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Ottendorfer Zeitung. de ^rrm-'lfer Zeiruug' Ücheini r-irartag, voiinkr»- og »nd Sonnabend abends. Sezngrxrei» vrertetjährtl» , Mark. Vnrch die Post bezogen 1,20 Mark. für dre Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdors und Amgegend. Mit wöchentlich eOcftemendei Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterkaltungsdlatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Landei und Wandel", „Feld"und Garten", „Spie! und Sport" und „Deutsche Mode. Annahme »oa Jnfeeat« hi» »»»»Mag W Nh». Inserat» werden mit 10 p siir di» Spaltz»ile h»r»chn«z Labtllarischer Satz nach b«s»nd«r»m Laris Druck und Verlag voi. -/ermann Rühte 'N Gcoß-MkriUa. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla No. 79. Mittwoch, den 1. Juli 1908. 7. Jahrgang. Sparkasse vmnüorl - Moritzltsrs verzinst Einlagen mit 3^/, o/^ und expediert an jedem Wochentage von 8—1, und von 3—6 Uhr, Sonnabends von 8—2 Uhr. Einlagen werden streng geheim gehalten Einlagebücher fremder Sparkassen werden kostenfrei über tragen. Vertliches und Sächsisches. Vttendorf-Gkrilla, dm zo. Iuni ,yv8. —* Die Linde blüht! Früher als sonst hat ste die silbernen Sterne geöffnet, die von dem grünen Kleide leuchten und so süßen, be lauschenden Duft ausströmen. Die Lindenblüten geben übrig'»S eimn wohlichmcckenden, schweiß treibenden Tee. Tiner der letzten der bei uns blühenden Bäume feiert sein Hochzeitsfest, zu dem die Bienen als Gäste geladen und reichlich Mit süßem Nektar v »sorgt werden. Das ist NN Summen und Singen um die farblos n Blüten, die an den Zweigen hängen, das ist eine Arbeit und Emsigkeit unter den Tieren, die von den reichen Vorrat nach Hause tragen, faviel cS nur geht. Es ist d e brei'.bläitrige Sommerlinde, die jetzt ihren Woblgeruch aus- strömt. ihr folgt in wenig Wochen die kl Ü!- biättrige Winterlinde. —* „Peter Purzel bricht dem Kern die Wurzel", sagt die Bauernregel vorn 2g. Juni, dem Peter Paulst ge. Dieser alte Kalcudr- spruch will besagen, daß von diesrm Zeitpunkt- ab da» Korn aufhört, durch die Wurzel Säfte >u ziehen und daß der Reifeproz.ß der Mehren beginnt. Wie lange noch wird's dauern, dann webt wieder der Wind über das Stoppilfeid An einzelnen Stellen zeigt der Roggen infolge der Trockenhe t der letzten Tage schon eine bedenkliche Weiße und Reife, sodaß die E »te- jeit wohl nicht mehr gar zu fern ist. Gleich seitig sei deshalb daran erinnert, daß, wenn Sensen auf öffentlichen Wegen oder in öffentlichen Orten getragen werden, die Schneide durch einen längs derselben zu befestig-Men Bügel (s^enannten Smseuschuh) verwahrt fein muß und daß Zuwid «Handlungen gegen diese Vorschrift bestraft werden —* Ein probates Mittel gegen Mückenstiche «ird von Dr Löt.- im „Medico" erwähnt. Da« von Tr Lö e cmp'oalene Mittel ist so einfach, daß sich ein jeder d-ss'N ohne w'it rcs bedienen kann. Bungt man nämlich das brennende Ende einer Zigarre so nahe an die Stichstellc heran, daß man den Hitzeschmerz eben noch ertragen kann, und erträgt ihn 30 bis 40 Sekunden, so ist der Schmerz dauernd verschwunden. Der Hitzschmerz ist bei dieser Prozedur k.'in-öwegs etwa stärker, als der durch Mückenstich hevorgerufene. Wirksam ist diese Methode übrigens nicht nur beim irischen Stich, fand in auch bei älteren. Es ist selbstverständlich nicht etwa die Zigarre als iolche. sondern die durch die Hitze bedingte Blutüberfüllung, die den Schmer^ beseitigt. Ein brennendes Streichholz, dicht angenähert, tut dieselben Dienste, und im Notfälle kann "wn, sofern es erreichbar ist ein Vrcnnglas "der vielleicht eine glühende Koble benutzen Die schmerzst llende Wirkung der Blutüberfüllung d' h. der künstlich hervorgerufenen örtlichen Entzündung, ist