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No. 33. PAPIER-ZEITUNG. 948 Nach dieser Abschweifung' wieder zum Ernst des Lebens einlenkend, will ich noch bemerken, dass Herr Edison annimmt, die Kosten der schwimmenden Stangenträger, mit Einschluss der nöthigen Signalapparate, würden in keinem Missverhältniss zu den Kosten der unterseeischen Kabel stehen, wenn man für die letzteren nicht nur die Herstellungs- und Legungs-, sondern auch die Erneuerungskosten in Rechnung ziehe. Herr Edison ist nicht der Mann, der sich in elektrischen Spielereien gefällt. Wie sehr er es versteht, diese letztere Seite Anderen zu überlassen, geht aus folgendem Finanzbericht über die »Edison Toy Company« her vor, welche die Fabrikation jener Puppen ausbeutet, die einen kleinen Phonographen in der Brust tragen. Stand der Edison Spielzeug-Gesellschaft Portland, Maine, Oktober 1891. Passiva. Arbeitendes Kapital (working Capital) .... 62 871 Doll. 1 000 000 „ 1 (162 s71 Doll. Aktiva. Unbegebene Aktien (Treasurers stock) .... 160 000 Doll. Lizenzen und Patente 846 894 „ Puppenkörper 35 384 „ »Europäische Spesen-« Konto 5 699 „ Baar in Kasse 2 973 „ Konto pro Diversi 11921 „ 1062 871 Doll. Diese Zahlen beweisen erstens, dass in dem ganzen Geschäft wenig mehr als 60 000 Dollar wirkliches Kapital stecken, während der Werth der Patente und Lizenzen jetzt schon, nach kaum vier Jahren, auf rund 850 000 Dollar angeschlagen wird. Sie beweisen zweitens, dass die New York Tribune Recht hat, wenn sie sagt: »Junger Mann, erfinde etwas, irgend etwas; kannst Du keine Maschine erfinden, so erfinde ein zugkräftiges Spielzeug, und Du bist ein gemachter Mann! Es ist anzunehmen, dass Herr Edison von der Million Dollar in Aktien die grössere Hälfte (controlling part) als Abstands geld für den Puppenphonographen erhielt, der mit dem grossen Phonographen nichts zu thunhat. Die kleinere Hälfte der Aktien werden die paar Herren erhalten haben, welche die Bagatelle von rund 62 000 Dollar an wirklichem Betriebskapital geliefert haben, das zudem unter den Passiven aufgeführt wurde, also vorerst verzinst werden muss, bevor die Dividende ermittelt wird. Da wird sich wohl kein Aktionär zu beklagen haben. Da gerade von Elektrizität die Rede ist, will ich nicht unterlassen, meinem Berichte über die von Siemens & Halske in Berlin der Weltausstellungsbehörde gemachten weitgehenden Anerbietungen und das Aufsehen, welches dadurch hervorge rufen wurde (Jahrgang 1891, Nr. 102), nachzutragen, dass die amerikanisch - trustgewalthaberische Hintertreibung dieser, dem Elektrizitätstrust so unbequemen Sache in unabhängigen Kreisen nicht weniger Staub aufgewirbelt hat. Eine selbst den dick häutigsten Yankee verblüffende Wirkung hervorzubringen war übrigens erst dem »kraftvollen Vorstoss der Berliner Firma Vorbehalten, die von ihrer Bewerbung nur abstand, um dem schon vergnügt schmunzelnden 'frust durch die mit ächt preussischer Schneidigkeit Schlag auf Schlag in Szene gesetzte Gründung einer auf breitester Grundlage geplanten elektrischen Anlage in nächster Nähe Chicago’» eine um so grössere Enttäuschung zu bereiten. Seit dem deutsch-französischen Kriege ist deutscherseits nichts ge schehen, das in seiner Art dem Amerikaner am Deutschen so imponirt hätte, wie dieser Vorfall, und das deutsch-amerikanische Element ist begreiflicherweise in einer gewissen gehobenen Stimmung darüber Der gebildete Amerikaner pflegt den Deutschen in seiner Heimath »the dull German zu nennen. Es wird damit keine Be leidigung beabsichtigt. Man will mit dieser Bezeichnung mehr •las konservative Zurückhalten, die Bedächtigkeit des Deutschen gegenüber dem rascherfassenden, aber auch ebenso rasch fallen lassenden Wesen des Amerikaners kennzeichnen. Um so er freulicher ist es, zusammen mit dem schneidigen Vorgehen der berühmten Firma von der allen Anzeichen nach imposant werdenden Vertretung der deutschen Industrie im Jackson Park Vermerk nehmen zu können. Der Generaldirektor verwahrt sich übrigens energisch gegen den Vorwurf, dass er nicht allen dem deutschen Reichskommissar zugestandenen Raum im Industriepalast gewährt habe. Es handle sich lediglich um den Unterschied in der Bezeichnung 100 000 Quadratfuss Bodenfläche< und >100 000 Quadratfuss Ausstellungs raum. Die Behörde habe im Sinne der ersteren Auflassung nicht nur dem Deutschen Reiche, sondern allen Bewerbungsländern gegenüber gehandelt, während der Herr Reichskommissar auf Grund der letztem Auffassung uni so viel in seiner Rechnung zu kurz komme, als die erst später in dem Flächenplan eingetragenen