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974 PAPIER-ZEITUNG. No. 34. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Handpresse mit Greifern. Die quantitative Leistungsfähigkeit der Buchdruck-Handpresse wird wesentlich beeinträchtigt durch das Rähmchen«, welches am oberen Ende des Deckels in Scharnieren befestigt ist und dessen ausgeschnittener Ueberzug den Bogen sowohl festhalten als auch vor Berührung mit den eingefärbten Stegen usw. schützen soll. Das Auf- und Abschwingen des Rähmchens verbraucht Kraft und Zeit. Obschon das Rähmchen bei wechselnden Arbeiten nicht gut entbehrt werden kann, kommen doch auf der Handpresse auch ständige Arbeiten vor, welche geeignet sind, den Gedanken anzu regen, ob sich das schwerfällige Rähmchen nicht durch eine andere Vorrichtung ersetzen liesse. Solche dauernde Arbeiten sind in Nordamerika die kleinen Landzeitungen, welche in grosser Anzahl erscheinen, hauptsächlich von der Anzeigenbeflissenheit der grossen Medizinfirmen usw. leben und schon bei 500 bis 1000 Auflage einen hübschen Gewinn abwerfen. Für die kleinen Verhältnisse amerikanischer Landzeitungs drucker ist eine Schnellpresse oft unerschwinglich, und die meisten derselben müssen sich mit Handpressen behelfen. Für diese Gruppe rühriger Presspioniere ist hauptsächlich die nachstehend abgebildete, von Lorenzo Clark in Fort Jones, Californien, gebaute Presse bestimmt. An der obern und untern Seite des Deckelrahmens befindet sich je eine in zwei seitlichen und zwei Führungslagern ruhende Greiferstange mit vier oder mehr verschiebbaren Greifern. Durch entsprechende Federvorrichtungen ist die obere mit der untern Greiferstange in der Weise verbunden, dass beide gleichzeitig und gegeneinander wirken. Bei aufgeschlagenem Deckel (/) stehen die Greifer annähernd rechtwinklig zur Anlagefläche offen, mit einem energischen, durch eine Hemmvorrichtung überwundenen Bestreben nach einwärts. In dieser Ruhestellung gestatten die Greifer das unbehinderte Anlegen und Glattstreichen des Druck- bogens. Während nun der Deckel zugeschlagen wird, drücken sich die Greifer auf das Papier fest und halten den Bogen so stramm gespannt, dass er sowohl gleichmässig auf der Satzform auftrifft, als auch vom Berühren der Stege und Schliessvor richtungen bewahrt bleibt. Die Hemmvorrichtung ist im wesentlichen wie folgt konstruirt: An dem der Kurbelseite der Presse zugekehrten Ende der untern Greiferstange befindet sich eine an diese festgeschraubte Scheibe s, deren Bewegungen die Greiferstange folgt und in umgekehrter Richtung auf die obere Greiferstange überträgt. Von dieser Scheibe geht eine entsprechend gebogene Auslösungsstange b aus, welche in einer am Fundamente angebrachten Oese c sowohl ihre Führung als ihren Rückhaltspunkt findet. Beim Zuschlägen des Deckels (2) bewegt sich diese Auslösungsstange in ihrer Oese nach der Kurbel hin und gestattet den Greifern, dem Drucke der auf diese wirkenden Federn unbehindert zu folgen. In dieser pressenden Lage verharren die Greifer während des Einfahrens» i Druckens, Ausfahrens und selbst während des Aufschlagens des Deckels, bis zu dem Augenblick, wo dieser den Punkt seiner senkrechten Stellung überschreitet. In diesem Augenblick (.3) ist das gekröpfte Ende der Aus- i lösungsstange b an der äusseren Backe der Oese angelangt; da- ' durch wird die Wirkung des Federdrucks auf die Greiferstange aufgehoben, und während die Greifer in der bei diesem Punkte eingenommenen Stellung fest gehalten werden, entsteht durch das weitere Zurückschlagen des Deckels bis in seinen Ruhepunkt ein Abstandswinkel der Greifer zur Fläche des Deckels, der für die obern Greifer volle 90 Grad, für die untern etwas weniger be- i tragen mag, und das Abnehmen des Bogens gestattet. Bücher und Schriftsteller. Feber die literarische Erzeugung in Deutschland giebt der neueste Band von Kürschners Deutschem Literatur-Kalender 'Auskunft. Es erschienen 1890 im Ganzen 18875 literarische Er- ! Zeugnisse, und zwar: Schöne Literatur (Romane, Gedichte, Dramen) . . 