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ö »S^V I sIIIII lAAGßlßA* Di ,GUeni))rjer Zeitung" erscheint vernstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen y2v Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. Annahme e»n Inserat« bi, ».»mittag m Uh». Inserat« w«rd«n mit w Pf für di« Spaltzetl« berechnet tabellarischer Satz nach des»nd«r«m Tarif Druck unö Verlag von ^ermann Rühl« in Grsß-Gkrilla. Für öie Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla No. 1^4. Mittwoch, den 16. Oktober 1907. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Vkrilla, den 45. Oktober :gv7. —* Schon die Mitte des Oktobers ist er reicht , und immer noch bleibt uns die Nach sommer-Freude bewahr!, die unter geringen Schwankungen mit einer Ausdauer und Hart näckigkeit anhält, wie sie der rechte Sommer sehr ve: missen ließ. Die herbstlichen N-b.l- Erscheinungen in der Morgenfrühe sind wohl etwa« stärker geworden, aber noch immer be hauptet der Strohhut sich neben dem Filzhut und an dn schönen Sonntag-Nachmittagen nimmt der Verkehr einen Charakter an, wie wir ihn sonst um diese Jahreszeit kaum ge kannt haben. Nickt einmal 4 Wochen haben wir mehr bis Martini, und von diesem Tage heißt es doch: St. Martin kommt aus einem Schimmel geritten. —* Mit der Kartoffelernte ist man nun mehr so weit vorgeschritten, daß man einen Ueberblick über das Ergebnis haben kann. In den tiefer gelegenen Gegenden kann die Ernte in der Hauptsache als beendet angesehen werden. Die wunderbaren Herbsttage der letzten Wochen haben dazu beigetragen, daß die Knollen im vorzüglichem Zustande in Keller- räume bezw. Mieten untergebracht sind. Waß nun Güte und Menge anbelangt, so kann die diesjährige Ernte als gute Mittelernte bezeichnet Werden. Die Sorge vor überaus hohen Kartoffelpressen dürfte damit geschwunden sein. —* Das Königliche Ministerium des Innern hat den unterstellten Behörden zur Kenntnis gebracht, daß der Kaiserliche Automobilklub in ganz Deutschland an den Straßen zur Kenn zeichnung besonders gefährlicher Stellen (Kurven-, Doppelkurven, Vertiefungen, Erhöhungen, Straßenkreuzungen, und Eisenbahnübergänge) Warnungstafeln und zwar nach einheitlichem internationalen Muster und stets 250 Meter vor den gefährlichen Stellen setzen lassen wird. —* Die Einfuhr von Eiern weist im lausenden Jahre einen Rückgang gegen 1906 auf, der allerdings erst in den jüngsten Monaten zutage tritt. In den ersten acht Monaten 1806 bezog Deutschland vom Aus land 1,21 Millionen Doppelzentner Eier, in der nämlichen Zeit 1907 nur 1,13. Im August 1906 betrug die Einfuhr 136360, im August des lausenden Jahres nur 97 644 Doppelzentner. Diese Abnahme der Einfuhr ist nicht auf verminderten Bedarf, sondern auf den Umstand zurückzuführen, daß das europäische Rußland weil weniger Eier liefern kann als im Vorjahre, während die anderen Bezugs- länder den Ausfall nicht auszvgleichcn ver mögen. Rußland führte im August 1907 nur 40220 Doppelzentner Eier nach Deutschland ein gegen 91144 im Vergleichsmonat 1906 —* Militärische Gebirgsübungen in der Sächsischen Schweiz. Gebirgsübungen unter Zugrundelegung der in den afrikanischen Kämpfen gem>ch!cn Erfahrungen sollen im nächsten Jahre von Abteilungen des 5. und 6 Armeekorps im Bereiche der Sächsischen Schweiz zur Ausführung gebracht werden. Behufs Prüfung des Gelände« und Vornahme sonstiger Studien weilte j-tzt der RegieruugS- slab des 19 Infanterieregiments zu Görlitz unter Führung des Obersten 0. Below in Schandau. Königsbrück. In der Nacht vem Sonn abend zum Sonntag, vermutlich zwischen 12 und 1 Uhr, ist im Grundstück des Herrn Drogisten Kirsten, am Ma-ki, ein Einbruch ausgesührt worden. Der oder die Einbrecher sind von der Hofseite