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Ottendorfer Zeitung. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode." Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Mr die Redaktion serantwostlich Hermann Rühl No. 97. Mittwoch, den 14. August 1907. 6. Jahrgang. Oie ,OU«N> >rjcr Zeitung" erscheint vir.lstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Xrmahm« »»« Jns-ai« bis »«Mittag ,« Uh». Ins«««» «erden mit,» pj fit» di« Zpaltzetle berechnet Tabellarisch« Satz nach besonderem Laris e in Groß-Vkrilla Oerttichr« und Sächstschrs. Ottendorf-Vkrilla, den August ^o?. Sparkasse Ottendors-Moritzdorf. (M»nat ^Juni, Juli 1907.) E» erfolgten 314 Einzahlungen im Betrage von 28109.93 M. und 85 Rückzahlungen im Betrage von 4611.74 M. Die Gesamteinnahme betrug 32448,52 M. und die Gesamtausgabe betrug 31850,17 M. Der Ueberschuß der Einlagen über die Rückzahlungen im I Halbjahre 1907 betrug 56989 31 M. Der EinlagenzinSfuß ist 3 >/, °/<> und der Hypothekenzin»sUk 4^/« v/g. Die Expedition-zeit ist van 8—1, 3—5, und Sonnabend» 8—2 Uhr. —* Gebot» für Spaziergänger und Aus flügler. Wenn du in Gottes freier Natur gehst, so bedenke, daß sie ein Tempel seiner Schönheit und ein ausgeschlagenes Buch seiner Allmacht und Weisheit ist. Darum lab zu Hause alle Gedankenlosigkeit, prosaische Alltags- stimmung und Gemeinheit, aber nimm mit dir alle Empfänglichkeit des Geiste» und Gemütes und dir Fröhlichkeit des Herzens. Widmest du den lieblichen Schöpfungen der Pflanzen welt deine besondere Aufmerksamkeit, so tue eS nicht dadurch, daß du sie unnützerweise ihren Leben»boden entreißt, sondern daß du dich dem Zauber ihrer Schönheit hingibst und ihr Leben zu vri stehen suchst. Vor allem ^enthalte dich der widersinnigen und naturseindlichen Meinung: Pflanze und Tier seien vornehmlich für das nalurhistorische Museum geschaffen worden »der wohl gar für dein Herbarium »der deine Schmrtterling»sammlung. Am Besitz und Werte der Landleute übe jederzeit alle Schonung und Rücksicht, besonder» der Art, daß du nicht durch dreiste« Betreten ihrer Wiesen und Necker den Ertrag ihrer harten Arbeit kürzest und sie zu zorniger Abwehr reizest. Dein Feldblumenstraub halte sich in vernüftigen Grenzen: Waldrand, Wegrand und Feldretn können dein SchönheittbedürfniS für diesen Zweck mehr al« reichlich befriedigen, seltene Blumen aber lab stehen, damit sie sich «u»sähen und vermehren können. In solchem Sinn sollst du besonder« auch deine Kinder be lehren. Will sich deine Naturfreude im Gesang» Lust machen, so achte wohl daraus, daß er nicht au« der Art schlage und wisse zum Schluß: «in grober Feind aller reinen Freude und innigen Entzücken« ist ost — der Alkohol. —* Auf Verlangen de» Absender» wird von den Post- und Telegraphenanstalten über die für ausgegebtNe Tel-gramme erhobenen Telegrammgebühren eine Bescheinigung für jede Drahtung gegen Entrichtung von 10 Pfg ge johlt. In dieser Bescheinigung wird von den Beamten u. a. auch die Aufgabezeit vermeikt- Neuerding« können auf Antrag von den Ober- Postdirektionen auch Bescheinigung»bücher zuge- lasien werden, bet denen der Absender da» Datum, den Empsänger und Bestimmungsort vermerkt, während der Annahmedeamte u. a. auch die Auflieferungszeit angibt und einen Abdruck des Tagesstempel beifügt. Die Bescheinigung-gebühr beträgt auch in diesem Falle für jede Drahtnachricht 10 Pfg. Dresden. Vor einigen Tagen bracht, eine Tischler-ehefrau au» Radeburg ihr dreijähriges Söhnchen in da» hiesige Maria-Anna-Hospilal, UM an den Kinde eine Operation vornehmen ju lasten. Am nächsten Tage starb das Kind, Nachdem t« zu wiederholten Malen von den Krämpfen heimzesucht worden war. Infolge- besten hatte auch die Operation nicht vor- genommrn werden können. Als die Mutter ihr Kind