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No. 30. PAPIER-ZEITUNG. 861 Die Fachblatt-Redaktionen haben nicht immer rechte Gelegenheit, sich über solche für Käufer von irgendwelchen Bedarfsartikeln erhebliche Punkte zu unterrichten, — sie hängen auch meist viel zu sehr von ge schäftlichen Erwägungen ab, als dass sie es wagen dürften, einem grossen Inserenten unangenehme Dinge offen und rücksichtslos ins Gesicht zu sagen. Leider! Man begegnet in gewissen Fachblättern oft langen, zuckersüssen Beschreibungen herzlich unwichtiger, sogar sehr anfechtbarer Dinge, die - ich kann mir nicht helfen sehr inspirirt aussehen, die der Würde eines Fachblattes nicht entsprechen und das Vertrauen in die Redlichkeit und Unabhängigkeit der betreffenden Redaktionen stark erschüttern müssen. (In der Papier-Zeitung wird der geschätzte Ein sender solche Besprechungen nicht finden. D. Red.) Die öffentliche Besprechung ist wohl auch nicht recht geeignet zu einer gründlichen Erörterung der Vorzüge oder Nachtheile einer Sache, schon deshalb nicht, weil nicht alle Leser gleiches Interesse daran haben, und zweitens nicht, weil 1 lerausgeber und Redakteur einer Fachzeitung ab fällige Urtheile, die für den Betroffenen unter allen Umständen eine starke Schädigung bedeuten, nicht gern offen aussprechen wollen. Zu welchem heftigen Für und Wider allein schon Anregungen aus dem Leserkreise führen können, haben die Leser der Papier-Zeitung mehrfach erfahren. Wem wäre nicht die Rohhaut-Debatte noch in frischer Erinnerung? Um wievielmehr müsste ein Streit sich verschärfen bei bestimmter Stellung nahme der Redaktion? Die Auskunftertheilung müsste ein erfahrener, unabhängiger Fach mann übernehmen, der über den Verdacht einer Beeinflussung erhaben ist, der weder selbst ein Geschäft hat, noch mit solchen in Verbindung steht. Leuten, die tief im Lande wohnen, würde mit einer streng sach lich arbeitenden Auskunftsstelle, die sich nach und nach ein reichhaltiges Material beschaffen und vielfach sofort Antwort geben könnte, ein grosser Dienst erwiesen. — nn. Ein. erfahrener, vertrauenswürdiger Fachmann, der »weder ein Geschäft hat, noch mit einem solchen in Verbindung steht«, der also auch wohl nicht mit einem Zeitungsunternehmen in Verbin dung stehen darf, wird sich schwer finden, und wenn er sich findet, wird er mit seiner Erfahrung nicht lange auf der Höhe der Zeit stehen bleiben. Eine einzelne Person dürfte in den Augen der meisten Interessenten auch nicht genügende Gewähr für volle Unpartheilichkeit bieten. Besser wäre es schon, wenn fachtech nische Vereinigungen, also z. B. die Typographischen Gesellschaften, die Ertheilung von Gutachten übernehmen wollten. Die Berliner Typographische Gesellschaft z. B., die kürzlich eine Fachkom- mission, zunächst zur Heranziehung von Berathungsstoffen und Vorbearbeitung derselben ins Leben gerufen hat, scheint etwas Aehnliches zu beabsichtigen. Wenn solche Vereinigungen streng darauf achten, dass jegliche äussere Beeinflussung ferngehalten wird, dürfte dem Wunsche des Einsenders am besten entsprochen werden. Broncedruck. Nicht selten findet man Ornamente und Figuraldarstellungen, welche für Schwarzdruck oder doch für Druck mit dunkler Farbe auf hellem Grunde gezeichnet sind, in Broncedruck auf dunklem Grunde ausgeführt. Vor mir liegt eine Kabinetphotegraphie, deren Rückseite in dieser Weise hergestellt ist. Von chokoladefarbigem Grunde hebt sich eine ornamentale Komposition ab, deren Haupt figur eine weibliche Gestalt mit Pinsel und Palette, also eine Allegorie der Kunst, ist. Da Gold auf dunklem Grunde hell erscheint, sind bei dieser Figur alle Schatten hell, alle Lichtstellen aber tiefdunkel, d. h. es ist eine vollständige Umkehrung der Licht- und Schattenver hältnisse entstanden, und das Bild erscheint als Negativ. Derartige Anwendungsart einer ursprünglich dunkel auf hell angelegten Zeichnung muss als grobe Gedankenlosigkeit bezeichnet werden. Will man auf dunklem Grunde eine plastisch scheinende, also schattirte Zeichnung zur Geltung bringen, so muss dieselbe negativ ausgeführt sein, d. h. alle hellen Stellen müssen durch Flächen, Striche und Punkte gedeckt werden, alle dunklen Stellen müssen frei bleiben. Die Lithographie sündigt in dieser Beziehung mehr als der Buchdruck, und namentlich den Fabrikanten von Photographie- karten ist die Beachtung des Vorstehenden zu empfehlen. A. H. Schriftgiesserpakete. Die Schriftgiesser halten beim Aufreihen der Brot- und Titel schriften zu Paketen an einer althergebrachten Reihenfolge fest, welche von der bei den Buchdruckern üblichen streng alphabeti