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Druck und Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla No. 109. Mittwoch den 11. September 1907. 6. Jahrgang. Verlag vor. Hermann Rühle in Orsß-Gkriüa. Die ,B !snv,rfer Zeitung" erscheint v»,t«tag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Annahme neu Inserate bi, »»rmtttag „ Uhr, Inserat« werden mit w Pf sür di» Lpaltzetl« berechnet rabellartscher Satz nach besonderem Laris Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Mandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode." Lokalzeitung für die Ortschaften Vttendors-Dkrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Bekanntmachung. Nachdem das Königliche Ministerium des Innern die Wahlmännerwahlen im 9. länd lichen Landtags-Wahlkreise für die III. ^dteilunK üer Ilr^äbler unk Mttwovk, den 11. Septembtzr 1907, II. „ „ „ „ vonneestaK, äon 12, Soptemlrer 1907, I. „ „ „ „ ^rvitaK, den 13. Septembtzr 1907 lchgesetzt hat, wird dies gemäß 8 16 des Wahlgesetzes vom 28 März 1896 und H 22 der Ausführungs-Verordnung dazu vom 10. Oktober 1896 mit dem Bemerken noch hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß in dem aus den Orten Vttendorf-Moritzdorf, Groß-u. Kleinokrilla iusammengesetzten Wahlbezirke an den obengenannten Tagen für die in diesen Orten wohnenden Ürwähler die Stimmenabgabe im Gemeindeamts zu Ottendorf-Moritzdorf und zwar für die III. ^bteilnnx von vorm. 10 Ukr bis nsvbm. 1 Obr, 11- » >» » 11 >, » „ 1 ,> . , 1- » >» » 12 „ ,, „ 1 „ lu «folgen hat. OttHoäork'Iiloriträork, den 2. September 1907. Der Wahlvorsteher, pjrndktum. Vertlichrs und Sachfifches. Vttendorf-Vkrllla, den io. September tdoe. —Die aufsehenerregende Feuerwehrafsäre in Siebenlehn hat das Ansehen der sächsisch-n freiwilligen ^Feuerwehren ungünstig beeinflußt. Dies hat eine Behandlung des Falles im Landesverbandes Sächsischer Feuerwehren ver anlaßt. Auf dem Feuerwehrtage für Dresden Und Umgebung in Moritzburg am vergangenen Sonntage gab Herr Brandmeister Hermann van der Dresdner Berufsfcuerwehr als Bezirks- »arsttzrnder eine längere Erklärung zu dieser Tüche ab, in welcher u. a. folgendes gesagt ^urde: „Der Fall ist für alle tieftraurig, sür di« jFeuerwehr eine Schmach. Was mag die Triebfeder gewesen sein, welche sonst ehrenhafte Kameraden zu solchen Handlungen hingerissen dal? Ein einziges energisches Auftreten des Hauptmannes oder eines anderen Kameraden hätte r» sicher vermocht, das ganz- ver- drecherifche Treiben mit einem Male in sich iusammenbrechen zu laßen. „Bis hierher und dicht weiter. Herr Bürgermeister, hier ist Amt und Würde, hier ist meine Ausrüstung!" To mußte es kommen, aber k-inenfalls durfte fich die Feuerwehr als verbrecherisches Werk- Kug gebrauchen laßen. Der Führer der Brandstifter war ein mit Amtsgewalt aus- Matteter und gedeckter Verbrecher. Wir v'Uerwehrmänner müßen aus diesen tief zu d«klagenden Vorkommnissen die Lehre ziehen, W es für uns nur die eine Richtschnur gibt, »Form der Bekämpfung des Feuers den ^Kirschen helfend und rettend zur Seite stehen, dicht aber etwa durch Begünstigung des Brande» einen vermeintlichen Vorteil der Henschen fördern zu wollen. Wir Feuerwehr- ^ute sind da, um die Vernichtung jedweder Aati,naleigentums durch Feuer usw. zu ver- M«l. Die kleinste Abweichung von diesem Grundsätze bringt un« aus gefährliche Wege. Durch treue Befolgung diese« idealen Grund- M» muß rin jeder von un» beitragen, den Hakel, den Siebenlehn auf da» vaterländische r«i»illige Feuerwesen gebracht hat, wieder