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No. 38. PAPIER-ZEITUNG. 1089 Sulfitverfahren. Ein Beitrag zur Theorie desselben von August Harpf. Wie ich schon in meinen früheren Veröffentlichungen nach- gewiesen habe, ist die Sulfitlauge während aller Stadien der Kochung eine gesättigte Gipslösung. Es ist dies leicht erklärlich. Die Kiesöfen, insbesondere aber die Rangiröfen mit übereinander liegenden Platten, deren Heizfläche sehr vergrössert ist, liefern jedenfalls mehr Schwefeltrioxyd, als sich in Form von Gips in der Lauge zu lösen vermag. Enthält doch der Flugstaub in den Gaskanälen und Kühlröhren stets diese Verbindung, denn er zieht sehr leicht Wasser an, und die so entstehende feuchte Masse ist Wegen ihrer scharfen und ätzenden Eigenschaften von den Ar beitern sehr gefürchtet, da sie Kleider und Schuhe in kurzer Zeit durchfrisst, eine Eigenschaft, die ich nur auf einen Gehalt an Schwefeltrioxyd zurückführen kann. Im Thurm bindet sich die Schwefelsäure sofort an Kalk und bildet damit Gips, (Calciumsulfat). Soviel sich davon in der Lauge zu lösen vermag, etwa 0,2 pCt., löst sich, der Rest bleibt, wahrscheinlich gemischt mit Calcium sulfitkrusten und Unlöslichem, zurück im Thurm. Die Lauge ist daher schon, so wie sie aus dem Thurm austritt, eine gesättigte oder schwach übersättigte Gipslösung. Im Kocher wird die Lauge nun mit Holz erhitzt. Sowohl im oberen Raum desselben, als auch in den Poren des Holzes mechanisch eingeschlossen, ist viel Luft vorhanden. Dieselbe giebt ihren gesammten Sauerstoff an die schwefelige Säure, welche denselben besonders in der Wärme begierig aufnimmt, ab, und ein Theil der schwefeligen Säure oxydirt sich nach Maassgabe des vorhandenen Sauerstoffs zu Schwefelsäure. Diese bindet sich an Kalk und giebt damit stets, auch bei normalem Betriebe, Gips. Die Löslichkeit dieses Körpers in Wasser ist bei verschiede nen Temperaturen ziemlich konstant, und da die Lauge bereits Vom Thurme her eine gesättigte Gipslösung ist, so fällt das ent stehende Calciumsulfat sofort auf die Faser aus. Ich habe die Lauge oben eine schwach übersättigte Gipslösung genannt, und zwar aus dem Grunde, weil sie fast stets einige Hundertstel Prozent mehr davon enthält, als reines Wasser zu lösen imstande ist. Da Gips nun in Säuren leichter Löslich ist als in Wasser, so halte ich es nicht für unmöglich, dass dieser geringe Mehrgehalt auf die schwefelige Säure zurückzuführen ist. Die hier erörterte Gips-Ausfällung ist der regelmässige Kalk verlust, der bei jeder normalen Kochung auftritt. Es finden sich aucli auf vollkommen gut und weicli gekochtem, keineswegs über garem Stoff stets ganz feine, weisse, glänzende Flimm erchen, Kri stalle, welche ich nur für auskristallisirten Gips halten kann. Dieselben liegen immer nur auf der Oberfläche der Holzstück chen, niemals im Innern derselben, sind also von aussen darauf niedergeschlagen und nicht im Innern durch den Kochprozess entstanden. Ihre Menge ist meist gering. In der Wäsche kommt der Stoff mit sehr viel Wasser, meist unter Zusatz von Salzsäure, in innige Berührung, un ddas Wasser löst den grössten Theil des Gipses auf und führt ihn mit sich fort. Ein Rest bleibt zwar immer noch zurück und vermehrt die Asche. Um die unvermeidliche Oxydation eines Theiles der schwefe ligen Säure zu verhindern oder wenigstens zu verringern, ist es vortheilhaft, das Holz vorher zu dämpfen, wodurch ein grosser Theil der Luft aus den Poren des Holzes sowie aus dem Kocher überhaupt ausgetrieben wird. Ferner ist es auch gut, den Kocher während des Anheizens so lange oben offen zu lassen, bis ein deutlicher Geruch nach schwefeliger Säure auftritt, damit diese, welche spezifisch schwerer ist, die Luft aus dem oberen Raume des Kochers erst vertreibt. Während das bisher Gesagte von den Mitscherlich-Fabriken gilt, muss ich bemerken, dass in Ritter-Kellner-Fabriken mit direkter Dampfheizung die Verhältnisse anders liegen. Im Mitscherlich-Kocher findet nur während des Anheizens eine schwache Strömung in der Lauge statt, indem die unten befindliche, durch die Röhren erhitzte Flüssigkeit aufwärts steigt, während die kalte Lauge sinkt. Im späteren Verlaufe der Kochung steht, wie ich mich bei Versuchen, die in Druckflaschen angestellt wurden, überzeugen konnte, und wie dies ja eigentlich selbstverständlich ist, die Lauge vollkommen ruhig über dem Holze. Erhitzt man jedoch mit direktem Dampf, so findet, solange überhaupt geheizt wird, eine fortwährende gewaltsame Aufrührung der gesammten Lauge statt. Das Holz liegt in den Ritter-Kellner- Kochern nicht unmittelbar auf den Heizrohren, sondern auf einem falschen Boden, einem eisernen, mit Blei umkleideten Sieb, über den