nach besten Ableben zum letzten Male an lhr Herz drückte, entdeckte sie am Kopse und an anderen Körperteilen des Kindes Verletzungen. Die Mutter geriet in große Auflegung und weinte, die Verletzungen rührten von körperlichen Mißhandlungen her. Sie erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, die hierauf die gerichtliche Sektion der kleinen Leiche an- ordnet«. Die Vermutungen der Mutter, daß die Verletzungen des Kinde» auf Mißhandlungen oder auf eine Fahrlässigkeit zurückzusühren seien, haben sich als unbegründet erwiesen. Die gerichtliche Sektion hat ergeben, daß das Kind an Krämpfen igcstorbcn ist, und daß es sich die Verletzungen bei Krampfanfällen zugc- zogen hat. — Gin bedeutender Brand sand am Montag Vormittag bei Vorstadt Ucbigau statt. Es waren zwei auf der Uebigauer Schiffswerft liegende Petroleumkähne in Brand geraten Die städtische Feuerwehr, die sofort alarmiert wurde, griff dar Feuer mit sechs Schlauch lcitungen an und vermochte den Brand bis zur Mittagsstunde auf seinen Herd zu beschränken. — Der AutflugSverkehr nach den Orten d-r sächsischen Schweiz ist augenblicklich ein außerordentlich reger. Die Slbdampfer er freuen sich einer lebhaften Frequenz. Die Jugendabteilungen Dresdner Turnvereine unter nahmen in Stärke von 600 Personen am Sonntag einen Ausflug nach Schandau. Aus dem Neustädter Bahnhof wurden am Sonntag nach den Heidcstationen 2450. nach der Lößnitz 1109 einfache Fahrkarten verausgab!. Niederau. Hier ist am Sonntag Nach mittag eine Feldscheune des GutSb.sitzerS Otto Zocher vollständig niedergebrannt. Zn der Scheune war die diesjährige Ernte (Roggen- gclreide d-S Geschädigten aufgespeichcrt. Am Montag sollte der Hafer eingebracht werden. Das Feuer soll durch den 10 jährigen Knaben Miersch, der mit Feuerwerkskörpern gespielt hat, verursacht worden sein. Zur Hilfeleistung waren die Wehren von Niederau und Zscheila erschienen, die jedoch nur wenig eingreifen konnten, da Wasser nicht in der Nähe war. Der Schaden soll nicht unbedeutend, jedoch durch Versicherung gedeckt sein. Pirna. Der Wasserspiegel de» ElbstromS, der im steten Fallen begriffen ist, steht gegen wärtig am hiesigen Brückenpegel aus 130 Zenti meter unter Normal. Großschönau. Ala der hiesige Fuhrwerk»- besitze» Kahlert mit seinem leeren Langholz- wagen auf dem Nachhausewege war, stürzte plötzlich der ebenfall» auf dem Wagen sitzende 33 jährige Dienstknecht Hermann Kühnel au» Eibau von dem Geschirr herunter und wurde überfahren. Das »ine Hinterrad ging dem Bedauernswerten über den Unterleib, er erlitt so schwere Verletzungen, daß er nach qualvollen Leiden verstarb. Dahlen. In den umliegenden Forstrevieren ist man in letzter Zeit mit dem Ablesen der Nannenpuppen beschäftigt. Diese Schädlinge werden stellenweise in großer Anzahl gefunden und vernichtet. Leipzig. Schneller, als man es erwartete, wird sich da» Schicksal an dem Raubmörder Naumann vollziehen, der vom Schwurgericht Leipzig wegen Morde« und Raubes, begangen an der Marklhelferüehesrau Margarethe Roß berg in Leipzig-Gohlis zum Tode verurteilt wurde. Nach seiner Verurteilung legte Nau mann Revision beim Reichsgericht ein, die ver worfen wurde. Auch ein an den König »in- gereichtes Gnadengesuch hatte ein negatives Ergebnis. Wie geschrieben wird, soll Naumann in den nächsten Tagen durch Scharfrichter Brand vom Leben zum Tode befördert werden. Naumann, der sich im Gefängnis eine» sehr gesitteten Betragens befleißigte, rechnete sicher aus seine Begnadigung. Die Exekution an Naumann ist die erste Hinrichtung im neuen LandgerichtSgebäude. Zwickau. Gestorben ist auf der Ferienreise in München Bürgerschuloberlehrer Robert Berge hier im Alter von 56 Jahren. Berge hatte sich durch seine naturwissenschaftlichen Arbeiten, namentlich über