kreuzweisen Abschreitungswege, die aus diesen 100 000 Quadrat fuss genommen wurden, ausmachen. Diese Sache ist übrigens nicht ängstlich. Das Gebäude ist so reichlich hoch, dass eine zweite Etage über dem deutschen Ausstellungsgebiet aufgeführt werden könnte, die, ohne unschön oder verunstaltend zu sein, dem Platzmangel abhelfen dürfte. Die harmonische Einfügung dieser Noth-Etage in den übrigen Bau würde sogar eine dankbare Auf gabe für den deutschen Ausstellungs-Architekten bilden. Der einzige ins Gewicht fallende Unterschied würde nach meinem un- maassgeblichen Dafürhalten darin bestehen, dass die Aussteller der leichteren Gegenstände nach oben gehen müssten. Im übrigen ist man in Chicago schon so an die bequemen und architektonisch-schönen Aufstiege zu den Galerieen der Palast geschäfte gewöhnt, dass die Noth wahrscheinlich hier als eine Tugend angesehen würde. Wenn es noch einer Aufmunterung an die deutsche Papier industrie, es an nichts zu einer glanzvollen Ausstellung fehlen zu lassen, bedürfen sollte, so möge eine solche in der Thatsache gefunden werden, dass die deutsche Chromolithographie soeben ein neues Gebiet des amerikanischen Marktes erobert hat. Ich habe in der Sache noch einen Brief von New York abzuwarten und kann das Nähere erst in meinem nächsten Berichte mittheilen. »Zur Weltausstellung komme ich ganz sicher nach Chicago und hoffe Sie dann persönlich begrüssen zu können. So und ähnlich lauten schon fünf verschiedene Briefe von nichtaus stellenden Lesern der Papier-Zeitung, die sich meist nach den Eisenbahn- und Hotel Verhältnissen erkundigen, wie ich vermuthe, um ein Reisebudget festzustellen, oder sich zeitig Wohnungs gelegenheit zu sichern. Meine Erkundigungen bei den General- Passagier-Agenten der Ostbahnen ergaben, dass zwar ein Preis für die Strecke New-York-Chicago für die Zeit der Ausstellung noch nicht festgestellt sei, aller Wahrscheinlichkeit nach aber in der Weise bestimmt werden dürfte, dass der Preis einer einfachen Fahrt erster Klasse die Hin- und Rückfahrt decken wird. Erster Klasse sind hier alle Wagen mit Ausnahme der für die Emigranten züge benutzten, welche den Wagen dritter Klasse in Deutsch land und der Schweiz gleichkommen. Es giebt hier sonst weder eine zweite noch eine dritte Klasse. Da die Entfernung 1000 Meilen beträgt und 2 1/2 Cent auf die Meile berechnet werden, so würden die Kosten der Eisenbahnfahrt auf diesem Kontinent 25 Dollar oder rund 100 Mark betragen. In Bezug auf Wohnungsgelegenheit ist nicht der geringste Grund zur Aengstlichkeit vorhanden. Nicht nur sind Schon massenhaft Hotels und Boardinghäuser vorhanden, sondern es werden fortwährend so viel neue hinzugebaut, dass man sich, aus der Ferne betrachtet, fragen möchte, was die Chicagoer mit den vielen Hotels nach der Ausstellung wohl Vorhaben. Nun hat schon eine erste Versammlung der Gastwirthe stattgefunden, in welcher darauf hingewirkt wurde, ähnlich wie es zur Zeit der nationalen Wahlkonvente, in denen die Präsidentschafts-Kandidaten aufgestellt werden, gehalten wird, auf keine Vorausbestellungen einzugehen, um das Publikum nicht abzuschrecken. Was aber immer geschehen mag, so können Ausstellungsbesucher versichert sein, dass sie am besten wegkommen, wenn sie die Sache möglichst leicht nehmen und namentlich sich nicht durch direkte Rund- fahrscheine binden, in welche womöglich noch Hotels und Restaurants eingeschlossen sind. Von den Hundreds of Thousands von europäischen Besuchern, die man sich in Chicago verspricht, wird erstens keine Rede sein, und falls wirklich Mangel an Hotelgelegenheiten eintreten sollte, so sind in den Wohnvierteln der 350 000 Seelen starken deutschen Bevölkerung allein 25 000 Gastzimmer disponibel zu machen. Sollten auch diese nicht genügen, so sind die reizenden Vororte da, die mit der Eisen bahn für 5 Cents (Strassenbahntaxe) zu erreichen sind, und wohin aus dem schon im gegenwärtigen Momente aller Vorstellung spottenden Gewühl und Gedränge der City zu flüchten jedem Ausstellungsbesucher nur erwünscht sein kann. Ich glaube auf Grund zehnjährigen Aufenthalts in Chicago ziemlich sicher zu gehen, wenn ich annehme, dass die gegen wärtigen Hotelpreise von l bis 3 Dollar auf den Tag und 4 bis 12 Dollar auf die Woche mit Einschluss von drei Mahlzeiten, die Preise der Privatzimmer aber von 1 bis 3 Dollar in der Woche, sich sehr wenig ändern werden. Alle diese Preise können als netto betrachtet werden, da die von den amerikanischen Reisenden aus Europa eingeführte Institution des Tip (Trinkgeld) noch nicht bis nach Chicago gedrungen ist.