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Ottendorfer Zeitung. D e ,Mtt«n>,rfer Zeitung" erscheint virastag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Druck un- Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. »«nahm« »«» Inserat« bi, »»»mittag I« Uhr. Inserate werden mit w P. fiir die Spaltzeil« berechn,s Labellaeischer Satz nach besonderem Tarif Verlag vo.. ^ermann Rühle in Groß-D?riUa. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla No. 148. Mittwoch, den li. Dezember 1907. 6. Jahrgang* Oerttichrs und Sächsisches. Vttendsrf-Bkrilla, den za- Dezember zgor. HZ Die Königliche Polizei-Direktion Dresden batte sr. Zt. bei Uebergabe der JnterimS- Augustu»brücke für den öffentlichen Verkehr ein Verbot erlassen, nach dem Personen mit Trag- körben die Brücke nicht passieren durften. Es sei an dieser Stelle daraus aufmerksam ge macht, daß, so viel hier bekannt wurde, das erwähnte Verbot wieder aufgehoben worden ist. —* Nach der soeben erschienenen Rentabliiäts- berechnung für die einzelnen Linien des Königs. StaatSeisenbahnnetzeS aus das Jahr 1906 be trug die Verzinsung des Anlagekapitals bei der Linie Klotzsche — Schwepnitz 3 221 Prozent gegen 2,042 Prozent im Jahre 1905 und steht damit an 32. Stelle. Dir beste Ver zinsung der vollspurigen Bahnen ergab die Linie Zeithain -Elsterwerda mit 10,993 Proz. (1905: 10,721), die zweitbeste Stollberg—St- Epidien und N-uölSnitz—Wüstenbrand mit Kohlenbahnen mit 9,805 (1905: 9.173) Proz. An letzter (47.) Stelle erforderte die Linie Zwönitz—Scheibenberg 0,081 Prozent Zuschuß. Von den schmalsparigen Bahnen steht be züglich der Rentablität die Linie Radebeul- Radeburg mit einer Verzinsung von 4.916 (1905: 4.595) Prozent an erster Stelle, da gegen erfordert an letzter (19.) Stelle die Linie Mosel—Ortmannsdorf 0,995 Prozent Zuschlag. —* Zum sächsischen Kultusminister wurde am Sonnabend von König Friedrich August der Oberbürgermeister von Chemnitz, Dr. jur. Heinrich Gustav Beck, ernannt. Der neue Kultusminister und bisherige Chemnitzer Ober bürgermeister ist noch verhältnismäßig jung, er steht im 54. Lebensjahre und hat außer ordentlich schnell Karriere gemacht. Exzellenz Dr. Heinrich Gustav Beck ist am 11. April des Jahres 1854 in Gera geboren, studierte in Leipzig und Berlin Jura, war 1885 RatS- assessor in Dresden und wurde von dort zum Bürgermeister in Frankenberg gewählt, in welcher Stellung er sich durch mehrjährige Tätigkeit berechtigte» Ansehen und hohe Wert schätzung seiner außerordentlichen Leistungs fähigkeit erwarb. Von Frankenberg aus wurde er al» Bürgermeister nach Freiberg be rufen, wo er 'jedoch nur ein Jahr amtierte, am 16. September 1896 kam er als Nach folger de» Oberbürgermeister« Andrä nach Chemnitz, das damal» mit rund 165000 Ein wohnern eine große Kleinstadt war. Die elf Jahre die Dr. Beck der Stadt Chemnitz als oberster Leiter vorstand, umfassen einen außerordentlich wichtigen Abschnitt der Ge schichte der drittgrößten Stadt Sachsen. - * Die Damenwelt steht wieder im Zeichen der WeihnSchtSarbeiten. Selbstgesertigte Gaben haben neben ihrem wirklichen Wert immer noch einen idealen, den der Liebe und Zu neigung. Wenn das Töchterchen zum rsten Male einen Srifenlappen für die Mutter strickt dann ist die Freude groß. Wieviel Geduld gehört dazu, bis die ungewandten Finger das Meisterstück zustande brachten, denn etwaige Fehler nnd Mängel decken die Eltern mit dem berühmten Mantel zu. Wie viele Hände mühen sich ab, etwa« Hübsches zu schaffen und können e» nicht! Ist eS da nicht vie bester, Zeit und Kraft zu sparen, und etwas zu schenken, waS man selbst längst nicht so reizend zustande bringen könnte? Das über mäßige Arbeiten verdirbt