1731 Theologie 1763 Rechtswissenschaft, Politik. Statistik, Verkehrswesen 1638 Heilkunde 1353 Naturwissenschaft, Chemie und Pharmacie . . . 909 Pädagogik, deutsche Schulbücher 2099 Jugendschriften 521 Alfklassische Sprachen, Alterthums - Wissenschaft, Mythologie 626 Neuere Sprachen, Altdeutsche Literatur .... 602 Geschichte, Biographieen, Memoiren 874 Geographie und Reisewerke 600 Schöne Künste, Malerei. Musik 787 In der Städteschau des Kalenders sind 2078 Orte vertreten mit 11961 Schriftstellern. Die grössten Ziffern weisen auf Berlin mit 1521. Wien 1166, München 409, Leipzig 302 Schriftstellern. Afrika ist vertreten durch 5 Orte mit je 1 Schriftsteller. In Amerika zählt der Kalender in 55 Orten 142 Schriftsteller; je ein Schriftsteller ist auch aus China, Japan und Palästina verzeichnet. Das älteste Reichswappen. Im Hohenzollernmuseum zu Berlin wird seit einigen Jahren das älteste und erste Wappen des neuen deutschen Reichs auf- bewahrt, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, dass es ein Stück Buchbinderarbeit ist. Auf einer mit grauem Seidenstoff bezogenen Papptafel ist ein aus derbem Goldbrokat geschnittener gothischer Dreieckschild von etwa 40 cm Höhe und 35 cm Breite anscheinend durch Auf kleben befestigt. Den grössten Theil der Schildfläche bedeckt ein mit i scharfem Messer aus schwarzem Sammet geschnittener heraldischer ' Adler mit Schnabel, Zunge und Klauen aus rothem Sammet. Die Form des Adlers ist nicht gerade künstlerisch vollendet, sie verräth aber dilettantisches Geschick. Ueber dem Schilde schwebt in kurzer Entfernung die ebenfalls aus Brokatstoff geschnittene, reich mit Perlen und Goldborte besetzte Kaiserkrone, an welcher die grossen farbigen Edelsteine durch bunte Sammetfleckchen angedeutet sind. Die Form des Wappens entspricht also un gefähr dem später festgestellten kleineren Wappen des Kaisers, aber ohne die den Schild desselben umrahmende Kette des schwarzen Adlerordens. Ueber die Entstehungsgeschichte des Wappens wurde uns Folgendes mitgetheilt. Als die Fürstenversammlung zu Versailles die Gründung eines Deutschen Reiches beschlossen hatte, und man den Spiegel- 1 saal des Versailler Schlosses rasch zu dem feierlichen Prokla mationsakt vorbereitete, stellte sich heraus, dass es noch an einem Sinnbilde des neuen Reiches fehlte. Auf Anregung des damaligen Kronprinzen machte Graf Harrach rasch einen Entwurf für Adler und Krone; als es aber an die Ausführung gehen sollte, war guter Rath theuer. Von Berlin war bei der Kürze der Zeit nichts zu beschaffen, und einen Franzosen, der vielleicht den Auftrag abgelehnt hätte, wollte inan nicht heranziehen. Da wandte sich dm' Hofmarschall des Kron prinzen an den Vertreter der Armeelieferanten Mohr & Speier, und der Zufall fügte es, dass sich unter dessen Angestellten ein Mann befand, der Buchbinderei gelernt hatte. Dieser ging rasch ans Werk, und da er am Tage anderweitig beschäftigt war, nahm er die Nacht zu Hilfe. Aber der beabsichtigte Perlenschmuck