aus durch das Treppen- senster in die Hausflur eingcdrungen, haben die eisenbeschlagene Tür, wlche aus der Hausflur in den Laden führt, erbrechen, die Klingel abgeschnitlen und aus dem Laden die Portokaffe (zwischen 20 und 30 Mark) ent wendet. Die Tat muß, dem Anschein nach von Jemand begangen worden sein, der Lokaikennlnis hatte. — Zu dem am Montag stattgesundenen Viehmarkt waren ausgetrieben: 71 Rinder, 20 Läuserschweine und 160 Ferkel. Rinder wurden zum Preise von 200—350 Mark, Läuferschweine zu 25—40 Mark pro Glück md Ferkel zu 15 — 35 Mark das Paar ver wüst. Weißbach. Die Galgentanne, das alte Wahrzeichen von Weißbach, ist am frühen Morgen des 13. d. M, zum dritten Male durch Feuer heimgesuchl worden. Bedauerlich ist, wenn der seltene oder gar einzig in dieser Form dastehende Baum nicht dem Zahn der Zeit, sondern ruchlosen Bubenhänden zum Opfer fallen muß. Pirna. Eine für Hamburg bestimmte larpsenprahme, deren lebende Fracht ein größeres Vermögen repräsentiert, wird zur Zeit wieder am Pirnaer Elbufer zusommen gestellt. Die Karpfen kommen zu einem guten Teil aus Lausitzer Teichen. Dresden. Nach heftigen Austritten mit einer Eh-frou schnitt sich am Montag morgen der in der Südvorstadt wohnende Laternen- wärter Otto Moeser die Kehle und die Puls adern durch und verstarb bald daraus im Krankenhause. — Am Montag Abend stießen auf der Schillerstraße in der Nähe der Forststraße zwei gelbe Straßenbahnwagen aufeinander, wobei drei Passagiere leicht verletzt wurden. Sie mußten in der Diakonißenanstalt ver bunden werden. Der Wagenschaden ist be deutend. Man nimmt an, daß die Brems vorrichtung des einen Straßenbahnwagens ver sagt hat. Eisenberg. Die Zigeunerplage macht den Polizeiorganen allenthalben viel zu schaffen und immer wieder wird hier und da berichtet wie die Polizeibeamten ost tagelang beschäftigt sind, die braunen Gestalten aus einem in den anderen Bezirk abzuschieben. Es dauert oft nur wenige Wochen und dieselben Gestalten tauchen wieder auf. Am letzten Sonntag hatte sich ein Zigeunertrupp abermals in der Nähe des Staatöforstreviers an der Straße nach dem Auer bei Lindenau recht häuslich niedergelassen. Wagenburg, Wachtfeuer, grasende Pferde, wahrsagende Frauen, junge, Karten kunststücke aussührcnde Burschen waren wieder das typische Bild, bis auf einmal das Lager eilig abgebrochen wurde und die Abreise flucht artig bewerkstelligt wurde. Verfolgt von Polizeimannschasten ging diesmal wieder die Reise durch Zitzschewig, Naundorf nach dem jenseitigen Ufer, wo sich die Grenzen der König!. Amtshauplmannschaften von Dresden- Neustadt und Meißen befinden. In der schönen Moritzburger Waldung lagen als Zeugen dieses Nomadenlebens die Aschenreste der Lagerstätte, zerbrochene Flaschen und wert lose Habseligkeiten herum, und die Klage der Besitzer über den Schaden an Feldern, Wiesen und Wälder konnte man überall vernehmen. Brand. Zur Affäre der Brander Bürgermeistcrötochter werden neue Einzelheiten bekannt, die erkennen lassen, daß der Mord plan von langer Hand vorbereitet war. So hat sich herausgestellt, daß Grete Beier schon vorher, ehe sie ihrem Vater den Revolver ent- weninte, sich eine Mordwaffe zu beschaffen versucht hat. Sie beauftragte vor längerer Zeit die Brander Botenfrau, ihr in einer Freiberger Waffenhandlung einen Revolver mit säarser Munition zu kaufen. Der Waffenhändler lehnte indes die Verabfolgung des .Revolvers ab, weil die Botenfrau eine Bescheinigung nicht vorweisen konnte. Tags darauf kam die Botenfrau wieder, zeigte eine von der Grete Aeier ausgestellte Bescheinigung vor und erhielt darauf den Revolver. Aller dings gab der Händler nur Platzpatronen mit und machte dem Bürgermeister Beier telephonisch Mitteilung