Volltext Seite (XML)
No. 8tt. Mittwoch, den 24. Juli 1907 6. Jahrgang Aus der Woche. In Oesterreich »Ungarn herrscht eitel Freude. Die Ausgleichsverhandlungen, die wie eine un heilvolle Seeschlange sich durch die Jahre zogen, sind nun zu einem gewissen Abschluß gekommen. Zwar ists nicht der von beiden Regierungen erstrebte, langfristige Ausgleich, sondern nur ein Abkommen bis zum Jahre 1917, angesichts der jahrelangen ergebnislosen Verhandlungen endlich also ein Erfolg. Zwar weiß noch niemand auf welcher Grundlage sich die Minister geeinigt haben, aber es ist wohl an» zunehmen, daß man den Parlamenten keinen unannehmbaren Ausgleich zur Debatte vorlegen "wird. — Italien Hal zurzeit sein sommerliches Bauzug nach der Halde der Siemensschen Glasfabrik einfahren wollte, entgleisten zwei Wagen und fuhren über den Arbeiter hinweg, der so schwere innere Verletzungen erlitt, daß er bald darauf im Krankenhause starb. — In Deuben wurde der erst seit einigen Tagen dort aufhältliche Zahnarzt Jahn unter dem Verdachte verhaftet, sich an einem Mädchen unter 14 Jahren unsittlich vergangen zu haben. Zittau. Mit einem Revolver erschoß sich hier am Montag nachmittag auf der Brrit«- straße der etwa 30 jährige Fabrikarbeiter Zeiske. Den Grund zu dem Selbstmorde bildet der Umstand, daß Zeiske seit einiger Zeit von seiner Ehefrau verlaffen worden ist. Er soll mit einer verheirateten Frau ein Ver- hältnis unterhalten haben, das nicht ohne Folgen blieb. Als die Ehefrau Zeiskes hier von erfuhr, ging sie von ihm. Zeiske ver kaufte darauf die vorhandenen Sachen und verlebte eine Reih« guter Tage, alsdann kaufte er sich einen Revolver, mit dem er am Sonn tag nachmittag auf offener Straße den Selbst mord beging. Burkhardtsdorf. Einwohner vom be nachbarten Klaffenbach fanden am Geländer der dortigen Mühlbrücke Rock und Hut des dortigen Einwohners Linus Weiser, der im hochangeschwollenen Würschnitzbach ertrunken ist, man nimmt an, daß der Ertrunkene in der Schlaftrunkenheit angenommen habe, er sei dort an der Brücke schon in seiner Wohnung, wo er sich niederlegte und dann in den Bach gefallen ist. x Paunsdorf. ^Zn der Nacht vom Sonn abend zum Sonntag wurde der in Schönefeld bei seinen Eltern wohnhafte 17 Jahre alte Steindruckerlehrling Otto Müller in der Näh« des Rittergutes von einem patrouillierenden Wachtmeister bewußtlos und mit einer Schuß wunde in der linken Brustseite aufgefunden. Da nach Aussage der Angehörigen ein Selbst mordversuch als völlig ausgeschloffen zu be trachten ist, so liegt die Annahme eines Ver brechens sehr nahe. Auch soll ein Unbekannter mit einem Revolver in der Hand in der Nähe de» Tatortes gesehen worden sein. Lugau. Aus Furcht vor dem bevorstehen den Militärdienst Hal sich der Bergingenieur Schöne mittelst Salzsäure vergiftet; er starb unter gräßlichen Schmerzen. Plauen. Der als gewalttätiger Mensch bekannte Brunnenbauer Reichelt, der vor Jahren schon einmal einen Schutzmann zu er schießen drohte, überfiel am Sonnabend abend auf dem unteren Steinweg den dort postierten Schutzmann Oesterreicher und versuchte ihn mit einem scharfen Messer zu erstechen. Im Moment des Angriff» wurde der gemein gefährliche Mensch beobachtet und überwältigt, sodaß die Tat nicht zur Ausführung kam. Bei dem Kampfe zerfetzte der Täter dem Schutzmann« die Uniform. Reichelt, der schon vielfach vorbestraft ist ist in letzter Zeit für Vergehen außer Verfolgung gesetzt worden, weil man ihm als unzurechnungsfähig be zeichnete. Die neuerliche Tat dürste nunmehr dazu führen, den gefährlichen Menschen für immer unschädlich zu machen und