Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 11.12.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190712119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19071211
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19071211
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-12
- Tag 1907-12-11
-
Monat
1907-12
-
Jahr
1907
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 11.12.1907
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
poUrrlcke Aundsckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm sandte der Jubi- läumStagung der deutschen Kolonialgesellschaft, die in Frankfurt a. M. stattfand und dem Monarchen durch eine Depesche ihre Huldigung dargebracht hatte, ein herzliches Danktelegramm. *Auf demSchlachtfelde vonLeuthen fand am 6. d. in Gegenwart des deutschen Kronprinzen die Enthüllung des vom Kaiser Wilhelm gestifteten Denkmals statt. *Wie vorauszusehen war, ist die innere Krise schnell überwunden worden. Die Mehrheitsparteien des Reichstages haben durch ihre Führer dem Reichskanzler Fürsten v. Bülow ihr Vertrauen zu seiner Politik ausgesprochen und erklärt, daß sie (soweit es ihre Grundsätze gestatten) an der Blockpolitik festhalten wollen. Damit ist dem Fürsten v. Bülow jeder Grund genommen, seinen Pollen zu verlassen, um so mehr, da amtlich festgestellt wird, daß innerhalb des Ministeriums keinerlei Meinungs verschiedenheiten bestehen, und da auch eine Verständigung zwilchen dem Kriegsminister v. Einem und dem Vizepräsidenten des Reichs tages, Paalche, stattgefunden hat. *Auf Schloß Serrahn in Mecklenburg hat am Freitag die Verlobung des Fürsten Ferdinand von Bulgarien mit der Prinzessin Eleonore Reuß i. 8. stattgefunden. Der überraschende Entschluß des Fürsten hat in Bulgarien allgemeine Freude hervorgerulen. * Staatssekretär Dernburg hielt in der Kowwalgesellschast zu Frankfurt a. M. eine längere Rede, in der er auf den stetig wachsenden Handel in unsern Kolonien verwies. Insbe sondere, so hob der Staatssekretär hervor, stehen wir in Drutsch-Ost afrika vor einem Wendepunkte. Zunächst sei die Erschließung des Landes mit Verkehrswegen (Eisenbahnen) erforderlich. Er könne sich über Einzelheiten des Programms noch nicht äußern, da die gesetzgebenden Faktoren, die ein erstes Recht auf Informationen haben, noch nicht befaßt werden konnten. Aber so viel könne er sagen, daß Ost afrika erschlossen werden kann, so weit wirtschaftlich auf ablehbare Zeit erforderlich, durch ein wohl ausgedachtes Netz ohne Auf wand der außerordentlichen Sum men, die man hier und da nennt, und ohne die Ausgabe auch nur einer unproduktiven Mark. * Der im Preuß. Abgeordnetenhaus gestellte Antrag auf Abänderung des Wahl rechts (Einführung des Reichstagswahlrechts) in Preußen wird, wie nunmehr bestimmt worden ist, in der ersten Sitzung nach Weihnachten be raten werden. Frankreich. *Die Kammer nahm nach kurzer Debatte das Budget des Äußern an, nachdem der Mi nister des Äußern, Pichon, erklärt hatte, die Regierung erkenne unbedingt die Notwendigkeit an, die Beziehungen zu den fremden Mächten im Hinblick auf Marokko sorgfältig zu pflegen. In Udjida soll eine algerisch marokkanische Polizeilruppe errichtet wer den. Die Kammer ersuchte zum Schluß der Sitzung die Regierung, mit allen Mitteln den Gebrauch der französischen Sprache in der Welt zu fördern. * Wie aus Paris gemeldet wird, hat Major Fitzgerald ein neues Schnellfeuer geschütz erfunden. Angeblich bewerben sich verschiedene Regierungen (auch die deutsche) um die Erfindung, für die der Major 5 Millionen Mark verlangt. England. * Der Zustand des Premierminister Camp- bell-Bannerman, der während der Kaisertage schwer erkrankte und jetzt zur Kur in Biarritz weilt, hat