ja in der allerjüngsten Zeil durch die grundlegenden Versuche des Bonner Ehirurgen Pros. Bier allenthalben bekannt und Würdigt worden. — Dos Ministerium deL Innern bat dem ^ächs. Zentralv-rbande gegen de» AlkoholiSmuS, vis dem Mittelpunkt all r zur Bekämpfun i des i öteren in Sachsen bestehenden Organisationen, tue die Etatsjahre 1908 und 1909 eine Sta to- beihgse von jährlich 2000 Mk. bewährt. Dieselbe wird namentlich dem in unserm engeren Baterlonde hochentwickelten Trinkerreltungswerk vud in erster Linie der Volksheilstätte Scefrieden b" Moritzburg (für allkoholkranke Männer) Zugute kornmen. In letzterer Heilanstalt werden am 1. Juli wieder eine Anzahl Plätze st-i. —* Radfahrer-Signale. Z 6 Abs. 4 der Verordnung der sächsischen Ministerien der Finanzen und Innern über den Radfahrverkehr aui öffentlich?» Wegen vom 16. Oktober 1907 ist durch eine neuerliche Ve ordnung wie folgt abieändert worden: „Zweckloses oder be lästigendes Klingeln ist zu Unterlasten. Der Gebrauch von Signalpfeifen .Hupen und beständig tönenden Glocken (Schlütenalocken und der gleichen) sowie von sogenannten Radlu! fglockm, sofern sie dergestalt mit der Hemmvorrichtung in Verbindung stehen, daß sie ertönen, wenn und solange diese in Anwendung gebracht wird, ist untersagt. Königsbrück. Von einem beklagenswerten Unfall ist die Familie des Musikers und Stein- arbeiterd Köckritz, Bergstraße hin s.lbst wohnhaft, b.troff-» worden. Gestern gegen 5 Uhr wurde das 3 jährige Söhnchen der Familie vermißt. Nach längerem vergeblichen Suchen fand man das Kind in der Abortgrube. Das mit Krämpfen behaftete Kind ist mutmaßlich durch das Abfall- roh- in die Grube des Aborts gestürzt und Hot sich, da es auch stumm war nicht durch Sch:eien bemerkbar machen können, sodaß es elend um kommen mußte. Den unglücklichen Eitern bringt man allgemein mitfühlende Teilnahme ent gegen. Bautzen. Durch Unvorsichtigkeit tödlich verletzt wurde einSohn des Schneiders Müller von hier. Ein Verwandter des Kirschenpächt-rs Schmerder hantierte in der Temmritzer Kirschen- aller mit einem alten geladenen Gewehr. Plötzlich krachte ein Schuß und du ch beide Beine getroffen fiel der in der Näh? stehende 11 jährige Knabe zu Boden Schwer verletzt mußte er ins Krankenhaus transportiert werden Arnsdorf. Der Ba» der neuen LandcS- anstall wird in wenigen Tag-n begonnen werden. Radeberg Rat und Stadtverordnete einigten sich über die Bedingungen, unter denen sie der Fabrikst-aße und ibnr Unterführung unter der DreSden-Görlitzer-Eiscnbahn zustimm n wollen. Die Hauptbedingungen sind der voll ständige bauplanmäßige Ausbau der neuen Straßenecke mit gepflasterten Fußwegen und Kanalisation, Ankauf und Abbruch mehrerer Häuser im Interesse einer möglichst geraden St-aßenführung und Herstellung eines Personen tunnels am jetzigen Uebergange, alles aus Kosten des Staads. Die Anlieger der jetzigen Fabrik- straße haben einen ganzen Rattenkönig von Schadenanlpruchs-Prozessen angekündet Dresden. Das hiesige Landgericht verur teilte den Fabrikbesitzer Römmler von hier, der seit 1907 'N der von ihm geleiteten Fabrik Postkarten mit unzüchtigen Abbildungen Her stellen ließ, von denen 60000 Stück beschlag nahmt wurden, wegen Vergehens nach H 184, Abs. 1 des N.-St.