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No. 30. PAPIER-ZEITUNG. 859 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mitth ilunge n finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter e haben angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Plattendruck. Vor längerer Zeit ist die Frage aufgeworfen worden, wie hoch man die Auflage von Stereotypplattendruck annehmen dürfe. Die Antwort darauf gab der Stereotypeur in Nrn. 5 und 6 vom Jahre 1889 dahin, dass Richters Druckerei in Rudolstadt 500000 accidenz- artige Drucke von Stereotypplatten verlange und noch weitere 500000 für möglich halte. Obgleich diese Angabe sofort berichtigt wurde, und jedem Fachkenner die Unmöglichkeit einer so hohen W iderstandsfähigkeit der Druckplatten bekannt ist. so lag doch immerhin die Thatsache vor, dass von günstigen Platten bis gegen 150000 Abzüge in genannter Offizin geliefert wurden. Aber selbst eine Uebertreibung kann zu etwas nützen und hat mir zu Beobachtungen Veranlassung gegeben, ob es nicht möglich wäre, dies immerhin zufriedenstellende Ergebniss noch günstiger zu gestalten. Fine unscheinbare Beobachtung brachte einen kaum erwarteten Erfolg. Ich will den Versuch erzählen: Die Stereotypplatten wurden in gewöhnlicher Weise mittels Facetten auf Schuhen befestigt, geschlossen, und nachdem der Druck-Cylinderum 4 Bogen tiefer gestellt war. so weit von unten zugerichtet, bis völlige Gleichmässigkeit im Aussatz erzielt war. Hiernach war nur noch ein Nachhelfen auf dem Cylinder nöthig, auf welchem die Zurichtung möglichst kurz und fest gehalten werden muss. Ist die Arbeit soweit fertiggestellt, dass man damit zufrieden ist. so wird über die Cylinder-Zurichtung ein nasser, fester Bogen, ein sogenannter Straffer . gezogen und. nachdem derselbe durch aus trocken geworden, wird von dem gewöhnlichen Auflage- papier erst ein Bogen lose befestigt und auf demselben ein Abzug gemacht, sodass man etwa fehlerhafte Stellen leichter nachbessern kann. Sodann klebt man noch weitere drei Bogen von der Auflage darüber, hebt den Cylinder wieder um die vorher tiefergestellten viel’ Bogen, und der Druck kann seinen Anfang nehmen. Diese drei letztgenannten Deckbogen werden nun jeden Abend vor Geschäftsschluss heruntergenommen, durch neue ersetzt und haben das Problem gelöst, das ich mir gestellt hatte. Auf diese einfache Weise ist es möglich geworden, von denselben Platten 250 000, ja bis 300000 herunter zu drucken, ohne dass die Ausführung des Druckes zu gerechtem Tadel Veranlassung geben konnte. Natürlich müssen die W alzen so genau abgerichtet sein, dass sie nur leicht die Platten berühren, ebenso wie auch mittags und abends die Bänder und die Bandleitungen zu revidiren sind, da mit nicht etwa ein defektes Band die ganze Arbeit über den Haufen wirft. Die Ursachen dieser günstigen W irkung sind leicht erklärt und begreiflich. •Jeder Buchdruck, selbst der sorgfältigste, muss naturgemäss Eindrücke im Papier, sogenannte Schattirung . hinterlassen, wenn er klar und deutlich auftreten soll. Je schwerer und grösser nun die Druckform ist, desto deutlicher wird die Schattirung erscheinen. Diese Schattirung nun bildet nach und nach eine Art Matrize , welche im weiteren Verlauf dm’ zu druckenden höheren Auflage mehr und mehr verhärtet, indem die stets auf denselben Punkt wirkende Pressung, verbunden mit abgezogener oder auch durchgedrungener Farbe, und den unvermeidlichen, vom Papier losgelösten Staubtheilchen Verhärtungsstoffe bieten. Die so gebildete Mater ist der Verderb der Platten. Fs ist ganz unmöglich, dass die Schriftzeichen immer ganz genau auf dieselbe Stelle treffen: das verhindert schon die beständige Fr- anliegende Zurichtung, durch unnöthiges Zutiefstehen der Auf tragwalzen, natürlich auch durch eine nicht genau arbeitende Maschine wesentlich erhöht wird, ist wohl leicht erklärlich. Wenn in Betracht gezogen wird, dass bei grossen Auflagen im allge meinen eine tägliche Leistung von 10 000 bei zehnstündiger Arbeits zeit im Durchschnitt berechnet werden muss, sich also etwa 18 Um drehungen des Druckcylinders in einer Minute ergeben, so leuchtet ein, dass auch grössere Erschütterungen zur unabwendbaren Be dingung werden. Die erwähnten, nun von mir angeordneten, täglich zu wechseln den drei Deckbogen bezwecken weiter nichts, als der Schattirung immer ein neues Bett zu bieten, mit anderen Worten: Das Matern bilden zu verhüten. Dass nun dieses Verfahren nicht blos bei Stereotypplattendruck, sondern selbstverständlich auch bei Auf lagen von Schriftsatz, Galvanos, Zinkplatten usw. vortheilhaft ist. bedarf wohl kaum der Erwägung. Jedenfalls kostet ein Versuch