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.1k 241, 15. Oktober 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s, d. Titschn. Buchhandel. 10605 Nichtamtlicher Teil. Bnchgewerblicher Anschauungsunterricht in der Buchhändler-Lehranstalt zu Leipzig. Wie hier schon früher mitgeteilt worden ist, hat der Verwaltungsdirektor des Deutschen Buchgewerbevereins Herr Arthur Woernlein im Jahre 1906 die Aufgabe buch- gewerblichen Unterrichts in der 1. Klasse der Buchhändler lehranstalt zu Leipzig übernommen. Bekanntlich ist diese, von Friedrich Fleischer unablässig angeregte, 1853 mit seiner tatkräftigen Unterstützung ins Leben getretene Buchhändler-Lehrlings-Schule eine Einrichtung des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Sie wird von einem be- sondern Ausschuß beaufsichtigt und geleitet und von allen Vereinsmitgliedern mit Liebe gefördert. An ihrer Spitze steht als Direktor zurzeit Herr vr. Curt Frenze l. Die Lehrzimmer befinden sich im Deutschen Buchhändlerhause im Flügel an der Platostraße. In Nr. 73 d. Bl. vom 28. März 1907 wurde gelegent lich des Berichts über die Entlassungsfeier der abgehenden Schüler ausführlich von der bei diesem Anlaß erfolgten Übergabe einer Anschauungs- und Lehrmittel-Sammlung für den buchgewerblichen Unterricht Mitteilung gemacht, die Herr Woernlein in eigner Arbeit und im Zusammenwirken mit der Freigebigkeit vieler Leipziger und andrer buchge werblicher Firmen geschaffen hatte. Diese schon damals außerordentlich reiche Sammlung ist inzwischen weiter ver vollständigt worden und gibt nunmehr ein fast lückenloses, ungemein anschauliches Bild vom Werden des Buchs, der Illustration, des Kunstdrucks, der Zeitung, des Noten blatts u. a. m. in allen Stufen der Entstehung bis zur Vollendung. Alle diese Anschauungsmittel waren am Sonnabend den 12. d. M. im großen Saale des Deutschen Buchhändler hauses zu Leipzig zu einer Ausstellung vereinigt und wurden vom Schulausschuß des Leipziger Vereins einer kleinen Schar von eingeladenen Herren, die sich gegen 1 Uhr im Buchhändlerhause cingefunden hatte, vorgeführt. Unter den Besuchern befanden sich u. a. der Geheime Re gierungsrat Stadler aus Dresden vom K. Ministerium des Innern; gleichfalls aus Dresden der Dezernent für das ge werbliche Fortbildungsschulwesen Oberschulinspektor Geheimer Oberregierungsrat vr. Enke; aus Berlin Regierungsrat Cumme von der Reichsdruckerei; vom Rat der Stadt Leipzig Stadtrat vr. Wagler, von der Kgl. Akademie für Buchge werbe und graphische Künste in Leipzig deren Direktor Pro fessor vr. Seliger; vom Vorstande des Vereins der Buch händler zu Leipzig die Herren Verlagsbuchhändler Robert Voigtländer und Richard Francke; vom Schulausschuß die Herren Johannes Hirschfeld, Ferdinand Lomnitz und Artur Seemann, vom Deutschen Buchgewerbeverein dessen I. Vorsteher Herr vr. Volkmann und der Verwaltungs direktor Herr Woernlein, von der Buchhändler-Lehranstalt Herr Direktor vr. Frenzel. In einer kurzen, freundlichen Ansprache begrüßte Herr Voigtländer die kleine Versammlung, worauf der Vorsitzende des Schulausschusses, Herr Hirschfeld, einen knappen Rück blick auf die Entwicklungsgeschichte der Buchhändler-Lehr anstalt gab und sich ausführlich über die in den letzten Jahren erfolgte Neugestaltung des Lehrplans verbreitete, ins besondere die Notwendigkeit der Einführung des buchgewerblich technischen Unterrichts in den Lehrplan betonte und zum Schluß auf die Beschaffung der zur Ausstellung vereinigten Lehrmittel hinwies Herr Woernlein, der Leiter dieses Unterrichts, ging hierauf des uähern auf die Zusammenstellung dieses reichen Anschauungsmaterials ein, betonte die