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7522 Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. «v 141. 20. Juni 1912. der Menschen für die Kultur des Buches, zeigen den Menschen den Weg zum Buch und erziehen sie zur Freude am Buch und zur Ehrfurcht vor dem Buch; verkauft wird das Buch allein durch den Buchhandel. Ich stimme Ihnen darin bei: Wehren Sie sich gegen jeden unrechtmäßigen Verkauf der Bücher außerhalb des Buchhandels. Aber lassen Sie alle die Gruppen außerhalb des Buchhandels an der Volksbildung und an der Erziehung der Menschen zum Buch ungehemmt tätig sein. Bekämpfen Sie keine Volksbildungsbereine und keine Bücherhallen bewegung. Bekämpfen Sie auch nicht das Recht jedes Staats bürgers, jede Erscheinung des öffentlichen Lebens kritisch hinzunehmen, bekämpfen Sie also auch nicht das Recht des Lehrers, jedes Buch kritisch zu prüfen. Und dann Helsen Sie mit daran arbeiten, daß auch die große Masse, die wir draußen für den Buchhandel zu erziehen uns bemühen, im Buchhandel heimisch wird. Und sorgen Sie ferner dafür, daß in den Kreisen der Buchhändler der W i l l e z u m V e r - stehen da ist. Sie haben keine Mittel in der Hand, die Tätigkeit der ganzen Bildungsgruppen auch nur um einen' Schritt aufzuhalten; die gehen sicher ihren Weg weiter, nicht weil sich das einer am grünen Tisch ausgedacht hat, sondern weil siemüsse n. Sie erschweren aber die Tätigkeit und die Erweiterung des Aufgabenkreises der Buchhändler, wenn Sie immer wieder Grenzlinien ziehen und immer wieder eine in ihrem Kern berechtigte Arbeit in Grund und Boden ver dammen, weil Sie — mitunter mit Recht — an denFormen Anstoß nehmen. Und dann will ich noch eins Ihnen zuge stehen: Es ist nicht richtig, wenn es heißt: Der Buch handel versagt, oder der Buchhändler wartet, bis der Käufer zu ihm kommt. Die Ausführungen des Herrn Justus Pape in den »Hamburger Nachrichten« und vor allem Ihre sach lichen Bemerkungen im »Börsenblatt« haben mich auf diesen Fehler aufmerksam gemacht. Diese Verallgemeinerung ist dazu angetan, gerade die zu verbittern, die nicht versagen wollen, die den Witten zur Mitarbeit haben, die nicht warten, die die Probleme der heutigen Volksbildung erkannt haben; dadurch wird von unserer Seite wiederum ein Kampfton hineingetrageu, der der gemeinsamen Arbeit nicht gut ist Sie schreiben: »Es ist doch Wohl nicht angängig, dem regulären Buchhandel große materielle Opfer zuzumuten, wenn ein auch nur bescheidener Erfolg durch die Verhältnisse nicht gewährleistet werden kann«. Sie schreiben ferner: »Es ist aber nicht gerecht, einem einzelnen Berufsstande die Ver antwortung für Verhältnisse zuzuschieben, die er nicht hervor gerufen hat, oder aber ihm einseitig die Lösung von Ausgaben und Pflichten aufzuerlegen, wenn man ihm dazu nicht die erforderlichen Mittel zuweisen kann«. Da liegt das Problem. Damit geben Sie zu, daß die Tätigkeit des Buchhändlers allein die großen Kulturaufgaben der Volks bildung von heute nicht leisten kann. Solche Dinge, die eine Umwälzung bedeuten, die Zukunstsarbeit sind, kann man nie auf geschäftlicher Unterlage aufbauen. Es ist kein Luftschiss und kein Flugzeug entstanden auf der geschäftlichen Grund lage einer kaufmännischen Bilanz. Dafür sind Spenden nötig gewesen, unendlich mühsame Vereinsarbeit und immer wieder freiwillige Geldbeiträge. Genau so liegt es bei der Volks bildung, die ohne Stiftungen und ohne Gesellschaften und ohne freiwillige Mitarbeit und ohne die Erschließung größerer Geldquellen nicht möglich ist. Sie sprechen von einem »be scheidenen Erfolg«, die Volksbildung spricht nicht von einem bescheidenen Erfolg. Sie hat große Erfolge, und wenn Sie alle Buchhändlerkreise dazu bewegen könnten, daß sie mit den Gruppen der Volksbildung arbeiten, dann kommt der Erfolg der Volksbildungsgruppen dem Buchhandel früher schon zu gute, als er ihm doch eines Tages tatsächlich zugute kommen wird. Verbannen