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Ottendorfer Zeitung : 22.04.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190804225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19080422
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19080422
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-22
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.04.1908
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politische kunälckau. Deutschland. *Zum Aufenthalt des Kaiserpaares auf Korfu wird berichtet, daß demnächst der Prinz von Conn aught, der Bruder des Königs von England, dort zum Besuch eintrefsen wird. Auf besonderen Wunsch der Kaiserin ist die ursprünglich für den 28. April festgesetzte Abreise auf Anfang Mai ver schoben worden. *Die Audienz, die Reichskanzler Fürst Bülow gelegentlich seines Aufenthaltes in Rom beim P a p st hatte, erregt das allgemeine Interesse um so mehr, als die Unterredung ohne Zeugen länger als eine halbe Stunde währte. Auch mit dem Kardinal-Staatssekretär Merry del Val hatte Fürst Bülow eine längere Unterredung. Das Mornale d'Jtalia' bemerkt dazu: Wenn auch auf beiden Seiten der Wunsch besteht, dem Besuch jede politische Be deutung abzusprechen, bleibt jedoch die Tat sache, dak Fürst v. Bülow der erste deutsche Reichskanzler ist, der dem Papst seine Auf wartung machte. Es hat den Anschein, als ob von deutscher Seite der Brauch eingeführt werden sollte, daß kein hervorragender deutscher Diplomat in Rom weilen darf, ohne auch den Papst zu besuchen. * Der Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow, der an den Höfen in München, Dresden, Stuttgart und Karlsrube seinen Besuch zu machen beabsichtigt, wird am 23. d. in Stutt gart vom König von Württemberg in Audienz empfangen werden. * Wie von unterrichteter Seite gemeldet wird, sollen die beiden Erklärungen über die Nord see und Ostsee, die erste in Berlin, die zweite in Petersburg, nach Ostern, und zwar möglicherweise noch vor dem 1. Mai, gezeichnet werden, unter der Voraussetzung, daß die vor der Zeichnung noch zu erfüllenden Förmlichkeiten in den beteiligten einzelnen Staaten glatt er ledigt werden. * Wie verlautet, wird die preuß. Regie- rung dem neuen Landtag einen Gesetzentwurf über die Feuerbestattung vorlegen. * Dem elsaß-lothringischen Lan desausschuß ist eine Vorlage der Staats regierung auf Zulassung der französischen Sprache in den Versammlungen des Reichs landes zugegangen. *Wie die .Münch. N. Nachr/ melden, ist dem Justizrat Bernstein jetzt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft am Landaericht Berlin wegen Beleidigung des Fürsten zu Eulenburg zugestellt worden. Die Be leidigung wird in einigen Äußerungen gefunden, die Justizrat Bernstein beim ersten Harden- Prozeß getan hat. Osterreich-Ungarn. "Nach Wiener Meldungen wird in Ischl, wo Kaiser Franz Joseph Sommerauf enthalt nimmt, auch Falliöres, der Präsi dent der französischen Republik eintreffen, um den greisen Monarchen zu seinem 6t) jährigen Regierungsjubiläum zu beglückwünschen. * Nach einer Meldung aus Wien ist zwischen Frankreich und Österreich in bezug auf die Balkanfrage eine erfreuliche Überein stimmung festgestellt worden. Es ist also Hoff nung vorhanden, daß die bevorstehenden Ver handlungen keine großen Schwierigkeiten machen werden. * Am 30. d. werden in Wien die österreichi schen und die ungarischen