-G. zu 1000 Mark Geld strafe. — Schwere Brandwunden erlitt die Ehe frau eines Straßenbahnschaffners in Vorstadt Strießen, die Spiritus auf einen Kocher nach gießen wollte, wobei jedoch der Inhalt der Spirituskanne explodiert?. — Die Loschwitzer Stammfabrik der Akiien- Gesellschaft für Kartonagen-Jndustric wurde am Sonntag morgen von einem verheere den Schadenfeuer heimgesucht. Zwei Flüg-l des großen Fabrikgebäudes und auch das Verwaltungs gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen. Die EntstehungSnrsache konnte bisher nicht festgestellt werden. Die Verwaltung glaubt, wenn auch nicht sogleich den vollen, so doch ! mindestens drei Viertel des Betriebes ungestört aufrecht erhalten zu können. Die großen Warenbestände hoben am schwerste» gelitten. Der Sckaden ist voll durch Versicherung gedeckt, d ren Regulierung vereinfacht werden dürfte, da gerade in den letzten Tag n Jnventurarbeiten tatigesimden habe». Im Februar 1903 wannte die Tetschener Fabrik derselben Gesellschaft ab. Oschatz Die städtischen Kollegien beschlossen in gemeinsamer öffentlicher Sitzung prinzipiell die Einrichtung eines Elektrizitätswerkes mit Drehstromanlage, ohne sich jedoch auf die van Ingenieur Vischinger-Dresden für dieses Projekt veranschlagte Summe von 287000 Mk. fest zulegen. Glauchau. Am Freitag mittag brach in der Gasanstalt Feuer aus, dem eine Explosion voraus gegangen war. Bei der Explosion wurden acht Personen mehr oder weniger schwer verletzt. An einem großen Wasserkopf, über welchen das Gas hinwegströmt, wurde eine Reparatur vorgenommen, wobei ein 300 Millimeter starkes Rohr platze und infolgedessen Mit lautem Knall so heftig explodierte, daß der in d-m Wastertopf arbeitende Maurer Glaser mit voller Wucht aus dem Behälter beraus- -eschleudert wurde, jedoch mit geringen Ver letzungen davon kam Die übrigen 6 Arbeiter dagegen mitsamt dem Gasmeister erlitten durch das brennende Gas, das den Raum sofort in ein Flammenmeer hüllte, erhebliche Brandwunden, am ä'gsten wurd? der Gasmeister zugerichtet. Trotz seiner starken Verletzungen war er jedoch ofort behilflich, daß die du'ch den Luftdrnck meist zu Boden geworfenen Arbeiler schnell aus dem brennenden Raume transpoltiert wurden. Der entstandene Brand, der in dw Hauptsache den Dachstuhl ergriff, war nach halbstündigen Lö'charbeiün bekämpft. Penig. Der Arbeiter Johann Müller ließ wcimal hintereinander für die abgelaufene Woche die Arbeitsunfähigkeit vom Kastenarzt der Ortskrankenkaste bescheinigen und erhob zu- ammen 29,75 Mk., ohne seine Erwerbstätigkeit — abgesehen von zwei Tagen — eingestellt ru haben. Er ist jetzr wegen Betruges vom Schöffengericht zu einer Woche Gefängnis ver urteilt worden. Geilhain. Im nahen Tautenhain wurde am Sonyabcnd abend in der 6. Stunde die neun Jahre alte Tochter des Arbeiters Zocher von einem schnell fahrenden Geschirr überfahren und sofort getötet Das bedauernswerte K'nd hatte mit einer Anzahl Altersgenossen einer Spritzenprobe zugesehen. Lengenfeld i. V. In der Hartsteinschen Gardinenfabrik geriet eine Arbeiterin in die Maschinerie. Dem schwer verletzten Mädchen wurde die Haut buchstäblich vom Kopfe gezogen. Die Verunglückte wurde sofort in das Kreis- krankenstist nach Zwickau transportiert. Aus der Woche. In der internationalen Politik stimmt etwas nicht. Darüber sind sich Politiker, Diplomaten und Laien vollständig einig. Mit allzu nervöser Hast wird bald Kriegslärm gemacht, dann wieder in sanften Worten vom ewigen Frieden ge sprochen, zweimal in kurzer Zeit hat der Kaiser Wilhelm weithin hörbar von der Wahrhaftigkeil des Landes gesprochen und man Hal unwillkürlich den Eindruck, als ob der Kaiser irgend jemand darauf mit besonderem Nachdruck verweisen wollte. Zuerst geschah es in Döberitz in einer Rede, deren Wortlaut nicht verbürgt ist, der aber kriegerisch gewesen zu sein scheint. Dann bei der Segelregatta in Hamburg. Wir wollen Frieden, aber nur einen ehrenhaft bewahrten, nicht einen um jeden Preis erkauften. Werden die Reichöfeinde die ernste und würdige Mahnung verstehen? Oder wird jeden Tag eine neue Lüge ihren Weg über den Erdbal machen, um Deutschlands Politik bald in bezug auf Marokko, bald wieder in bezug auf den Balkan zu verdächtigen? Hier