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Friedrich, Zehntner zu Geyer, Oberbergmeister Hans Kluge, Rikol T«schener, Bermneister zu Freiberg, Michel Grueß, Berg meister zu Geißing, Peter Hertel, Bergmeister zu Gießhübel, Hans Grubener, der spätere Schneeberger Vierteismeister, und Enderlein Gulden, Geschworene zu Geyer und der Schneeberger Bergmeister Hans Raspe) aus den Prozeßakten lassen uns erkennen, welche Schwierigkeiten die Bestimmung der unter irdischen Längenausdehnung der Grubenfelder auf gleichem Gange, der vielleicht in wechselnder Richtung strich, nach Saiger- recht bot. Ein Streit zwischen den Gewerken des „Matthias- Steiger"-Stollens und des „Greifenstollens" ging durch alle Instanzen bis zur Entscheidung durch die Fürsten vom August 1494 bis 1496. ,/vie Appellation wurde an die Landesherrn gerichtet, die die Streitsache entweder einigen Räten zur Recht- sprechung Übergaben ^)der auch, gelegentlich eines Aufenthaltes in Zwickau oder Schneeberg, selbst einem Gericht Vorständen; namentlich Herzog Albrecht scheint großes Vergnügen daran gefunden zu haben." So wurde in einem neuen Streite, der wenige Wochen nach Beilegung des oben erwähnten zwischen der ,Meuen Fundgrube" und der .Hoffnung" entstand, am 29. Mai 1476 vom Kurfürsten als Richter (ihm assistierten 15 Schöffen) ein Vergleich zustandegebracht. Ost forderte der Landesherr auch vorher von einem Unparteiischen, der sein Vertrauen besaß (so öfters in den Jahren 1471—1479 vom Gegenschreiber Friedrich von Lauerstädt), Bericht und Vor- schläge ein. Die Bergordnung vom 12. Mai 1477 führte noch keine ge ordneten Zustände herbei. Im Februar 1478 wurden Haupt mann Stcwschedel, die Zehntner M. Römer und Nik. Friedrich neben Bergsachverständigen von Freiberg und Bärenstein nach Dresden geladen, um über allerlei Mißstände, Unstimmigkeiten und Streitpunkte zu berichten. Im selben Jahre fand wieder rin Prozeß statt zwischen der „Neuen Fundgrube" und dem „Fürstenstollen". Im Jahre 1479 weilte der Kurfürst wiederum in Schneeberg und wurde mit allerlei Klagen „unsere Ordnung und den Bau, dos Wachgeld und die Zubuß, die Schichtmeister und ihre Rechnung und auch die Geschworenen und das Gericht betreffend" überschüttet. Der Entscheid des hohen Herrn (Rezeß vom 15. Mai 1479) bringt den Schneebergern nur teil weise Erfüllung ihrer Wünsche, da der Kurfürst Ernst die meisten Klagen für unbegründet hielt. Die 1478 nach Dresden geladenen Bergsachoerständigen brachten auch die mißlichen Arbeits- und Lohnverhältnifse zur Sprache. Diese boten neben Unredlichkeiten mancher Beamten und der Unfähigkeit einiger Steiger und Schichtmeister viel Zündstoff. Lin Häuer erhielt damals bei achtstündiger Arbeits zeit einen Wochenlohn von X fl. oder 10 gr., wie aus dem Bericht hervorgeht. „Dieser Lohn war zwar um 50 Prozent höher als an anderen Bergorten, doch mag die wirtschaftliche Lage für solche Bergarbeiter, deren Anwesen soweit vom Schneeberg entfernt lag, daß sie gezwungen waren, auf dem Berge in Kost zu gehen, keine rosige gewesen sein; sie erklärten, daß sie um solchen Lohn nicht mehr arbeiten könnten, da das Kostgeld allein 8 gr. betrüge, für die übrigen 2 gr. sei es ihnen aber nicht möglich, sich zu kttiden usw., geschweige Weib und Kin der zu versorgen. Doch wurde von den Bergsachoerständigen ein« Erhöhung des Lohnes für die Häuer. Knechte oder Jungen nicht befürwortet, sondern eine Verfügung vorgeschlagen, daß Mr die Bewirtung der Kostgänger nicht mehr als 6 gr. ge nommen werden dürften, „adir der arbeyter mochte sich selber bekostin". Der Umstand, daß die Arbeiter vier Fünftel ihres Wochenlohnes zu ihrer persönlichen Beköstigung ausgaben, er- klärt sich aber wohl nicht allein aus der teuren Lebenshaltung auf dem Schneeberge, sondern auch