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No. 39. PAPIER-ZEITUNG. 1119 Der ungefähre Schaden aber, welcher hierdurch dem Fabrik- Unternehmer erwuchs, betrug allein im Jahre 1890, nach Maass- gäbe der bezüglichen jährlichen Umsatz-Ziffer mit dem betreffen den Hamburger Kommissionär, etwa 20—25 000 M. Dass dieses Gebahren unheilvoll auch auf die übrigen exportirenden deutschen, österreichischen und skandinavischen Holzpapierfabriken wirkte, ist sehr begreiflich, wenn ich noch hinzufüge, dass jene billig arbeitende schlesische Fabrik (welche so viel Papier umsonst lieferte) stets im Verkehr mit den skandinavischen Fabriken ausgespielt wurde, die der betreffende Hamburger Kommissionär durch Abschlüsse ihrer ganzen oder getheilten Papierproduktion an sich zu fesseln suchte. Möge Vorstehendes dazu beitragen, die bisherigen ungesunden Verhältnisse im Handel und Wandel der Papier-Industrie gründlich zu beseitigen! Oscar Herrmann. Schreibwaarenhandel in Schulen. In der Stadtverordneten-Versammlung zu Elberfeld kam am 26. April ein eigrenthümlicher Fall von Handel mit Schreibwaaren in einem Schulgebäude zur Sprache. In der Elberfelder Oberrealschule ist nämlich ein besonderer Raum als Schreibwaarenhandlung eingerichtet, und der Verkauf der Waaren, welcher früher unter Leitung des Schuldieners stand, wird jetzt von einem Unternehmer geleitet, der einen Theil seines Gewinnes als Miethe an die Wittwen- und Waisenkasse der Anstalt abliefern muss. Mehrere Stadtverordnete beklagten sich über diesen Zustand, und wenngleich sie nicht behaupteten, dass der Leiter oder die Lehrer der Anstalt einen Druck auf die Schüler ausübten, in der Haus-Papierhandlung zu kaufen, sprachen sie doch die Ansicht aus, dass dies angesichts der Bestimmung der abzuführenden Gelder zweifellos gern gesehen werde und schon durch Ueber- lassung eines Raumes im Schulgebäude eine Förderung des einen Händlers zu Ungunsten der andern in der Nähe angesiedelten vorläge. Die Versammlung beschloss, die Angelegenheit dem Kura torium der Schule zu unterbreiten, welches ermächtigt werden soll, nach gewonnener Ueberzeugung von der Unzulässigkeit der Sache die Verkaufsstelle aufzuheben. Zellstoff und Lumpen. Nachdruck und Uebersetzung verboten. Die Angabe auf Seite 6 des Werkes »Die Cellulosefabrikation von Max Schubert«, dass die Fichtenholz-Zellen eine Länge bis zu 9 mm haben, ist nicht korrekt. Bekanntlich besitzt die Kiefer (Pinus sylvestris) unter unseren Nadelhölzern (Coniferae) die längsten Fasern. Dr. Sanio hat nun seine interessanten Untersuchungen über die Faserlängen einer 100jährigen Kiefer veröffentlicht. Danacli kommen im äusseren (jüngsten) Jahrringe die längsten Fasern vor; dieselben nehmen vom unteren Ende bis zur Mitte des Stammes von 3,13 bis 4,43 mm Länge zu, von der Mitte des Stammes bis in die Krone (Gipfel) nehmen sie allmälig wieder ab, und zwar von 4,43 bis 3,52 mm. Ein 70jähriger Stammquerschnitt desselben Baumes zeigt ein allmäliges Kleinerwerden der Fasern von aussen nach dem Kern von 4,21 bis 1 mm. Allgemein gesagt, liegt also die Zelllänge des Holzes unserer Nadelwaldbäume zwischen den Grenzen 1 bis 4,5 mm. Schubert sagt Seite 223 usw., dass die preussischen Behörden Zellstoff zur Verwendung der besten Normalpapiere nicht für voll ansehen und hält dies nur für angemessen bei Zellstoff früherer Beschaffenheit, während der jetzige, bessere Zellstoff eine Veränderung solcher Bestimmungen berechtigt erscheinen lasse. Er konstatirt für den Zellstoff heutiger Beschaffenheit schon Vor züge gegen Lumpenfasern, weil ersterer unbenutzt und ungeschwächt zur V erarbeitung komme, während letztere stark strapazirt seien (! ?). Die Konkurrenz werde in Zukunft auch die dem Zellstoff anhaften den Fehler einer geringen, mit der Zeit sogar zurückgehenden Bruchdehnung beseitigen. Es muss einigermaassen Verwunderung erregen, einen prak tischen deutschen Papiermacher so sich äussern zu hören. Durch das Folgende möchte ich klarlegen, dass wir in Deutschland doch wohl etwas weiter in der Erkenntniss der Stoffe und Papiere ge kommen sind, als es nach den Aeusserungen des Herrn Schubert den Anschein haben könnte. An meinem bescheidenen Theil habe auch ich zur Entwickelung der Zellstofffabrikation, der Einführung und Verarbeitung des Zellstoffes beigetragen, aber meine Begeisterung für deren Fort schritte und für den neuen Stoff bewegen sich in anderen Grenzen. Wir haben bezüglich des Baues der Lumpenfasern, sowie ihrer physikalischen Eigenschaften, die bei der mechanischen Bearbeitung stark mitsprechen, mit sehr verschiedenen Verhältnissen zu rechnen. Betrachten wir zunächst bei den verschiedenen Papierfasern das Verhältniss der Länge zur Breite oder Dicke, so finden wir meist folgende Mittel werthe: Baumwolle 12—40 mm Leinen . . 