kein Geld, und der erzielte Vor- theil ist so gross, dass das Niederschreiben und Bekanntwerden des Verfahrens schon im allgemeinen Interesse der Mühe werth ist. Hermann Vogt, Rudolstadt. Ueberhitzen der Schrift beim Stereotypiren. Carl Kempe äussertsich zu dieser in Nr. 29, Seite 826 be sprochenen Angelegenheit im »Stereotypeur folgendermaassen: »Kommt der Satz der Stereotypieform in die Trockenpresse, und diese wird direkt vom Feuer gespeist, so wird der Satz leicht überhitzt, die Bleitypen verrathen das Bestreben, sich auszudehnen, sie steigen», und wenn nach oben die Grenze erreicht ist, so schmilzt der Satz. (Das Metall schmilzt nicht, wenn es sich nicht mehr ausdehnen kann, sondern wenn der dazu nöthige Hitzegrad, etwa 350° C., erreicht ist. 1). Red.) Vorbeugungsmittel: Alle durch Flammen gespeisten Trockenpressen müs sen einen sogenannten Luftboden haben, welcher durch Einfügen einer starken Eisenplatte, mit etwa 70 mm Abstand vom Boden der Presse, erreicht wird. Dampftrockenpressen beschädigen die Schrift nur dann, wenn die Presse überhitzt und die Form zu fest geschlossen wird. Vorbeugungs- mittel: Die Dampfspannung ist dergestalt zu reguliren, dass die Papier matrize einer Zeitungskolumne mindestens 6 Minuten zum Trocknen braucht, auf jeden Fall sollen alle Kolumnen, gleichviel für welche Trockenpresse sie bestimmt sind, nach dem Einschlagen durch leichtes Lockern des Schliesszeuges in der Spannung vermindert werden, zu welchem Zwecke der Sehlagbock unmittelbar vor oder neben der Trocken presse stehen muss, um die Form mit Leichtigkeit in die Presse schie ben zu können. Wo sich derartige Einrichtungen nicht treffen lassen, sind Kempe's Schliessrahmen aus Kompositionsmetall dringend zu empfeh len, welche den Vortheil gewähren, dass sie sich bis zu einem gewissen Grade mit der Schrift dehnen und auf diese natürliche Art dem Ver- derben vorbeugen. Bei kombinirten Stereotypie-Apparaten, bei welchen das Giess- Instrument die Trockenpresse vertritt, ist das Verderben des Satzes auch schon oft konstatirt worden. Vorbeugungsmittel: Da das Giess- instrument als Trockenpresse über den Schmelzkessel gelegt und durch das flüssige Stereotypmetall erhitzt wird, so ist darauf zu achten, dass das flüssige Metall nie den Kesselrand erreicht; denn berührt das Metall ilie Trockenpresse, so leitet die Schmelzhitze sofort über und die Form schmilzt an, selbst wenn sie noch so vorsichtig geschlossen war: darum soll der Kessel nur 3/4 voll gehalten werden, und jeder Unfall ist ausgeschlossen. (Das dürfte nicht ganz zutreffend sein. Trockene Luft lässt sich so stark erhitzen, dass sie, gleich direkten Feuergasen, den zum Schmelzen erforderlichen Grad erreicht. Am besten ist wohl Heizung mit Wasserdampf von niedriger Spannung. D. Red.) Buchgewerbliches aus Amerika. Mankato, Minn., 27. Febr. 1892. Nach dem Tode des berühmten Juristen Samuel Tilden, der nicht allein Gouverneur des Staates New York, sondern, nach der unauslöschlichen Ueberzeugung jedes guten Demokraten, von 1877 bis 1880 rechtmässiger, aber nicht zum Amtsantritte zugelas- sener Präsident der Republik war, fand sich ein von ihm selbst aufgesetztes Testament, laut welchem der grösste Theil seines schütterungder im Gange befindlichen Maschine. Bei jedem neuen Durchgang der Form wird sich eine, wenn auch noch so gering fügige Verschiebung ergeben, so dass von einem beständigen Auf einandertreffen von Punkt auf Punkt im mathematischen Sinne nicht die Rede sein kann. Infolgedessen entsteht eine Reibung, ein Abschleifen der Kanten des Buchstabenbildes und sonach endlich eine breitere Fläche der ganzen Form. Je mehr nun der Druck-Cylinder am Anfang und am Ende der Kolumnen frei stehende Satztheile trifft, wird auch das Zittern vermehrt und in folgedessen das Abarbeiten, das Breitwerden der Stereotypplatten an diesen Stellen beschleunigt. Dass nun diese Abnutzung durch eine, lockere, nicht fest reichen Grundbesitzes der Stadt New York zufallen und zur Gründung und Erhaltung einer öffentlichen Freibibliothek auf grossartigster Grundlage dienen sollte. Dieses Testament wurde von Anverwandten Tildens angefochten und nach jahrelangem Prozessiren umgestossen. Während nach dem W illen des Erb lassers zur gegenwärtigen Zeit ein stolzes Gebäude unter dem Namen Tilden Library die Stadt New York zieren sollte, muss die letztere sich damit begnügen, statt des mehrere Millionen Dollar betragenden Vermächtnisses eine verhältnissmässig geringe Kompromiss-Summe aus den Händen einer Erbin zu empfangen, die in Beschämung der Miterben es nicht über sich brachte, den letzten Willen ihres Goldonkels ganz und gar illusorisch zu