Minister sich in einer Beratung über gemeinsame Angelegenheiten auch mit der Feststellung des gemeinsamen Budgets für 1909 beschäftigen. Die Wichtigste Frage, die zu erledigen ist, hat bereits allseitige Zustimmung gefunden, nämlich die Erhöhung des Friede nsbe st andes der Armee. * In Prag kam es nach einer Versamm lung in der Hetzreden gegen Deutsch land gehalten worden waren, zu einer förm lichen Riesenschlacht zwischen Deutschen und Tschechen. Die Polizei hatte vier Stunden zu tun, ehe sie die Ruhe wiederherstellen konnte. *Die Verhandlung gegen den Mörder des Statthalters Grafen v. Potocki, den Studenten Siczynski und dessen Mutter wird im Mai in Lemberg vor den Geschworenen stattfinden. Frankreich. *Wie aus Paris berichtet wird, ist es zwischen der französischen Kriegsverwaltung und den mit dem Bau der italienisch-fran zösischen Bahnlinie Coni —Nizza betrauten Unternehmern zu Meinungsverschieden heiten gekommen. Nach dem ursprünglichen Plan sollte bei Piena nur ein Tunnel angelegt wer den. Kurz nach dem Beginn des Baues dieses Tunnels erklärte jedoch die französische Kriegs verwaltung, daß im Interesse der Grenzverteidi gung die Anlage zweier Tunnels verlangt werden müsse. Da eine Verständigung nicht erzielt werden konnte, sind die Bahn arbeiten bis auf weiteres eingestellt worden. *Jn Narbonne, dem Hauptort der Winzerunruhen im vorigen Jahre, wurden vor das Haus des ehemaligen Bürgermeisters, des ehemaligen Beigeordneten und des jetzigen Bürgermeisters Bomben gelegt. Zwei von ihnen explodierten und richteten großen Sach schaden an. England. * König Eduard ist wieder in London eingetroffen und hatte sofort eine lange Unter redung mit dem neuen Premierminister Asquith, der den König auf dem Bahnhof empfangen hatte. Rnstland. *Jn der Reichsduma kam es bei der Budgetberatung zu fürchterlichen Lärmszenen. Die äußerste Rechte verließ während der Ab stimmung über einen Antrag, der die Budget rechte der Duma zum Ausdruck brachte, den Saal. Minister Stolypin ermahnte zur Ruhe und erklärte, er wolle den Zwischenfall als ungeschehen betrachten. Balkanstaaten. * In diplomatischen Kreisen Bulgariens verlautet, die französische Regierung werde demnächst einen Bermittelungsvor- schlag zwischen den englischen und russischen Reformvorschlägen bezüglich Mazedoniens einbringen. * Der rumänischen Kammer legte Finanzminister CostineSco einen Gesetzentwurf vor, der die Verteilung der Gesamtpro duktion von Petroleum für Beleuchtungs zwecke auf alle Destillerien des Landes und die Feststellung eines Höch st Verkaufspreis es betrifft. Die Mehrheit der Kammer erklärte sich für diesen Gesetzentwurf, der das wichtige Ver brauchsmitte! der Spekulation entzieht. Amerika. *Wie aus Washington gemeldet wird, hat der Kongreß der Ler. Staaten nur zwei Schlachtschiffe bewilligt, trotzdem Präsident Roosevelt persönlich und brieflich betont hatte, vier Schlachtschiffe seien nötig, da ein Krieg jederzeit möglich sei. Der Beschluß des Kon gresses bedeutet eine entschiedene Niederlage des Präsidenten. Afrika. , * Aus Marokko wird wieder einmal ge meldet, Muley Hafid wünsche mit den Franzosen in Friedensverhandlungen einzutreten. Was aber von seinen Fiiedens- wünschen zu halten ist, geht aus einer andern Meldung hervor, wonach sowohl an der Grenze Algeriens, wie in der Umgegend von Settat, dem Hauptplatze der französischen Streitkräfte, umfangreiche