zudem nicht nur die Augen, sondern macht aych schlapp und un lustig. Und wenn am Heiligen Abend von den Geschenkgebern noch so herrlich- Sachen mit überanstrengten blaffen Gesichtern über reicht werden, dann kann da» rechte Glüc doch nicht aufkommen! Dresden. Das hiesige Landgericht ver urteilte den Maschinenbauer August Arthur Deisoste, den Mitarbeiter, eines Kölner AutomobilgeschästeS, wegen gefährlicher Körper ¬ verletzung zu 3 Monaten Gefängnis, von denen 1 Monat als verbüßt gilt. DelsosH unternahm kurz vor der Herkomer-Fahrt eine Probe- und Renommiersahrt von Aachen über Leipzig nach Dresden. Bei Meißen, zwischen Sörnewitz und Oberspaar, raste der Autler die Straße entlang, ohne Signal zu geben. Dabei überfuhr er den Badediener Bandis derart schwer, daß dieser heute noch aus beiden Beinen gelähmt ist. D. bekümmerte sich nicht m geringsten um sein Opfer, sondern fuhr vielmehr im rasenden Tempo davon. Die Verhandlung, zu der 24 Zeugen geladen waren, dauerte mehrere Stunden. — Dem Schankwirt und Pferdefleischer Liebold in Dresden ist für Errettung mehrere, Kinder aus der Gefahr von durchgehenden Pferden überrannt zu werden, die bronzene LebenSrettnngSmedaille verliehen worden. — Die jugendliche Gattin eines Berliner Offiziers. Frau Löffelholz von Colberg ist in Dresden spurlos verschwunden. Leipzig. Aus der Kreuzung der Elisen- und Kronprinz-Straße fand am Sonntag nachmittag gegen cinviertel drei Uhr ein Zusammenstoß zwischen zwei Motorwagen der Straßenbahnen statt. Es fuhr daselbst ein Wagen der Linie O. (Große Leipziger Straßenbahn) einem Wagen der Linie 7 (Leipziger Elektrische Straßenbahn) in die Flanke. An beiden Wagen gingen eine Anzahl Fensterscheiben in Stücke und von dem Wagen der Linie 7 brach durch dis Gewalt des Zusammenstoßes überdies eine Achse. Auf dem Wagen der O.-Linie erlitt der Schaffner und ein Fräulein Lang, das sich in der Elisenstraße bei Verwandten aushält, schwere Verletzungen. Der jungen Dame war ein Glassplittsr über dem linken Auge in die Stirn eingedrungen, der später von einem Arzte entfernt wurde. Die Wunde mußte genäht werden. Der Schaffner erlitt Schnitt wunden an den Händen und über dem rechten Auge. Welcher von beiden Wagenführern das Unglück verschuldet hat, konnte noch nicht fest- gestellt werden. Leipzig. Durch die hiesige Kriminalpolizei wurde am Sonnabend früh ein Pistolen-Duell, das in Böhlitz-Ehrenberg zwischen einem 40 Jahre alten Kaufmann und einem 22jährigen Studenten stattfinden sollte, ver hindert. Die Duellanten wurden in Schutzhaft genommen und deren Waffen beschlagnahmt. Die Herren hatten sich wegen einer Kellnerin erst geprügelt und dann gefordert. — Die Verhaftung der „Bankdirektoren" Kaiser und Eisenbeiß hat hier natürlich viel Aussehen gemacht, dürfte aber keinem zweiten Menschen so unangenehm sein, wie dem jetzt gerade vor Gericht stehenden DarlehnS- schwindler Riedel. Der verhaftete Kaiser war sein Sachverständiger, er sollte ihn bezüglich seiner Geschäftsführung entlasten. Nebenbei war er Riedels Freund, welcher besten Braut nach der Verhaftung Riedels in seine Familie ausgenommen hatte. Kaiser und Eisenbeiß sind beschuldigt, wucherische Darlehnsgeschäste betrieben zu haben. Ehrenfriedersdorf. In der Nacht zum Sonnabend ist die an der Herolder Straße stehende, drei Stockwerke hohe sogenannte Hefenfabrik bis auf die Umfassungsmauern niedergebraunt. In dieser Fabrik wurde die Holzstoff-Fabrikation betrieben. Die zur Holz- ichleifern verwendeten Maschinen fielen den Flammen zum Opfer. Der entstandene Schoden ist bedeutend. Die Brandursache ist unbekannt. Chemnitz. Nachrichten aus Zwickau, Bautzen, Leipzig sind die sozialdemokratischen Parteiversammlungen