Sachsens Mineralien, Pflanzen-, Vogel- und Tirrwell in den weitesten Kreisen bekannt gemacht. Chemnitz. Zum ehrenden Gedächtnis der beiden neulich bei einer Feuerwehrübung, wie gemeldet, auf gräßliche Weise tödlich verunglückten Feuerwehrmänner beschloß der Rat, an den nebeneinander liegenden Gräbern der Ver unglückten auf Stadtkosten ein gemeinsames Grabdenkmal zu errichten, ferner sollen zum ehrenden Gedächtnis der beiden Toten in der Turnhalle der Hauptseuerwache ihre Bilder aufgehängt werden. Für die Hinterbliebenen hat die Stadt reichlich gesorgt. Die gesetz mäßig zu gewährenden Unterstützungen an Witwen und Kinder der Verunglückten wurden noch besonders erhöht. Frankenberg. Ein, Frau aus Plaue fand auf der Harraswiese eine Tasche mit 12 000 Mark in bar und StaatSpapieren, Als Eigentümer dieses wertvollen Fundes meldete sich ein älteres Ehepaar aus dem Erzgebirge, das ihr gesamtes Vermögen der Sicherheit halber mit auf Reisen genommen hatte. Oberwiesenthal. Am Sonntag vormittag einhalb elf Uhr bis nachmittag vier Uhr sind hier acht Häuser niedergebrannt. Das Feuer kam im Schubertschen Hause aus und ver breitete sich in so kurzer Zeil auf die benach barten Häuser, daß an eine Rettung nicht zu denken war, zumal des Bezirksfeuerwehrtages in Jahnsbach wegen nur wenige Wehrleute in der Heimat verblieben waren. Aus der Woche. Die sommerliche Ruhe will in diesem Jahre nicht cinkehren. Der Zeitungsschreiber, der sonst in Sommerzeiten täglich seufzend die karge Ausbeute des Stoffes au» der Zeitgeschichte vor sich sah, ist Heuer bekümmert, wo er den Platz hernehmen soll, um all- Nachrichten von Wichtigkeit an die ihnen gebührende Stelle zu setzen. Was man noch vor wenigen Monaten für ausgeschloffen gehalten hätte, daß nämlich Kaiser Nikolaus von Rußland sein feste» Schloß in der Nähe von Petersburg verlassen würde, um sich aufs hohe Meer zu begeben, ist Tatsache geworden. In SwintmÜnde gab e» bedeutsame Tage, denn während anfangs amtlich bekannt gemacht worden war, die Monarchen würden nicht, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, irgend welche Trtnksprüch« au«tauschen, wurde beim Abschied dennoch gesprochen, und zwar in einer so herzlichen Art, daß man schier erstaunen mußte, wenn man sich der früheren Trinksprüche de« Zaren erinnerte, die er mehr dem Herkommen gemäß als einem wirklichen Bedürfnis entsprechend hielt. Die Zeiten haben sich unverkennbar geändert und man wird dieser Veränderung an den maßgebenden Stellen wohl oder übel Rechnung tragen müssen. Die beiden Länder, die in erster Linie Interesse an dem Zarenbesuch in der Ostsee haben, sind Frankreich und England. In den letzten Tagen erst gab kS zwischen Pari« und Petersburg eine kleine Verstimmung, weil die Demokraten im französischen Parlament immer noch be fürchten, Rußland könne sich an den Bunde»« genoffen mit neuen Geldforderungen wenden, ohne bei der Unsicherheit seiner inneren Lage irgendwelche Gewähr für die Sicherheit zu leisten. Auch Rußlands amtliche Zeitungen warfen jüngst die Frage auf. ob eine BnndeS- gemrinschaft mit Frankreich noch Zweck habe. Man darf allerdings die Bedeutung solcher Aeußerunge» nicht überschätzen, aber sie sind ein Zeichen, daß Rußland und Frankreich ein ander nicht mehr die einzigen Stützen sind. So wird es begreiflich, wenn Rußland nach den Tagen von Algeciras wieder eine An näherung an Deutschland sucht, die man in Bertin nicht ablehnen wird, weil man sich überzeugt hat, daß Bismarcks Politik auch in diesem Falle in den richtigen Bahnen wandelte. — Die englische Regierung hat noch immer die Sorge um die streikenden Schutzleute in Irland. Zwar haben die älteren Beamten er klärt sich bei den Versprechungen der Regierung in London beruhigen zu wollen und abzuwartcn, aber