sich derart gebessert, daß der Minister bereits wieder dringende Arbeiten erledigen kann. Der Staatsmann wird also nicht, wie angenommen wurde, von seinem Posten scheiden. * Nach Meldungen auS London beabsichtigt die Regierung an der Südküste eine Flotten- station anzulegen, in der 22 große Kriegs schiffe Unterkunft finden können. Schweiz. *DieBundeskammern in Bern sind durch eine Ansprache des Präsidenten eröffnet worden, in der er darauf hinwies, daß der Volksvertretung 49 Vorlagen zur Beratung zuqehen würden. Zum allgemeinen Bedauern steht unter diesen Vorlagen ein Gesetzentwurf betr. die Alters- und Inv aliditäts- versorgung, der schon seit langer Zeit an gekündigt, aber immer wieder vertagt worden ist, weil die vertretende Kommission mit ihren Arbeiten nicht zum Abschluß kommt. Schwede«. * Der Zustand König O 8 kar 8 ist nach den neuesten Berichten aus Stockholm sehr be sorgniserregend. Ruhland. *In Petersburg ist man einer weitver zweigten Verschwörung auf die Spur ge kommen. Die Polizei hatte Kenntnis davon erhalten, daß sich in einem Hause allnächtlich verdächtige Personen versammeln, die den besten Gesellschaftskreisen angehören. DaS Haus wurde umzingelt. Der Gehilfe deS PobzeimeisterS beaah sich, gefolgt von einem Offizier und mehreren Kosaken, in die Wohnung, erzwang den Eintritt und erklärte die ganze Gesellschaft für verhaftet. * In Petersburg hat der Prozeß gegen die sozialistischen Abgordneten der zweiten Duma wegen Hochverrats begonnen. Die Angeklagten und ihre Verteidiger weigern sich, an den Prozeßverhandlungen irgendwelchen Anteil zu nehmen, da die Öffentlichkeit ausge schloffen ist. Die Studenten der Universität und mehrere tausend Arbeiter von Petersburger Fabriken streiken anläßlich des Prozesses. Die Ruhe ist indessen nirgends gestört worden. Balkanftaat««. * In der Angelegenheit der mazedoni schen Iustizreform hat bei dem russischen Botschafter in Konstantinopel eine vierstündige Botschafterkonferenz stattgefunden. In dieser Zusammenkunft wurde der Entwurf einer an die Pforte zu richtenden Note festge stellt und einstimmig angenommen. Die Bot schafter werden den Entwurf ihren Regierungen zur Genehmigung vorlegen. Afrika. *Die Kämpfe der Franzosen mit den auf ständischen Beni-Snassen an der alge risch-marokkanischen Grenze dauern fort. Soweit sich bei der mangelhaften, von Frankreich natürlich scharf überwachten Bericht erstattung feststellen läßt, greifen die Ein geborenen immer aufs neue die französische Stellung an. In einem der letzten Gefechte fielen 15 Franzosen; die Beni-Snassen eroberten eine Menge Proviant. Gerüchtweise verlautet, daß sich die Kämpferzahl bei den Beni-Snassen durch Zuzug von andern Stämmen immer noch vermehrt. Allem Anschein nach muß Frankreich mit einem langwierigen Kleinkrieg rechnen. Japan. * Mehrere der bekanntesten japanischen Flotten- und Heerführer aus dem letzten Kriege, die Admirale Togo und Kami- mura sowie der General Nogi u. a., haben inkognito eine Reise durch Westeuropa ge macht und dabei die Kunst, durch nichts ihre wahre Persönlichkeit zu verraten, mit solcher Meisterschaft geübt, daß sie erst jetzt in Neapel .entdeckt" worden sind. Die' Herren hatten vorher London, Paris und Rom besucht. Aus dem t<eicbsiaqe. Der Reichstag beendete in einer kurzen Sitzung am Donnerstag zunächst die erste Lesung des Etats. In der Diskussion gaben die Führer der Block parteien, für die Rechtsparteien Abg. Normann, für die Nationallibcralen Abg. Bassermann, dis Er klärung ab, daß sie an der Blockpolitik festhalten wollen und daß sich in ihrer vertrauensvollen Stellung zum Reichskanzler nichts geändert habe. Die Stellung der Linksliberalen, also der Frei sinnigen Vol'Spartei, der Freisinnigen