Röhren. Durch die direkte Dampfheizung findet aber nicht nur der gewöhnliche Vorgang bei der Kochung, sondern stets noch eine Ausfällung von Calciumsulfit statt. Durch das I Aufrühren des gesammten Kocherinhalts während der Dampfzu- I fuhr haben die ausgefallenen Gipskri Ställchen und Calciumsulfit- | Körner Gelegenheit, nach abwärts zu sinken und lagern sich dann unter dem Sieb auf den Heizrohren sowie in den untersten Partieen des Stoffes massenhaft ab. Für Ia-Stoff wird in Kellner- Fabriken nur die obere grösste Masse des Stoffes allein genom men, welche bei ausgemauerten Kochern leicht durch Ausblasen« gewonnen werden kann. Dieselbe enthält dann selbstverständlich auch weniger Kalk, die Lange ist durch Dampfzufuhr sehr ver dünnt worden, sie kann also mehr Gips lösen, als unverdünnte j Lauge, und die grösste Masse des Kalkes ist, wie gesagt, in den ] untersten, auf Ila verarbeiteten Antheilen, sowie auf dem Heiz- | rohr selbst abgelagert; daher der etwas geringere Aschengehalt des Ritter-Kellner-Zellstoffs. Nach dieser Abschweifung kehre ich wieder zum Mitscherlich- System zurück. Auf der von mir beschriebenen Ausfällung von Gips ist meiner Ansicht nach auch wahrscheinlich nur die Ab nahme von Calciumoxyd in der Lauge zurückzuführen. Es zeigt sich dies am besten in der Abnahme des Aschengehaltes der selben; nach meiner Untersuchung (Kochung Nr. 82; 1889 — 90, »Chemie des Sulfitverfahrens«, Pap.-Ztg. 1891, Nr. 70) trat das Sinken des Aschengehaltes nur im Anfang der Kochung, in den ersten 37 Stunden, also hauptsächlich während des Anheizens, besonders stark auf. Von da an bis zum Schluss schwankte der Gehalt an Asche in ganz engen Grenzen, blieb also im Grossen und Ganzen fast gleich. Wäre die Abnahme des Kalkes eine Folge der Einwirkung der Lauge auf das Holz als solches, so müsste die Asche gleichmässig bis zum Schlüsse abnehmen. Die von mir beschriebene Oxydation eines geringen Theiles der schwefeligen Säure tritt also immer nur anfangs ein, der vor handene Kalk wirkt hier natürlich in der schon oft vermutheten Weise mit, indem er die Schwefelsäure bindet, aber das Ganze ist meiner Ueberzeugung nach nur ein nebensächlicher, also sekundär in Betracht kommender Vorgang, welcher mit der Aufschliessung des Holzes selbst nichts zu thun hat. Nachdem diese Oxydation vor sich gegangen, also erst nach Schluss des Anheizens, beginnt bekanntlich der eigentliche Prozess der Einwirkung der schwefeligen Säure auf das Holz. Wie der selbe vor sich geht, können wir heute allerdings noch nicht mit Bestimmtheit sagen, aber wir können Vermuthungen aufstellen, welche sich auf die Beschaffenheit der Ablauge stützen, und für welche ich gewichtige Beweise beizubringen in der Lage bin. Betrachten wir zuerst den Kalkgehalt bei normaler Kochung '(Siehe Kochung Nr. 82 »Chemie des Sulfitverfahrens«, Pap.-Ztg. 1890, Nr. 70). Die ursprüngliche Lauge enthielt: 0,983 pCt. CaO in Form von 0,248 pCt. Ca SO, und 1,888 pCt. Ca SO,. Die Ablauge enthielt: 0,752 pCt. CaO, ein Theil hiervon enthalten in 0,211 pCt. Ca SO, und 0,178 pCt. Ca SO,. Letztere Zahlen wurden durch Bestimmung der Säuren, (in der Ablauge: 0,118 pCt. SO, und 0,095 pCt. gebd. SO 2 ) ermittelt, wobei ich annahm, dass sämmtliche Schwefelsäure und gebundene schwefelige Säure in der Ablauge mit Kalk vereinigt war. Die Abnahme durch die regelmässige Kochung betrug 0,231 pCt. CaO, also, wenn man den Kalkgehalt in der ursprünglichen Lauge = 100 setzt: 23,5 Hundertstel hiervon. Von der in der Ablauge enthaltenen Menge CaO: 0,752 pCt. wurden . an SO 3 gebunden: 0,083 pCt. berechnet als: I anSO a gebunden': 0,083 pUt. Rest 0,586 pCt. CaO. . . ( 0,011 pCt. MgO. ' und I 0,007 pCt. Fe 0, ' welche sämmtlich an organische Säuren gebunden sein müssen, um in der Ablauge gelöst bleiben zu können. Eine gleich einfache Berechnung mit der schwefeligen Säure ist leider nicht möglich, schon aus dem einfachen Grunde, weil eine Bestimmung der Menge, welche durch Uebertreiben aus dem Kocher entfernt wird, nur sehr schwer möglich sein dürfte. Die schwefelige Säure ist bekanntermaassen ein starkes Re duktionsmittel, d. h. sie nimmt mit Begierde Sauerstoff auf, eine Eigenschaft, auf welcher auch ihre bleichende Wirkung beruht. Sie kann jedoch auch ihrerseits als Oxydationsmittel benutzt wer den, so z. B. wenn man Eisen oder Zink, selbst kräftig redu- zirende Körper, mit wässeriger schwefeliger Säure in einem ver schlossenen Gefässe behandelt. Die genannten Metalle lösen sich dabei auf, und die schwefelige Säure verwandelt sich dabei in hydroschwefelige Säure H, SO,. (Siehe z. B. Roscoe und Schor lemmer, Lehrbuch der Chemie, 1877.) Als ein Reduktionsvorgang ist es ferner zu betrachten, wenn