Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 17.07.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190707178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19070717
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19070717
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-07
- Tag 1907-07-17
-
Monat
1907-07
-
Jahr
1907
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.07.1907
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
doNtiscbe Kunstcbau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm wird am 29. August in Bielefeld der Enthüllung eines Denkmals Kaiser Wilhelms I. beiwohnen. *Als eine der ersten Vorlagen wird dem Bundesrat im Herbst der Abänderungs- entwurf zum Gesetz betr. die Sonntags ruhe zugehen. Diese Gesetzesvorlage wird die Ausnahmebestimmungen, wonach gewissen Er werbszweigen an Sonntagen eine besondere Geschäftszeit verstattet war, nunmehr endgültig regeln. *Mit dem Zusammentritt der Kommission zum Studium des Eingeborenen rechts in den deutschen Kolonien ist der Anfang ge macht zur Sammlung und Sichtung des über das Eingeborenenrecht in den Kolonien vor- bandenen Materials und zur Herstellung einer Sammlung der Rechtsbräuche der Eingeborenen. Die Arbeiten werden sich recht umfangreich ge stalten und über einen längeren Zeitraum er strecken müssen. Sie werden aber auch die Bereitstellung von Geldmitteln erforderlich machen. Wie verlautet, wird in den nächst jährigen Neichshaushaltsetat eine Summe zu diesem Zweck eingestellt werden. Daß die Summe vom Reichstage bewilligt werden wird, ist wohl um so mehr anzunehmen, als die An regung zum Zusammentritt dieser Kommission von ihm ausgegangen ist. Osterreich-Ungarn. * Zwischen dem österreichischen Minister präsidenten und den Führern der Tschechen im österreichischen Abgeordnetenhause wurde in der Sprachenfrage eine vorläufige Verstän digung erzielt. Demnach wird die Angelegenheit erst endgültig in der nächsten Session geregelt. *Die Lage des ungarischen Ministeriums wird immer schwieriger. Die O p p o si ti o n der Kroaten gegen die neuesten Maßnahmen der ungarischen Regierung ist jetzt auch in der Ersten Kammer scharf-hervorgetreten. Im Magnaten- hause verlas bei der Verhandlung der Dienst ordnung der Staatsbahnbeamten der Kroate Tornisitsch namens der kroatischen Vertreter eine Erklärung, in der sie gegen die Vorlage protestieren, die die ausschließliche Herrschaft der kroatischen Sprache in Kroatien beseitige und somit den Ausgleich verletze. Die kroatischen Mitglieder könnten daher an der Verhandlung dieser Vorlage nicht teilnehmen. Das Abge ordnetenhaus hat sich sodann bis zum 10. Oktober vertag!. Frankreich. * Der französische Botschafter in Washington, Fusserand, ist in Paris eingetroffen und hat dem Minister Pichon die amerikanischen Vor schläge eines Handelsabkommens über reicht. * Die verschiedenen schweren Unfälle, die der französischen Kriegsmarine im Laufe der letzten Monate zugestoßen sind und im Lande bereits eine große Beunruhigung hervorgerufen haben, veranlaßten in der Kammer einen sehr heftigen Angriff gegen den Marineminister, der darauf ebenso scharf erwiderte. Der Marine minister versprach alles aufzubieten, um künftig solche Unfälle zu vermeiden. — Die Kammer nahm sodann den Gesetzentwurf über die direkten Steuern an. * Die Anzeichen von Disziplinlosigkeit in der französischen Armee mehren sich bedenklich. Aus Auxerre wird berichtet, daß in der Nacht in der Kaserne des 14. Infanterie- Regiments