Vereinigung und der Deutschen Volkspartei kennzeichnete Abg. Wiemer durch die Erklärung, daß sie einmütig ge willt seien, getreu ihrer bisherigen, aus sachlichen Gründen beobachteten Haltung die Blockpolitik weiter zu unterstützen unter Wahrung ihrer politischen Grundsätze in dem Bestreben, durch ihre Mitwirkung Fortschritte in der Richtung ihrer Anschauungen zu erreichen zum Besten des Vaterlandes. Das Zen trum und die Sozialdemokraten nahmen diese Er klärungen mit Lärm und Gelächter entgegen, wäh rend die Blockparteien dieselben durch lebhaften Bei fall unterstützten. Abg. Gröber (Ztr.), der dann in der Fortsetzung der Etatsberatung zum Wort kom men sollte, beschränkte sich betreffs der vorher gegangenen Erklärungen auf die kurze, humorvolle Bemerkung: „Und der Hans küßt die Grete, und 's ist alles wieder gut." Unter dielen Umständen betrachte ich es nicht als unsre Aufgabe, die Unter haltung der Liebenden zu stören. Stürmische Heiter keit und Beifall folgten dieser Rede auf allen Seiten des Hauses. Darauf wurde die Debatte geschlossen und die Haupteile des Etats wurden an die Budqet- kommission verwiesen. Danach wurde baS Handels provisorium mit England nach einer Begründung durch den Staatssekretär v. Betlimann-Hollweg und zustimmenden Erklärungen aller Parteien einstimmig in erster und zweiter Lesung angenommen, und da die Tagesordnung erschöpft war, die Sitzung schon nach einhalbstündiger Dauer geschloffen. Am 6. d. steht auf der TageSordnnung der Antrag der Abaq. Graf Hompesch u. Gen. (Z ntr.) betr. Erhaltung und Förderung deS Handwerkerstandes und des kaufmän nischen Mittelstandes. Der Antrag ver langt Gesetzentwürfe: zur Umgrenzung von Fabrik und Handwerk, Heranziebung der Fabriken mit handwerksmäßig ausgebildeten Arbeitern zu den Kosten der Handwerkerorganisationen, Gestattung der Ausbildung von Lehrlingen, die den Meister titel führen, Invalidenversicherung für selbständige Arbeiter, Sicherung der Bauforderungen, Bevor zugung der Handwerksmeister bei Submissionen, ein Handwerkerblatt, eine Novelle zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Regelung des AuS- verkauiswesens, Handetsinspoktoren, eine Enquete über die Lage des kaufmännischen Mittel standes usw. Abg. Trimborn (Zenir.): Der erste zur Ver fügung stehende Schwerinstag soll sich mit Fragen des Mittelstandes befassen. Der gegenwärtige hohe Bankdiskont trifft ganz besonders den Mittelstand. Große Not hat der hohe Diskont in weiten Kreisen des Mittelstandes hervorgerusen. Redner geht als dann, schwer verständlich, namens der Antragsteller auf die einzelnen Teile des Antrages ein und be tont, daß in Frankreich und Oüerreich die Sub missionen vorzugsweise an Genossenschaften vergeben würden, wodurch das Genossenichaftswesen gestärkt würde. Die Einführung besonderer, tunlichst aus dem KaufmannSstande zu berufende Aussichtsbeamte — Handelsinspe'toren — wird verlangt, die an Stelle der Poltzeibeamten die Durchführung der Bestimmungen zum Schutze der Gehilfen und Lehr linge überwachen; ferner verlangt Redner Erhebun gen über die Lage des kaufmännischen Mittelstandes auf dem Lande, in den kleineren, mittleren und größeren Städten unter öffentlicher und kontradik torischer Anhörung der verschiedenen Jnteressenten- gruppen in die Wege zu leiten. Als inzwischen erledigt zieht Redner die beiden Punkte des Antrages zurück, die sich mit dem kleinen Befähigungsnachweis und der Sicherung der Bausorderungen beschäftigen. Redner schließt seine Ausführungen mit der Bitte um Unterstüung des Zentrumsantrages. Besonders für den Mittelstand heiße es: Lis äst, gut cito äat. (Doppelt gibt, wer ralch gib>.) Abg. Pauli -Potsdam (kow.): In den meisten Punkten stimme ich dem