Dringlichkeit Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgana. dieser fachlichen Lehre und belegte ihre Notwendigkeit mit einigen drastischen Beispielen von technischer Unbelehrtheir, die ihm bei Beginn des Unterrichts aus einige seiner Fragen erschreckend vor Augen getreten sei. Er habe die Hoffnung, daß sein Unterricht, der zunächst nur einem kleinen Kreise Belehrung biete, in späterer Folge dem gesamten deutschen Buchgewerbe und Buchhandel zum Nutzen gereichen und dazu beitragen werde, daß die Kenntnis der Druck- und Verviel fältigungsverfahren in immer weitere Kreise dringe. Die guten Erfolge des Unterrichts hätten ihn zu weiterem Vor gehen in Beschaffung von Lehrmitteln geführt, und dank allseitiger Unterstützung sei es nunmehr gelungen, die Buch händlerlehranstalt mit einem außerordentlich vollkommenen eignen Lehrapparat auszustatten, wie ihn keine andere Schule ähnlicher Art besitze. Es folgte nun unter Führung Herrn Woernleins ein Rundgang durch die Ausstellung, der über zwei Stunden in Anspruch nahm und auf dem weiten Gebiet dieser Techniken auch dem fachkundigen Beschauer viel Interessantes und man ches Neue bot. Man begann beim Druckträger, dem Papier. In kleinen Kästchen lagen Proben der Rohstoffe aus, in allen Stufen ihrer Verarbeitung zum halbfertigen Stoff, den die Papiermaschine zur Vollendung führt, zu druckfertigem Papier weiter verarbeitet; Hadern, Leinenabfälle, Segeltuch, Kattun, geschnitten, gekocht, gewaschen und gemahlen, ge bleicht, in Flaschen auch die flüssige Fabrikationsstufe, des gleichen Holz, roh und in weiterer Verarbeitung, Holzmilch, fertiger Holzschliff-Halbstoff usw.; gebleichte Natronzellulose, gebleichte Sulfitzellulose, Zusätze, wie weiße Erde, Harz, Leim usw. Große Wandtafeln zeigten Hadernkocher, Holländer, Kollergang, Holzschleifer, Papiermaschine, Streich anlage (für Kunstdruckpapier), Kalander. Es folgte eine Reihe von Sorten fertigen Papiers, wie es für die verschiedenen Zwecke des Zeitungs-, Buch-, Jllustrations-, Kunstdrucks rc. gebraucht wird. Auch der Einfluß des Papiers auf das Druckergebnis von Bild und Schrift wurde an verschiedenen sehr lehrreichen Beispielen (auf Zeitungsdruckpapier, maschinenglattem, und satiniertem Druckpapier, Naturkunstdruck-, gestrichenem Kunstdruck- und der neuesten Errungenschaft: glanzlosem Kunstdruckpapier) gezeigt. Nicht minder lehrreich war die Ausstellungsgruppe: Papierprüfung Ein Mikroskop mit einer Reihe von Objekten gewährte interessante Blicke in die Beschaffenheit der Faser; ein kleines andres Instrument gab mit vollkommener Sicherheit Aufschluß über die Papierdicke (die Dicke eines mit schnellem Handgriff eingefügten Zigarettenblättcheus konnte mit 0,200 ww ohne weiteres von der Skala abgelesen werden); die Durchsicht (Transparenz) des Papiers wurde unter Glas tafeln bestimmt. Chemikalien zur Prüfung des Gehalts an Holzschliff vervollständigten diese Gruppe, Tafeln veran schaulichten Apparate zur Festigkeits- und Knitterungsprobe. Eine weitere Gruppe zeigte die Einzelheiten der Druck farbenfabrikation, die Gewinnung des Rußes für Schwarz druck in allen Verwendungsarten, ebenso die Gewinnung der Farben für Buntdruck. Weiter führte der Rundgang die Technik des Satzes an einer langen Reihe von Werkzeugen, Tafeln und Proben vor Augen. Handsatz, Akzidenz, Musiknotensatz, Setzmaschinen und vieles andre aus diesem wichtigen Arbeitsgebiete wurden anschaulich erläutert, auf einem vierseitigen bedruckten Quart- blatt die Technik der Korrektur an allen denkbaren Fehlern mit ihren Korrekturzeichen klar gemacht. Ebenso das Ausschießen der Druckform in der richtigen Folge der Seiten. 1382