und da tauchen aus der Flut Stimmen der Vernunft auf, die -öffentlich in dem Wiriwarr die Ueberhand be- -alten werden. — In der Welt sieht es ohne hin nicht allzu friedlich aus. Als erste Folge «er in Reval vollzogenen Verbrüderung zwischen Rußland und England ist der Umschwung an anzusehen, der sich in den politischen Kreisen ^tcrsburgs im Hinblck auf die Flottenvorlage ollzogen hat. Anfangs wollte die Duma von o gewaltigen Rüstungen nichts misten, wollte der Reichsrat eine Genehmigung versagen. Aber da der neue Bundesgenoste eine starke Flotte wünscht, eine große Armee als uner läßlich erachtet, wirft die Regierung den Karteien die englische Freundschaft als Köder in. Er hat gewirkt. Bald wird Rußland die ersehnte Flotte haben und sich ihrer solange reuen dürfen, bis England in d?n schwimmenden Festungen wie vor dem mandschurischen Kriege, wieder eine Gefahr für seine Seemacht sieht. Warten wir die Entwickelung dieser neuesten Freundschaft ab. — In Frankreich munkelte man in der abgelaufenen Woche von einer Ministerkrise, es hieß Herr Clemencau werde in der Kammer bei der Beratung der Westbahn vorlage in der Minderheit bleiben und dann eine» von viele» Seiten e sehnten Abschied nehmen. Aber shon im Senat hat dec schlaue Münsürstürzer auf die v-rwickelten Dinge in Marokko und auf Fallieres Nordlondreise ver- wicsen und damit auch die heftigsten Wider- acher zum Schweigen gebracht. Allerdings zünftig ist Frankreichs Position in Marokko einesfalls. Der entthronte Abd ul Aziz ist reim besten Willen auch für den Norden nicht mehr zu retten und Frankreich ist bereit, wenn man englischen Blättern Glauben schenken darf, aufgefordert worden, die Anerkennung Muley Hafids zum Schaden der Erledigung der Marokko-Frage nicht länger hinauszuschieben. Ob aber Abd ul Aziz sein Schattensultanat noch eine Zeitlang weiter führt, ob Muley Hafid alleiniger Sultan wird, ist gegenüber der Frage, welche Stellung Frankreich im Scherifenreiche einnehmen soll, völlig ohne Be lang. Immer dringender wird von verschiedenen Zeiten der R»f laut: „Was bezweckt Frankreich eigentlich in Marokko?" Hoffentlich st di- Zeit nicht mehr fern, wo Frankreich ich entschließt, diese Frage erschöpfend zu be antworten. — Der Großsultan in Konstantinopel ieht gemächlich dem Treiben der Mächte zu, die über die mazedonische Reform beraten. Er weiß, daß er seither noch immer mit seiner Verzögerungspolitik Erfolg gehabt hat und glaubt auch diesmal unbedingt an ihren Erfolg. — Der Zwiespalt zwischen dem Schah von Persien und dem von seinem Vater ge- chaffenen Parlament hat sich nunmehr so zugespitzt, daß es zu blutigen Straßenschlachten m der Hauptstadt Teheran gekommen ist Offenbar hat Mohamed Ali Mirza den Versuch machen wollen, die Konstitution in Persien wieder aufzuheben, wenngleich er behauptet sein Vorgehen gegen das Parlament habe nur einigen Revolutionären gegolten. Glücklicherweise sind bei dem Gemetzel, dem über 150 Menschen zum Opfer gefallen sind, alle Europäer ver schont geblieben. Bezeichnend für die Lage im Pe:serreiche aber ist es, daß den Oberbefehl über die das Parlament bombardierende Artillerie der russische General Lyako geführt hat. Das deutet darauf hin, daß Englands Einfluß am Teheraner Hofe zurückgedrängt worden ist. Es ist fraglich, ob sich England, das doch mit dem Zarenreiche einen Vertrag über Persien geschlossen hat, auf die Dauer in der ihm zugewiesenen untergeordneten Stellung wohlfühlen wird. Begnügt sich aber Eduards Regierung mit dem zweifellos zweite Platz in Persien, so hat sie von der russisch Regierung dafür Zugeständnisse erhalten, vo» denen die Well noch nichts weiß. Sicher aber hat sie keinen Handel gemacht, bei dem sie zu kurz gekommen ist.