Vorredner zu. Anzuer kennen ist, daß es dem Handwerk schon besser geht. Selbst in den kleinsten Betrieben verwendet man schon Maschinen, das Genossenschaftswesen breitet sich immer weiter aus. Aber trotzdem ist noch "iel zu tun übrig. Wir werden deshalb auch den An trag annchmen, haben wir doch selbst Anträge cin- gebrachk, die sich in vielen Punkten mit dem Zm- trumsantrage decken. Eine Bevorzugung der > and- werksrgenossenschaften geschieht jetzt schon seilens vieler Rcrhränuer. Sowohl das Re chsmarineamt als auch die Postverwaltung haben Aufträge an die Handwerksgenossenschasten vergeben. Abg. Findel (nat.-lib.) betont die MittclstandS- freundlichkeit der nanonalliberalen Partei. DaS Submisstonswesen läßt sich noch in vieler Beziehung zugunsten deS .Handwerks modifizieren. — Daß die begrifflichen Grenzen zwischen Fabrik und Hand werk schärfer gezogen werden, ist ein sehr berech tigter Wunsch; es ist aber nicht zu ver kennen, daß für die Praxis diese kniffliche Frage groge Schwierigkeiten schafft. — Emer schärferen Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs stehen wir sehr sympathisch gegenüber. Die beste Mittelstandspolitik aber ist, den Mittelstand nicht mit neuen Steuern zu belasten. Wir werden die Bestrebungen, die in den Anträgen liegen, nach Möglichkeit unterstützen. Abg. Schmidt (soz): Leider fehlt eine Statistik über die Kosten der Handwerkerorganisationen. In Berlin existieren 18 Zwanqsinnungen, die ein Jahreseinkommen von 185144 Mk. haben. Davon werden für Fachschulen 13 641 Mk. ausgeqeben, daS ist pro Kopf des Handwerkers 9 Pfg. Die Fort bildung der Lehrlinge ist Sache der Gemeinden. Daß bei Vergebung von Arbeiten dis Organisationen berücksichtigt werden sollen, entspricht unsern Wünschen, nur muß vermieden weiden, daß nicht etwa wie im Falle Tippelskirch Zwischmunternebmer mit den Aitsträgen betraut werden. Auch gegen ein Reichshandwerkerblatt haben wir nichts einzu wenden, ebensowenig gegen die Schaffung von Handelsinspektoren. Wir wollen nicht den Mittel stand beseitigen, wir wollen ihn vielmehr er halten in der Ansicht, daß durch Verständigung von Organisation zu Organisation gute Erfolge erzielt werden. Die Notwendigkeit für Innunqs- krankenkassen kann ich nicht erkennen, wozu haben wir die Arbeiterversicherung. Durch die Jnnungs- krankenkasten wird nur Unklarheit geschaffen. Abg. Frbr. v. Gamp (freikonO: Die Hand werker wissen sehr wohl, weshalb sie an ihren Innungskrankenkassen festhalten. Erst wenn die Ortskrankenkassen nicht zur Unterbringung sozial demokratischer Agitatoren mißbraucht werden, erst dann werden sich die Handwerker in ihnen Wohl fühlen. Bis dahin danken sie dafür. Ich hätte ge wünscht, wenn der Staatssekretär sich über seine Stellung zur Handwerkersrage geäußert hätte. Von der Anschließung der Handwerker an die Invaliden versicherung wird kaum größerer Gebrauch gemacht werden. Diese Frage wird erledigt werden müssen bei Gelegenheit der Regelung der Privatbeam^enver- sicherunq. Das Reichshandwer'erblatt würden wir für unzweckmäßig halten, zu eingehendem Studium haßen die Handwerker keine Zeck. Ich als fleißiger Abge ordneter — im Winter habe ich ja auch ionfi nichts zu tun — komme kaum dazu auch nur ein H-ft des NeichSarbeitSblattes durchzuarbeiten. Ebenso werden wir gegen die Schaffung der KandelSinspektoren stimmen. Ich hoffe, daß der Staatssekretär ein warmes Herz sür die Handwerker zeigen und mit uns sorgen wird für da« Wohl des schwer be drängten Handwerks. Der Zustand des hoben Bankdiskonts ist für den Handwerkerstand unerträg lich. Die Voraussage deS Staatssekretärs, die KristS im Bankdiskont sei überstanden, ist nicht ein getreten, diese Frage muß viel lebhafter als bisher und als