Anschlagszettel angebracht worden feien, die die Soldaten aufforderten, sich vor dem Hause des Obersten Auger, der wegen anti- militaristisch er Rede zu 30 Tagen Hast verurteilt wurde, zu versammeln und ihm eine Sympathie kundgebung darzubringen. Die Anschlagszettei wurden sofort entfernt, und vom Brigade kommandeur wurde eine Untersuchung über die Angelegenheit eingeleitet. *Der Winz er aufstand scheint sich endlich seinem Ende zu nähern. In der Unter- pcäfettur Narbonne haben fast sämtliche Ge meindeverwaltungen ihre Abdankung zurückge zogen. Wenn erst die Verwaltung wieder in geordnete Bahnen gelenkt ist, werden wohl oder übel auch die Streikenden nachgeben müssen. Schweiz. *Jn Zürich erklärte auf dem Eidgenössischen Schützenfest der Bundespräsident Müller, daß der Rückkauf der Gotthardbahn durch den Staat unmittelbar bevorstehe. Er forderte im Anschluß daran das Schweizer Volk auf, die neue Wehrordnung anzunehmen. Italien. *Jm Senat teilte der Präsident Canonico mit, der Senat werde sich in den nächsten Tagen als Staatsgerichtshof erklären, um die Verhandlungen gegen den früh erenMinister Nasi einzuleiten. Sodann vertagte sich der Senat auf unbestimmte Zeit. Nasi legte formellen Protest dagegen ein, daß die Staats anwaltschaft in seiner Abwesenheit die beschlag nahmten Kisten mit Dokumenten aufmachte. Holland. * Auf der Friedenskonferenz hat man sich bezüglich der P ris en g erichte da hin geeinigt, daß eine einheitliche Gesetzgebung in Prisensachen eingesührt werden soll. * Die Ruhe ist in Rotterdam immer noch nicht wieder hergestellt. Auf dem Dampfer „Appledose" kam es zu einem blutigen Kampf zwischen Polizei und Militär und etwa hundert Streikenden. Erst nach längerer Zeit konnte die Ordnung wieder hergestellt werden. Die Regierung erklärte, sie könne erst in Verhand lungen über die Forderungen der Streikenden eintreten, wenn diese sich den Landesgesetzen und der behördlichen Gewalt fügen. Schwede«. *Jn Stockholm sind Mitglieder des revolutionären Verbandes aus Finnland eingetroffen, um Waffenbestellungen in größerem Umfange vorzunehmen. Die russische Regierung wandte sich daher nach Stockholm, um dort Maßnahmen gegen den beabsichtigten Waffenschmuggel zu erwirken. Norwegen. * Die Regierung hat im Storthing nach einer Erörterung, deren Ausgang lange zweifel haft war, abermals ein Vertrauens votum erzielt. Sie hatte ohne Befragung des Parlaments eine Konzession zur Regulierung des Sees Mvöien erteilt, und ein Kommissions antrag ging nun dahin, diese Verfügung für ungesetzlich zu erklären. Der Antrag auf Un gültigkeitserklärung der Konzession wurde mit 63 gegen 60 Stimmen abgelehnt. Mit knapper Mehrheit hat also das Ministerium Michelsen in dieser vielumstrittenen Frage gesiegt. Afrika. * Während man sich in Marokko und außerhalb bemüht, zur Befreiung des Kaid Sir Harry Maclean eine gütliche Auseinandersetzung zwischen Raisuli und dem Sultan herbei- zusühren, bereitet die marokkanische Regierung einen neuen großen Feldzug gegen den viel- gewandten Aufrührer vor. An dem neuen Zuge gegen Raijuli sollen sich große Streitkräfte be teiligen und der Sultan selbst will die Lei tung übernehmen. Der Erfolg erscheint freilich heute noch zweifelhafter als vor einigen Monaten bei der Expedition des Kriegsminifters Gabbas gegen die Bergfeste Zinat. Allen. *Die amtlichen Meldungen aus Japan versichern immer wieder, daß man in Tokio die Fahrtdes amerik anrsch enG eschw ad ers in den Stillen Ozean durchaus nicht als eine