Sie die Märchen, als ob wir Geldgeschäfte machen wollten, als ob wir persönliche Vorteile hätten. Wir sagen nicht, »was alles der Buchhandel zu leisten habe, um seiner Kulturmission gerecht zu werden«. Wir sagen nur dasselbe, was Sie auch sagen, und was Sie durch vier Punkte ausführlich erhärten: Der Buchhandel allein kann die große Erziehung der Masse zum Buch nicht leisten! Sie er zählen von vier großen Unternehmungen der Hamburger Buchhändler; das Ergebnis sei schlecht gewesen. Daraus ersehen Sie, daß diese Art der Arbeit noch nicht genügt hat, daß also noch Gruppen herangezogen werden müssen, die außerhalb des Buchhandels stehen. Und bis jetzt hat mir noch kein Buchhändler gesagt, der mit den Volksbildungsgruppen arbeitet, daß er vergeblich gearbeitet hätte. Wir wollen aber nicht mehr anklagen. Ich lese aus Ihren Worten so viel Verständnis für die freiwillige Bildungsarbeit außerhalb des Buchhandels, daß ich nicht an der Möglichkeit einer Verständigung zweifle. Helfen Sic, die Bahn der Verständigung frei zu machen, dann gibt es keine Ankläger und keine Angeklagten mehr, und dann gibt es auch keine Klagen des Buchhandels mehr, und dann gibt es auch keine Kaufunlust und keine Mißachtung des Buches mehr. Ich hasse, daß Sie meine Ausführungen freundlich auf- nchmen. Ich habe mich bemüht, das Grundsätzliche heraus- zuarbeiten, bin mir aber klar, daß auch hierüber noch Meinungsverschiedenheiten möglich sind. In ausgezeichneter Hochachtung Hamburg 2V, 11. Juni 1812. Hugo Otto Zimmer. Der Hamburger Buch-, Musikalien und Kunst- Handel im Jahre 1911. In dem soeben erschienenen »Jahresbericht derDe - taillistenkammer zu Hamburg für 1911« (Otto Meißners Verlag in Hamburg) wird über den Geschäftsgang und die Lage des Buch- und Kunsthandels folgendes mitgeteilt: Buchhandel. Der Geschäftsgang im Hamburger Buchhandel gestal tete sich im Berichtsjahre trotz der unsicheren politischen Zeitver hältnisse im allgemeinen nicht ungünstiger als im Jahre vorher. Das Geschäft verlief in normalen Bahnen, und das Weihnachts geschäft gestaltete sich durchweg lebhafter, als man Wohl erwartet hatte. Aber dieses allein war nicht in der Lage, die zurzeit im Buchhandel herrschenden ungünstigen Verhältnisse zu bessern. Die schon seit Jahren herrschende Übererzeugung auf allen Ge bieten der Literatur läßt trotz aller Warnungen nicht nach, und die Folge davon ist, daß sich in einzelnen Verlagsgeschäften aller lei Unsitten herausbilden, die geeignet sind, das Ansehen des Buchhandels und seine gedeihliche Weiterentwicklung zu beein trächtigen. Wohl hat sich die Nachfrage infolge des reichlichen Angebots von guten Büchern erheblich gesteigert, aber die Auf nahmefähigkeit der Bibliotheken und des Publikums genügt bei weitem nicht, um die alljährlich erscheinende Flut von Büchern unterzubringen. Wäre es möglich, von sämtlichen Neuerschei nungen eines Jahres einmal eine Absatzstatistik aufzustellen, so würde diese dem Buchhandel zeigen, welche Unsummen von Geld und Geistesarbeit alljährlich nutzlos vergeudet werden. Dies wirkt umso trostloser, wenn man sieht, wie viele Veröffent lichungen schon bald nach dem Erscheinungsjahre kaum noch be achtet werden, weil sie schon wieder durch etwas Neues auf dem Büchermärkte verdrängt werden. Wenn dennoch trotz des reich lichen Angebots an neuen Büchern manchem guten Werke für längere Zeit ein dauernder Absatz bleibt, so ist dies zum nicht geringen Teile der tatkräftigen Verwendung des Sortiments buchhandels für gute Bücher zu verdanken. Die Erhaltung eines leistungsfähigen Sortiments bedingt aber vor allem die Jnnehaltung des vom Verleger festgesetzten Ladenverkaufspreises. > Wird an diesem Grundpfeiler des Buchhandels gerüttelt, so wankt der ganze Bau. Wenn vor Jahren der Buchhandel einsichtig und stark genug war, diese Gefahr zu erkennen, und es ihm damals gelungen ist, mit allem Nachdruck allseitig bindende Verkaufs-