alle andern die Reichsregierung be schäftigen. Abg. Doormann (srs. Vp.): Nicht nur der Handwerker-, sondern auch der Kaufmannsstand muß weit mehr gefördert werden als hisher. Mit der Tendenz de« Antrages find wir einverstanden, über den Wert der Landesinspektoren ist jedoch bei uns die Ansicht verschieden. Abg. Kulerski (Polet spricht die Zustimmung seiner Freunde zu den meisten Punkten des An trages aus. Darauf wird ein Antrag auf Vertagung an genommen. Von und fern. X Dee Kaiser als Pate etitS Hwilltugspaares. Der Kaffer hat bei dem siebenten und achten Sohne (Zwillingsttndern) der Eheleute Fabrikarbeiter Fr. NorreS in Kleef bei Hilden (Rheinld.) die Patenstelle übernommen und den Eltern der Täuflinge ein größeres Geldgeschenk überweisen lassen. Gin entflogener Ballon. Ein ähnlicher Fall, wie in Frankreich mit dem Lenkballon „Palrie" hat sich in Mülheim-Styrum zu getragen. Als der dem niederrheiniichen Verein für Luftichiffahrt gehörende Ballon „Bamler" zwecks Beteiligung an den internationalen Ballonfahrten gefüllt wurde, bemerkte man, daß einer der dabei beschäftigten Soldaten zu viel Gas geatmet hatte. Der Soldat wurde des halb forttransportiert. In diesem Augenblicke ließen die den Ballon haltenden Soldaten dieien einen Augenblick außer acht, und ein plötzlich einsetzender Windstoß entriß den Ballon den Händen der Soldaten und trieb ihn in nordwestlicher Richtung davon. — Nach kurzer Fahrt zerplatzte die Ballonhülle und ging der Ballon bei Bülse im nördlichen Teil West salens nieder. Man hofft, den Ballon noch verwenden zu können. O Irrungen. 83) Roman von Gräfin Baudlssin. fKortseSnng.z Eben jetzt vergaß Hugo die eigene Not sm Anblick eines ängstlich aussehenden Mädchens, daS kaum hörbar dem Geschäftsführer ihre Wünsche zuflüsterte, von diesem aber kopfschüttelnd abgewiesen wurde und nun mit einem ver- -weiflungsvollen Ausdruck in dem schmerz- uch zuckenden Gesicht sich langsam und still entfernte. Eine unangenehme Fistelstimme unterbrach Hugos mitleidige Betrachtungen: „Heda! Sie! Junger Mann, kommen Sie mal heran!" Ein kleines unscheinbares Männchen rief diele Worte und winkte dazu mit seinem un natürlich langen Arm und einer übergroßen Hand. Hugo stutzte einen Augenblick, besann sich, aber sofort auf seine Lage und trat näher. Unmittelbar vor dem Dirigenten des Bureaus, der mit seinen Gehilfen hinter Tischen und Pulten Buch führte, stand der kleine Fremde, ergriff Hugos Rockknopf und hisst ihn so dicht vor sich gefangen, indem er sagte: „Nun Herr PeterS, machen Sie ihm die Sache mundgerecht!" „So viel ich weiß, sind Sie Hugo Erd mann? nicht wahr, Sie suchen schon lange eine Stellung im Kontor eines HandlungShauses. Ich kann Ihnen heute nur wieder dasselbe sagen: ohne Empfehlungen und Zeugnisse ist dergleichen nicht zu erreichen; wenn Ihnen um Beschäftigung zu tun ist, rate ich daher zuzu greisen, wo sich solche bietet. Es ist augenblick lich ein solcher Andrang junger und älterer Männer, die bestens rekommandiert find, daß für diese die gemeldeten Vakanzen nicht aus reichen! So sind Ihre Aussichten wirklich schlecht! — Ich sagte ihm schon mehrfach," wandte sich der Geschäftsführer dann zu dem kleinen Manne mit der hohen Stimme, „daß er am ge scheitesten täte, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, Herr Moser! Dieser Herr," schloß er, seine Worte wieder an Hugo richtend, „ist der Agent für mehrere Bühnen, von dem ich Ihnen schon sprach!" „Herr Peters und ich sind alte Bekannte," fiel Herr Moser ein, „und machten Geschäfte miteinander, ehe Sie auf der WAt waren, mein Männchen! Manch einer hat durch uns sein Glück begründet, mancher ist ein großer Mann geworden dadurch, daß er zur rechten Zeit mit uns