die Lage wird nach wie vor al» äußerst ernst bezeichnet, da auch die Hafenarbeiter streiken und Unruhen an der Tagesordnung sind. — In Frankreich haben sich di» militärischen Unbotmäßigkeiten witdrrhllt, ja es kam sogar soweit, daß Offiziere einfach d«n Dienst verweigerten und in angeheitertem Zu« stände die Straßen von Ehalon» durchzogen mit dem Rufe: „Es lebe da« Kaiserreich!" Diese Fälle mehren sich und wa« der Krieg»- Minister Picquart auch tut, um sie zu unter drücken, sie sind und bleib»» Anzeichen »in»« bedenklichen Verfalles im französischen Heere. — Die Friedenskonferenz im Haag schleppt mühsam ihre Tage hin. Mehrere Dtlegirrt« haben bereits unumwunden zugegeben, daß sich bisher keine ihrer Hoffnungen erfüllt hat, fit haben zugestanden, daß di- Konferenz in keinem Fall ein Ergebnis zeitigen wird, da« den all gemeinen Erwartungen auch nur einigermaßen entspricht. Was gar den englischen AbrüstungS- vorschlag anbelangt, so hat der englische Premier minister im Parlament erklärt, daß sich au» mancherlei Gründen die wohlgemeinte Absicht der Regi- ung nickt verwirklichen lasse. Soviel steh! also heule noch fest: Die vielgerühmt» Friedenskonferenz wird im besten Falle ein» Kriegskonferenz gewesen sein, auf der Gesetz« für den zukünftigen Krieg geschrieben worden sind. — Einen grauenvollen Mißton in der Friedensmelodie, die wochenlang die Welt durch- summte, bilden die Ereignisse in Marokko. Die Anhänger des Propheten haben sich jegen die Europäer verschworen und ihren besonderen Haß auf die Franzosen geworfen, die mit d«n Hafenarbeitern in Casablanca begonnen, eine Zollkontrolle eingeführt und außerdem beschlossen haben, die den Marokkanern mißliebige Polizei bald zu organisieren. E< darf dabei nicht ver kannt werden daß nach den Angaben d«S Lande» kundiger Leute die Franzosen sich häufig Uebergriffe zu schulden kommtn ließen, die die Bevölkerung mehr und mehr erbitterten. Lei der allgemeinen Unsicherheit der Lage ver langten die Franzosen dir Erlaubnis, 150 Soldaten in Casablanca linden zu dürfen, um für all» Fälle di» Europä«r zu schützen. Kaum hatten die Soldaten die Stadt betreten, al» sich die Tor« schloffen und «in mörderische» Gewehrfeuer aus die Ahnungslosen eröffnet wurde. Infolgedessen begann da» Bombardement der Stadt, in dessen Verlauf etwa KOO Eingeborene getötet wurden. Jetzt hat Frankreich freie Hand in Marokko, denn so bald wird e« seine Soldaten nicht «i«der au» einem Lande zurückzi«h»n, dtffen Hrrrscher erklärt, keine Verantwortung für die Ermordung von Fremden übernehmen zu können. E» heißt in diplpmatischen Kreisen, daß zunächst eine neue Marokkokonferenz berufen werden soll. Dieses Gerücht ist aber kaum zu glaub«», denn die Regierungen haben sich im Haag erst wieder überzeugt, daß bei solchen Konferenzen nicht viel herau«kommt. All» Btteiligtrn werden froh sein, wenn diese neu» Kris» ohne ernste Verwickelungen vorübergegangen sein wird. — Neben den Ereignissen politischer Natur nimmt immer noch der Prozeß d«» zum Tode verurteilten Rechtsanwalts Hau da» Interesse weiter Kreise in Anspruch. Die Stimmen zu seinen Gunsten mehren sich mit jedem Tage, der neue Enthüllungen in dieser Angelegenheit bringt. Nachdem die Ermittelung des „Herrn mit dem grauen Bart" dem Ver teidiger de» Verurteilten gelungen ist, nachdem man diesen neuen Zeugen in Hast genommen hat, dürften sich neue Anhaltspunkte für die Lösung des Dunkel» ergeben, da» der Rechts anwalt Hau entweder in kluger Berechnung oder aus nicht geklärten Gründen um di» ganz» Angelegenheit gewoben hat. Die Zeit wird lehren, ob tatsächlich Olga Molitor, wie der Baron von Lindenau, der „Herr mit dem grauen Barl" behauptet, ihre Mutter »rschoffen hat. Zwei Welten blicken mit wachsender Spannung nach Karlsruhe.