beunruhigende Maßnahme betrachte. Die Ge rüchte von einem japanisch-amerikanischen Noten wechsel seien völlig erfunden. Trotz dieser fried lichen Versicherungen wird aber von beiden Ländern mit Eifer gerüstet. Japan kaust un geheure Mengen von Proviant und die Ver. Staaten beschleunigen den Ausbau ihrer Flotte. Die Regierung in Washington hat die schleunige Lieferung von acht Unterseebooten in Auftrag gegeben. * In China wendet man sich wieder der durch die Ausstände im Süden unterbrochenen Reformarbeit zu. In Peking sind Erlasse ver öffentlicht worden, durch die eine Anzahl Refor men aus dem Gebiete der Provinzialverwattung und der Gerichtsbarkeit bewirkt werden. Es handelt sich um die Errichtung eines öffent lichen Sicherheitsdienstes, um die Einsetzung höherer Jndustriebehörden und um die Schaffung moderner Gerichtshöfe. Diese Reformen sollen vorerst in den mandschurischen Provinzen zur Einführung gelangen. Die Beamten und die Bevölkerung sind aufgefordert worden, sich auf die Einführung einer konsti tutionellen Regierung vorzubereiten. Das war allerdings vor etwa 16 Monaten schon einmal der Fall, ohne daß die hochgespannten Erwartungen erfüllt worden wären. OeMleklZmäs Lckuläen. Die Schulden des Deutschen Reiches und der Bundesstaaten verteilen sich nach der amtlichen Statistik wie folgt: Die gesamten fundierten Reichs- und Staatsschulden beliefen sich auf 15 836 Mill. Mk. gegen 15 205 im Jahre 1905, 14 879 im Jahre 1904, 14 464 im Jahre 1903, 13 992 im Jahre 1902 und 13 112 im Jahre 1901. Es hat also im letzten Jahre eine Zu nahme um 631 Mill. Mk. stattgefunden, während die voraufgegangenen Jahre nur eine solche um 326 und 415 Mill. Mk. gehabt hatten. Der Hauptanteil an der Steigerung des Jahres 1906 entfällt aber auf das Reich, dessen Schuldenlast sich von 3023,5 auf 3383,5 Mill. Mk., also um 360 Mill. Mk. oder 12 Prozent erhöht hat, während die Bundesstaaten nur eine Steigerung von 12181 auf 12 452 Mill. Mk., allo um 271 Mill. Mk. oder 2 Prozent hatten. In den letzten fünf Jahren hat sich die fundierte Reichs schuld um 1068 Mill. Mk. oder 46 Prozent er höht, während die Schulden der Bundesstaaten um 1655 Mill. Mk. oder nur 15 Prozent ge stiegen sind. Preußen hatte im Jahre 1906 7374 Mill. Mk. Staatsschulden gegen 7209 im Jahre 1905, 7035 im Jahre 1904, 7027 im Jahre 1903, 6721 im Jahre 1902 und 6603 im Jahre 1901. Im letzten Jahre hat also eine Zunahme um 165 Mill. Mk. oder 2,3 Prozent und in 5 Jahren eine solche um 771 Mill. Mk. oder 11,7 Prozent stattgefundsn. Preußens Schuldenlast weist also verhältnis mäßig nur den vierten Teil der Steigerung auf, die bei der Reichsschuld stattgefunden hat. Die Staatsschuld Bayerns ift verhältnismäßig stärker gestiegen als die Preußens. Sie betrug im Jahre 1906 1707 Mill. Mk. gegen 1650 im Jahre 1905 und 1363 im Jahre 1904, zeigt also in den 5 Jahren eine Zunahme um 344 Mill. Mk. oder 25,2 Prozent. Sachsen hat seine Staatsschuld im Jahre 1906 um 20 Mill. Mark herabsetzcn können; die Steigerung von 1901 zu 1906 hat 111 Mill. Mk. oder 13,4 Prozent betragen. Württembergs Staatsschuld belief sich im Jahre 1906 auf 551 Mill. Mk. gegen 536 im Jahre 1905 und 495 im Jahre 1901, so daß in 5 Jahren eine Zunahme um 56 Mill. Mk. oder 11,4 Prozent stattgefunden hat. Verhältnismäßig am meisten ist die Schuldenlast in Baden und Hessen gestiegen. In Baden beträgt sie 447 Mill. Mk. gegen 443 im Jahre 1905 und 336 im Jahre 1901, so daß in 5 Jahren eine Zunahme um 112 Mill. Mark oder 33,8 