schen Reihenfolge abweicht. Unweigerlich steht die Gruppe H den Grossbuchstaben, die Gruppe m den Kleinbuchstaben voran; dann erst folgen A B C D, a b c d usw. H und m sind die sogenannten »Zurichtbuchstaben« des Schriftgiessers; sie gelten ihm als Normalbuchstaben und werden mit besonderem Respekt behandelt. Sie werden bei jeder neuen Schrift zuerst geschnitten und gegossen, und nach ihrer Gestalt richten sich Höhe und Dicke der Grundstriche, Bunzenweite und Forniverhältnisse aller anderen Buchstaben. Bei Brotschriften und solchen Titelschriften, die in Fächer kästen eingelegt werden, ist es völlig gleichgiltig, in welcher Reihenfolge die Buchstaben zusammengestellt sind; bei Titel schriften aber, die aufgestellt werden, ist die übliche Abweichung vom Alphabet recht störend. Ein leitender Grundgedanke lässt sich bei den von den Schriftgiessern bewirkten Aufreihungen über haupt kaum erkennen. Oft stehen die Gemeinen den Versalien voran, die Ziffern stehen bald zwischen beiden, bald am Ende des Pakets, die Reihenfolge der Interpunktionen ist ganz will kürlich, und die Umlaute und Accentbuchstaben stehen irgendwo zwischen den übrigen Gruppen, statt hinter den betreffenden Stammbuchstaben. Solche Regellosigkeit ist beim Einstellen der Schrift sehr störend und zeitraubend. Man muss die lose stehenden Buch staben umheben und veranlasst dabei namentlich bei kleineren Graden leicht einen Zwiebelfischbrei. Es wäre daher sehr empfehlenswerth, wenn sich die Schriftgiesser dem Brauch der Buchdrucker anbequemen, die Hochachtung vor H und m aufgeben und die Buchstaben jedes Pakets streng alphabetisch ordnen wollten, was genau dieselbe Mühe macht, wie der bisherige Schlendrian. Empfehlenswerthe Buchstaben-Reihungen sind folgende: Antiqua: . A Ä B C ? D EEfifiFGHIJKLMNOÖCE Ö P Q R S T U Ü V W X Y Z 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0.,:;!? ’)] aä b c 9 d e & ffffiflghijklm no, oöööoepqrstuüüüüvwxyz Fraktur: A%BGDGFG$IKLMNDÖBARST ll Ü8W 3V3 1 2 34567890. ,:;!?’([aäbc de&fffffghcijkcIImnoöpqrisssiss t u ü v TO r ) 3. H. Reliquien der Berliner Buchbinder-Innung. Die Berliner Buchbin der-Innung, welche im Jahre 1895 ihr dreihundertjähriges Jubelfest begehen wird, verfügt über eine An zahl interessanter alter Urkunden. Herr Obermeister Siaby führte in der letzten Sitzung des Vereins »Herold« eine Anzahl der selben vor. Er zeigte zunächst einen Artikelsbrief, welchen die drei in Berlin wohnenden Meister Bastian Heyder, Caspar Kalle und Martin Löwenberg im Jahre 1603 aufgestellt hatten, und der die Unklarheiten der alten Zunftordnung beseitigen sollte. Eine grosse Vorliebe scheinen die biederen Meister für Sporteln und Strafgelder gehabt zu haben. So bestimmt Artikel 16, dass die Schwörer und Flucher zum höchsten gestraft werden sollen. »Und soll die geringste Straff im schweren (Schwören) jedesmal 6 sgr.: im schelten und fluchen ein halber Thaler sein. Vnd je abscheulicher das schelten und fluchen ist, je grösser soll auch die straff sein, welches alles und Jedes uff erkenntnus eines Ersamen Hand- wercks stehen soll.« Zu den Buchbindern vcn Berlin und Köln hielt sich auch der Buchhändler Hans W erner, obgleich er der Innung nicht bei getreten war. Werner und die Buchbinder führten Klage über die Krämer der Städte Berlin und Cölln, welche sich heraus nahmen, gebundene und ungebundene Gebetbücher, Historien- Kalender und gemalte Briefe zu verhandeln. Auf eine Anfrage bei der Korporation der Buchhändler in Leipzig antwortete diese am 4. Dezember 1605, es sei ihnen kein Exempel bekannt, dass sich die Krämer in Leipzig derartiges unterstanden hätten, »ohne was Schreibtaffeln, darin Gebetbüchlein, Kämme, Spiegel, Sonn zeiger, Ohrlöfflein usw. beisammen sein möchten.« Der Brief ist mit sechs Siegeln von Buchhändlern versiegelt. Mit den Buch bindern war in späterer Zeit die Innung der Pergamentmacher verbunden, welche im Jahre 1717 in den Städten Berlin und Cölln aus dem Altmeister Thomas, dem Jungmeister Thomas (Brüder söhne) und einer AVittwe Thomas bestand. Der Jungmeister stiftete ein ganz aus Pergament bestehendes »Gesellen-Buch des gewerks der Pergament- und Trummelmacher«. Dasselbe enthält äusser dem Titelblatt, welches die Werkstätte eines Pergament machers zur Darstellung bringt, nur ein Lobgedicht auf das Gewerk, in welchem es heisst: Wenn einer sich Jezt will beym Kayser adlen lassen; Lässt er auf Pergament den Wappenbrief verfassen. Und wenn die Majestät gleich gar zum Fürsten macht, gleich wohl wird der Bericht auf Pergament gebracht. Welch’ Lehenbrief wird wohl auf schlecht Papier gestellet? usw.