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766 PAPIER-ZEITUNG. No. 27. bringen. Der dritte Theil giebt in »doppelfein« gehaltenen Ornamenten ein luftiges, zartes Begleit-Material für die ersten beiden Theile ab, ist aber auch für sich allein verwendbar zur Umrahmung von Kärtchen, Herstellung von Schildchen, Schluss figuren usw. Die drei letzten kleineren Theile dieser Rokoko- Einfassung bieten Innen-Verzierungen und einige recht praktische, formenschöne Reihen-Einfassungen. Die Eckstücke der ersten und dritten Abtheilung sind fast aus nahmslos ausgeklinkt oder ausgespart worden, sodass der Setzer von mehreren Seiten ansetzen und die charakteristischen Ver schiebungen des Rokoko-Stils ohne Zuhilfenahme von Hobel und Messer durch einfaches Uebereinandergreifen und Ineinander stellen einzelner Figuren erzielen kann. Diese Rücksichtnahme der Giesserei Reinhold auf die Satz-Erleichterung verdient An erkennung, namentlich wenn man bedenkt, dass die Kosten für solches »Klinken« sehr bedeutend sind und vor der Herausgabe einer derartig durchgearbeiteten Einfassung wohl hätten ab schrecken können. Die neue Einfassung ist zum grössten Theil von einem sehr bekannten Professor am Berliner Kunstgewerbemuseum gezeichnet, der als hervorragender Kenner und Beherrscher des Rokokostils gilt. Amerikanische Celluloid-Klischees. ■ Mankato, Minn., 12. März 1892. Soweit die hier zur Verwendung kommenden Celluloid-Klischees in Betracht fallen, kann ich mit Bezug auf die in Nrn. 5 und 11 der Papier-Zeitung erörterte Frage ihrer Feuergefährlichkeit und Empfindlichkeit gegen Hitze Herrn Oscar Sperling nicht beistimmen. Die meist sehr mangelhafte Heizeinrichtung in kleineren Zeitungs druckereien macht das Erwärmen der Formen vor dem Einheben zur unausweichlichen Nothwendigkeit. Zu diesem Zwecke müssen die Formen an den eisernen Ofen angelehnt werden, und wenn man dabei nicht sehr vorsichtig zu Werke geht und durch öfteres Betasten der Satzfläche das Steigen des Wärmegrades überwacht, um im rechten Augenblick die Form zu entfernen, so ist es um die Celluloid-Klischees, die sich vom Holzfüsse lösen und zusammen schmoren, geschehen. Ich könnte ein solches Klischee (Anzeige von Brehm’s Thierleben) vorlegen, das in der angegebenen Weise zerstört wurde, obwohl die Bildseite der betreffenden Form vom Ofen abgewendet war. Was den Einfluss der Hitze beim Stereotypiren betrifft, so fasse ich die Aeusserung des Herrn M. E. in Nr. 11 so auf, dass dabei der Fall des Stereotypirens von Satzformen ins Auge gefasst war, die neben Schriftsatz und Metall-Klischees auch Celluloid-Stöcke ent halten. Soweit es sich dabei um Zeitungsformen für die Rotations presse handelt, kann ich die Behauptung des Herrn M. E. insofern bestätigen, als mir verschiedene Zeitungen bekannt sind, welche die Aufnahme von Celluloid - Stöcken ablehnen oder noch vor kurzer Zeit abgelehnt haben, weil bei dem durch die Umstände bedingten eiligen Verfahren der Matrizenabnahme der Hitzegrad leicht einmal höher als nothwendig ansteigen und dadurch ein Celluloid-Klischee genugsam verdorben werden könnte, um unend lichen Aerger und sogar die Aufschliessung der Form zu verur sachen. Da hätte denn die kleine Ursache des angeschmorten Klischees die grosse Wirkung, dass eine Zeitungsauflage den Post zug verpasste, und dieses Missgeschick würde dem amerikanischen Zeitungsherausgeber schwerer auf die Nerven schlagen, als wenn ihm der Boden unter den Füssen brennte. Ich bin nicht sicher, ob das oben erwähnte verunglückte Klischee in Amerika oder in Deutschland angefertigt wurde; ich weiss nur, dass die International News Co. in New York sofort ein Ersatzstück schicken konnte. Da es Brehm’s Thierleben be trifft, so ist die Möglichkeit deutschen Ursprungs um so weniger ausgeschlossen, als die genannte Firma in Deutschland eine Zweig anstalt hat. * * * Das Celluloid-Klischee hat unstreitig grosse Vorzüge, aber die Empfindlichkeit gegen Hitze ist keiner derselben. Während des Schreibens dieser Zeilen hatte ich ein Stück Celluloid, von dem ich weiss, dass es amerikanischen Ursprungs ist, und ein Stück Schriftmetall nebeneinander auf eine nur mässig warme Ofenplatte gelegt. Schon nach einer Minute war das Cellu loid biegsam, während das Stück Schriftmetall kaum vollständig erwärmt war. Nach zwei Minuten liess sich die Celluloidmasse beliebig formen, war aber nach zwei Minuten der Abkühlung schon wieder so hart, wie vor der Erhitzung. Was man in Amerika an Celluloid-Klischees besonders schätzt, lässt sich in folgende 3 Punkte zusammenfassen: 1) die vollständige Neutralität bezüglich der Druckfarben; 2) die spezifische Leichtigkeit mit Rücksicht auf den Trans port und die Lagerung; 