von dem Waffenkaufe seiner Tochter. Dieser nahm daraufhin seiner Tochter die Waffe wieder ab und brachte sie nach einigen Tagen dem Händler wieder zurück. Da ihr dieser Versuch, zu einer Mordwaffe zu gelangen, nicht glückte, verschaffte sich die Beier einen von der Brander Polizeibehörde konfiszierten Revolver eines Selbstmörders, mit dem sie dann ihren Bräutigam erschoß. Daß häßlichste Habgier der Beweggrund zur Mord- at war, beweist auch folgende Darstellung: Wenige Tage nach Preßlers Tode kamen die Mutter Beier und ihre Tochter — letztere in einem neuen Kleide! — mit einem Möbel wagen vor der Chemnitzer Wohnung Preßlers vgrgefohren. Dann packten beide die ganze Wohnungseinrichtung Preßlers, seine Wäsche, Kleidungsstücke, sogar die Restbestände seines Weinkellers in den Wagen, um alles nach Brand mitzunehmcn. Beim Einpacken äußerte Grete Beier dem Spediteur gegenüber, daß es gut wäre, daß Preßler tot sei. Als ver- Mateter Mann hätte er sie ja doch einmal nicht heiraten können, und vielleicht hätte er re, wenn sie gerade in Chemnitz gewesen wäre eben aus diesem Hinderungsgrund erschaffen. Hieraus ergibt sich, daß es die Grete Beier elbst war, die das ganz unbegründete Gerücht verbreitete, Preßler sei verheiratet. Frankenberg. Ein junges Mädchen er hielt vom hiesigen Schöffengericht wegen Schwindeleien eine Gefängnisstrafe. Aus Scham darüb-r versuchte sie sich auf dem Gottesacker mitt ls Lysol zu vergiften. Sie erreichte aber ihren Zweck nicht und mußte ins Krankenhaus überführt werden, wo sie sich außer Lebensgefahr befindet. Ober fr oh na. Ein schweres Unglück hat ich hier am Sonntag Abend ereignet. Die Pferde des der Witwe Wagner gehörigen Wagens scheuten auf der Wolkenburger Straße und gingen durch, unterwegs rissen sie einen Gaskandelaber um und stürzten schließlich, wo bei sich der Wagen überschlug. Die Insassen, zwei Frauen, vier Kinder und der Kutscher, er litten hierbei zum Teil sehr schwere Ver letzungen. Der Kutscher mußte unter dem Wagen hervorgezogen werden, sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt, so daß zu be fürchten steht, daß er das Augenlicht einbüßen wird. Johanngeorgenstadt. Das Gesuch des Kirchenvorstandes um Genehmigung einer An leihe von 6000 Mark zum Reparaturbau des Diakonatgebäudes wurde vom Stadtgemeinderat wegen ungünstiger Erwecbsverhältnifse in der Glacchandschuhsabrikation abgelehnt. Ans der Woche. Nach unendlichen Mühen ist es den ver einten Anstrengungen der österreichischen und ungarischen Minister gelungen, den Ausgleich den ach so heiß ersehnten, den lange um strittenen, noch glücklich in dem Augenblick unter Dach und Fach zu bringen, wo man an seinem Zustandekommen schon schier verzweifeln wollte. Die Regierungen beider Länder können nun ihre Kraft den mannigfachen Aufgaben widmen, die ihrer im reichen Maße harren. Während in Oesterreich die Eisenbahnfrage eine brennende ist, steht in Ungaru die Wahl- reformbewegung im Vordergründe des Inter esses. Haben doch erst am 10. d. M. wieder Tausende und Abertausende in Budapest, wo zur Feier des sTageS eine allgemeine Arbeits einstellung erfolgt war, in seltener Einmütigkeit gezeigt, daß die Wahlresorm in Ungarn, die ja auch schon in Aussicht gestellt ist, zur unab- weislichen Forderung des Tages ward. — In Frankreich hat man sich jetzt entschloßen, gegen die Antimilitaristen ernstlich und mit allen Mitteln des Gesetzes vorzugehen. Der Führer der Antimilitaristen, Herve, wurde auf Be treiben Clemenceaus unter Anklage wegen Be leidigung der Armee gestellt, und der am 22. d. M. zusammentretenen Kammer wird die Regierung einen Gesetzentwurf unter breiten, der eine schwere Strafe für den vor sieht, der sich die Verhinderung oder Be