aus der von ihnen geführ ten Lebensweise. Besonders scheinen die „süßen Weine" zu größeren Ausgaben verleitet zu haben; deshalb schlagen die Vergverständigen vor, „das man alle süsse weine, wie die namen gehabin möge, vorbite zeu schencken aus der ursach, das der arbeyter seines lones mit unnotz also gröblich nicht vor- thun möge". Um eine Kleinigkeit scheint der Lohn aber doch erhöht worden zu sein. (In Geyer, Graupen, Mückenberg, Eisleben, Stollberg könne man Mr 1 fl. drei Häuer haben, auf dem SchneÄerge nicht zwei, heißt es kn einem Schreiben. Der Passus in der Denkschrift der Gewerken vom 1. Sept. 1479, es bezüglich des Lohnes der Steiger, Häuer, Haspeler und anderer Arbeiter beim alten bewenden zu lassen, wird von den Fürzen mit einem ,?>on?iaeet" (gefällt nicht) versehen; die auf dieser Denkschrift fußende Ordnung von 1479 enthält aber keine Bestimmung über eine Neuregelung der Löhne). Die Haspeler und Jungen erhielten einen entsprechend niedrigeren Lichn als die Häuer, wahrscheinlich nicht viel über die Hälfte. (Das gcht aus 8 9 der oben angeführten ersten Bergordnung hervor, nach dem die Häuer 1 Pfennig, die Haspeler und Jungen nur 1 Heller für die Kapelle abzugeben haben.) Ver suchen, ihren Lohn herabzumindern, setzten die Bergarbeitey selbst zur Zeit des allgemeinen Darniederliegens des Schnee berger Bergbaues mit Erfolg den heftigsten Widerstand ent gegen. Die Häuer drohten sogar, wegzuziehen und die Gruben ersaufen zu lassen, was beim chronischen Arbeitermangel da maliger Zeiten seine Wirkung nicht verfehlte. Noch zweimal kam es zu Lohnbewegungen ernster Art: am 22. Juli 1496 und am 17. Juni 1498. 1496 sollte der Lohn um wöchentlich einen Groschen ge kürzt werden; da standen die Bergleute wie ein Mann — trotz mangelnder Organisation — auf, verweigerten sogar die Not standsarbeiten, und viele machten die Drohung von 1478 wahr, sie wanderten aus. Wie Meltzer berichtet, wandten sie sich hauptsächlich nach Schlettau, Lößnitz und Geyer. Der damalige Hauptmann von Zwickau, Rudolf von der Planitz, unterdrückte den Aufruhr, die Sache wurde (mit welchem Erfolge Mr die Bergleute?) gütlich beigelegt, und am 25. Juli schon kehrten die meisten der Belegschaft des Reviers an ihre Arbeitsstätte zurück. Die Erinnerung an diesen „Streittag" lebte in den sächsischen Bergstädten fort als Feiertag, der sogar 1539 vom Herzog Heinrich als solcher bestätigt wurde. Noch kriegerischer gebärdeten sich die Bergleute 1798. Sie bewaffneten sich sogar, stellten Streikposten aus, bedrohten Ar beitswillige, sie „in Stücken zu zerhauen", bezogen, um ihr« Fahne geschart, am Wolfsberg Stellung und wollten den zur Unterdrückung des Aufruhrs wiederum herbeigerufenen Zwickauern und Plauischen entgegenziehen. Es wäre sicher zu Blutvergießen gekommen, wenn es nicht dem Stadtrichter Nikol Meiner, dem alten Bergmeister, gelungen wäre, die Aufge brachten durch eindringliche Vorstellungen von ihrem Vorhaben abzubringen und sie in Ordnung auf den Markt zuriickzufiihren. Die alte Dergfahne wurde, um weiteren Mißbrauch zu ver meiden, vom Hauptmann Heinrich von Schönberg im Fund grübnerhaus aufbewahrt. Lehmann sagt dazu: „Was nun eigentlich der Grund und die Veranlassung zu diesem Aufstande gewesen, ist nirgends zu finden, indes scheint es der Wahrheit nicht zu widersprechen, wenn alle Chronisten berichten, daß abermals auf Seiten der Bergleute das Recht gewesen. Und diese Meinung gewinnt um so mchr an Haltbar keit, wenn wir Ienisius in seinen Annabergischen Annalen be richten hören: „Im Jahre 1498 ist ein Aufruhr unter den Schneeberger und Annaberger Bergknappen durch Dazwischen kunft des landesherrlichen Ansehens gestillt worden." Denn daß ein Einverständnis zwischen den Knappen beider Bergstädte gewesen, ist jedenfalls