AngriffSmaßregeln von Anhängern Muley Hafids getroffen werden. Offenbar will der geriebene Gegensultan durch sein« Berhand- lungen nur Zeit gewinnen. Aste«. * Nach einer Meldung aus Tokio beabsichtigt die Negierung, China, Nußland und die Ver. Staaten (die den Frieden von Ports mouth vermittelt haben) zu einer Konferenz ein zuladen, auf der die mandschurische Frage gelöst werden soll. *JmnordwestlichenPersien wollen sich die Zustände nicht bessern. Nach einer Mel dung aus Täbris herrschen in der Gegend von Ardabil Unruhen. Die Postkarawane wurde in einer Woche zweimal ausgeplündert. Der Karawanenweg zum Kaspischen Meer ist unter brochen. Vom neuen englischen Premierminister. » Vor acht oder neun Jahren, als der nun zurückgetretene britische Premierminister Führer der Opposition war, konnte Sir Henry Campbell - Bannerman sich lächelnd eine Art .a-ki-a avls" nennen, „einen Politiker ohne Ehrgeiz." Er selbst liebte es zu betonen, daß „es stets die Macht der Verhältnisse" gewesen, die ihn vorwärts trieben. Als der ehemalige Kriegsminister, der Vertraute Gladstones, nach dem Burenkriege die Leitung der radikalen Liberalen übernahm, da wurde „C.-B." kaum als der Mann angesehen, der längere Zeit das Steuer des gefährdeten liberalen Schiffes führen würde; seine Wahl war ein Notbehelf und nicht mehr erhoffte man von ihm, als daß er seine Partei durch die Stürme des Augen blicks würde hindurchretten können und dann wieder in den Hintergrund treten. Der tief gründige Kenner des klassischen Altertums war zwar eine Persönlichkeit von unantastbarer Rechtlichkeit, ein Charakter, dessen leuchtender Lauterkeit sich kaum jemand zu entziehen wußte; aber das, was einem Parteiführer den Lorbeer verheißt, eine glühende, leidenschaftliche, mit reißende Rednergabe, war und blieb ihm stets versagt, und seine unweigerlich mit klassischen Zitaten geschmückten Reden wurden vorher sorglich Wort um Wort, ja selbst mit den Witzen fixiert und dann abgelesen. Aber „C.-B." hatte ein andres einzuletzen, dessen Wirkungskraft erst die späteren Jahre lehren sollten: in seiner zähen Schottennatur wurzelt eine Widerstandskraft, ein Ausharren, ein Nichtweichen, ein fast starres Festhalten an den einmal erfaßten Zielen, die bald zu entscheidenden Triumphen führten und den greisen Politiker schließlich auch aut den Sessel des Premier ministers hoben. Anders der Mann, der nun das Erbe „C.-B." antritt, Mr. Asquith. Auch in seinem politischen Leben hat es Strecken ge geben, wo der liberale Parteimann in der großen Versenkung zu versinken schien, allein die Folge hat gezeigt, daß hier eine kluge, überlegende, abmeffende Zurückhaltung wirkte, die ihre Kräfte schonte, um im entscheidenden Augenblick überraschend und entschlossen auf zutauchen. Und im Gegensatz zu Campbell- Bannerman knüpften sich von jeher an Asquith große Erwartungen und seitdem Gladstone auf' die außerordentlichen Fähigkeiten des jungen Advokaten, der damals durch sein glanzvolles Auftreten im Prozeß gegen die.Times' über Nacht zum berühmten Manne wurde, auf merksam wurde, hat er nicht ausgehört, als der „kommende Mann" zu gelten. „Es ist eine der führenden Persönlichkeiten im Unterhause", so schilderte ihn ein englischer Politiker, „er erweckt die Aufmerksamkeit. Mit dem Silber haar, das sein bewegliches, jugendliches Gesicht umrahmt, mit seiner kräftigen vollen Stimme und