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er mir einem aus der Tasche gezogenen Messer blind lings auf die Schwiegermutter und seine Verlobte ein stach. Er packte dann schließlich die beiden und warf sie aus dem Fenster, wobei das zehn Jahre alte Kind der Schwiegereltern, das sich an die Mutter angeklammert hatte, ebenfalls mit hinausstürzte. Das Kind blieb unver letzt. Friedrich öffnete sich dann die Pulsadern und sprang auch aus dem Fenster. Die drei Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht. Festnahme marokkanischer Deserteure in Elberfeld. Die Elberfelder Kriminalpolizei hat vier Deserteure fran zösischer und spanischer, in Algier bzw. in Marokko stationierter Truppenteile festgennommen. Die Deserteure, von denen einer ein Franzose, der zweite ein Belgier, der dritte ein Spanier und der vierte ein Araber ist, wanderten vollkommen mittellos und ohne jede Kenntnis der deut sche» Sprache ziellos durch die Gegend. Ein unglücklicher Schuß. In MUndingen bei Ehingen machte auf der Heimkehr von der Jagd der Jagdpächter Gottlob Bausch einen Besuch bei seinem Schwieger sohn und stellte das noch nicht ganz entladene Gewehr in die Stube. Sein siebenjähriger Enkel nahm es, spielte damit und legte aus die zufällig anwesende 29 jährige Katharina Benz an. Plötzlich ging ein Schutz los und das Mädchen sank, in die rechte Seite getroffen, tödlich verwundet nieder. Der Arzt konnte nur noch den Tod fest - stellen. Ein Niesenwal durch den Orkan an Land geworfen An der Nordküste von Slagen wurde ein riesiger Wal während eines Orkans in den letzten Tagen an Land ge worfen. Den Fischern gelang es erst nach stundenlangen Bemühungen, das Tier zu töten. Das Fleisch wuroe an die Gemeinden verteilt, die eine ganze Woche lang von dem Walfischfleisch lebten. Eine 2V jährige Mörderin. Dem Magistrat von Bradford wurde eine 20 jährige Mörderin vorgeführt, die einen 23 jährigen Musiklehrer und Pianisten namens Herbert Musgrove auf der Straße erdolcht hat. Musgrove starb noch vor seiner Einlieferung ins Kranken haus. Die Mörderin stand während dieser Zeit inmitten der Menschenmenge, aus der heraus sie verhaftet wurde. Der Ermordete war verheiratet und hinterlätzt zwei un mündige Kinder. Ein raffinierter Kassenraub. In S a l e r n o ließ sich em Dieb in den Räumen des dortigen Gerichts ein- fchließen, raubte in der Kasse der Kanzlei 250 000 Lire, und nachdem er eine Glastür durchbrochen hatte, floh er mit vorgehaltenem Revolver durch eine benachbarte Wohnung, ohne daß seine Verfolger seiner habhaft werden konnten. Schwere Erdbeben in Transkaukasien. Nach Mel dungen aus Konstantinopel sind die Provinzen Arda- Han und Hazistan von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden. Es hat Hunderte von Toten gegeben. Nähere Einzelheiten fehlen. Die Malariaepidcmie auf Java im Abflauen. Nach einer Meldung aus Weltevreden ist die Malariaepidemie in der Residentschaft Soerabaya (Java) im Abflauen begriffen. Die reichliche Anwendung von Chinin hat neuen Erkrankungen vorgebeugt. Seit dem 1. Dezember sind dort 5 000 Personen an Malaria ernstlich er krankt und weitere 1 500 Personen daran g e st o r ben. Zurzeit verzeichnet man noch 2 000 Krankheitsfälle. Bunte Tagesehronik Aachen. Auf der M a r i a g r u b e bei Alsdorf verunglückten durch ein Schlagwetter zwei vor Ort Arbeitende tödlich. Der Swiger Simons sand bei den Bergungs arbeiten ebenfalls den Tod. Brüssel. Der Brotpreis in Belgien ist wiederum er- vöht, und zwar um 23 gegen den Vorlriegspreis aus 1,75 Frank. Paris. In Straßburg ist im Alter