ihn einer Heilanstalt zuzuführen. Ministerskandälchen. Herr Nasi, einst be schuldigt, in seiner Eigenschaft als Minister Unterschlagungen in sieben Fällen begangen zu haben, wurde den ordentlichen Richtern ent zogen, weil der Kaffationügerichtrhof sie nicht zuständig erklärte. Ueber den Minister soll also der Senat zu Gericht sitzen. Herr Nast und die Sizilianer (seine Anhänger) triumphierten — aber leider zu früh. Der Senat hat den hochstehenden Gesetzübertreter wie «inen ge wöhnlichen Verbrecher wegen Fluchtverdacht» hinter Schloß und Riegel bringen lasten. Da hilft kein Protestieren, da helfen keine Straßen kämpfe und Volkskundgebungen. Da» Militär hält in Sizilien mit aller Gewalt die Ordnung aufrecht und der Senat ist ernstlich gewillt, Recht und Gesetz zu wahren. — Die Verhandlungen der Friedenskonferenz, die nun seit drei Wochen tagt, haben bisher zu irgend einem praktischen Ergebnis nicht geführt, wohl aber hat die ganze Konferenz (und die Ein richtung überhaupt) einen argen Mißerfolg zu verzeichnen. Venezuela, das Herr Castro al« Präsident leitet und rechtlich vertritt, hat durch seine Delegierten der Haager Konferenz entbieten lasten, daß er sich dem Spruche de» internationalen Schiedgerichts nicht unterwerfe. Also bezahlt sollen die Schulden nicht werden und nach Auffassung des Amerikaners Drago hat keine europäische Macht das Recht, mit Waffengewalt ihre Gelder heimzuholen au» den amerikanischen Raubstaaten. Wa» die sonstigen Beschlüsse auf der mit so großer Freude begrüßten zweiten Friedenskonferenz anbelangt, so zeigen sie alle dasselbe Bild. Was die einen wollen, das lehnen die andern ab, was die andern für notwendig und uner läßlich halten, bezeichnen die einen al» neben sächlich. Die Meinungsverschiedenheiten mehren sich in so bedrohlicher Weise, daß Oesterreich» Delegierte offen den Wunsch aussprachen, e» möchte endlich über allem Debattieren auch einmal ein Entschluß gefaßt werdtN. In letzter Stunde ist nun eine schwer« Wetterwolke glücklich vom Haag abgewandt worden. Wie es heißt, wird England zwar den Abrüstungs vorschlag einbrtngen, indessen wird derselbe wohl schwerlich zu einer eingehenden Debatte kommen. Man "hofft vielmehr, den fatalen Antrag ohne viel Aufsehen in einer Kommission unterbringen zu können, die im Laufe der nächsten Jahre bis zur dritten Konferenz zu erwägen hätte, wie man den Abrüstung-gedanken ln die Tat umsetzen kann. — Herr Clemenceau hat nach den letzten stürmischen Kammertagen nun die wohlverdiente sommerliche Ruhe, von der er selber wohl kaum gedacht hat, daß er sie noch als Ministerpräsident genießen würde. Der Attentatlversuch auf den Präsidenten Falliere» hat sich als eine harmlose Revolver spielerei eines armen Mannes erwiesen, der am Querulantenwahnsinn leidet. Politisch wird also Clemenceau au» dieser über Gebühr aufgkbauschten Geschichte wohl kaum Kapital schlagen können. Dennoch heißt e», daß sich da» gegenwärtige Kabinett in seiner Stellung befestigt habe, weil e» gelang, den Süden zu beruhigen und die Disziplin im Heere wieder herzustellen. — Die Zustände in Rußland sind nach wie vor die denkbar traurigsten. Gewissenlose Verbrecher aller Art benutzen die Gelegenheit der politisch unruhigen Zeit zu verwegenen Ucbeisällen auf Staatskassen und Postwagen, ja in einer Woche wurden zwei Personendampfcr überfallen und auSgeraubt, ohne daß man nur eine Spur der Täter, die in Booten entkamen, ermittelt hat. Ob die dritte Duma, an deren Wahlvorbereitung schon gearbeitet wird, die Verhältnisse zu bessern im stände ist, muß bezweifelt werden. — Die