seiner Miene unbesiegbaren Vertrauens, bezwingt er seine Hörer sofort durch die Macht seines Verstandes. Man spürt, daß seine Handlungen unabwendbar sind und daß es eine Kühnheit wäre, ihm zu widersprechen. Seine gewaltige Arbeitskraft ist eines der Geheimnisse seines Erfolges. Sechs Stunden täglich im Gerichtssaal, sechs Stunden im Unterhaus, es würde ausreichen, um selbst die Kraft eines Geistesriesen aufzureiben. Mr. Asquith überwindet auch dies. Seine „Karriere" begann eigentlich schon in der City of London-Schule. Er hat uns einmal erzählt, wie er sich dort, — wenn es ihm auch nicht gelang, die Elemente der Mathematik zu über winden — zuerst daran gewöhnte, alles klar auszudrücken. Von jener Zeit an erntete er reiche Lorbeern, und während des Restes seiner Schülerzeit und in seinen Studienjahren fehlte es ihm nie an Auszeichnungen und Preisen. Bevor er mit 24 Jahren als Rechtsanwalt in London seinen Beruf auszuüben begann, unter richtete er eine Anzahl junger Juristen, die rock heute seine Vorlesungen rühmen. Don dem Tage aber, da er den Gerichtssaal betrat, wird seine Tätigkeit zu einer ununterbrochenen Kein sowohl juristischer als auch parlameniarischer Erfolge. Seine politischen Anschauungen ent standen im Achtziger Klub, zu dessen ersten Mitgliedern er zählte. Die Gewandtheit uxd die Kraft, die er in dieser Sphäre entwickelte, lenkte denn auch zuerst den Blick Gladstone? auf ihn. Von jeher war er ein klarer und außerordentlich gewandter Sprecher. Er Haiti eine seltene Gabe, knappe schlagende Sätze zu prägen, und eine Reibe seiner AuSfprüche ist längst in den politischen Schlagwörterschatz übergegangen. Er galt fast als unfehlbar und mit einem gewissen Bedauern pflegte er auch auf andre herabzublicken, deren Selbstvertrauen nicht so stark und sicher war wie das seine. Nichts ist ihm so verhaßt, wie überflüssige? Schwatzen, und manche seiner politischen Freunde haben sich darüber zu beklagen gehabt, daß er sich bisweilen in seinem Wesen als den Über legenen gibt; in Wirklichkeit aber ist ASqM ein sehr geistreicher Mann und verfügt auch über einen scharfen Mutterwitz. Auch für Humor hat er sehr viel Sinn, und die ihm persönlich nahe treten, haben ost Gelegenheit, das zu erproben. Im Sommer 1894 unternahm er gemeinsam mit seinem politischen Feind und persönlichen Freund Mr. Balfour einen kleinen Bergnügungsausflug nach Earls Court. Balfour war schon vordem einmal dort gewesen und hatte bei der Gelegenheit die Wafferrutschbabn benutzt, und nun versäumte er nicht die Ge legenheit, auch seinem Freunde diese Sensation zu bieten. Das schnelle Herabrutschen der zwei verursachte eine ziemliche Welle und der künftige Premierminister und der künftige Schatztanzler wurden redlich durchnäßt. Aber sie schienen nck trefflich dabei zu unterhalten, lachten herzlich und eilten schleunigst zur Stufenbahn, um neue Abenteuer zu erleben. . ." Von und fern. Der Brand der alten Berliner Gar- »isonktrche. Uber die Entstehungsursache de? Brandes der alten Garnisonkirche in Berlin, die am 13. d. zum größten Teil durch die Feuers brunst zerstört ist, hat noch nichts genaues er mittelt werden können. Die Untersuchung über den Brand ist der Kriminalpolizei übergeben worden. Anscheinend ist der Brand infolge Kurz schlusses in der elektrischen Leitung an der Orgel entstanden. Kaiser Wilhelm hat vom Achilleion aw Korfu an den