Prozent stattgefunden hat. Hessen zeigt zwar im Jahre 1906 keine weitere Steigerung, voch hat sich die Staatsschuld seit 1901 um 82 Mill. Mk. oder 28,9 Prozent er höht. Von den Hansestädten hatte im Jahre 1906 die größte Steigerung der Staatsschuld Bremen mit 28,7 Mill. Mk., dann folgt Ham burg mit 17,4 und Lübeck mit nur 0,3 Mill. Mark. Hamburgs Staatsschuld hat sich von 1901 bis 1906 von 406,7 auf 491,5 Mill. Mk., also um 84,8 Mill. Nik. oder 28,5 Prozent er höht. In Bremen bat eine Steigerung von 160,1 auf 220,7 Mill. Mk., also um 60,6 Mill, oder 37,8 Prozent, in Lübeck eine solche von 37,5 auf 47,9 Mill. Mk., also um 10,4 Mill. Mk. oder 27,7 Prozent stattgefunden. Eine Abnahme der Staatsschuld hat im Jahre 1906 in neun Staaten stattgesunden. In den letzten fünf Jahren hat sich die Staatsschuld verringert in Sachsen-Weimar (um 0,1 Mill. Nik.), Braunschweig (um 5,8 Mill. Mk.), Sachsen- Meiningen (0,5 Mill. Nik.), Sachsen-Koburg- Gotha (0,4 Mill. Mk.), Schwarzburg-Sonders hausen (0.1 Mill. Mk.), Waldeck (0,1 Mill. Nik.), Schaumburg-Lippe (um 0.01 Mill. Mk.), und Lippe (0,4 Mill. Mk.). In Sachsen-Altenburg und Reuß j. L. hat sich die Staatsschuld nicht verändert. Anhalt und Reuß ä. L. haben über haupt keine fundierten Staatsschulden. Auf dm Kopf der Bevölkerung entfallen im Reich 261,1 (1905 269,7) Mk. fundierte Staatsschulden, darunter 55,8 (53,6) Nik. Reichsschulden. Am größten war der auf den Kopf entfallende An teil an der Staatsschuld (einschließlich der Reichsschuld) in Bremen mit 894,2 (1905 907,8) Mk.; dann folgen Hamburg mir 618,3, Lübeck mit 509,2, Hessen mit 359,9, Bayern mit 312,8, Württemberg mit 293,0, Baden mit 278,8, Sachsen mit 265,4, Mecklenburg-Schwerin mit 263,0 und Preußen mit 254,2 Mk. Preußen steht also unter den größeren Bundes staaten am günstigsten da. In den kleineren Bundesstaaten war die Schuldenlast verhältnis mäßig viel geringer als in den größeren; am bedeutendsten war sie noch in Oldenburg mit 191,6 und Braunschweig mit 164,8; dann folgen in weitem Abstande Schwarzburg-Rudol- stadt mit 101,9 und Sachsen-Meiningen mit 88,9 Nik.; in Sachsen-Weimar betrug der An teil auf den Kopf nur 60,9, in Sachsen-Alten burg 60,8 Mk., in Anhalt und Reuß ä. L. (hier nur Neichsschuld) 56,5 Mk. rmö ^evn. t. Neues Goldbergwerk in Schlesien. In der Provinz Schlesien sind bekanntlich an verschiedenen Stellen des öfteren Goldadern entdeckt und ausgebeutet worden. Erinnert iei daran, daß u. a. die Trauringe Kaffer Friedrichs III. und seiner Gemahlin, unsres Kaiserpaares und des Krovprinzenpaares aus schlesischem Golde hergestellt worden sind. Neuerdings sind nun in den Gemeinden Ziegen hals und Dürrkunzendorf bei Neiße wiederum Goldadern angebohrt worden, die anscheinend sehr gehaltreich sind. Das Oberbergamt in Breslau hat nunmehr dempensioniertenKonsulais sekretär Tannert in Neiße die Erlaubnis erteilt, daselbst zur Schürfung des edlen Metalls ein Bergwerk zu errichten. Die erbohrten Goldadern liegen in einer Tiefe zwischen 50 und 120 Meier. In dem Betriebe des neuen Goldbergwerkes sollen rund 300 Personen beschäftigt werden, doch wird solch starker Abbau erhofft, daß das Personal auf 500 Köpfe zu erhöhen wäre. Brieftauben im Dienste der Kriegs marine. Eine ganze Reihe von Brieftauben vereinen hat für Kriegszeiten der Marine behörde ihre Taubenbestände zur Verfügung gestellt. Zur Prüfung dieses Materials findet alljährlich ein Wettflug, der sogenannte Marine- Wettflug, statt, dessen Kosten die Marinebehörde