KriegSgerüchte, die von einem baldigen Zu sammenstoß zwischen Japan und den Vereinigten Staaten die Welt durchschwirrten, sind wieder verstummt und man darf hoffen, daß es sich in der Tat nur handelte um „Viel Lärm um nicht«." schwärmen zu verantworten haben. Auf- fallenderweis« behauptet Direktor Lehleithner die Aktenstücke, durch welch« er seine Unschuld Nachweisen will, seien Nur noch vereinzelt im Besitze de» Gericht» und au» dem Gerichts- gewahrsam verschwunden. Auch das Protokoll, was bei der Beschlagnahme der Akten ic. gerichtsseitig ausgenommen worden ist, soll nach dem Zugeständnis des Staatsanwalts Ronundt und des Gerichtsschreibers bei den Gerichts akten nicht aufzufinden sein. Auf den weiteren Verlauf der sensationellen Angelegenheit ist man aus» äußerste gespannt. — Mit dem Bau der neuen Augustusbrücke war, wie berichtet, dadurch begonnen worden, daß man an die Betonierung des Widerlagers aus Neustädter Seite herangetreten war. Diese Arbeit ist nun vollendet und man fundamentiert zurzeit schon den achten Brückenpfeiler. An den Weiterabbruch der alten Brücke kann erst gegangen werden, nachdem die Jnterimsbrücke fertiggestellt und in Betrieb genommen sein wird. Die Arbeiten find allerdings in den letzten Wochen wesentlich vorgeschritten, doch dürfte bis zur Inbetriebsetzung noch einige Zeit vergehen. — An der Altstädter Auffahrtsrampe der Carolabrücke sind jetzt zwei allegorische Gruppen zur Aufstellung gekommen, deren wirksamer Entwurf vom hiesigen Bildhauer Offermann geliefert wurde. Die Kunstwerke sind gegen 3'/, Meter hoch und besitzen das stattliche Gewicht von etwa 250 Zentnern Die eine Gruppe zeigt auf einem Hippokampen (Tiere von Roßgestalt mit Fischschwänzen) sitzenden Mann, der mit gewaltiger Keul« zum Schlage ausholt. Die zweite Grupp« zeigt eine weibliche Figur mit einem Füllhorn. Die Mittel zur Deckung der erheblichen Kosten der Kunstwerke fließen aus dem Verschönerungs fonds der Dr. Güntz-Ltiftung. Potschappel. Sonnabend vormittag gegen 8 Uhr verunglückte der beim viergletsigen Ausbau der Staatsbahn beschäftigte 19 jährige Arbeiter Wenzel aus Großburgk. Als der OrrUiches und Sächsisches. Dttendars.Gkrilla, den az. Zull wo?. Ottendorf-Moritzdorf. Bei den hiesigen G-m«tndekaffen betrug im Jahre 1906 der Gesamtumsatz 161059,48 Mark. Dresden. In den hiesigen Bürger- und Juristenkreisen bildet schon seit längerer Zeil der Kampf de» ehemaligen Direktors der All gemeinen Dresdner Verficherungsgesellschast, die jetzt mit d«r „Augusta"-Berlin und „Arminia" München verschmolzen ist, den Gegenstand lebhafter Erörterungen, die die Oeffentlichkett umso mehr interessieren werden, als die An gelegenheit de» früheren Direktor» der ge. nannten Dersich«rung»gesellschast, Hermann Conrad Lehleithner, demnächst aus Grund einer Interpellation über verschiedene Vorkommniste bei Gericht auch den deutschen Reichstag be- schästigen wird. Direktor Lehleithner wurde vor reichlich zwei Jahren vom Dresdner Landgericht wegen angeblicher Verfehlungen al« Leiter der Dresdner Allgemeinen Versicherungs anstalt zu der verhält»i»mäßig hohen Strafe von 1 Jahr 8 Monaten Gefängnis, die er in Bautzen verbüßte, verurteilt. Die Verurteilung LehlrithnerS erfolgt« in der Hauptsache aus Grund der eidlichen Aussage de» Buchhalters und Kassierers der Versicherungsanstalt, namens Georg Klemm. Seitdem kämpft Direktor Lehleithner einen verzweifelten Kampf um seine Ehre, di« jetzt durch eine aussehenerregende Verurteilung Klemms, des damaligen Haupt- brlastungsz«ug«n im Prozesse gegen Lehleithner in ein ganz neues Stadium getreten