Generalfeldmarschall v. Hahnke, der als Gouverneur von Berlin Vizepatron der Garnisonkirche ist, nachstehendes Telegramm ge richtete „Ich bin tiefbetrübt über die Meldung von dem Brande, welchem die alte Garnison- kirche so bald nach ihrer Renovierung zum Opfer gefallen ist. Allen, die' sich an dem Rettungswerk beteiligt haben, insbesondere der Feuerwehr, welche Bewunderungswertes leistete, spreche ich meinen Königlichen Dank und meine Anerkennung aus." Professor Fettz Werner gestorben- Der Maler Professor Fritz Werner, ordentliches Mitglied der Akademie der Künste, bekannt als Maler von Bildern aus der Zeit Friedrichs des Großen, ist in Berlin im 81. Lebensjahre gestorben. Eine Engländerin mit der preußische» Rettungsmedaille dekoriert. Eine auster- gewöhnliche Auszeichnung ist vor kurzem einer Engländerin Fräulein Grace Davenport aus Cannock durch Verleihung der preußischen Rettungsmedaille zuteil geworden. Im vorigen Juni rettete Fnäulein Davenport in Steinau in Schlesien ein Mädchen, das in die Over ge fallen war. Schon damals war sie für De tapfere Tat öffentlich belobt worden, und jetzt hat ihr der Kaiser die Rettungsmedaille ver liehen und durch den Botschafter in London überreichen lassen. Das E«v< der Glückfpielautomat«»- In Altona hat die Polizei sämtliche Glücksspiel' automaten beschlagnahmt. Hs Vater Kkein. 4j Roman von Georg Heinrich Görz. lFMAktzNLg.) Allseitiges Gelächter. Wütend springt Jan auf; er kann es nicht ertragen, wenn man ihn an sein Gebrechen er innert. Franz bekommt ein paar gehörige Klapse auf den Rücken. Die andern aber lachen, daß ihnen die Tränen über die Backen rollen. „De Jöng is em tu schlau," meinte Gerd, als Jan vergebliche Anstrengungen machte, des ihm aus den Händen entwischten, flinken Burschen habhaft zu werden. Im Nu springt Franz die Kajütentreppe empor. Von oben herab rast er lachend: „Ich geh' zum Kapitän, wemr du mich nicht in Ruhe läßt." Jan, der des Gefechtes müde ist, setzt sich bald wieder nieder und läßt den Jungen unge schoren. Nur eine kräftige Bemerkung kann er nicht unterdrücken: „Lot di man «ich weder packen; sonst denn göw't wat, aber gründlich." „Ich bin nicht bang!" sagt Franz. „Aber weglopen kannst« fix," ruft Gerd. Dann wendet sich das Gespräch zu andern Dingen. Auch Franck — der sich von den ihn am Morgen bestürmenden Gedanken scheinbar leicht losgerissen hat — nimmt eifrig an der Tischunterhaltung teil. 3. Nach der Mittagszeit hat Franck — unter stützt von dem Schiffsjungen — die Eßgeschirre zu reinigen. Niklos und die andern strecken sich auf den Pritschen zum gewohnten Schläfchen nieder. Ms er mit seiner Arbeit fertig ist, nimmt sich Franck aus seinem Bücherspind — außer ihm besitzt keiner der Matrosen ein solches — ein gutes Unterhaltungsbuch, und geht an Deck hinauf. Dort wirft er einen flüchtigen Blick umher. Das Panorama zu beiden Seiten des Stromes ist immer schöner geworden, fett er zu seinen Kochtöpfen hinunter gehen mußte. Franck klappt das Buch auf und beginnt zu lesen. Das sind die schönsten Stunden seines Daseins, wenn er sich, in ein gutes Buch ver tieft, oben auf Deck aufhalten kann. Schon als Knabe hat er den Erzählungen des Groß vaters, der weit in der Welt herumgekommen war, mit gespanntem Ohr gelauscht. Von Sitten und Gebräuchen fremder Völker, von seltsamen Lebensschicksalen, von den Freuden und Leiden des Daseins und vielen