nur insofern anzunehmen, daß beide Parteien gleiche Ursache zu gleichem Mißvergnügen gehabt, und allerdings, vielleicht gestützt auf die Ungestrastheit der vorigen Empörung, auf dem Schneeberg sofort wieder zu dem Mittel griffen, was ihnen schon einmal Hilfe geschafft hatte. Und wirr finden wiederum nirgends etwas von einer Strafe, die etwa wenigstens über die Rädelsführer verhängt worden wäre." Doch auch Streitigkeiten mit den Nachbarn gab es genug, so daß die junge Ansiedlung bereits 1476 mit einem Schranken umgeben wurde. (Vgl. Nr. 3 der Heimatblätter 1928 über Schneeberger Stadttore!) Es muß damals, wild genug zuge gangen sein! So verboten die „Slikenn" (Schlick? Wo saßen sie?) ihren Bauern, Lebensmittel in die Stadt zu fahren, da. die Transporte in mehreren Fällen von Straßenräubern, dis sich in den Wäldern der Umgegend aufhielten, überfallen und bestohlen wurden. 1479 liegt die Stadt in Alarmbereitschaft, weil ein Raubzug „des von Plawen" gemeldet worden war. „So ging es auch sonsten außerhalb des Schrankens gar wüste zu mit Hadern, Schlagen und Morden!" Heinrich von Starschedel beschwert sich beim Landesvater über die Amtleute von Zwickau und Doigtsberg, die von allen Fuhrwerken nach dem Schneeberge Zoll erhoben; besonders, unbillig sei das, wie Bergmeister Raspe im März 1479 klagt, bei allen Lebensmitteln. Immer wieder baten deshalb die Schneeberger um einen Freiheitsbrief, wie ihn Freiberg und andere Bergstädte seit langer Zeit hätten. Der Freiheitsbrief vom 9. Dezember 1481 brachte endlich Schutz und die erbetenen Rechte und Freiheiten. Er fußt ebenso wie die neuen Berg ordnungen vom 7. April 1497 und vom 25. März 1500 auf dern Freiberger Bergrecht, ohne es in allen Punkten zu übernehmen, vielmehr erweiterte er es in manchen Paragraphen, da die Ar beits- und Lohnverhältnifse verschieden waren und die wirt schaftspolitische Lage hier eine ganz andere als dort blieb. Doch kamen damit die Gärjahre des jungen Schneebergs zur Ruhe, die stürmische Entwicklung ging in gemäßigte Bahnen über. Nicht berührt habe ich heute die mannigfachen Scherereien der Schneeberger mit den Grundherren, den Oberflächenbesitzern Georg und Hans von der Planitz, die schon P. Seidel in Nr. 15 der Heimatblätter 1926 „Aus der Geschichte des Schnee berger Grundvermögens" erwähnte. Ausführliches darüber sei ein andermal nach den Urkunden des H.-St.-A. Dresden und den 1899 von Wlllcker-Dirck herausgegebenen Berichten des kurfürstlichen Rates Hans von der Planitz mitgeteilt. m 1. -«st«- I vmere engedirßvme ktomwrl. Wie an Volkssitte und -brauch, so ist die Neuzeit auch an Mundart und Volkssprache nicht spurlos vorübergegangen. Die Zeiten sind vorbei, La noch aller Bewohner etwa eines Dorfes, außer Pfarrer und Lehrer, die heimische Mundart sprachen und selbst Fremden gegenüber im Gespräch nach an fänglichen Versuchen, hochdeutsch zu sprechen, wieder in diese zurückfielen. Verschiedene Momente haben dazu beigetragen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Verbindung mit einer fast unbeschränkten Freizügigkeit brachten es mit sich, -aß nicht nur Lie Bevölkerung innerhalb der mundartlich abgegrenzten Landschaft sich verschob, sondern auch mit Zugewanderten durchsetzt wurde, Lie anderen Mundartgebieten entstammten. Lautbestand, Wortschatz und Tonfall erlitten dadurch Verän derungen, die, an sich vielleicht unbeträchtlich, doch in ihrer Summierung ins Gewicht fallen. Die von längerem Aufent halte in der Fremde in die Heimat Zurückgekehrten brachten fremde Sprachelemente mit. Nicht zu vergessen ist der Schul unterricht, Ler, bei aller Schätzung Ler Mundart, -och schließ lich eine Zurückdrängung derselben bewirkt. Es erscheint darum nicht von ungefähr, daß neuerdings die Mundartfor schung einen stärkeren Antrieb