ist. Klemm wurde desselben Delikts, das Lehleilhner 1 Jahr 8 Monate Gefängnis einbrachte, für schuldig befunden, aber nur zu 3 Monaten verurteilt. Lehleithner» Angelegenheit ist durch die Verurteilung seine» Widersachers wesentlich g«sördert worden und es steht besten gänzliche Rehabilitierung durch ein Wiederaufnahme verfahren in Aussicht. Klemm dürfte sich nun noch wegen Meineid», den er im Prozeß Lehleithner geleistet haben soll, vor den Ge- Landtagswshl betr. Die Abtetlungslisten zur diesjährigen Landtagswahl für den aus den Ortschaften Ottendorf-Moritzdorf, Großokrilla und Kleinokrilla gebildeten Wahlbezirk des IX. ländlichen Wahlkreise» liegen nach Z 13 Absatz 3 des Gesetzes vom 28. März 1896, die Wahlen für die 2. Kammer der Ständcversammlung betr. Vom 29. bis mit 31. Juli 1907 im hiesigen Gemeindeamt während der geordneten Geschäftszeit öffentlich aus. Da« Recht der Einsichtnahme ist für jeden Beteiligten auf dir Befugnis beschränkt, von der eigenen Veranlagung und der Veranlagung derjenigen Personen Kenntnis zu nehmen, die dazu «okrlktUek VolImnoM erteilt haben. Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Listen sind, bei Verlust der selben, binnen 3 Tagen nach Ablauf der obengenannten Frist, da« ist bis zum 3. August 1907 schriftlich «der mündlich hi«r anzubringen, Ottenäork-AloritLäork, am 20. Juli 1907. Der Gemrindevorstand. Ziehkindrrwesen betr. E» ist in letzter Zett wiederholt die Beobachtung gemacht worden, daß die über das Ziehkind«rwrs«n im Bezirk« der Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt in Geltung befindlichen Bestimmungen nicht allenthalben Beachtung finden. Es wird daher hierauf erneut mit dem Bemerken hingewiesen, daß die Erlaubnis zur Aufnahme eine« Ziehkind«» in der Regel vor der Aufnahme derselben bei der Ortspolizei- bthörde einzuholen ist. In AuSnahmesällcn (z. B. bei Erkrankung oder Tod der Mutter) kann nachgelaffen werden, daß diese Anmeldung spätestens binnen drei Tagen nach der Aufnahme de» Kinde» erfolgt Solche Personen, die zu dem aufzunehmenden Kindern in einen verwandtschaftlichen Verhältnis stehen (z. B Großeltern, Adoptiveltern oder Stiefeltern werden von dieser Ver pflichtung ausgenommen, jedoch haben auch diese von der Aufnahme eines solchen Kind«» der Ort«poliz«ibehörde binnen drei Tagen Anzeige zu erstatten. Sobald ein Ziehkind verstirbt, au« seiner bisherigen Pflege entnommen wird, oder mit seinen Zieh- oder Pflegeeltern die Wohnung wechselt, so ist der Polizeibehörde hiervon spätestens binnen drei Tagen unter Vorlegung bez. Rückgabe des bet der Anmeldung eine» jeden Zieh kindes «rhaltenen Erlaubnisschein«« Anzeigt zu rrstattln. Zuwiderhandlungen hiergegen werden auf Grund von H 9 der Bestimmungen über das Zithlinberwesen im Bezirke der Königlichen Amtühauptmannschast Dresden-Neustadt vom 16. März 1900 mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder entsprechender Haft geahndet. OtteuäorL-Aloriträork, am 22. Juli 1907. Der GemerndevorstsnÄ. Ottendorfer Zeitung Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Druck und Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla X« >rier Zeitung'' erscheint vrr.tstag, Donner,, tag und Sonnabend abend». Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch di« Post bezogen 1,20 Mark. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode." Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Gkrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Annahme »an Ins«at« di» »armtttag w Uhr. Inserat« w«rd«n mit ,o p für di« Spaltzril« berechn«, Tabellarischer Satz nach desanderem Laris