bestreitet, die gleichzeitig auch Medaillen für die Siegerinnen in dem Wettflug stiftet. Für den diesjährigen Wettflug war der Dampfer „Vulkan" der Vereinigten Bugsier- und Frachtschiffahrts- gesellschaft in Hamburg gechartert worden, del in zahlreichen Körben wohl untergebracht mehrere tausend Brieftauben an Bord hatte. Liese Vögel waren in der Hauptsache Eigentum del Brieftaubenvereinigung „Nordsee", doch befanden sich diesmal auch zum ersten Male solche süd deutscher Brieftaubenvereine mit darunter. Der Dampfer „Vulkan" ging mit dieser eigenartigen Fracht von Kuxhaven in See und hat sich bis zu dem etwa 240 Kilometer von der Insel Amrum entfernt liegenden Hornsriff begeben. Dort sind am nächsten Mittag schnell hinter einander diese Tausende von Brieftauben ans hoher See ausgelassen worden. Wie der Führer des inzwischen nach Kuxhaven zurück- gekehrten Dampfers „Vulkan" berichtet, war die Witterung eine sehr günstige, so daß der Wett flug diesmal außergewöhnlich gute ErgebNM erzielen dürfte. Stratzendahnunsall. In Gerschede, zwischen Dellwig und Frintrop, wurde in der Dunkelheit ein Straßenbahnwagen von einer Rangier lokomotive umgefahren. Der Schaffner des Straßenbahnwagens ist schwer, em Fahrgast und der Führer leicht verletzt. Der Bahnwärter behauptet, überfallen worden und deswegen nicht in der Lage gewesen zu sein, die Schranken vor Antunst der Lokomotive zu schließen. O Auf 8cklo6 Kernburg. 7^ Roman von C. Wild. (Fortsetzung.) Die Herren trennten sich dann nach freund lichem Gutenachtgruß. Der Baron hatte es sich nicht nehmen lassen, seinem Gast bis zu dessen Zimmer das Geleste zu geben; das banale Höflichkeitslächeln, mit dem er sich empfohlen hatte, noch auf den Lippen, schritt er langsam den Korridor entlang bis zu dem Bibliothäzimmer, vor dessen Tür er einen Moment zögernd stehen blieb. „Es muß sein, heute noch," murmelte er endlich, entschlossen die Tür öffnend, die er leise wieder ins Schloß drückte. Das Bibliothekzimmer war nur matt er- leuchtet, der Baron hielt sich in demselben nicht aus, sondern durchschritt hastig das Gemach bis zu einer kleinen Tapetentür am Ende desselben, die er öffnete und, nun etwas langsamer gehend, durch mehrere elegant möblierte Zimmer schritt, bis er in einen kleinen Salon gelangte, dessen luxuriöse Ausstattung sofort Vernet, daß eine Dame in diesen Räumen zu weilen pflegte. Der Baron setzte den schweren silbernen Leuchter mit der brennenden Kerze, den er bisher ge tragen, auf einen Tisch und fuhr sich tief auf atmend mit der Hand über die Stirn. „Wird sie mich einlassen?" flüsterte er zweifelnd. In diesem Moment wurde eine Tür ge öffnet, und die Baronin trat in den kleinen Salon. Estrella war nicht mehr in großer Toilette. Ein Westes, faltiges Gewand von weißem Kaschmir, am Gürtel von einer purpur roten Seidenschnur gehalten, umgab mit seinen weichen, losen Falten ihre schöne Gestalt. Mit einem Gefühl schneidenden Schmerzes sah der Baron dieses schöne Wesen an, an dem die Natur ihre reichsten Gaben verschwendet hatte. Mes, Mes, was entzücken und bezaubern konnte, besaß diese Frau — alles, nur kein Herz und keine Seele! „Du bist gekommen, um mit mir zu sprechen ?" fragte die junge Frau kurz und kühl. „Ja, Estrella; ich wollte dich fragen, was dein heutiges Erscheinen bezwecken sollte." Die Baronin ging langsam zu einem Diwan und nahm darauf in halb liegender Stellung Platz. „Du erlaubst," sagte sie spöttisch, „ich bin etwas ermüdet, und voraussichtlich wird unsre