zu '"S»n und es zu tun wohlverdienten Ehren zu ^ngen. Ich bitte, in dieser Richtung jeden Einzelnen, auf der Hut zu sein und einen 'charsen Blick zu haben." Kamenz Am 15. September wird in Grüngräbche» (Amtshauptmannschafl Kamenz) ""e mit der Postagentur vereinigte Telegraphen- und öffentliche Fernsprechstelle in Bkrtsamkeil treten. Die neue Telegraphen- ^stalt, die im Telegrammverkehre die ^Be- inchnung Grüngräbchen führen wird, ist zu- Sleich Unfallmelorstclle. Königsbrück. Bei dem am 7. d. M. stattgksundenen Viehmarkt« waren vierzig "nder, 13 Läuferschweine und 203 Ferkel "usgeirieben. Rinder wurden zum Preise von 40—380 Mk-, Läuferschweine zu 28—50 M., per Stück und Ferkel zu 15—40 Mk. das Paar verkauft. Der Markt war mittelmäßig drsucht, der Handel verlief etwas flau. Der nächste Roß- und Viehmarkt findet hier Montag, den 14. Oktober d. I. statt. Dresden. Der frühere DresdenerKommerzicn- rat Hahn, der eine 4 jährige Gefängnisstrafe verbüßt, hat sich wahrend seines Urlaubs zum zweiten Male verheiratet. Seine Auserwählte ist eine Berliner Hotelbesitzerswitwe, die über mindestens 500 000 Mk. versüg-n soll. — Am Montag srüh starb im Friedcich- städter Krankenhause der Eisendreher Hertel an den Folgen eines Schädelbruchs, den er sich am Sonntag auf der Landstraße in Ober naundorf bei Rabenau durch Hsrabstürzen von seinem Zweirade zugezogen hatte. Wir ver lautet, sollen Straßenpaßanten diesen Unfall verschuldet haben. Am Sonntag trafen mit dem 3 Uhr 42 Minuten von Bodenbach hier ankommenden Zuge mehrere junge Männer ein, darunter ein schwerverletzter 23 Jahre alter Uhrmacher, der sogleich mittels Krankenwagens in das Friedrich stadter Krankenhaus übergesührt werden mußte. Nach d-r Darstellung seiner Begleiter haben diese im Verein mit dem Verletzten an dem selben Tage verbucht, die Barbarine am Pfaffenstein zu ersteigen, wobei der Uhrmacher, als er als erster die Spitze des Felsens bei nahe erklommen hatte, plötzlich ausgerutschl und infolge Zerreißens des zum Ausstiege be nutzten Seiles ungefähr 50 Meter tief ab gestürzt sei. Ein aus Pfaffendorf sogleich hin zugezogener Arzt habe schwere innere Ver- letzungen festgestellt und des Abgestürzten Transport nach Dresden angeordnet. — Am Sonntag abend ist cs der Polizei gelungen, einer kleinen Räuberbande von vier noch schulpflichtigen Knaben habhaft zu werden nachdem sie eben einen Einbruch auf der Marienstraße in einem dortigen Tapetengeschäsl verübt hatten. Da« Geschäft ist jedenfalls im Lause de» Nachmittag« von der Markthallen- seite au«, wo es um diese Zeit auf dem Anton- platzt sehr ruhig ist, erbrochen worden. Geld und GeldeSwert, außer einigen Briefmarken haben die jugendlichen Einbrecher nicht erbeutet, dafür aber die Geschäftsräume mit Tinte ver unreinigt. Es ist nicht unmöglich, daß die Früchtchen noch mehrere ähnliche Sachen auf ihren Gewißen haben. — Weil er ein ihm zum Holen von Fisch futter übergebenes Glas zerbrochen halte und sich vor der Strafe fürchtete, ging am Freitag nachmittag ein siebenjähriger Knabe in der Nähe der Spielwiesen in selbstmörderischer Absicht in die Elbe, wurde aber von einem Unbekannten wieder an das Land gebracht, worauf er die elterliche Wohnung wieder auf suchte — In einer Drogerie an der Keßelsdorfer Straße war Sonntag Abend durch Auslaufen von Salmiak -ine Explosion entstanden. Die Feuerwehr arbeitete wegen der ErstickungSgcfahr mit Rauchmasken. Menschenleben waren nicht gefährdet. Leipzig, Von der hohen Böschung in den Carl-Heine-Kanal herabgestürzt