von 65 Jahren Bischo, Zorn von Bulach gestorben, der seil dem Wassenstillstand zurückgezogen in einem Kloster lebte. Er war der Bruder des ehemaligen Staatssekretärs Zorn von Bulach. London. Das berühmte Rennpferd Herroic ist in Sidney sür 16400 Pfund Sterling verlauft worden. WMM Ae Hü! WMÜ5IKW. Ser Kamps um den Familiennamen. Knut Hamsun gegen die andern Hamsuns! Der große norwegische Dichter KnutHamsun.der zu den Berühmtheiten der Weltliteratur gehört und vor einigen Jahren den literarischen Nobelpreis erhielt, führt seit längerer Zeit mit seinen eigenen Geschwistern einen er bitterten, bis in die Gerichtssäle hineingetragenen Kampf um seinen Namen: er sträubt sich dagegen, daß auch seine Brüder und Schwestern sich Hamsun nennen und sozusagen Nutznießer seines Weltrufes werden. Sie hätten, sagt er, keinen Anspruch auf den Namen Hamsun. Man ersieht schon hieraus, daß die Hamsuns ursprünglich anders ge heißen haben müssen, denn ihren „angeborenen", erblichen Familiennamen hätte ihnen natürlich kein noch so be- rühmt-" Bruder streitig machen können. Um es kurz zu sagen: Hamsun ist der Name, den der Dichter angenommen hat, als er seinen erschütternden Roman „Hunger" er scheinen ließ. Von Rechts wegen heißt er Pedersen, und seine Eltern wohnten auf dem Bauernhof Ham sun d. Dieses Wort wählte er zu seinem Pseudonym, aus dem dann durch eine Wortverstümmelung, die auf das Schuldkonto eines amerikanischen Blattes zu setzen ist, der Name „Hamsun" wurde. Jetzt nennt sich Pedersen nicht nur als Verfasser seiner Bücher, sondern auch im bürger lichen Leben Hamsun — ob mit oder ohne behördliche Billigung (in Deutschland bedarf bekanntlich jede end gültige Namensänderung der Zustimmung der Behörden), wissen wir nicht. Es scheint aber doch, daß er den a l l e i - nigen Anspruch auf den Namen nicht habe Nachweisen können. Wäre das der Fall gewesen, so hätte das Gericht in O s l o, das sich mit der interessanten Angelegenheit be faßte, die beklagten Geschwister des Dichters nicht frei sprechen können, wie es in Wirklichkeit geschah. Kämpfe um den „literarischen Namen" sind durchaus nichts Seltenes; man könnte auch die Kämpfe und Prozesse um die Namen von Roman- und Dramenhelden, die im bürgerlichen Leben vorlommenden Familiennamen em sprechen, hierzu rechnen. In Deutschland wurde be sonders bekannt der Fall des vor mehreren Jahren ver storbenen fruchtbaren und erfolgreichen Schriftstelles K o u rad Alberti, der eigentlich Sittenfeld hieß. Sil tenfeld war nach jahrelanger Arbeit unter dem Namen KonradAlberti zu Ansehen gelangt, als eines Tage ein schriftstellernder Major, der wirklich Konrad Alber!: hieß, diesen Ramen also nicht erst hatte anzunehmer brauchen, ihm unter Klagedrohung die Weiterführuw jenes Pseudonyms untersagte. Sittenfeld ließ es nicht erst auf die Klage ankommen, sondern nannte sich, wenn wir uns recht erinnern, von Stund an Konrad Alberti-Sitten leid. Daacaen war nun nichts mehr c-inzuwenden. Lin 76M-riger, der seine Stieftochter ermorden wollte. Das Stettiner Schwurgericht verurteilte den 76 Jahre alten Ziemdorf wegen versuchten Totschlags zu zwei Jahren Ge fängnis. Er hatte versucht, seine Mfährige Stieftochter, zu der er in Beziehungen gestanden batte, zu erstechen, weil sie sich von ihm zurückgezogen hatte. Wieder unbegründete französische KricgsgcrichtSurtcile gegen deutsche Offiziere. Pressemeldungen zufolge haben fran zösische Kriegsgerichte Kontumazialnrleite gegen die Generals v. Zoellner, v. Heinrich, v. Graevenitz, den Ma;or v. Tessin, den Rittmeister Himmel, den Oberleutnant