Unterredung lange dauern." „Im Gegenteil, das, was ich zu sagen habe, ist bald gesagt." Estrella zuckte die Achseln. „Sprich!" sagte sie, den schönen Kopf nach lässig zurücklehnend. Der Baron trat dicht an den Diwan heran, auf welchem seine Fra« mit halbgeschlossenen Augen lehnte. „Ich hatte dich so sehr gebeten, während der Anwesenheit des Grafen in deinen Gemächern zu bleiben," begann er mit vibrierender Stimme, „und schon am ersten Tage hast du dieser Bitte zuwider gehandelt." „Bin ich eins Gefangene?" fragte Estrella mit nervös zuckenden Lippen, die großen Augen voll zu ihrem Gatten aufschlagend. „Nein, Estrella —" „Du lügst, du lügst," rief die junge Frau, so hastig aufspringend, daß ihr Gatte unwillkür lich einige Schritte zurückwich, „du lügst, sage ich I Ich werde ärger als eine Gefangene be handelt — ich führe ein elendes, erbärmliches Leben, ein Leben tausendmal ärger, als wenn ich in Ketten und Banden schmachten müßte. Ich habe eine solche Existenz satt, ich will die Stellung einnehmen, die mir gebührt, und ich werde es auch tun, trotz deines Widerstandes ! Ich will keine Puppe sein, die bloß deinen Namen trägt und keine weiteren Rechte hat, hörst du, ich will die Gebieterin dieses Schlosses, die Hausfrau desselben sein, hörst du, ich will, ich will!" In zorniger Erregung hatte sie seinen Arm ergriffen und schüttelte denselben heftig, mit ihren flammenden Augen, ihren krampfhaft ver zerrten Zügen das wahre Bild eines bösen Dämons bietend. Auch in de« Augen des Barons blitzte und flammte es, aber er hielt sich zurück. Mit einer ruhigen, aber energischen Bewegung machte er sich von Estrella frei. „Mit diesem sinnlosen Wüten richtest du nichts bei mir aus," versetzte er fest. „Du kennst den unseligen Grund, der dich von der Welt und ihren Freuden abschließt — ich kann dir unmöglich gestatten, in meinem Hause nach deinem Gutdünken zu schalten und zu walten! Diese Freiheit würde bald ein schreckliches Ende nehmen! Gott weiß, wie ich dich geliebt, wie schwer es mir fällt, dich so abzujchließen von Mem, was dir Freude macht. Ich kann nicht anders — höher noch als alle Güter der Welt steht mir meine Ehre — ein Schrick von dir in die Öffentlichkeit, und sie ist dahin, der alte gute Name der Dernburgs befleckt für immer." Estrella hatte ihn äußerlich ruhig augehört, nur die zuckenden Lippen gaben Zeugnis von dem Sturme, der in ihrem Innern tobte. Kam« hatte der Baron geendet, so brach sie ausS neue los: „Du gehst zu weit in deiner Ungerechtigkeit' Das Ganze ist ein Vorwand, den ich nimmer gelten lasse, ich will mein Recht, mein gutes Recht!" , , „Estrella, du vergissest, daß ich zweimal Nachsicht geübt, ein drittes Vergehen wäre unser beider Verderben!" Der Baron erhielt keine Antwort; Estrella ging hastig einige Male auf und ab, sie wollte sich zur Ruhe zwingen, da sie sah, daß ihre heftigen Ausbrüche den festen Willen ihres Gatten nicht zu erschüttern vermochten. . . „Wohl," sagte sie endlich, stehen bleibend und tief Atem schöpfend, „wohl, so will ich mich denn mit wenigem begnügen und meine An sprüche geringer stellen. Stelle mich auf die Probe, du sollst sehen, daß ich das Übel be zwingen kann — o, nur nicht diese gräßliche Einsamkeit — sie ist für mich schlimmer, als der Tod!" „Estrella, nicht durch meine Schuld bist du einsam, du selbst hast dich zu diesem Leben verurteilt, meine innige Liebe sollte dir alles ersetzen, du hast sie verschmäht! Wie glücklich
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)