasser mit dem Stoffe abwärts. Dass die Asche des Stoffes, mit Salzsäure behandelt, Schwefelwasserstoff' entwickelt, also Schwefelcalcium enthält, ist kein Kennzeichen für die Uebergare desselben. Auch ganz gut und regelmässig gekochter Stoff enthält nach dem Verbrennen Schwefelcalcium in der Asche. Ebenso entwickelt die Asche der Ablauge sowohl von guter als auch von übergarer Kochung, nach dem Befeuchten mit Salzsäure einen Schwefelwasserstoff geruch, enthält also Schwefel calcium. Diese Erscheinung ist leicht erklärlich. Alle Laugen der Sulfitstoff- Erzeugung, ob sie nun ungebrauchte Sulfitlaugen oder Ablaugen sind, enthalten Gips und Calciumsulfit. Der Stoff selbst enthält ebenfalls in seinen Aschenbestandtheilen Kalksalze, und dieselben können auch wieder nur Gips und Calciummonosulfit oder ein Gemenge beider sein. Verbrennt man die eingedampfte Ablauge oder den Stoff, so verkohlen die organischen Substanzen, hier der Zellstoff, dort die Inkrusten, zuerst, und dann erst verbrennen sie. Mit dieser Kohle werden die Aschensalze nun geglüht, und der Gips giebt beim Glühen mit Kohle seinen Sauerstoff an dieselbe ab und wird zu Schwefelcalcium nach folgender Formel: Ca So 4 + 4 C= Ca S + 4 CO. Auf diese Weise werden ja bekanntermaassen auch Schwefel bar yum und Schwefelcalcium dargestellt, indem man schwefel saures Baryum, beziehungsweise schwefelsauren Kalk mit Kohle glüht. Für Diejenigen, welche in der chemischen Literatur weniger bewandert sind, bemerke ich hier, dass Näheres in Wagner, Handbuch der chemischen Technologie (1875), sowie in Dr. Otto Dammer, Kurzes chemisches Handwörterbuch (1876) enthalten ist. Der schwefligsaure Kalk nun, das Calciummonosulfit, dürfte, wie dies eigentlich nicht anders möglich ist, sich beim Glühen mit kohlenhaltigen Körpern ebenso wie gewöhnlicher Gips verhalten. Aber schon für sich allein geglüht, zersetzt er sich in Calciumsulfat und Schwefelcalcium, indem ein Theil desselben auf Kosten des andern, der dann reduzirt wird, sich höher oxydirt. Auch hierüber sind nähere Angaben in Dr. Otto Dammer, Chemisches Handwörter buch, sowie in Graham-Otto, Ausführliches Lehrbuch der Chemie, und sicher auch in anderen grösseren Werken- enthalten. Uebrigens geht diese Umwandlung in Schwefelcalcium selbst verständlich nur mit einem Theil der vorhandenen Kalksalze vor sich, wie eine Analyse der Ablaugen-Asche von einer gut ge lungenen Kochung ergab. Die Zersetzung des schwefligsauren Kalkes in der oben angegebenen Weise erfolgt auch nur nach und nach. Die Ablaugen-Asche enthielt nämlich äusser viel Kalk und geringen Mengen oder Spuren von Eisen, Magnesia, Kali und Phosphorsäure insbesondere folgende Körper: Schwefelsäure, schweflige Säure und Schwefelwasserstoff. Üebergarer, oder, wie er gewöhnlich heisst, •> vergipster Stoff«, welcher also mehr Kalk salze enthält, als guterStoff, dürfte natürlich keim Glühen auch mehr Schwefelcalcium hinterlassen und infolgedessen beim Ueber- giessen mit Säuren auch einen stärkeren Schwefelwasserstoftgeruch entwickeln als letzterer. Diese ganze Besprechung giebt mir Gelegenheit, einen kleinen Irrthum zu berichtigen, der sich bei meiner oben erwähnten Arbeit »Chemie des Sulfitverfahrens« eingeschlichen hat. In dem ge nannten Artikel, Papier-Zeitung 1891, S. 1908, Zeile 55, findet sich folgende Bemerkung: »20 ccm dieser erst 7 Stunden lang mit dem Holz erhitzten Lauge,* (siehe Kochung Nr. 82, im Betriebsjahre 1889—90, Lauge II) wurden mit Ammoniak gefällt, der Niederschlag auf einem Filter gesammelt, gewaschen und geglüht: 1,777 pCt. Ca So, (?). Der schwefligsaure Kalk hatte sich durch das Glühen doch ziemlich unverändert erhalten, denn er gab, mit Schwefel säure befeuchtet und neuerdings geglüht: 2,0055 Ca So 4 , welches nach dem Verhältniss 136:120 (Ca So, : Ca So 3 ) umgerechnet, 1,772 pCt. CaSoa entspricht.« Wie ich bereits oben bemerkt habe und wie in den zitirten Büchern von Dammer und Graham-Otto angegeben ist, zersetzt sich Calciummonosulfit dennoch beim Glühen, und zwar in Gips und Schwefelcalcium. Dass die dort gefundenen Zahlen so ziem lich übereinstimmen, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass der Verlust, welchen der eine Theil des Calciumsulfits durch Reduktion zu Schwefelcalcium erleidet, sich mit dem Gewinn, den der andere Theil bei der Oxydation zu Sulfat erhält, mög licherweise kompensirt. Uebrigens hängt eine vollständige Zer setzung des Calciumsulfits beim Glühen jedenfalls vor der Länge des Erhitzens ab. Herr Nemethy hat ferner folgenden Versuch gemacht: Er nahm eine Probe klarer, weingelber Ablauge von gut gelungener Kochung und versetzte dieselbe tropfenweise mit Schwefelsäure, ich nehme an mit konzentrirter. Es trat zuerst eine Trübung von Gips ein; die Lauge wurde hellbraun, auf Zusatz von mehr Säure dunkelbraun und endlich braunschwarz; der Gips-Niederschlag vermehrte sich dabei fortwährend, und die Lauge verbreitete an geblich einen Geruch, wie derselbe dem Kocher bei der Ueber gare entströmt. Das Filtrat hiervon eingetrocknet und verascht, gab wieder ei ne Schwefelcalcium-haltige Asche; woher diese stammt, habe ich oben schon erklärt, indem auf Zusatz der Schwefelsäure zwar ein grosser Theil des Kalkes als Gips ausfallt, etwas aber immer noch gelöst bleibt, — gerade genug, um beim Veraschen als Schwefelcalcium zurückzubleiben. Wenn ich diesen Versuch wiederholte, so geschah es nur, um den dabei auftretenden Geruch zu prüfen, indem die anderen Er scheinungen mir schon lange sämmtlich bekannt waren. Unsere Sulfitablauge muss einen Körper enthalten, welcher in Bezug auf seine Färbung äusserst empfindlich gegen die ver schiedensten Reagentien ist. Sie ist nämlich nur in reinem Zu stande in dünner Schicht betrachtet, hellgelb, und wird, möge man sie mit welchen Reagentien immer vermischen, stets dunkler gefärbt, dunkelgelb bis röthlich und fast schwarz. Ich habe sie beispiels weise mit folgenden Reagentien geprüft: Mit Natronlauge: kalt dunkelgoldgelb, heiss trübe und gelblich- roth gefärbt. „ Sodalösung: kalt schmutzig weisse Fällung von Kohlensaurem Kalk, gekocht röthlichbraun. , Kalilauge: wie bei Natronlauge. Die Trübung rührt von einer Ausfällung des Calciumsulfits her. „ Barytmilch: bräunlich weisser Niederschlag, Lösung schmutzig braun.