v. Eberlein ausgesprochen. Das Reichsgericht, das diese Fälle bereits eingehend untersucht hat, ist zu dem Urteil ge langt, daß die sranzösischen Beschuldigungen vollkommen unbe gründet k'nb Beginn eines Kommunistenprozesses. Vor dem Süddeut schen Senat des Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik begann unter dem Vorsitz des Senalspräsidenten Niedner eine auf drei Tage berechnete Verhandlung gegen württember- gische Kommunisten wegen Hochverrats und Verbrechens gegen das Sprengstossgesetz. Es handelt sich um zwei Gruppen von je acht Angeklagten, von denen die erste, Marschall und Ge nossen, beschuldigt wird, Sprengstoffe beschafft, die zweite. Wittmann und Genossen, diese gelagert und zur Her stellung von Handgranaten verwendet zu haben. Wegen schwerer öffentlicher Beleidigung des Reichstags abgeordneten Dr. Breitscheid hatte sich vor dem Leipziger- Amtsgericht der frühere verantwortliche Schriftleiter der in- iwillben einaeaanaenen völkischen Mitteldeutschen Rundschau. Leipzig, Alsreo Miller aus Düsseldorf zu verantworten. In einer Notiz vom 21. Juni 1924 war Dr. Breitscheid wegen seiner Reise nach Paris des Landesverrats bezichtigt worden. Er habe knierutschend beim französischen Ministerpräsidenten Herriot nur versucht, Vorteile für sich und seine Partei heraus zuholen. Miller wurde wegen öffentlicher Beleidigung zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Auf Kosten des Angeklagten wird das Urteil in der Frankfurter Zeitung, Köl nischen Zeitung, in der Neuen Preußischen Zeitung, der Vossi- schcn, der Deutschen Zeitung und im Vorwärts veröffentlicht werden. Arbeiter und Angestellte. Dortmund. (D?e christlichen Bergarbeiter zu den Fragen der Arbeitszeit und Entlohnung.) Der Eewerkverein christlicher Bergarbeiter hielt im Ruhrrevier eine Anzahl Funkrionärkonserenzcn ab, um die Frage der Nuhr- bergarbeiterfchaft zu behandeln. Sie nahmen Stellung zu der Frage der Arbeitszeit sür die Hochösen- und Kokereiarbeiter und forderten für diese Betriebe die möglichst baldige Ein führung der achtstündigen Arbeitsfchicht und für die Gedinge arbeiter die Lohnerhöhung des letzten Schiedsspruches in Höhe von 8,93 London. (Zunehmende Arbeitslosigkeit tn England.) Am 5. Januar betrug die Zahl der Arbeitslosen in England 1307 800, also 33 900 mehr als in der Vorwoche und 40 000 mehr als zur gleichen Zeit im vorigen Jahre. Diese bedeutende Zunahme der Arbeitslosigkeit läßt sich zumTeil durch die anhaltenden Stürme und Rebel erklären. i görse»gsnckel - llllrtledaN I Berliner Börscuberlcht vom 14. Januar. Die Börse be uncilt die innerpolitische Lage zuversichtlicher als je zuvor Es lagen ungewöhnlich zahlreiche Kauforders namentlich am . aus der Provinz und dem Ausland vor. Montanwerke, Elek trizitätswerte, Bankaktien und chemische Werte standen im Mittelpunkt des Geschäfts und konnten teilweise nicht uner. hebliche Kursgewinne verzeichnen. Bemerkenswert ist, daß die Haussebewegung gegen Schluß der Börse sich noch verschärfte. Die Celdverhälknisse sind weiterhin sehr flüssig, tägliches Geld stellte sich auf 8 bis 11 -S, Monatsgeld auf 9 bis 12 Die inländischen Anleihen nahmen nicht im vollen Umfang an de Haussebewegung der übrigen Märkte teil. Entscheidend ist ier die zurzeit noch nicht bekannte Neubesetzung des Posten es Reichssinanzministers. Die Berliner Devisenbörse vom 14. Januar ucnni amtlich: Dollar 4,19—4,21; cngl. Pfund 19,94—19,99: holl. Gulden 169,34—169,76; Danz. 79,20—79,40; fran z. Frank 22,41—22,47; belg. 20,94—21,00; s ch w e i z. 80,82 biö 1,02; Italien 17,40—17,44; sch Wed. Krone 112,91 btt- 113,19; dän. 74,58—74,76; norWeg. 