ist von der Straße, die von der Saalfelder Straße nach dem Mörtelwelken der Leipziger Westend-Bau- gcsellschast führt, ein zweispänniges Geschirr, als dasselbe umgelenkt werden sollte. Beide Pferde, deren Wert 3200 Mark beträgt, ver endeten im Waßer. Der herbcigerufenen Feuerwehr gelang es erst nach großer An strengung den Wagen und die Kadaver der Tiere herauszuziehen. KCHemnitz. In einem Neubau an der Fichtestraße in der Vorstadt Gablenz brach der Treppenpodest des 3. Stockwerk» durch, während zwei Arbeiter darauf beschäftigt waren, Die einstürzenden Steine durchbrachen auch das darunter liegend- Treppenhaus im zweiten und ersten Stockwerk. Von den in die Tiefe stürzenden Trümmern wurden vier Arbeiter verschüttet. — Die Stadlverordneten bewilligten die Anschaffung von 22 Motor-, 1b Anhänge- und 3 Geiätewagcn für die in den B sitz der Stadt übergehende Straßenbahn und ge nehmigten dazu ein Berechnungsgeld von zirka 446000 Mark. Ferner wurden 235000 Mk. genehmigt zum Bau einer neuen Straßen bahnwagenhalle in der Vorstadt Kappel und zum Umbau der Werkstätten. Die Stelle des Betriebsleiters der städtischen Straßenbahn wird mit einem festen, ruhegehaltsberechtigten Einkommen von 7000 Mark, einem Gewinn anteil von 2 Prozent bei einem Reingewinn bis zu 200000 Mark und 1 Prozent bei einem den Ertrag vvn 200000 Mark über steigenden Teil des Reingewinnes bis zu einem Gesamtreingewinn von ^500000 Mark auS- gestattet und ein jährlicher Gewinnanteil von 3000 Mark gewährleistet. Limbach. Ein recht fühlbarer Wohnungs- mangel herrscht in unserer Stadt, infolge der rapid gestiegenen Bevölkerungszahl in den letzten Jahren. Aus diesem Grunde will der Bau- und Sparverein ungefähr 20 Häuser erbauen laßen. Das nötige Areal will die Stadt dem Verein zum Selbstkostenpreis ablaßen. Aus der Woche. Herr Clemenceau, der mit ungebrochener Amisfreudigkeit aus Marienbad, wo Onkel Eduard ihn auszeichnete, nach Paris heinigekehrt ist, sand in seinem Wirkungskreis alle Hände voll zu tun. Das „marokkanische Abenteuer" ist, zu einer ansehnlichen Kriegsunternehmung geworden, die aber den Regierenden am Seine strande nicht viel Kopfzerbrechen zu machen scheint, denn das Ministerium hat sich ent schloßen, die volle Verantwortung sür alles ge schehene allein zu tragen. Der Sozialisten führer Jaure« hatte die Einberufung der Kammern gefordert, ist aber von Herr Clemenceau dahin beschieden worden, daß die Regierung es sür „unnötig" halte, die Herren in ihren Jagdvergnügen zu stören, um beim „Politik machen" zu helfen. E» gehört schon der nie versagende Humor und die alles überwindende Zuversicht des französischen Ministerpräsidenten dazu, um die Dinge so kühl zu überschauen. — Denn in Marokko sieht es toll genug aus. Der Cegensultan Muley Hafid hat, nachdem die weitaus meisten Stämme des Nordwestens ihm gehuldigt haben, eine Kundgebung erlaßen, die eine Aufforderung zum heiligen Krieg ent hält. Was hilfls, daß Abd ul Aziz, der von den Mächten anerkannte Sultan, in Fez be schloßen hat, keinen heiligen Krieg gegen die Fremden zu führen. Der arme Abd ul Aziz muß sich der grausamen Mach« der Ereignisse beugen, muß mit der Tatsache rechnen, daß er vor vier Wochen noch Herr über Leben und Lod, heute ein Mann auf wankendem Thron ist, dessen Schicksal nicht nur in die Hand der Mächte gelegt ist, sondern auch von den Launen seiner Untertanen abhängt. Er kann nicht hindern, daß der Haß in seinen Landeskinder« entbrennt, der Haß gegen die Fremden, der zu immer neuen Blutvergießen führt und endlich