25—30 „ Hanf . . 15—25 „ Nadelholz-Zellstoff 1—4,5 „ lang, 0,0164 mm „ 0,0141 » „ 0,0169 „ „ 0,02— 0,05, dick, » » 'n Wenn man davon nochmals die Mittelwerthe zieht, erhält man: Baumwolle . 26 : 0,0164 oder 1600 :1 Leinen . . . 27,5 :0,0141 „ 1900 : 1 Hanf. . . . 20 :0,0169 „ 1200 :1 Nadelholz-Zellstoff 2,75:0,035 „ 78,5:1. Das hiernach sich ergebende Verhältniss ist also für Lumpen fasern 15 bis 25 mal günstiger, als für Nadelholz-Zellstoff. Wenn man mir entgegnet, dass durch den Mahlprozess dies Verhältniss ganz wesentlich verändert wird, so ist dies richtig, aber genaue mikroskopische Messungen der Fasern unserer modernen, gut fabrizirten Lumpenpapiere, wie auch der prächtig erhaltenen arabischen (bis 1000 Jahre alten) und mittelalterlichen (bis 600 Jahre alten) Lumpenpapiere, zeigen stets einen grossen Prozentsatz sehr lang (10 bis zu 20 mm) erhaltener Fasern, die ihrer vielfachen Verschlingung und Durcheinanderlagerung ganz wesentlich die vorzügliche Festigkeit und grosse Bruchdehnung verdanken. Dieser Einfluss auf die Festigkeit wird nicht bezweifelt werden, wenn man sich einen Eindruck von der hundertfachen Ver schlingung solcher Lumpenfaser verschafft und sich vergegen wärtigt, dass die absolute Festigkeit der Baumwoll-, Leinen- und Hanffaser grösser ist, als die des Schmiedeisens. Bei der Zellstofffaser, deren Festigkeitskoeffizienten ich nicht kenne, kann die absolute Festigkeit nur dann mitsprechen, wenn eine Aneinanderleimung der einzelnen Fasern stattfindet. Eine Verschlingung im eigentlichen Sinne kann nämlich wegen der Kürze und Dicke der Faser nicht stattfinden. Äusser dem für den Zellstoff so ungünstigen Verhältniss der Länge und Breite der Faser habe ich aber noch auf einen weiteren, sehr wichtigen Unterschied im Bau der verglichenen Fasern hinzu weisen. Unsere Lumpenfasern, besonders Leinen und Hanf, bestellen aus starkwandigen, elastischen, langen Membranen mit kleinem Lumen, während die der Zellstoffe aus dünnwandigen, kurzen Schläuchen mit grossem Lumen bestehen. Die Zellstofffasern sind ausserdem noch durch Tüpfel und Spaltöffnungen an einzelnen Stellen durchlöchert, also geschwächt; dabei erscheinen die einzelnen Fasern infolge der heftigen chemischen Behandlung aufgebläht und angegriffen. Freilich kann man den Zellstoff wegen der Kürze seiner Faser direkt zu Papier verarbeiten, aber letzteres erlangt nur geringe Festigkeit und schlechte Durchsicht, da sich die Fasern nicht ver filzen, sondern wie kleine Luftsäckchen neben- und übereinander lagern. Der Zellstoff muss, um starkes, ordentliches Papier zu er geben, tüchtig und gründlich gemahlen werden wie die Lumpen. Aber in wie auffällig verschiedener Weise verhalten sich dabei Lumpen- und Zellstoff fasern! Beim Mahlen von Lumpenhalbstoff sowohl, wie von Zellstoff werden zunächst viele Fasern zerschnitten, zerrissen und zer quetscht. Es ist klar, dass dabei der Lumpenstoff wegen seiner viel längeren, elastischeren und widerstandsfähigeren Fasern nicht so bald in kurze Fasertrümmer zerfällt, wie die kürzeren, ge blähten, spröderen Zellstofffasern. Bei fortgesetztem Mahlen beider Stoffe ergiebt sich aber ein neuer, wohl wichtigster Unterschied. Die Schnitt-, Riss- und Quetsch-Enden der Lumpenfasern spalten sich zum Theil in viele franzenähnliche und besenförmige, sehr feine Fadenbündel, welche theilweise abgeschlagen werden und sich im Stoff vertheilen, meist aber an dem noch soliden Fasertheil hängen bleiben. Diese Faserbündel tragen durch ihre grosse Leichtbeweglichkeit im Wasser zu ausserordentlich guter Verfilzung bei, indem sie die solid gebliebenen Fasertheile und etwa abgehackten Fasertrümmer fest umschlingen, die Zwischenräume füllen und dadurch das Papier undurchscheinend machen, was für Schreibpapiere und bessere Druckpapiere so sehr gewünscht wird.