schränkung der Verteidigung des Vaterlandes" zum Ziel steckt. — Die Haager Friedens konferenz hat ihre Koffer gepackt. Bis auf das Schlußprotokoll, über dessen Fassung man sich nur schwer einigen konnte, ist alles fertig. Es wird nur noch einige Zeit dauern, bis man die Einzelergebniffe dieser Sommertagung wird übersehen können, im großen und ganzen darf aber schon jetzt gesagt werden: die Friedens konferenz hat sich mit der Beratung von Mitteln und Mittelchen befaßt, die der Ver menschlichung des Krieges dienen sollen. Ueberoll dort, wo die Konferenz sich mit dem Frieden besaßen wollte, drohte es zu ernsten Zerwürfnissen zu kommen. Ohne Zweifel aber werden die Diplomaten der Welt einen Tag verkünden: Die Friedenskonferenz des Jahre» 1907 hat einen weiteren Schritt gemacht zur Sicherung des Weltfriedens. Wieviele Schritt aber gehören dazu, um dieses friedliche Unge heuer bei guter Laune zu erhalten. — Es ist wohl in keinem Jahre, auch abgesehen von der Haager Konferenz, so ungeheuer viel vom Frieden gesprochen worden, wie gerade im Sommer 1907. König Eduard machte auf seiner Mittelmeerfahrt den Anfang und seitdem ward so viel von Wellfrieden und Völker verbrüderung gesprochen, daß man meinen sollte, die Welt könne aller Soldaten und Schiffe entraten; aber die Dinge sehen in der Nähe eben doch ganz anders aus. Hier und da zuckt es am Horizont der internationalen Politik ganz bedenklich. Die Balkanfrage, die Marokkoangelegenheit, die spanisch-französischen Eifersüchteleien und der heimliche Kampf um den Stillen Ozean, zwischen Japan und Amerika, das sind einige der Fragen, die die Gegenwart bewegen und von der Zukunft ge« steierisch Antwort verlangen. — In Madrid heißt es ganz offen, man habe erkannt, daß man neben der Eroberungülust der französischen Nachbarn doch nur eine untergeordnete Roll« m Marokko spielen könne. Die Gerüchte, wo nach die spanischen Truppen von Casablanca zurückgezogen werden sollen, treten trotz viel facher Ableugnung immer bestimmter anf. Dabei ist an ein Ende der ganzen Marokko- g-schtchte noch nicht abzusehen. Zunächst braucht Abd ul Aziz Geld, das ihm Frankreich in Höhe von 80 Millionen Frank vorschießen will, wenn er in die Besetzung von mehreren Häsen willigt, die Frankreich als Faustpfand behalten will — bis die 80 Millionen Frank zurückgezahlt sind. Daran ist bei der oer« lotterten marokkanischen Finanzwirtschaft natürlich nicht zu denken — die Ziele der friedlichen Durchdringung werden jetzt also immer sicht barer. Schritt für Schritt hat Frankreich die Algecirasakte einfach außer Geltung gesetzt und hat, als habe es einen europäischen Auftrag, mit sanfter, aber auch strenger Freundeshand den Sultan Abd ul Aziz mit Beschlag belegt. — Der türkisch-persische Grenzstreit hat jetzt ernste MeinungS - Verschiedenheiten zwischen Konstantinopel und Teheran gezeitigt, die um so beachtenswerter sind, als Schah und Parlament in Persien jetzt endlich zu einer Verständigung gekommen zu sein scheinen. Mohammed Alt Mirza wird jetzt Truppen an die Grenze entsenden mit dem Auftrage, den Kampf zu beginnen, wenn türkische Soldaten wieder persisches Gebiet plündernd betreten. — Nicht ganz so weit, aber auch zu einer ernsten Spannung, ist es zwischen Japan und den Ver. Staaten gekommen. Zwar die Diplomaten lauschten Höflichkeiten aus (wann täten sie das nicht?), aber aus den Wolken friedfertiger FceundschaflSversicherungen schießen ab und zu Blitze, die das aufziehence Gewitter erkennen laßen. Vielleicht hat die Zeitung „Agashi" nicht Unrecht, wenn sie schreibt: Wir wollen endlich Gewißheit. Der Kampf muß kommen, nehmen wir ihn auf, so lange wir noch Sieges aussichten haben, — nach 10 Jahren sieht e» schlimmer für uns aus.