erhalten hat, und sie arbeitet auch nicht nur an -er wissenschaftlichen Registrierung unserer erzgebirgischen Mundart, sondern will dankenswerterweise auch eine bewußtere Pflege derselben, vor allem im Schul unterrichte, anstreben. Im nachfolgenden soll der Versuch gemacht werden, skiz zenhaft einige besondere Erscheinungen zu umreißen, die dem mundartlichen Ausdruck der Bewohner unserer Erzgebirgs landschaft eigen sind. Das Erzgebirgische wird charakterisiert durch den Ein schlag des Weichen, Zärtlichen, Liebkosenden, Las einesteils im Tonfall,-in Wort- und Satzmelodie, zum anderen in der häufigen Anwendung Ler Verkleinerungssilbe le (lein) seinen Ausdruck finLet. Da fragt Lie Mutter ihr Kind: Willst« noch a paar Beerle? Die kleinen Jungen spielen „Pfaarle", und Lie großen äußern sich anerkennend über einen guten Wurf beim Ballspiel: Ja, dos is a Balle! Ein junger Mensch, der sich geschickt in jede Arbeit hineinfindet, ist „e gewixtts Bärschel"; der Raucher lobt seine Zigarre: Dos is e Zigarrle! Dem Gebirgler La oben geht nichts über „sei alt's Heisel", und er freut sich, wenn „de Vögele su singe un pfeifen". Manchmal haftet den Wörtern mit le freilich auch etwas Ironisches an, so, wenn er einen unartigen Buben „e schäß (schönes) Gungel" nennt oder wenn er ein wenig repräsen» tables Auto mit „Kiitschel"-bezeichnet. Anheimelnd berührt auch die Freude am sinnfälligen Ausdruck, am Bild und Vergleich. Eine reiche Fundgrube da für bilden die Gedichte und Geschichten unserer Mundartdich ter, wie Siegert, Weezel, Fritz Körner, die wirklich Lem Volke seine Sprach vom Munde abgelauscht haben. Wer mit guten, alten Erzgebirgern sich zu unterhalten Gelegenheit hat, wird manch treffenden, zuweilen drastischen Ausdruck buchen kön nen, während beim jüngeren Geschlecht Lie Sprache viel farb loser erscheint. Das Bodenständige, Urwüchsige ist Kenn zeichen von Redensarten, wie: 'r spannt wie a Aacherle; dos Madel kah springe wie e Herschel (auch Rehle); 's ging zu wie in enn Mahlwörmertopp; du hast wohl Saagwammessen (Ameisen) in Kopp? spanne wie 's Mard untern Reisighau fen; Backle wie gemolt; dan.Hot 's ober hiegelaadert; do sei m'r ober ausgezwackt. Neben dem Sinnigen, Zarten hat aber auch das derbe seinen Platz, und besonders Lann, wenn Zorn, Aerger und Enttäuschung sich Lust machen wollen, kommt es zu Aus drücken, die man im Hochdeutschen kaum wiedergeben kann. So weist das Schimpftvörterlexikon des Erzgebirgers eine ziemliche Mannigfaltigkeit auf. Zusammensetzungen mit Tiernamen gibt es nicht wenige; auch gewisse Körperteile müssen herhalten, wenn er seinem Unmut, seiner Erregung die Zügel schießen läßt. Er droht seinem Widersacher: Halt fei dei Guschl Verächtlich bezeichnet er einen schwächlicheren Gegner als „Borschtenwisch"; einen Spitzbuben nennt er „Mauskopp"; wen er nicht für ernst nehmen will, tut er al» ,Haesworscht" oder als „Rupperich" ab. Wenn auch hand greifliche Gewalttätigkeiten heutzutage seltener vorkommen, als früher, so haben sich doch Lie Ausdrücke dafür noch er halten. Für Ohrfeigen gebraucht er das Kraftwort „Faun zen". Er rühmt sich, seinem Gegner ein paar „neigekracht" zu haben; er hat ihn „verwichst, verlaadert, verwamst, ver droschen, verkeilt, versohlt; hat ihn „urntlich zugedeckt", hat ihn „hiegekracht, doß 'r siech nimmeh rippeln kunnt" usw. Wenn er sich ärgert, könnte er alles an ,He Wan- pfaffern" oder könnte sich „vor Wut selber zerruppen". Für scherzhafte Uebertreibungen, Lie auf einem herz haften, gesunden natürlichen Humor beruhen, hat der Erzge birger viel Sinn. Einen Menschen, der sich zu viel anmaßt oder an Einbildung leidet, nimmt er nicht allzu tragisch: Dar Hot aa noch kan Schiebock gefrästen. Von Leuten, die der Arbeit am liebsten aus dem Wege gehen, meint