abschloß. Wie, Herr Peters?" Moser suchte Hugo in die Ecke des Zimmers zu ziehen; dieser kämpfte augenscheinlich mit sich, machte sich plötzlich los und, zu Peters zurück kehrend, fragte er rasch und leiie: „Können Sie mir denn sonst keine Arbeit nachweisen, gleichviel welche? Mir ist alles und jedes lieber, als was der dort," er machte eine Kopfbewegung nach Moser hin, „mir zu bieten hat!" „Seien Sie kein Tor, nehmen Sie, was sich Ihnen bietet! Wenn Sie Empfehlungen schaffen, kommen Sie einmal wieder zu mir — io ist nichts zu machen. Aber eilt's nicht — können Sie noch warten auf Verdienst, dann —" Hugo kehrte sich kurz um, sein Entschluß war gefaßt. Mit dem Wort: „Eilt's nicht," hatte der Mann ihm ein Bild vor die Seele geführt, das seinen starken Widerwillen gegen diesen Vorschlag brach. Die zarte Konstitution seiner Mutter hatte sich nicht wieder erholt; eine Nervenlähmung in den Beinen hielt sie an das Bett gefesselt und der Gedanke an sie, deren bescheidene Bedürfnisse bald unerfüllt zu bleiben drohten, wenn die bis aufs äußerste erschöpfte Kasse keinen Zuschuß erhielt, trieb ihn nun Moser zu. Dieser bemächtigte sich sofort wieder Hugos Rockknopfes und redete mit außerordent licher Geläufigkeit auf ihn ein. Hugo stand wie eine Bildsäule da und starrte über den kleinen Mann hinweg auf die Wand. Ob er diese sah, oder ob vor seinem ernsten Auge die grünen Waldungen von Oggershausen auftauchten? Blickte er zurück auf alte Zeiten und frohe Tage? Sprach er sich von neuem das unabänderliche Urteil: des Menschen Feind ist sein eigenes Ich! Nichts scheidet völliger und hoffnungsloser von Glück und Wohlsein, als die eigene bö!e Tat? Jedenfalls grübelte er nicht mehr darüber, wie er zu dieser Tat gekommen. Die Erklärung hatte er in der fühlbarsten Einsamkeit, die ein Mensch durchleben kann, der freund- und ratlos im Gewühl einer Weltstadt dasteht, längst ge funden. Oft genug hatte er auf seinen vergeblichen Wegen die Ereignisse der Vergangenheit an sich vorüberziehen lassen. Er wußte längst, daß der Augenblick, in dem er sein Schicksal besiegelt hatte, kaum größere Sünde barg, als die ganze vorhergehende Periode seines leichtsinnigen Vergeudens von Zeit und Geld. Er hatte sich lebhaft sein Sträuben gegen jede Arbeit, seine» Mangel an Ernst und Pflichterfüllung vergegen wärtigt, und wußte, daß daraus die Verwirrung zwischen Recht und Unrecht entstanden war, die schließlich auf Sekunden bis zu jener schrecklichen Höhe hatte steigen können. Ein bitteres Lächeln glitt zuwellen über die jetzt gewöhnlich fest geschloffenen Lippen, ob seiner jetzigen Einsicht. ES kamen mutlose Momente, in denen Weisheit, welche an der Vergangenheit doch nichts ändern konnte, so überflüssig schien, wie die Zukunft gleichgültig. Herr Moser, der an Hugos schöner Gestalt und Haltung Gefallen gefunden, setzte ihm jetzt auseinander, daß, wenn er einige Schulbildung besitze, die „Kunst" ihm ihre Tore weit öffnen würde, vorläufig mit einer Anstellung als „Statist" an einem größeren Theater. Mit einiger Gewandtheit und Aufmerksamkeit könne er sich als solcher leicht die nötige Fertigkeit erringen, auch kleine Rollen zu übernehmen usw. usw. Hugo hörte still zu, „Not kennt kein Gebot", wiederholte er sich und verarbeitete das „ich muß" mit immer wachsendem Erfolge. Jetzt kam die Vergütung für seine Dienste zur Sprache. Für jeden Abend, an dem man ihn brauchen werde, sollte ihm gezahlt werden, ob seltener oder öffer wöchentlich, mußte davon abhänqen, welche Bühne ihn engagieren würde. Wenige Groschen schienen überhaupt nur in Aussicht zu sein und, als Hugo unbefriedigt aussah, meinte Moser: .Guter Freund. waS denken Siel Ma»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)