doch nur neue Truppensendungen aus Frankreich und Spanien zur Folge hat. „Was soll da« werden?" Das ist die heimlich bange Frage die in diesen Tagen zagend in Europa getan wird. — Es ist begreiflich, wenn sich angesichts der Zustände in Marokko die Diplomaten be eilen, den Haag, wo sie zum Friedenswerke versammelt sind, zu verlaßen. Nach wochen langen Verhandlungen hat man sich bezüglich des zwangsweisen Schiedsgerichts auf ein Ab kommen geeinigt, wa« leicht al» Erfolg der Konferenz auSgelegt werden kann. Wer also von der Friedenstagung eine ersprießliche Aus einandersetzung über die Minderung der Krieg», Möglichkeiten und der Kriegsgreuel erwartete, wird nicht enttäuscht sein. Mehr war in «in« Welt voller Interessengegensätze in keinem Fall« zu leisten. — König Eduard kann in diesem Jahre nicht zur Ruhe kommen. Er rüstet zu neuer Besuchöfahct nach den Nord landen. Einige Tage wird ihn die Hauptstadt seines Landes sehen, dann nach einem Minister rat begibt sich der betriebsame Monarch nach Christiania. Vielleicht trägt er sich immer noch mit dem Gedanken, daß zur unantastbaren Neutralität entschloßene Norwegen durch den Zauber seiner Persönlichkeit in den Bannkrei» der durch ihn eingeleiteten europäischen Ab kommen zu ziehen eine Aussicht, die ihm jetzt, da Deutschland und Dänemark wieder in engere Beziehung traten, doppelt verlockend er scheinen muß. Von Christiania geht» in die Finnischen Schären, wo die seit langer Zeit angekündigte Begegnung mit Lem Zaren statt finden soll- — Kaiser Nikolaus hat Peters burg verlaßen, um auf dem hohen Meer Ver geßen für die heimatlichen Sorgen zu suchen. Nur mit banger Sorge kann er rückwärts blicken, nur mit dem gleichen Gefühl in die Zukunft. Sein Ministerpräsident Stolypin hat mit geschickter und nimmer zaudernder Hand dem Volke alle R-chte und Freiheiten wieder genommen, die der Zar in seinem berühmten Manifest einst verhieß. Aber die Regierung muß sich mit Recht fragen, ob das Volk nicht seine Rechte, seine Freiheiten, die ihm das kaiserliche Wort in den Oktobertagen 1905 ge währte, zurückfordern wird. Die neue Duma wird nicht mit dem Volke — aus dem sie stammt — sondern gegen das Volk kämpfen müßen. Niemand weiß es beßer, als der Zar, der unruhevoll in die Zukunft blickt. — Die belgische Regierung, die knapp erst eine ge fährliche Krise überwunden hat) die noch immer unerledigte Kongofrage bot den Anlaß dazu), sieht sich aufs neue vor ein« Schwierigkeit ge stellt, die zu lösen nur einem gefestigten Kabinett möglich ist. Der Hafenarbeiterstreik in Antwerpen hat sich gefährlich ausgedehnt- Einen Tag lang wütete der Schrecken einer Brandstifterbande in der Gegend de» Hafens, Tausende von Menschen sind brotlos und durch die Wut aufgestachelt zu keinerlei Unterhand lungen bereit. Der gesamte Schifffahrt»oerkehr ist lahmgelegt und der materielle Schaden ist schon jetzt ein ungeheurer. — Nach der Er mordung des Grobwesir» ist dir Lage der Re gierung in Persien wieder eine sehr kritische geworden uud Englands sowie Rußland» Ver treter sind eifrig tätig, sie noch mehr zu ver wirren. Der Schah hat zwar dem Parlament di- Zusage gemacht, strenge an der Versüßung fcstzuhalten, das aber hat nicht verhindert, daß die Volksvertretung von der Teilnahme an der Regierung so gut wie ausgeschaltet ist. Jetzt zeigt sich, wie recht der Schah Naßr «ddin hatte, als er sagte: „Persien ist wie ein Lamm das zwischen zwei Löwe« (Rußland und England) gestellt ist. Nie darf rs sich rühren, um nicht von einem gefreßen zu werden."