andern Dingen hat ihm der Großvater erzählt. Im Pensionat bat er ebenfalls fleißig gelernt und auch in seiner Schiffsjungenzeit hin und wieder von seinem Vormund Bücher erhalten, aus denen er sein Wissen bereichern und seinen Blick er weitern konnte. Auch kaufte er sich von seinem Spargeld nicht selten Buch um Buch. Mit Rat und Tat unterstützte ihn in seinem Streben nach Weiterbildung der Steuermann des „Buitenzorg", auf dem er seine Lehrzeit ab diente. Dieser entstammte, wie auch Francks Vater uns Großvater, aus einer jener immer seltener werdenden konservativen Schiffer ¬ familien, die ihren K udern eine vornehme und gediegene Erziehung angedeihen lassen, weil sie selbst gute Formen und vorzügliches Wissen be sitzen. Steuermann Knapp, den der Schiffs junge Franck dauerte, weil ihm die Eltern zu früh gestorben, lehrte ihn alles, was ei» Schiffer nur wissen muß. Er machte ihn auf die Untiefen im Rhein aufmerksam und wies ihn an, immer die richtige Fahrstraße im Auge zu behalten. Auch mit Lot und Senkblei ließ er Franck »machen und unterwies ihn in Geometrie und sonstigen Wissenschaften. Einen besonders nachhaltigen Einfluß aber übte Knapp bei dem Schiffsjungen in der Richtung, daß er auf dessen gutes Benehmen hielt und ihn an wies, den asten Familienstolz nicht zu vergessen, zu dem die Eltern schon einen Keim in ihn ge legt hatten. Von seiner Lektüre fährt Franck plötzlich empor, als er Schritte »eben sich hört. Franz steht, seine Zither unter'm Arm, vor ihm. „Ich wollk unten spielen," sagte er. „Aber da hat mir Gerd, den ich aus dem Schlaf ge weckt hatte, einen Pantoffel auf den Rücken ge worfen." „Wirst das wohl verdient haben!" „Nein, gewiß nicht. Darf ich hier oben spielen? Ich werde Sie wohl im Lesen stören ?" „Spiel nur, Franz, mich störst du nicht." Am Ufer des Stromes taucht eben das Siebengebirge auf; hoch oben auf steilem Bergkegel ragen die steinernen Trümmer der ehemals so stolzen Drachenburg in die Luft. — Franck würde auch hingesehen haben, wenn Franz nicht mit seiner Zither nach oben ge kommen wäre und zu spielen begonnen Er legt sein Tonpfeifchen, das er sich beu" Lesen angezündet hat, auf die Bank hm u" sieht auf. — Die Arme gekreuzt, steht " sinnenden Blickes da. Dieser Punkt des RIM stromes muß eine ganz besondere Anziehung kraft auf ihn ausüben . . . In der Tat — so ost das Schiff an die^ Stelle vorbeifährt, schaut Franck auf. In sein"' Blick und in seinem Wesen prägt sich dann "" gewisse Aufgeregtheit aus. — DaS ist A wenigen Monaten so. Den Höhepunkt erE diese seine Aufmerksamkeit, wenn sein Blick die bald im Strombett auftauchende Insel Nonne" Werth fällt . . . Scharfen Blickes sieht er auch heute d" liebliche Wand näherkommen . . . Mr^ Ruine Rolandseck, die sagenumsponnen, eie- umrankt oben steht, auch für die reizvE gegenüber liegenden Uferpartien hat er Auge . . . Nonnenwerth ist das Ziel sE Beobachtungen. . . Grünes Gehölz umsäumt das Jnselland - spähend schaut er hinüber, als ob zwischen Bäumen hervor irgend eine ersehnte A scheinung treten müsse . . . Weiter fährt d" Schiff. Durch das Bauwerk hindurch w der Blick auf ein hohes, altes Klostergeböu^ Franck steht erwartungsvoll hinüber, als ob einer der hohen Fensteröffnungen irgend liebe Gestalt auftauchen müsse. „Wieder vergebens!" kommt es dann "» täuscht von seinen Lippen.
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