er, sie hätten sich auch noch kein Bein ausgerissen. Kommt einer, der zu hoch hinauswollte, zu Fall, bemerkt er wohl in aller Ruhe: Dr liebe Gott läßt dr Zieg ne Schwanz net zu lang wachsen, sinst töt se sich drmiet in de Aang haae (haane). Ist jemand ge schäftlich betrogen worden, so hat man ihm ,^e Aang aus- getreicht". Er tröstet sich über unangenehme Begleiterschei nungen einer Sache mit der sprichwörtlich gewordenen Re densart hinweg: Viel Bargleit, viel A. . . leder. Eine besondere Erfindungskraft hat der Erzgebirger im Bilden der sog. Spitznamen, der Neck- und Uebernamen, be wiesen. Die Entstehung derselben ist teils Lurch die Notwen digkeit begründet, Familien gleichen Namens zu unterschei- Len, z. T. ist sie durch gewisse Eigenheiten und Handlungen der damit belegten Personen zu erklären, und schließlich hat auch eine dem Erzgebirger angeborene Spottlust häufig An teil daran. In meinem Heimatdorfe waren Familien meines Namens ziemlich zahlreich vertreten; um sie voneinanderhal- ten zu können, hatte jede ihren Spitznamen. Der Wirts- Döhler hatte seinen Namen von dem Nebenberuf, den er neben der Landwirtschaft betrieb; die Werners-Döhler hießen so von Ler Einheirat in eine Familie Werner; Lie Matzen- Döhler hatten den Vornamen eines Vorfahren weiter vererbt. Die Häusle-Döhler gehörten zu den sog. Häuselleuten, die im Gegensatz zu den begüterten Einwohnern nur ein Häuschen ihr eigen nannten. Unsere Familie wurde nach Lem Stamm gute, Las neben der Kirche stand, Lie Kirchen-Döhlers ge nannt. Dann gab es noch einen Ernsten-Döhler, einen Döh- lers-Christel und einen Rummers-Döhler. Weiter unterschied man Lie beiden Fleischer, die beide Traugott Zahn hießen, als den „alten" und den „kleinen" (jüngeren) Traugott. Ein« Familie Meißner hieß allgemein ,Handanel" (Idhann Da niel); Lie Handanel-Karline habe ich noch in guter Erinne rung. Eine -er Barth-Familien wurde als die „Spitzen barths" bezeichnet. Das erklärte sich daraus, daß ein Vorfahr als Spitzenverleger tätig gewesen war. An das lange ein gegangene Brauhaus erinnert Ler Spitzname des jetzigen Be sitzers, der Schubert heißt, aber Bräuer genannt wird. Aus Rodewisch kam der Kleielieb, eigentlich Gottlieb Müller; er fuhr mit seinem Hundegeschirr den Bauern die Futterklei« zu. Einem, der seine Rede immer mit „Derstehste mich?" schloß, blieb diese Redensart als Spitzname hängen, und je mehr er sich darüber erboste, desto häufiger gebrauchte man ihn. Ein Händler aus einem Nackbarorte wurde „Schnurr bart" benamst, weil er sich auf diesen Mannesschmuck viel z« gute tat. Die Bildung von Uebernamen ist auch heute n«h im Gange, und zuweilen spricht aus ihnen ein wirklich treff sicherer, fein beobachtender Humor. Nur nebenbei soll hier erwähnt werden, daß der Erzgebirger gern Ramen abkürzt: aus August wird Gust, aus Gustav Tav, aus Wilhelmine Mn« und Christel aus Christine; Rudolf wird Rud, Anne Ann, Gertrud Trud, Emil Mil, Paul Pol gerufen. Die Abkür zungen von Ortsnamen sind wohl auch hinlänglich bekannt. Fremdwörter liegen im allgemeinen der Mundart nicht Soweit sie solche ausgenommen hat, hat sie die Eindringling« sich fast ausnahmslos in der Aussprache mundgerecht gemacht, so daß sie im Redefluß nicht mehr störend wirken. So wirr aus Gouvernante in Angleichung an Jungfer eine Gumpftr» nante, aus Equipage Eklipasch. Auch Verdeutschungen hat man vorgenommen, die meistens recht originell und amüsant ausgefallen sind. Für „photographieren" sagt man „oh* namme"; der Photographenapparat wird nach seiner Form „Kastel" genannt. Statt eines Autos schafft man sich «tn ,Mischel" an. Der Kantor hat ein „Stackele" (Dirigenten stab) in der Hand; Präsentierbrett wird mit .Hiereckbraatel^ übersetzt; junge Mäückeu gehen in eine „Benawmig" (Pen. sion). ' --