am Sonntag ruhig ver laufen. Nur in Chemnitz kam es zu Zusammen rottungen. Das Chemnitzer Tageblatt be richtet darüber folgendes: Am Sonntag vor mittag 11 Uhr wurden 5 Volksprotest- versammlungen in hiesiger Stadt abgehalten, die sämtlich einen starken Besuch anfwiesen. Die Versammlungen, die einen ordnungs gemäßen Verlauf nahmen, faßten eine Ent- chließung, in der das allgemeine, gleiche, ge- ?eime und direkte Wahlrecht, ausgedehnt auf alle Staatsbürger, ohne Unterschied des Geschlechts vom 20. Lebensjahre ab, gefordert wird. Während die Teilnehmer der vier Versammlungen nach Schluß sich alsbald zer- treuten, zogen die Teilnehmer drr Ver- ammlung im Kolosseum etwa von dreiviertel 1 Uhr ab (schätzungsweise 2000 Köpfe stark) n 'geschloffener Maste Fahr- und Fußwege vollständig einnehmend, die Zwickauer Straße lohlend, pfeifend und singend nach der inneren Ltadt zu herein. Sie wurden von der auf gebotenen Polizeimannschast zunächst am Johannisplatz zerstreut. Auch wurden weitere Versuche, von der inneren Johannisstraße her vorzudringen, zurückgewiesen. Nach Zer- 'treunng kleinerer Trupps zeigte die Stadt einhalb drei Uhr das gewohnte Straßenbild. Ernstere Zusammenstöße sind nicht vor- gekommen, doch mußten einige der Haupt- ichreier vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen werden. Chemnitz. Auf dem benachbarten Bahn- wfe Hilbersdorf ist am Sonntag mittag gegen 12 Uhr der Weichenwärter Oslsch zwischen Zen Puffern zweier Wagen eingeklemmt tot aufgefunden worden. Der Unfall ist vermutlich beim Nachschieben von anderen Wagen ein getreten. Niederwürschnitz. Am Montag früh wurden hier zwei Personen, ein 19 jähriger Bergarbeiter und ein Schmiedelehrling aus Stollberg tot ausgesunden. Sie waren von einem zerrissenen Telephondraht, der über eine Starkstromleitung zu liegen gekommen war, getroffen und getötet worden. Reichenbach. Nachdem der amtierende Geistliche in der Hauptkirche seine Rede ge- jalten und das Amen gesprochen hatte, Uef einer der anwesenden Kirchenbesucher ein lautes, herzhaftes „Bravo" in die Stille der Kirch- hinein. Oberlungwitz. Dem Nachtschutzmann Schenker bewilligte der Gemeinderat für sein entschlossenes Handeln bei der Verhaftung des Feuerwehrmannes und Brandstifters Jung eine Geldbelohnung von 50 Mark. Jung wurde nachdem er drei Brände angelegt hatte, beim Brand des Coderschen Bauerngutes aus frischer Tat ertappt- Aus der Woche. Das große Ereignis der Woche war die im deutschen Reichstag plötzlich ausgebrochene Krise die zu einem unerwarteten Regierungswechsel führen drohte. Nachdem die Führer der Blockparteien dem Fürsten Bülow aber ihr Vertrauen in seine Führung der Geschäfte ausgesprochen haben, dürfen vorläufig der Block, die politische Schöpfung des Reichs kanzlers, fortbest-hen. — Aus England drang wieder eine jener Stimmen, die uns zeigen, daß .der Kaiserbesuch nicht alle Wolken des Neides und der Mißgunst verscheut hat. Ein Londoner Winkelblatt hatte die Mär auf gebracht, Kaiser Wilhelm habe in vertrauten Kreise sich in längerer Rede über die Weltlage geäußert. Der Monarch habe darin den Gedanken eines Krieges gegen Rußland wegen der Ostseeprovinzen von sich gewiesen und habe gesagt, daß Deutschland keinen Anschluß an die nordischen Staaten «uche, weil dort „nichts zu holen sei. Das scheint der Kernpunkt der tollen Erfindung zu sein. Man glaubt eben in weiten Kreiien Englands, daö Gerücht von einem deutsch-schwedischen Bündnis sei nahe daran, Wirklichkeit zu werden. Das also muß hintertrieben werden. Ob der Mittel, deren man sich bedient, hat man in England nie ge» fragt, und wird auch allen Anschein nach in Zukunft nicht fragen. — In der russischen Reichsduma hat sich