3) die Unverwüstlichkeit der Masse, wenn man von den Ein wirkungen der Hitze absieht. Dieser Vorzug ist in Amerika besonders hoch anzuschlagen. Selten findet sich ein Werk, das nicht schon in seiner zweiten Auflage Spuren von mehr oder weniger hässlichen Püffen, Schmar ren oder Eindrücken zeigt, welche die Stereotypplatten und Gal vanos während der Lagerung davongetragen haben. Der rastlose, fieberhafte Geschäftsgang und nicht zum wenigsten das viele Um ziehen zusammen mit der amerikanischen Sorglosigkeit, sind eine genügende Erklärung hierfür. Im Vergleich mit Metallplatten können die Celluloid-Stöcke ein erstaunliches Maass von Püffen vertragen. Ueber die eigentlichen typographischen Vorzüge des Celluloid- Klischees mit Rücksicht auf den höheren Werk- und Illustrations druck gehen die Ansichten noch stark auseinander. Die gross artig eingerichteten Stereotypgiessereien haben ihre Kundschaft so sehr verwöhnt, dass sich die Neuerung einstweilen nur langsam einzubürgern vermag, wie werthvoll sie auch immer sein mag. Wer hätte z. B. gedacht, dass die schon 1882 aufgetauchten Plakat-Celluloid-Schriften zum Ersatz der Holzschriften und -Orna mente heute, ein ganzes Jahrzehnt später, noch so gut wie unbe kannt sein würden. Damals hatte man sich von den Celluloid- Typen nicht nur eine Verbilligung der Plakatschriften versprochen, weil dieselben mechanisch abgeformt und auf Stöcke befestigt werden konnten, sondern man erwartete aus demselben Grunde auch stilgerechtere Zeichnungen und grössere alphabetische Ueber einstimmung (? d. R.) in den Schriften des Frakturstammes. Alle diese schönen Hoffnungen sind bis jetzt unerfüllt geblieben. Es war seither alles so still in dieser Richtung, dass ich weder den Namen der Fabrik behalten, noch jemals wieder etwas von ihr weder gehört noch gesehen habe. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, dass die ohne Zweifel gute Idee in Deutschland auf gegriffen und zu einem durchschlagenden Erfolg geführt wird, denn wo man für Celluloid-Klischees eingerichtet ist, können selbst verständlich auch Celluloid-Schriften gemacht werden. Der Grund, warum diese hier noch nicht zur allgemeinen Verwendung ge langt sind, liegt in dem Umstande, dass die Lieferung von Schriften und Druckerei - Ausrüstungen zu einem grossen, wo nicht dem grössten Theile ein Engrosgeschäft ist, dem gegenüber die Giesse reien überall da, wo es sich nicht um grosse Zeitungs- und Ver lagsdruckereien handelt, in den Hintergrund treten. Dieser Engros- handel stellt eine Linie dar, die von New York und Boston aus in südwestlicher Richtung über die ganzen Ver. Staaten sich hin ziehend, in San Francisco ausläuft. An dieser Linie sind vielleicht dreissig Punkte gelegen, von denen aus eine Druckerei in 24 Stunden vollständig von der Setzlinie bis zur Hand- und Tiegel druckpresse eingerichtet werden kann, und, wenn man der Sache auf den Grund gehen wollte, so würde man finden, dass die Fäden dieser Punkte in wenigen grossen Zentralpunkten zusammenlaufen. Diese Lager umfassen nicht nur einen vollständigen Vorrath von Brot-, Titel- und Zierschriften, Linien, Durchschuss und Re gletten, nebst allem Schliesszeug, vom Keiltreiber bis zum Rah men, sondern auch von Schriftkästen mit englischer und deutscher Eintheilung, Regalen, Setzbrettern usw., ferner eine Auswahl von Pressen, Schneidemaschinen und Hilfsapparaten, mit Einschluss der Buchbinderei; endlich ein vollständiges Sortiment von Druck farben, Papieren, geschnittenen Karten und printers fancy stock (Chromokarten, Luxuspapiere und Vordrucke für alle nur denk baren Fälle). Damit ist dann noch eine Einrichtung zum Stereoty piren und zum Giessen von Walzen verbunden, und an den grösseren Orten ist auch noch Einrichtung für Holzschnitt und das eine oder andere chemische Verfahren in das Geschäftspro gramm aufgenommen. Es ist nun leicht begreiflich, dass die Instandhaltung eines solchen allumfassenden Lagers nicht nur eine Frage des Kapitals sein kann, dass vielmehr die rein kauf männische Erwägung der Betriebsleitung darauf gerichtet sein muss, selbst einem so umfassenden Programme gewisse Grenzen zu ziehen. Erwägungen solcher Natur ist es zuzuschreiben, dass die Celluloid-Schriften noch nicht die Holzschriften zu verdrängen vermochten. Denn wie die Stereotypgiessereien die Drucker der Grossstädte, so verwöhnen diese Ausstattungsgeschäfte die Drucker auf dem Lande in solchem Maasse, dass der Versuch, eine Neuerung in Umgehung dieser typographischen Etappen plätze einführen zu wollen, aussichtslos wäre, ganz abgesehen davon, dass sehr viele dieser Druckereien mit Chattel Mortgages (beweg lichem Hypotheken-Pfandrecht) belastet sind und infolgedessen in