63,87—64,03. Amtlicher Schlachtviehmarlt. Berlin, 14. Januar. Austrieb: Rinder 2449, darunter Bullen 719, Ochsen 646, siühc und Färsen 1084, Kälber 2878, Schafe 4536, Schweine 941, Ziegen 15, Schweine aus dem Ausland 977. Preise: Ochsen a) 48—52, b) 42—14, c, 37—40, d) 30—34; Bullen a) 44 bis 46, b) 40—42, c) 35—38; Kühe und Färsen a) 45—50, b) 38 bis 42, c- 30—34, d) 25—28, e) 20-22; Fresser 32-37; Kälber a> —,—, b) 80—92, c) 65—75, d) 48—60, e) 38-45; Stattmast schafe a) 43—48, b) 33- 40, c) 25—30; Schweine a) —,—, b) 68 bis 70, c) 66—68, d) 63—65, e) 61—62, f) bis 60; Säue 69—64; Ziegen 20—25. Marktverkauf: In allen Gattungen ruhig. — Vom 3. bis 5. Mai Mastviehausstellung. Widerrufung von Ausfuhrfrcigaben. Die mit Wirkung vom 16. Januar 1925 vom Reichswirtschaftsminister verordnete Aushebung des Ausfuhrverbotes sür die Waren der Taris- nummer 156« (rohe, auch entfettete Knochen, Knochenzatsen sHornpeddigs, Hufe und Klauen, zu anderen als Schnitzzwecken) ist bezüglich der Knochen mit Ausnahme der Hörner und be züglich der Knochenzatsen rückgängig gemacht worden. Amtliche Preise an der Berliner Produktenbörse. Getreide und Olsaaten je 1000 Kilogr., sonst je 100 Kilogr. Wetz., mark. 14 l. 247-254 13 l ! 244 249 Wettkl.s.Brl 14. l. 16.2 13. I. 16-16.2 pommerscher — Ropkl.s.Vrl. 15.9-16 155-15.7 Nopp., märl. 236-243 234-240 Raps — 405 pommerscher — Leinsaat — 120-425 westpreuß. — Viktor.-Erbs. 31-35 31-34 Fuuerperste 212---3' 2M-225 kl. Spcisecrbs 21-23 21-23 Braugerste 295 310 285-196 Fulicrerbsen >9-20 19-20 Hafer, mark. 116-1 »5 180 191 Peluschken >7 17, 17.0-17.5 pommcrfcher 176 185 1,0 183 Ackerbohnen 18 2V 18-20 westpreuß. —- —- Wicken 16-18 16 18 Weizenmehl Lnpin., blaue 12-13 12 13 p. 100 K il. fr. Lupin., gelbe 16-16.5 16-16.5 Ein Maienqlück. Originalroman von C. Wildenburg. 87. (Nachdruck verboten). Am andern Tage fass Wilma mit ihrer Gchil'in hinter dem Laden in dem kleinen Arbeitsraum. Sie waren beschäftigt, die letzte Hand an die für die Ausstellung bestimmten Sachen zu legen. Der kleine, schmucklose Raum machte heute den Ein druck eines lebenden Gartens, auf Tischen und Stühlen standen geschmackvolle reizende Arrangements, künstliche Orchideen waren bestimmt, neben frischen dem Beschauer natürliches Leben vornftmischen. Schwere buntfarbige Seidenschleifen schlangen sich mit Heckenrosen und Veil chen zu einer Guirlande zusammen, welche die Zeltdecke der Ausstellungsbude schmücken sollte. Wilma und ihre Gehilfin waren ganz in ihre Ar beit vertieft, da schrillte das Telephon. „Kleinchen, sehen Sie doch bitte nach, wer dort ist." Wilma war noch beschäftigt, den Wachsüberzug einer Orchidee in das Tampchad zu halten. Mit blassem Gesicht kam die Kleine zurück: ..Fräulein Wilma, der Graf ist da!" „llud?" fragte Wilma. „Er will Sie durchaus selbst sprechen." „Sagen Sie ihm bitte, ich wäre auf alle Fäl.c ver hindert." Ein harter Zug legte sich bei diesen Worten um den Weichen Mädchenmund Wilmas und ein kalter Glanz war in ihre Augen getreten, die sonst so süsz und weich blicken konnten. Tie Kleine ging wieder an den Apparat. Da das Gespräch aber gar nicht enden wollte, so trat Wilma selbst an daS Tejevhon, nahm Lilly san't den Hörer aus der Hand und legte ihn, das Gespräch ganz eiwach ab- brechcnd, nieder. Tann sührte sie die Kleine, den Arm um ihre Taille schlingend, wieder in den Arbeitsraum zurück. Tas war ja nun Lilly aus der Seele gehandelt. oenn ste hatte vem Grasen nie Sympathie abgewinnen können. So leicht, wie