ein tragikomischer Zwischen ¬ fall ereignet. Bei Beratung der Polensrage hatte der Kadett Roditschew (durch seine An griffe auf die Regierung in der dritten Duma bekannt) das Unglück, im Eifer des Gefechte« dem Ministerpräsidenten verschiedenes zu sagen, was frei war von aller Liebenswürdigkeit und Schmeichelei. Sofort wurde die Duma ver tagt und als sie nach einer Stunde wieder er öffnet wurde, hatte man den unvorsichtigen Kadetten klar gemacht, daß er außer seiner Strafe (Ausschluß von 15 Sitzungen) noch weniger Angenehmes zu erwarten habe, wenn er nicht um Verzeihung bäte. Das tat sdenn auch der Volksvertreter mit beweglichen Worten. Der Zwischenfall war damit erledigt und Herr Stolypin triumphierte. In d»r dritten Duma herrscht eben Ordnung. — Die Nachrichten über die Zustände in Portugal vermag niemand aus ihre Wahrheit zu kontrollieren. Die einen besagen, das Land sei vollständig ruhig, so daß der König im Einklang mit dem Ministerium beschlosten habe demnächst wieder das Parlament zu berufen, die andern behaupten so ziemlich daS Gegen teil. Nach ihrer Darstellung ist ganz Portugal dem Aufruhr nahe, ja ein Angehöriger der revolutionären Partei hat einen Bericht erstatter gegenüber sogar geäußert, daß noch vor Beginn des neuen Jahres Portugal Republik sein werde. Die Wahrheit wird wahrscheinlich in der Milte liegen, Wie lange es aber noch dauern wird, ehe man die Zu stände als befriedigend bezeichnen kann, hängt ganz davon ab, wann das Ministerium Franco bereit ist. auf die Diktatur zu ver zichten. Interessant ist in dielen Tagen der Etatsdebatten ein Blick aus die Heeresstärke der verschiedenen Länder, die doch alle im Haag vertreten waren. Frankreich, Spanien, Italien, Rußland, England erhöhen den Friedensstand ihrer Heere, Griechenland und Rumänien schaffen eine Heeresorganisation. Es scheint überdies fast, als sei im Haag der einstimmige Entschluß gefaßt worden, die Flotten der ganzen Welt zu verstärken. Ueberall werden Flottenvermehrungen (in Spanien sogar der Neuaufbau) der Flotte verlangt. Diesem Zuge der Zeit hat sogar der Präsident der Ver. Staaten, der friedensselige Roosevelt, in seiner Botschaft an den Kongreß Rechnung tragen müssen. Auch er fordert vier Schlachtschiffe größter Art. Warum auch nicht, den Friedenspreis der Nobelstiftung, den er im vorigen Jahre mühelos errang, kann ihm niemand nehmen. Di« Rüstungen der Ver. Staaten werden durch den Zwist mit Japan ins rechte Licht gerückt. Trotz aller Friedensversicherungen ist man auf beiden Seiten eifrig mit Rüstungen beschäftigt. Während man sich freundschaftlich über die schwebende Einwanderungsfrage zu verständigen scheint, wird in allen Arsenalen fieberhaft ge arbeitet. Was im Haag beschlosten ward, den Mächten die Frage der Abrüstung zu er neuter Ueberlegung zu empfehlen, scheint hier vergessen zu sein. Man sieht in der Not des Augenblicks erst ein, daß es gewisse Ideale gibt, die sich nur verwirklichen lasten, wenn man der rauhen Wirklichkeit in jedem Augen blick Rechnung trägt. — Die Ding« in Marokko scheinen jetzt einer Entscheidung zu nahen. Der Sultan Abd ul Aziz der mit Frankreich in freundschaftlichen Unterhandlungen wegen der einzuführenden Reformen stand, hat diese Unterhandlungen unter allerhand nichtigen Vorwänden abgebrochen und dafür Fühlung mit seinem Bruder, den Gegensultan Muley Hafid gesucht. Man glaubt, daß eine Aus söhnung der feindlichen Brüder nahe beoor- stehe. DaS würde natürlich die Lage Frankreichs verschlimmern und die Beruhigung des Landes aufs neue ernstlich in Frage stellen. Vielleicht haben jene nicht so unrecht, die laut und immer lauter die Frage stellen: Ob Frankreich noch jemals Marokko verlasten wirds