Wilma sich den Bruch mit ihm dachte, war die Sache aber doch nicht; sie hakte Herrsch wnattnen, wie die Graf Dieters, die gegebenenfalls auch mit Ge walt vorgehen, noch nicht kennen gelernt. Am nächsten Mittag kam fürs erste ein Brieschen: „Liebes Fräulein Wilma, warum behandeln Sie mich so schlecht? Ich nehme natürlich an, dass das alles ein Berschen war und erwarte Sie heute abend ganz bestimmt an der Gedächtniskirche um sieben Uhr, ich will Sie in das schicke Weinrestaurant von „Willy" sühren und möchte gern den Tag des Wiedersehens, der doch besondere Bedeutung sür uns haben soll, mit Ihnen seiern. Ihr ergebener Dieter v. M." Wilma atmete tief und befreit auf. Wie froh sie war, das nun überwunden zu haben! Welch ein Glück, daß sie durch einen Zufall den Falschen erkannt hatte, es wäre ihr im andern Fall sicher ihr Unglück und wieder eine neue Enttäuschung ge worden. Hell und silbern lachte Wilma da mit einem- male auf. Er hatte ja auch das richtige Restaurant gewählt, um sie noch mehr abzuschrecken. Es war dasselbe, in dem sie ihn mit der Andern hatte sitzen sehen, wo er, ohne es zu wissen, selbst den Stab über sein Schicksal gebrochen hatte. Das Zauberlied würde nun nicht mehr für sie erklingen, sie war ge eit und willensstark. Mit spitzen Fingern ergriff Wilma das kronenge schmückte Briefchen, als habe sie Angst, sich daran zu verbrennen. In kleine Fetzen zerrissen wanderte es in den Papierkorb, dann ging Wilma ruhig an ihre Ar beit zurück; zu dem Bo enjungen, der die Nachricht ge bracht hatte, sagte sie, Antwort wäre nicht nötig. Der Junge grinste vergnügt. Er machte sich seinen Bers darauf, und gedachte die Botschaft in der ihm richtig dünttndm Form iür ein gebührendes Trinkgeld nn den Mann zu bringen, gehörten doch diese Art von Bestellungen in Berlin äV. zu seinem täguchrn Ressort. Bergnügt fuhr er davon. Wilma aber hatte bei der Arbeit nur den einen Gedanken: Schade, daß die'e Unter brechungen mir das letzte Orchideenblatt verdorben hat. So sehr war ihr einziges Gefühl sür jeden Mann plötz lich zur Mißachtung geworden. — — Graf Dieter aber, dem der Junge eine bejahende Ant wort überbracht hatte, wartete im Smooking und Ucbcr- rock vergeblich auf seine Flamme, und die Briese, die er in den nächsten Tagen noch durch rote Radler zusandte, kamen ungeö fnet zurück. Da kam Graf Dieter eines Abends selbst, Einlaß be gehrend, vor den klein n Laden in der Net elbeckstraße. Die Tür verschloßen findend, rüttelte er heftig nn der selben, solange, bis ein Wächter der Wach- und Schließ- gesellschaft ihn bat, von der Tür abzulafsen, da er sonst gezwungen sei, einen Kameraden herbeizurufen und ihn zu verhaften. Zornbebend fügte sich der Graf für heute in das Unvermeidliche; sein Gesicht war verzerrt, als er sich zurückzog, um das Rennen vorläufig aufzugeben Aber nur vorläufig, nicht für immer. — XI. Wilma hatte keine Zeit mehr über die abgebrochenen Beziehungen zu dem Grafen viel nachzudenken; denn das Geschäft nahm sie ganz in Befchlag. Sie war glück lich, aus tiefster Seele glücklich; im vollsten Aufgehen in der Arbeit meinte sie, sich auch ohne Hcrzcnsglück mit diesem Lebenszweck ab'inden zu können. Wilma war jetzt oft gezwungen, ihren Laden der Ge hilfin allein zu überlassen, da sie im Ausstelttmgssaal zu tun hatte, um dort alles Nötige vorzubereuen. Sie hatte nie geglaubt, daß das Leben eine so tte'e Befriedi gung bergen könne! Es war doch das köstlichste Gefühl- unabhängig zu sein und fich sagen zu können, alles, was du besitzest, errangst du durch deins eigene Kra ' (Fortsetzung ie'M